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Verfassung des Freistaates Bayern (1946)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Konstituierende Sitzung des Beratenden Landesausschusses (Vorparlament) am 26. Februar 1946 in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität in München. (Bildarchiv Bayerischer Landtag)

von Alexander Wegmaier

Die Verfassung des Freistaates Bayern (BV) wurde am 1. Dezember 1946 in einer Volksabstimmung angenommen und trat am 8. Dezember 1946 in Kraft. Mit ihr wurde die demokratische Neuordnung und staatliche Neukonstitution Bayerns nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft vollzogen. Die Erarbeitung der Verfassung war, aufbauend auf einem Entwurf Wilhelm Hoegners (SPD, 1887–1980, Ministerpräsident 1945–1946, 1954–1957), im Wesentlichen ein Konsenswerk der beiden großen Parteien, der Christlich-Sozialen Union (CSU) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Als Vollverfassung enthält sie nicht nur Regeln zur Staatsorganisation, sondern auch ein Grundrechtsschutzsystem und Staatsfundamentalnormen. Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes (GG) und der fortschreitenden europäischen Integration büßte die Bayerische Verfassung an Wirkungskraft ein.

Die Entstehung der Verfassung

Das staatsrechtliche Umfeld

Mit der Kapitulation der Heeresgruppe G am 6. Mai 1945 endeten in Bayern der Zweite Weltkrieg und die NS-Herrschaft. Am 5. Juni übernahmen die alliierten Siegermächte offiziell die "oberste Regierungsgewalt" in Deutschland. Die US-Militärregierung hatte bereits am 28. Mai 1945 mit Friedrich Schäffer (BVP, CSU, 1888–1967, Ministerpräsident 1945) einen "Temporary Minister-Präsident for Bavaria" als weisungsgebundenen Leiter "der Zivilverwaltung in Bayern" eingesetzt. Mit der Proklamation Nr. 2 vom 19. September 1945 gründete die US-Militärregierung Groß-Hessen, Württemberg-Baden und Bayern als "Verwaltungsgebiete […], die von jetzt ab als Staaten bezeichnet werden". Sie erhielten unter dem Vorbehalt der Befugnisse der Militärregierung die "volle gesetzgebende, richterliche und vollziehende Gewalt".

Proklamation Nr. 2: Am 19. September 1946 verkündete der Oberkommandierende der US-Streitkräfte, General Dwight D. Eisenhower (1890-1969, US-Präsident 1953-1961), die Errichtung der "Staaten" Großhessen, Württemberg-Baden und Bayern. (Landesarchiv Baden-Württemberg, J 151 Nr. 2647)

Gleichzeitig blieb der staats- und völkerrechtliche Fortbestand des Reiches unklar. Vor allem in Bayern wurde die These vertreten, das Reich sei untergegangen und die Länder seien damit zu Trägern der unumschränkten Staatshoheit geworden. Abgesehen von der Tatsache, dass die überwiegende Zahl der Staatsrechtler von einem Fortbestand ausging, schuf auch die US-Militärregierung am 17. Oktober 1945 mit dem Länderrat ein Gremium, das zoneneinheitliche Regelungen sicherstellen sollte und damit die Kompetenzen der Länder bereits beeinträchtigte.

Der Prozess der Verfassunggebung

US-amerikanische Initiative

Der stellvertretende US-Militärgouverneur in Deutschland, Lucius D. Clay (1898–1978), verfolgte die Absicht, möglichst schnell wieder demokratische Strukturen in Deutschland aufzubauen: Ab August 1945 wurden politische Parteien zugelassen, die Wahlen auf kommunaler Ebene wurden für die erste Jahreshälfte 1946 festgesetzt.

Auf Veranlassung Clays beauftragte die US-Militärregierung in Bayern Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD, 1887–1980, Ministerpräsident 1945–1946, 1954–1957) am 8. Februar 1946 damit, die Verfassungsgebung mit einem engen Zeitplan in Gang zu setzen: Bis zum 20. Mai sollte eine Fachkommission Vorschläge und Unterlagen für eine Verfassunggebende Versammlung zusammenstellen, im Anschluss daran die Wahl dieser Versammlung erfolgen, bis 15. September ein fertiger Verfassungsentwurf erarbeitet sein und am 3. November gemeinsam mit der Wahl des ersten Landtags eine Volksabstimmung über die Verfassung erfolgen.

