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Zur Sache, Schätzchen (May Spils, 1967)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Flimplakat "Zur Sache, Schätzchen" von May Spils. (Zur Verfügung gestellt von Konrad Hirsch, SCHAMONI FILM & MEDIEN GmbH)
Die Hauptdarstellerin Uschi Glas (Helga Ursula Glas, geb. 1944) während der Dreharbeiten. Als die Polizei Martin wegen Einbruchs verdächtigt, lenkt Barbara die ermittelnden Polizisten gekonnt durch einen Striptease ab. Währenddessen gelingt Martin die Flucht. (Zur Verfügung gestellt von Konrad Hirsch, SCHAMONI FILM & MEDIEN GmbH)
Martin erläutert Barbara in einer Münchner Trambahn die verschiedenen Stufen von Fummeln: "So, zum Beispiel [Martin berührt Barbara am Hals], das ist schwer gefummelt. Wenn ich es so mache [Martin legt Barbara die Hand um ihren Hals], das ist erst recht unheimlich gefummelt." Die Thematisierung dieses Verhaltens in "Zur Sache, Schätchen" trug zur Verbreitung des Begriffs "Fummeln" in Deutschland bei (vgl. Robert Sedlaczek/Christoph Windler, Das unanständige Lexikon: Tabuwörter der deutschen Sprache und ihre Herkunft, Innsbruck/Wien 2014). (Zur Verfügung gestellt von Konrad Hirsch, SCHAMONI FILM & MEDIEN GmbH)

von Maren Willkomm

Mit der Komödie "Zur Sache, Schätzchen" gelang der Regisseurin May Spils (eigtl. Maria-Elisabeth Maier-Spils, geb. 1941) 1968 ein überraschender Kinoerfolg. Der Film ist ein zeitgeschichtliches Portrait des Münchner Stadtteils Schwabing der 1960er Jahre und zählt zu den herausragenden Vertretern des "Neuen Deutschen Films" (auch: "Junger Deutscher Film"). Die Hauptrollen spielen Werner Enke (geb. 1941) und Uschi Glas (geb. 1944). Die im Film verwendete (Jugend-)Sprache, Ausdruck eines Lebensgefühls der Jugend der 1960er Jahre, fand Eingang in die deutsche Umgangs- und Alltagssprache.

Filminhalt

Martin (gespielt von Werner Enke, geb. 1941) ist ein verschlafener Taugenichts, der in den Tag hinein lebt. Ungebunden und freiheitsliebend verbringt er die meiste Zeit im Bett. Selbst als bei Nacht gegenüber seiner Wohnung eingebrochen wird, bleibt er tatenlos und kuckt nur zu. An seinem Geburtstag lässt er sich schweren Herzens von seinem Kumpel Henry (gespielt von Henry van Lyck, geb. 1941), der in Geldnot ist, überreden, mit durch den Münchner Stadtteil Schwabing zu ziehen. Martin soll als Slogan-Texter für Henry einen Auftrag erledigen. Die Freunde halten während der Tour ihre Mitmenschen sowie die Gesetzeshüter mit pseudophilosophischem Gerede zum Narren. "Es wird böse enden ..." ist Martins Devise. Bald wirbelt die Begegnung mit Barbara (gespielt von Uschi Glas, geb. 1944) - einer knackigen, frivolen und wohlbehüteten Tochter aus gut bürgerlichem Hause - im Freibad die Handlung auf. Ganz der Stenz, setzt Martin seinen Charme ein und überredet Barbara, sich mittreiben zu lassen. Damit ist die ménage à trois vollständig.

Der pseudo-kriminelle Konflikt – Martin hat eigentlich gar kein Verbrechen begangen, sondern nur zugesehen – und die Provokation mit der Polizei erreichen ihren Höhepunkt, als Martin zur Zeugenaussage bei der Polizei vorgeführt wird. Barbara lenkt die Ermittelnden mit einem Striptease ab und der Verdächtige kann fliehen. Als die Polizei ihn erneut stellt, wirbelt Martin mit einer ungeladenen Pistole herum und bekommt im Affekt einen Streifschuss von einem der Gesetzeshüter ab. Martins "Es wird böse enden" hat sich am Ende bewahrheitet, doch er versichert dem Polizisten, er habe "noch mal Schwein gehabt."

