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Young-Plan, 1929/30-1932

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Version vom 17. Oktober 2019, 09:08 Uhr von imported>Twolf
"58 Jahre Young-Plan". Titelblatt einer Hetzschrift von Gregor Straßer (1892-1934).
"Wer soll den Young-Plan bezahlen?" Titelblatt einer kommunistischen Broschüre.
"Der Talmud der Wirtschaft". Titelblatt einer antisemitischen Broschüre gegen den Young-Plan.

von Wolfgang Stäbler

Benannt nach dem Wirtschaftsberater Owen Young (1874-1962), löste der Young-Plan den Dawes-Plan von 1924 ab und regelte die deutschen Reparationszahlungen neu. Er trat im März 1930 rückwirkend zum 1. September 1929 in Kraft und wurde bereits im Juli 1932 wieder aufgehoben. Die Ende 1929 von NSDAP, DNVP und Stahlhelm initiierte Volksabstimmung gegen den Young-Plan scheiterte.

Zum Inhalt des Young-Plans

Im Juni 1929 legte ein in Paris tagender Ausschuss unter Leitung des amerikanischen Wirtschaftsexperten Owen Young (1874-1962) die von Deutschland zu leistenden Reparationen neu fest. Gegen Zusicherung einer bis 1988 angesetzten Zahlungsverpflichtung, die nicht zuletzt die NS-Propaganda unter dem Begriff "Zinsknechtschaft" aufgriff, versprachen die Alliierten u. a., das Rheinland (einschließlich der bayerischen Pfalz) zum 30. Juni 1930 vorzeitig zu räumen, die deutsche Souveränität wieder herzustellen und Reichsbahn und -bank aus ihrer Kontrolle zu entlassen. Der Young-Plan modifizierte den Dawes-Plan von 1924. Seine Gesetze wurden am 12. März 1930 im Reichstag verabschiedet und bereits im Juli 1932 im Zeichen der Weltwirtschaftskrise wieder aufgehoben.

Reaktion in Bayern

Während das rechte Lager von DNVP und NSDAP den langfristigen Reparationsplan ablehnte, dagegen Linke, Liberale und auch die außerbayerische Schwesterpartei Zentrum ihn als notwendiges Übel befürworteten, war die Haltung der stärksten bayerischen Regierungspartei BVP, die zugleich an der Reichsregierung unter Hermann Müller (1876-1931) beteiligt war, zum Young-Plan gespalten: Einerseits war mit der in Aussicht stehenden Räumung der Rheinpfalz ein wichtiges Ziel in Reichweite, andererseits erhob etwa Ministerpräsident Heinrich Held (1868-1938) die Forderung, gleichzeitig sei auch die Rückgabe des Saargebietes anzustreben. Zentraler Punkt der zunehmend ablehnenden Haltung der BVP war aber die Frage der Verteilung der finanziellen Lasten: Reichsfinanzminister Rudolf Hilferding (1877-1941) hatte in seinen ersten Deckungsvorschlägen eine Reform des Finanzausgleichs vertreten, welche die Beteiligung der Länder an der Einkommen- und Körperschaftsteuer um 15 %, die an der Umsatzsteuer um 5 % kürzen sollte. Gleichzeitig regte er an, die Biersteuer um 50 % zu erhöhen. Der BVP-Parteivorsitzende Fritz Schäffer (1888-1967) lehnte diese Pläne als für die Länder ruinöse "Werkzeuge unitaristischer Politik" ab.