Neben Widerständen gegen Clays Kurs in der US-Militärregierung war auch die Mehrzahl der bayerischen und deutschen Politiker skeptisch über den Erfolg einer so frühen Demokratisierung. An eine rasche Verfassungsgebung dachte nicht zuletzt angesichts der vielfältigen materiellen Nachkriegsprobleme kaum jemand.

Mit seiner Initiative beabsichtigte Clay einerseits, zügig wieder eine demokratisch legitimierte Ordnung einzuführen, um damit nicht zuletzt auch die hohen Kosten der Militärverwaltung rasch senken zu können. Andererseits sollte gegen die zentralistischen Bestrebungen der alliierten Partner auch der von den USA gewünschte föderalistische Aufbau des künftigen deutschen Staatswesens vorgezeichnet werden.

Vorbereitender Verfassungsausschuss

Nachdem Ministerpräsident Hoegner schon um die Jahreswende 1945/46 inoffiziell über die Pläne Clays informiert worden war, ging er rasch an die Umsetzung: In den Vorbereitenden Verfassungsausschuss, dessen Vorsitz er selbst übernahm, berief er Innenminister Josef Seifried (SPD, 1892–1962, Innenminister 1946–1947), Arbeitsminister Albert Roßhaupter (SPD, 1878–1949, Arbeits- und Sozialminister 1945–1947), Sonderminister Heinrich Schmitt (KPD, SPD, 1895–1951, Sonderminister 1945–1946), Justizstaatssekretär Hans Ehard (CSU, 1887–1980), Staatskanzleileiter Anton Pfeiffer (BVP, CSU, 1888–1957), den Münchner Oberbürgermeister Karl Scharnagl (BVP, CSU, 1881–1963, Münchner Oberbürgermeister 1925–1933, 1945–1948) und dessen Stellvertreter Thomas Wimmer (SPD, 1887–1964, Münchner Oberbürgermeister 1948–1960) sowie den Staatsrechtsprofessor Hans Nawiasky (1880–1961), der schon für die sog. Bamberger Verfassung von 1919 den einschlägigen Kommentar verfasst und mit dem sich Hoegner im gemeinsamen Schweizer Exil über eine künftige bayerische Verfassung ausgetauscht hatte.

Bereits zur konstituierenden Sitzung legte Hoegner einen vollständigen "Vorentwurf der Verfassung des Volksstaates Bayern" vor, der vor allem an der Weimarer Reichsverfassung, der Bamberger Verfassung und der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Anleihen nahm. Mit diesem Schritt legte Hoegner den Arbeitsauftrag der Militärregierung an den Vorbereitenden Ausschuss und seine eigene Rolle darin nicht nur sehr weit aus. Er zeichnete zudem die inhaltlichen Bahnen für die nachfolgende Verfassungsdiskussion vor. In den 14 Sitzungen des Ausschusses wurde der Entwurf vor allem unter dem Einfluss von Hans Nawiasky in manchen Teilen modifiziert (feste Amtsdauer des Ministerpräsidenten anstatt Abberufungsmöglichkeit durch Misstrauensvotum, Sperrklausel von 10 % beim Wahlrecht) oder bei strittigen Fragen mit Alternativvorschlägen (Staatspräsident, Zweite Kammer) versehen. Am 3. Mai beendete der Ausschuss seine Arbeit und Hoegner leitete die Unterlagen der US-Militärregierung zu.

Am 26. Februar 1946 wurde die erste Sitzung des Beratenden Landesausschusses in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität in München eröffnet. Dem Ausschuss gehörten 130 Mitglieder an, die von Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD, 1887-1980, Ministerpräsident 1945-1946, 1954-1957) berufen wurden. Der Landesausschuss hatte lediglich beratende Funktion. (Haus der Bayerischen Geschichte, Bayerisches Pressebild, bp-0096.3.3)

Verfassunggebende Landesversammlung

Am 15. Juli 1946 wurde die erste Sitzung der Verfassunggebenden Landesversammlung in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität in München eröffnet. Die Landesversammlung war die erste demokratisch legitimierte Volksvertretung in Bayern seit 1932. (Haus der Bayerischen Geschichte, Bayerisches Pressebild, bp-0494.1.6)

Die Wahl zur Verfassunggebenden Landesversammlung (180 Sitze) am 30. Juni 1946 brachte folgendes Ergebnis:

