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Wirtschaftspolitik (Weimarer Republik): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Version vom 17. Oktober 2019, 10:40 Uhr

Wilhelm Ritter von Meinel war von 1922 bis 1927 Staatsminister für Handel, Industrie und Gewerbe. Zuvor war bereits von 1911-1919 Leiter der Handelsabteilung im Außenministerium. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-024503)
Fliegeraufnahme des Walchenseekraftwerks. Abb. aus: Das Bayernwerk und seine Kraftquellen, München 1930, 23. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 4530 v)
Der Flughafen am Münchner Oberwiesenfeld wurde ab 1925 errichtet. Er wurde 1939 durch den Flughafen Riem ersetzt. Foto von der Eröffnungsfeier 1931. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-022991)
In der Flugschrift "Die Vollsozialisierung Bayerns." klärte das Zentralwirtschaftsamt über den Begriff und die Pläne zu Sozialisierungsmaßnahmen auf. (Bayerische Staatsbibliothek,4 H.un.app. 219 t)

von Michael Unger

Trotz wachsender Bedeutung wirtschaftlicher und sozialer Fragen war für die bayerische Landespolitik der Weimarer Zeit die Wirtschaftspolitik nur von untergeordneter Bedeutung, da die Weimarer Reichsverfassung die Gestaltungsmöglichkeiten der Länder stark einengte. Zentrale Themen einer eigenständigen bayerischen Wirtschaftspolitik waren Sozialisierungsversuche 1919 und die Bemühungen in der Verkehrs- und Energiepolitik. Die Mittelstandsförderung krankte an nicht ausreichenden Mitteln. Die Pfalz und Ostbayern erfuhren besondere Unterstützung.

Grundlegendes

Nachdem der Staat schon im Ersten Weltkrieg im Rahmen der Wirtschaftslenkung in vorher unbekanntem Maße in das Wirtschaftsleben eingegriffen hatte, erhielten - bedingt durch die ökonomischen und sozialen Folgen des Ersten Weltkriegs - wirtschaftspolitische Fragen während der Weimarer Republik eine außerordentlich hohe Relevanz.

Im Rahmen der bayerischen Landespolitik verlor die Wirtschaftspolitik insbesondere unter der Regierung Heinrich Helds (1868-1938) jedoch zusehends an Gewicht. Angesichts der führenden Rolle des Reichs in wirtschaftspolitischen Angelegenheiten und einer gesellschaftlich wie politisch starken Agrarlobby wurde sie zusehends überlagert von Schwerpunkten in Kultur- und Finanzpolitik sowie der Föderalismusdebatte um das Verhältnis zwischen Reich und Ländern.

Derweil setzte sich in der bayerischen Wirtschaft ein längerfristiger Strukturwandel fort, infolgedessen die gewerbliche Wirtschaft den Agrarsektor endgültig überholte. Schwerpunkte bayerischer Wirtschaftspolitik lagen in der Mittelstandsförderung, der Verkehrs- und Energiepolitik sowie der regionalen Wirtschaftsförderung in der von Frankreich besetzten Pfalz und im Ostgrenzgebiet.

Verfassungsrechtliche und institutionelle Voraussetzungen

Die Weimarer Reichsverfassung bot trotz gewisser Beschränkungen den rechtlichen Rahmen für eine aktive Landeswirtschaftspolitik. Aufgrund der Kompetenz-Kompetenz des Reichs und dem Grundsatz "Reichsrecht bricht Landesrecht" konnten die Gestaltungsmöglichkeiten der bayerischen Staatsregierung aber jederzeit marginalisiert werden. Der jeweilige wirtschaftspolitische Handlungsspielraum hing demnach stark vom politischen Kräfteverhältnis zwischen Landes- und Reichsregierung ab und war daher im Allgemeinen recht begrenzt. Gegenüber eigenständigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen hatte eine gezielte Einflussnahme auf die Reichswirtschaftspolitik hohe Bedeutung.

In institutioneller Hinsicht war für Wirtschaftspolitik in Bayern zunächst das Staatsministerium des Äußern, ab dem 3. April 1919 das neu errichtete Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe zuständig. In der Regierung war dieses Ressort mit Vertretern kleinerer Koalitionsparteien bzw. mit einem parteilosen Fachminister besetzt. Sein Gewicht im Kabinett war daher verhältnismäßig gering. Nach der Auflösung des Handelsministeriums am 30. Juli 1928 nahm seine Aufgaben, wie bereits vor 1919, das Außenministerium wahr.

Sozialisierung und Gemeinwirtschaft

In der unmittelbaren Nachkriegszeit stand die wirtschaftspolitische Debatte unter dem Eindruck der Diskussion um eine Sozialisierung der Industrie. Befürworter der vom linken politischen Spektrum ausgehenden Forderungen fanden sich bis ins bürgerliche Lager. Unter dem Einfluss der von Kurt Eisner (1867-1919, USPD) berufenen Sozialisierungskommission und dem ersten Handelsminister Josef Simon (1865-1949, USPD) wurden sehr weitgehende Planungen eingeleitet. Zur Durchführung der Gemeinwirtschaft war ein im März 1919 eigens unter dem Wiener Soziologen und Nationalökonom Dr. Otto Neurath (1882-1945) errichtetes Zentralwirtschaftsamt geschaffen worden. Infolge des politischen Rechtsrucks nach der Niederschlagung der Räterepublik im Mai 1919 und unter dem Eindruck der Reichspolitik verschwand das Thema von der Tagesordnung.