Regisseur und Darsteller

Der Darsteller und Mitautor Werner Enke verkörpert als Martin sein Alter Ego. Im wirklichen Leben war er – genau wie im Film – einer der "Gammlertypen" (aus SZ, 22. Juli 2011) aus Schwabing, die mit ihren pseudophilosophischen Sprüchen die Münchner Gesellschaft aufmischten. Ganz Lebenskünstler und Tagträumer, kam er zusammen mit Kultregisseur Klaus Lemke (geb. 1940) um das Jahr 1963 nach München. Autor Peter Fleischmann (geb. 1937) beschreibt in "Herbst der Gammler" von 1967 diese Art von jungen Aussteigern, die den Sommer auf der Straße ohne geregelte Arbeit verbrachten. Somit spielen Enke und sein realer Kumpel Henry van Lyck, alias Henry, in "Zur Sache, Schätzchen" einfach sich selber. Die erst 26-jährige Regisseurin May Spils (geb. 1941, eigentlich Maria-Elisabeth Maier-Spils) war mit beiden befreundet und hatte sie für ihren Erstlingsfilm im Vorfeld monatelang beobachtet. Spils war der Filmwelt erst aufgefallen, als zwei ihrer Werke beim Kurzfilmfest Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) ausgezeichnet wurden. Produzent Peter Schamoni (1934-2011), der mit "Alle Jahre wieder" zuvor den Bundesfilmpreis bekommen hatte, ließ sich von Jungregisseurin Spils überzeugen und finanzierte das Projekt mit dem vorläufigen Arbeitstitel "Die Gafler". Diese Wortkreation hatten sich Spils und Enke ausgedacht. Sie sollte ein Fantasieausdruck aus "Gammler" und "Fummler" sein (so Peter Schamoni im Interview mit Autor Achim Zeilmann [geb. 1968]).

Filmgeschichtlicher Zusammenhang

Aus filmhistorischer Sicht zeigt "Zur Sache Schätzchen" in einzigartiger Weise das damalige kulturelle Leben Schwabings. "Wie kaum ein anderer deutscher Film zeigt dieser das Lebensgefühl der Jugend Ende der 60er Jahre [...] das damalige Bild der Deutschen von München und insbesondere von Schwabing wurde durch ihn ebenfalls entscheidend mitgeprägt." (Ingo Tornow, München im Film, München 1995, 176). Nach den Schwabinger Krawallen (1962) wurden gesellschaftliche Werte wie Arbeit und Ordnung von immer mehr Leuten nicht mehr so ernst genommen, und sie fanden alternative Lebensweisen. Die Stadt zog unzählige junge Cinephile an, von denen einige bald als Filmschaffende das Oberhausener Manifest 1962 während der Pressekonferenz der 8. Westdeutschen Kurzfilmtage verfassten. Insgesamt 26 Filmemacher rechneten unter dem Slogan "Papas Kino ist tot" mit der altbackenen Filmbranche ab. Sie forderten eine radikale Erneuerung der westdeutschen Filmproduktion, wollten einen "Neuen Deutschen Film" (oder auch "Junger Deutscher Film", JDF) mit mehr Unabhängigkeit für die Filmemacher und schrieben somit Filmgeschichte. Darunter waren in der "Münchner Gruppe" Alexander Kluge (geb. 1932), Edgar Reitz (geb. 1932), Peter Schamoni (Produzent von "Zur Sache, Schätzchen") und später Klaus Lemke sowie Rudolf Thome (geb. 1939). Sie wollten sich zum reinen Unterhaltungsfilm abgrenzen und filmisch Gesellschaftskritik üben.

Mitten drin in der Münchner Szene war Spils, die als erste deutsche Regisseurin der Nachkriegszeit einen unterhaltsamen Autorenfilm schuf. Mit ihrem Kurzfilm "Manöver“ war sie selber schon 1966 zu Gast in Oberhausen und traf durch ihre visuell und dramaturgisch leichte Erzählform den Nerv der Zeit. Ganz im Stile der Nouvelle Vague drehte Spils auf der Straße und nicht im Studio. Parallelen zu Jean-Luc Godards (geb. 1930) "Außer Atem" mit Jean-Paul Belmondo (geb. 1933) aus dem Jahr 1960 (Originaltitel: "À bout de souffle") sind unübersehbar. Eigentlich wollte sie für "Zur Sache, Schätzchen“ den gleichen Showdown am Ende des Films, bei dem der Held niedergeschossen wird. Doch kurz nach Drehbeginn verstarb der Student Benno Ohnesorg (1940-1967) in Berlin in etwa so, wie es das Drehbuch vorgesehen hatte. Spils änderte die Handlung und ließ Martin am Ende nicht sterben. Mit ihrem Nachfolgefilm "Nicht fummeln, Liebling" (1970) blieb Spils ihrem Stil treu. Als weitere Beispiele des Jungen Deutschen Films sind zu nennen: "48 Stunden von Acapulco (1967)" von Klaus Lemke, "Jet Generation" (1968) von Eckhart Schmidt (geb. 1938) und "Jane erschießt John, weil er sie mit Ann betrügt" (1968) von Rudolf Thome.