Die Landesversammlung konstituierte sich am 15. Juli in der Großen Aula der Universität München und wählte einen Verfassungsausschuss mit 21 Mitgliedern, in dem die eigentlichen Beratungen stattfanden. Viele Mitglieder des Vorbereitenden Verfassungsausschusses waren nun auch im Verfassungsausschuss vertreten und setzten dort ihre von Sachlichkeit und Konsensorientierung geprägte Arbeit fort. Die CSU setzte ihre absolute Mehrheit nur selten als Druckmittel ein: Zum einen war die junge Partei programmatisch noch wenig gefestigt und daher ohne eigenen Verfassungsentwurf in die Wahl gegangen. Zum anderen waren sich CSU und SPD einig, dass eine stabile und breit akzeptierte Nachkriegsordnung nur im gemeinsamen Konsens zu erreichen war.

Die inhaltliche Arbeit war einerseits erneut von Hoegners modifiziertem Entwurf und der Sachkenntnis des Beraters Nawiasky geprägt. In Konfliktfällen waren es andererseits für die SPD Hoegner und für die CSU der Fraktionsvorsitzende Alois Hundhammer (BVP, CSU, 1900–1974), Ausschuss-Schriftführer Hans Ehard und Landesversammlungs-Präsident Michael Horlacher (BVP, CSU, 1888–1957), die in informellen Gesprächen Kompromissformeln abstimmten und damit den Gang der Verhandlungen bestimmten. Mit Ausnahme des Konflikts um die Einführung eines Staatspräsidenten konnten so alle Fragen einvernehmlich geklärt und dem Plenum zur Zustimmung vorgeschlagen werden. Die Vertreter der kleineren Parteien, die in vielen entscheidenden Punkten konträre Positionen zu CSU und SPD einnahmen, konnten keine großen Akzente setzen.

Die Rolle der US-Militärregierung

Clay legte zwar einerseits Wert darauf, dass die Verfassungsgebung als selbstbestimmter Prozess in freiheitlicher Atmosphäre wahrgenommen wurde. Andererseits hatte sich die Militärregierung die Genehmigung der Verfassung vorbehalten und nahm auch während der Beratungen Einfluss auf verschiedene Bestimmungen. Verbindungsoffizier bei der Verfassunggebenden Versammlung war der Politikwissenschaftler Roger H. Wells (1894–1994), der Änderungswünsche der US-Militärregierung zumeist diskret in Hintergrundgesprächen einbrachte.

Inhaltlicher Kern der meisten Einwände war die Sorge, verschiedene Bestimmungen könnten dem demokratischen Neuaufbau entgegenstehen: Auf amerikanische Intervention hin wurden z. B. die Rechte des ursprünglich geplanten Staatspräsidenten eingeschränkt, die Wahl der Senatoren nach demokratischen Grundsätzen ergänzt, die Ausübung staatlicher Hoheitsrechte durch Selbstverwaltungskörperschaften ausgeschlossen sowie eine Verpflichtung der Presse zur sachlichen Berichterstattung aus Sorge vor möglicher Zensur gestrichen.

Eine zweite Stoßrichtung war deutschlandpolitisch motiviert und sollte jeden Ansatz von bayerischem Separatismus verhindern: Die Artikel, die eine bayerische Staatsangehörigkeit einführten (Art. 6) sowie den Beitritt zu einem künftigen deutschen Bundesstaat der freien Entscheidung Bayerns offenhalten wollten (Art. 178), blieben zwar im Verfassungstext. Einem lediglich fakultativen Beitritt Bayerns zum deutschen Staatswesen wurde aber im Genehmigungsschreiben des Militärgouverneurs ein klarer Riegel vorgeschoben. Die Militärregierung verhinderte auch ein späteres Ausführungsgesetz zur Staatsangehörigkeit, das Flüchtlinge und Einwohner anderer deutscher Länder hätte diskriminieren können.

Beschluss, Genehmigung und Inkrafttreten

Mit seinem Schreiben vom 24. Oktober 1946 erteilte Militärgouverneur Clay dem Verfassungsentwurf seine Genehmigung. Die Verfassunggebende Landesversammlung beschloss den Entwurf am 26. Oktober mit 136:14 Stimmen. CSU und SPD stimmten zu, die kleinen Parteien lehnten die Verfassung ab, weil sie sich aus ihrer Sicht zu schwach zur staatlichen Einheit Gesamtdeutschlands bekannte (FDP, KPD) bzw. die direkte Demokratie zu gering verankert war (WAV).