Verkehrspolitik

Ein Grundproblem der bayerischen Wirtschaft war die ungünstige Verkehrslage des Landes. Nach dem Übergang der Eisenbahnen auf das Reich 1920 galten besondere Bemühungen einer entsprechenden Beeinflussung der Tarifpolitik der Reichsbahn und dem Ausbau des Streckennetzes. Eigene Schwerpunkte setzte die bayerische Regierung bei der Förderung des Luftverkehrs und des Rhein-Main-Donau-Wasserstraßenprojekts.

Industriepolitik

Die aktive, durch die Rüstungsanstrengungen befeuerte Industrialisierungspolitik des Ersten Weltkriegs erlahmte nach 1918 rasch. Angesichts einer starken Agrarlobby, insbesondere bei der konservativen BVP, beschränkte sich die unmittelbare Industrieförderung, von Ausnahmen abgesehen, auf mittlere und kleinere Betriebe. Ausgesprochen förderlich wirkten jedoch neben den Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur die Anstrengungen zum Ausbau der Wasserkräfte. Nach dem Kohlenmangel während der Kriegs- und Zwangswirtschaft konnte eine gezielt betriebene Energiepolitik die Nachteile der Revierferne der bayerischen Industrie zumindest teilweise auffangen (Bayernwerk AG).

Gewerbe- und Handwerkspolitik

Dem Schutz des Mittelstands schrieb die Weimarer Republik Verfassungsrang zu. Insbesondere der gewerbliche Mittelstand, also Handwerk und Kleinhandel, erfuhr nach dem Ersten Weltkrieg eine gezielte staatliche Förderung. Bayern setzte dabei besonders auf eine Verbesserung des organisatorischen Zusammenschlusses in Genossenschaften, Innungen und Handwerkerverbänden, auf gewerbliche Ausstellungen und auf die Förderung von Ausbildung, technischer Ausstattung und der Beteiligung bayerischer Betriebe an öffentlichen Aufträgen.

Während der Inflationszeit waren zahlreiche Betriebe ihres Vermögens beraubt worden und bedurften staatlicher Fördermittel. Da gleichzeitig die staatlichen Gewerbeförderungsfonds entwertet worden waren, sollten einzelne beschränkte Kreditaktionen zugunsten des gewerblichen Mittelstands Abhilfe schaffen. Mangels ausreichender eigener Haushaltsmittel bildete die Landesregierung regionale Schwerpunkte (Pfalzhilfe) und nahm seit Ende der 1920er Jahre verstärkt Reichsmittel in Anspruch (Saargrenzdarlehen, Osthilfe, Westgrenzfonds).

Handelspolitik

Außenhandelspolitischen Ansätzen der unmittelbaren Nachkriegszeit schob die Weimarer Reichsverfassung, die hierfür die alleinige Zuständigkeit des Reichs festlegte, einen Riegel vor. Seit der Wiederaufnahme internationaler Handelsvertragsverhandlungen versuchte die bayerische Regierung, durch die Beteiligung an deutschen Delegationen Einfluss auf die Vertragsabschlüsse zu nehmen. In der Regel waren dabei erhebliche Interessengegensätze zwischen Industrie und Landwirtschaft, deren Vertreter zumeist ausgesprochen protektionistisch argumentierten, auszugleichen.

Literatur

  • Heidegret Klöter, Der Anteil der Länder an der Wirtschaftspolitik der Weimarer Republik 1919-1933, Diss. Bonn 1967.
  • Hans Mauersberg, Bayerische Entwicklungspolitik 1818-1923. Die etatmäßigen bayerischen Industrie- und Kulturfonds (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 85), München 1987.
  • Gabriela Sperl, Wirtschaft und Staat in Bayern 1914-1924 (Schriften der Historischen Kommission zu Berlin 6), Berlin 1996.
  • Michael Unger, Das Bayerische Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe: Organisation, Geschäftsbereiche, archivalische Überlieferung, in: Archivalische Zeitschrift 87 (2005), 39-79.
  • Michael Unger, Das bayerische Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe. Organisation, Personal und Mittelstandspolitik des Wirtschaftsressorts 1919-1933 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 137), München 2009.
  • Michael Unger, Grundlagen und Perspektiven bayerischer Außenhandelspolitik in der Weimarer Republik, in: Rainald Becker u. a. (Hg.), Akteure - Beziehungen - Ideen. Bayerische Geschichte im interterritorialen Zusammenhang. Festgabe für Alois Schmid zum 65. Geburtstag, Kallmünz 2010, 409-442.
  • Josef Wysocki, Zwischen zwei Weltkriegen. Wirtschaftliche Probleme der Pfalz 1918-1939, in: Beiträge zur pfälzischen Wirtschaftsgeschichte (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer 58), Speyer 1968, 255-294.

Weiterführende Recherche

Verwandte Artikel

Empfohlene Zitierweise

Michael Unger, Wirtschaftspolitik (Weimarer Republik), publiziert am 06.06.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wirtschaftspolitik_(Weimarer_Republik)> (18.04.2024)