Bayern- bzw. Münchenbezug

Die Regisseurin von "Zur Sache, Schätzchen, May Spils (eigtl. Maria-Elisabeth Maier-Spils, geb. 1941) während der Dreharbeiten im Münchner Ungererbad. (Zur Verfügung gestellt von Konrad Hirsch, SCHAMONI FILM & MEDIEN GmbH)
Helmut Brasch in einer Szene in "Zur Sache, Schätzchen". (Zur Verfügung gestellt von Konrad Hirsch, SCHAMONI FILM & MEDIEN GmbH)

"Zur Sache Schätzchen" spielt an einem Tag und zeigt im Schnelldurchlauf Münchens Stadtbild, genauer gesagt: die Wirklichkeit des Stadtteils Schwabing im Sommer 1967. "Mit kleinem Team arbeitet sich die Filmproduktion durch München. Die Drehorte werden von Tag zu Tag ausgesucht, [...] Hauptort der Handlung ist die Sackgasse quer zur Türkenstraße, die damals noch nicht verkehrsberuhigt war" (Zeilmann, Drehort München, 94). Das damalige Kino Türkendolch (ehemalige Türkenstraße 74) und die Eisdiele Adria (Türkenstraße 59) als Fixpunkte des Straßenzuges sind nicht zu übersehen. Eine der wichtigsten Sequenzen des Films sind sogar während des normalen Betriebes im Ungererbad gedreht. Die Leopoldstraße durfte natürlich als Schauplatz auch nicht fehlen, sie war damals Dreh- und Angelpunkt des jungen Münchens. Doch eigentlich spielen viele Szenen des Films nicht im vermeintlich dargestellten Schwabing, sondern "tatsächlich im Tierpark in Thalkirchen [...] oder am Eisbach auf der Höhe der Prinzregentenstraße" (Tobias Kniebe, in: SZ, 22.7.2011, R12). Die Darstellung des Flusssurfens im Film während einer Party war wohl die erste überhaupt in der deutschen Filmgeschichte. Regisseurin Spils lebte selber schon länger in München und kannte das urbane Umfeld gut. Sie und die anderen jungen Filmbegeisterten waren täglich im Kino, so auch im Türkendolch, und gingen alle regelmäßig in Schwabings Kneipen. "Zur Sache, Schätzchen" reflektiert das Stadtleben der "Münchner Gruppe" und transportiert die Lebensweise einer ganzen Generation. Insofern hatte und hat der Film ein Alleinstellungsmerkmal in der bayerischen Filmgeschichte.

Resonanz bei Publikum und Kritik

Am 4. Januar 1968 kam "Zur Sache, Schätzchen" ins Kino. Später zum Kultfilm avanciert, war "Zur Sache, Schätzchen" ein Überraschungshit an den Kinokassen und wurde auch von der Presse gefeiert. Als Low-Budget-Produktion schaffte es der Film auf Platz 12 der erfolgreichsten Filme des Jahres 1968. Spils präsentierte dem Publikum eine flotte Sommerkomödie, die Erstaunen und Amüsement bei den Zuschauern hervorbrachte. Der Slogan der Verleihwerbung, "Ein Film, der schnell zur Sache kommt" (Wolf/Kurowski, Münchner Film und Kino, 223-224), traf den damaligen Zeitgeist. Uschi Glas erhielt Liebesbriefe am laufenden Band. Für einen Großteil der Aufregung bei Publikum und Kritik "sorgte allein die Tatsache, dass auf dem Regiestuhl eine Frau saß. Und noch dazu eine hübsche" (Zeilmann, Drehort München, 93). Unvergesslich ist das berühmte Pressefoto von Regisseurin Spils am Set im Ungererbad, lediglich bekleidet mit Bikini und Revolver. Nach und nach gewann der Film durch Presseberichte und Mund-zu-Mund-Propaganda an Bekanntheit.