Volksbegehren "Freiheitsgesetz" 1929

Probleme ergaben sich für die BVP auch innerhalb der bayerischen Regierung mit dem Koalitionspartner DNVP: Im Juli 1929 war ein „Reichsausschuss für das deutsche Volksbegehren“ unter Federführung von DNVP, Stahlhelm und NSDAP an die Öffentlichkeit getreten mit dem Ziel, eine Abstimmung über das Reparationsthema herbeizuführen. Gleichzeitig sollte damit die Reichsregierung unter Kanzler Müller (SPD) unter Druck gesetzt werden. Forderungen des Volksbegehrens "Gesetz gegen die Versklavung des Deutschen Volkes – Freiheitsgesetz" waren die förmliche Zurückweisung der deutschen Kriegsschuld nebst Aufhebung der entsprechenden Artikel des Versailler Vertrages, die sofortige Räumung der besetzten Gebiete und die Anklage aller Regierungsmitglieder wegen Landesverrats, die dennoch entsprechende Verträge ratifizieren würden. Als Einschreibungsfrist wurden der 16.-29. Oktober festgelegt. Die BVP rief wie die übrigen Parteien der Berliner Koalition ihre Anhänger auf, das Volksbegehren zu boykottieren, allerdings nicht aus grundsätzlichen Erwägungen. Schäffer erklärte, auch seine Partei sei gegen die "Kriegsschuldlüge" und die Unterdrückung Deutschlands. Der Zeitpunkt sei aber zu früh gewählt, "das Unrecht völlig zerreißen zu können".

Ergebnis der Volksabstimmung in Bayern

Der Boykottaufruf hatte Erfolg: In Bayern trugen sich lediglich 6,9 % der Wahlberechtigten in die Listen des Volksbegehrens ein, wobei die regionalen Schwankungen (Niederbayern 1,6 %, Oberfranken 18,0 %) entsprechend der jeweiligen Verankerung der zum Volksbegehren aufrufenden Organisationen ausfielen. In der Pfalz, die von den Vereinbarungen des Young-Planes unmittelbar betroffen war, stimmten 5,4 % für den Antrag der extremen Rechten.

Nachdem das Begehren auf Reichsebene mit 10,02 % nur um Haaresbreite das notwendige Quorum erzielt hatte, scheiterte der auf den 22. Dezember 1929 angesetzte Volksentscheid kläglich: Statt der erforderlichen 50 % der Wahlberechtigten votierten reichsweit nur 13,5 % dafür, in Bayern 11,0 %. Spitzenreiter war erneut Oberfranken mit 24,5 % Zustimmung. Die BVP hatte ihren Wählern zur Stimmenthaltung geraten.

Verhalten der BVP auf Reichsebene

Die von der bayerischen Regierung scharf zurückgewiesene Erhöhung der Biersteuer war zunächst im Reichstag zurückgestellt, ein Aufschub der Finanzreform erreicht worden. Doch zum Jahresende 1929 kamen Hilferdings Vorstellungen unter seinem Nachfolger Paul Moldenhauer (1876-1974) erneut und teils in verschärfter Form auf den Tisch. Die BVP vertrat nun als Koalitionär innerhalb der Reichsregierung ein Junktim zwischen Zustimmung zum Young-Plan und Lösung der strittigen Finanzfragen. Ein letzter Kompromissversuch scheiterte am 11. März 1930, da die BVP von ihren Koalitionspartnern schriftliche Garantien forderte. Ihre Fraktion enthielt sich in der folgenden zweiten Lesung der Young-Plan-Gesetze der Stimme, bei der dritten Lesung am 12. März stimmten 11 der 17 Abgeordneten dagegen. Nur ein BVP-Abgeordneter, der Pfälzer Michael Bayersdörfer (1867-1940), stimmte mit Ja. Am 27. März 1930 zerbrach die große Koalition. Mehrheitlich stimmte der Reichstag jedoch für den Plan, der rückwirkend zum 1. September 1929 in Kraft trat. Zum 1. Juli 1930 wurde das Rheinland (inklusive Pfalz) geräumt.

Literatur

  • Otmar Jung, Direkte Demokratie in der Weimarer Republik. Die Fälle "Aufwertung", "Fürstenenteignung", "Panzerkreuzerverbot" und "Youngplan", Frankfurt 1989.
  • Klaus Schönhoven, Die Bayerische Volkspartei 1924-1932 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 46), Düsseldorf 1972.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Wolfgang Stäbler, Young-Plan, 1929/30-1932, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Young-Plan,_1929/30-1932> (29.03.2024)