Noch einige Jahre nach der Premiere wurde der Film in manchen Kinos gezeigt. Korrekte Abrechnungen der Ticketverkäufe von damals liegen nicht vor. In der Ausgabe Nr. 6 vom Dezember 2016 der Zeitschrift "Filmnews Bayern", herausgegeben vom FilmFernsehFonds Bayern (FFF Bayern), werden rund 6,5 Mio. Kinobesucher genannt. Der Rummel um den Film war relativ kurzweilig, und wenige Jahre darauf rückte er in die Nostalgiesparte. Jahrzehnte später finden die Filme der Münchener Gruppe wenig Aufmerksamkeit in filmgeschichtlichen Büchern. Dennoch wirkt "Zur Sache, Schätzchen" bis in die Gegenwart auf die Deutsche Filmkomödie ein (z. B. "Männer" von Doris Dörrie [geb. 1955]) und ist ein Klassiker innerhalb des Genres.


Filmdaten
Typ Info/Name Lebensdaten
Produktionsort, -jahr Deutschland, 1967
Dreharbeiten 1967 in München
Länge 80 Min., s/w
Premiere 4.1.1968, München
Regie May Spils geb. 1941
Drehbuch May Spils
Werner Enke geb. 1941
Rüdiger Leberecht geb. 1941
Kamera Klaus König geb. 1935
Musik Kristian Schultze 1945-2011
Schnitt Ulrike Froehner
Produktionsfirma Peter Schamoni Filmproduktion, München
Produktion Peter Schamoni 1934-2011
Verleih Eckelkamp Verleihgesellschaft mbH, Düsseldorf
Besetzung
Name Lebensdaten, Info Rolle
Werner Enke geb. 1941 Martin
Uschi Glas geb. 1944, eigtl. Helga Ursula Glas Barbara
Henry van Lyck geb. 1941 als Rüdiger Leberecht Henry van Busch
Inge Marschall geb. 1943 Anita
Helmut Brasch 1912-1987 Viktor Block
Rainer Basedow geb. 1938 Wachhabender
Martin Lüttge 1943-2017 Dichter im Lift
Joachim Schneider Wachtmeister
Fritz Schuster Bettler
Johannes Buzalski 1918-1977 Spanner
Horst Pasderski Filmproduzent
Ursula Bode geb. 1922 Mutter im Zoo
Edith Volkmann 1920-1997 Hausmeisterin

Dokumente

Trailer zum Film "Zur Sache Schätzchen" (Zur Verfügung gestellt von Konrad Hirsch, SCHAMONI FILM & MEDIEN GmbH):

Literatur

  • Peter Czoik, Ehe, sexuelle Revolution und Frauenbewegung im deutschen Kinofilm der 68er, in: Peter Czoik/Nastasja S. Dresler (Hg.), 50 Jahre '68. "Blumenkinder" und "Revoluzzer" in Kunst, Literatur und Medien des 20. Jahrhunderts (Film-Medium-Diskus, Bd. 107), Würzburg 2020, 353-392.
  • Reinhold Keiner/Lisa Wawrzyniak, Zur Sache, Schätzchen. Inhaltsanalyse eines "Jungen Deutschen Films", Kassel 2011.
  • Tobias Kniebe, Eine flüchtige Idee, auf Film gebannt, Süddeutsche Zeitung vom 22. Juli 2011, R12.
  • Ingo Tornow, München im Film, München 1995.
  • Sylvia Wolf/Ulrich Kurowski, Das Münchner Film und Kino Buch, Ebersberg 1988.
  • Achim Zeilmann, Drehort München. Wo berühmte Filme entstanden, Berlin 2008.

Quellen

  • Horst Peter Koll u. a. (Begr. Klaus Brüne), Lexikon des internationalen Films, Reinbeck bei Hamburg 1995.


Externe Links

Weiterführende Recherche


Empfohlene Zitierweise

Maren Willkomm, Zur Sache, Schätzchen (May Spils, 1967), publiziert am 08.05.2017, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Zur_Sache,_Schätzchen_(May_Spils,_1967)> (19.04.2024)