Am 1. Dezember 1946 erfolgte mit der Wahl zum ersten Landtag die Volksabstimmung über die neue Verfassung. Bei einer Wahlbeteiligung von 75,7 % wurde sie mit 70,6 % der Stimmen angenommen. Am 2. Dezember erfolgte die Ausfertigung durch Ministerpräsident Hoegner. Am 8. Dezember 1946 trat die Verfassung mit ihrer Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt in Kraft. Die Originalausfertigung der Verfassung ist seit 1947 verschollen.

Die Verfassung als überparteiliches Konsensprodukt

Trotz einzelner Kontroversen erarbeiteten v. a. CSU und SPD einen Verfassungstext, der breite Akzeptanz in der Gesellschaft finden sollte. Gemeinsam war allen Parteien der Wille, aus den Schwächen der Weimarer Verfassung zu lernen und eine stabile Demokratie zu etablieren. Durch die gemeinsam erlittene Verfolgung zentraler Akteure von CSU und SPD in der NS-Zeit verloren auch die früheren ideologischen Gräben zwischen den Parteien an Bedeutung. In vielen Punkten gab es zudem programmatische Überschneidungen zwischen der dominierenden CSU insgesamt oder einzelner ihrer Flügel (bäuerlich, christsozial-gewerkschaftlich, föderalistisch-konservativ, liberal) mit den anderen Parteien. Der gemeinsame Wille zur schnellen Emanzipation von der US-amerikanischen Besatzungsherrschaft tat ein Übriges, um manche Einigung zu erleichtern.

Vollverfassung

Eine bloße Revision der Bamberger Verfassung, die in der NS-Zeit faktisch außer Kraft gesetzt, jedoch formell nie aufgehoben wurde, stand zu keinem Zeitpunkt zur Debatte. Schon bei der Konstituierung des Vorbereitenden Ausschusses stellte Hoegner fest, dass man eine Vollverfassung erarbeiten müsse. Im Gegensatz zur Bamberger Verfassung gab es keine Reichsverfassung, auf die Bezug genommen werden konnte oder die materielle Beschränkungen vorgab: Weder war die Kompetenzverteilung zwischen einer Zentralgewalt und den Ländern geregelt noch galt ein Grundrechtskatalog oder eine Wirtschaftsverfassung. All diese Bereiche mussten deshalb in die neue Verfassung aufgenommen werden, verloren aber mit Inkrafttreten des Grundgesetzes (GG) rasch an materieller Bedeutung.

Ihrem Anspruch und Inhalt nach enthält die Verfassung daher nicht nur ein Statut zur Regelung der Staatsorganisation, sondern formuliert ein eigenes Grundrechtsschutzsystem und Staatsfundamentalnormen (Strukturprinzipien, Staatsziele und Programmsätze).

Staatlichkeitsanspruch

Während die CSU die föderalistische Tradition der BVP fortführte, näherte sich die bayerische SPD erst unter dem Einfluss Hoegners der Betonung bayerischer Staatlichkeit. Hoegner selbst war in der Weimarer Zeit noch für mehr Zentralismus eingetreten. Erst in seinem Schweizer Exil wandelte er sich unter dem Eindruck der dortigen Staatsverfassung zu einem überzeugten Föderalisten. Als Ministerpräsident und erster SPD-Landesvorsitzender prägte er die sozialdemokratische Position in der Verfassungsdebatte auch gegen manche zentralistischere Haltung in der SPD.

Die Staatlichkeit Bayerns betonte bereits der Hoegner-Entwurf, der eine eigene bayerische Staatsbürgerschaft vorsah. Ergänzend dazu einigte sich der Vorbereitende Ausschuss, konsequent von "Staat" statt von "Land" zu sprechen (z. B. Staatsregierung statt Landesregierung) und, gleichsam als Auftakt der Verfassung, in Art. 1 den Begriff "Republik" durch "Freistaat" zu ersetzen. Die Aufnahme der Staatssymbole war in den Beratungen ebenso unstrittig wie die Definition Bayerns als Volks-, Kultur- und Sozialstaat (Art. 1-3). Mit Normen zu Staatsgewalt (Art. 2 und 4), Staatsvolk (Art. 6) und Staatsgebiet (Art. 9 und 185) sind alle drei Elemente des klassischen Staatsbegriffs enthalten. Während der Beratungen im Verfassungsausschuss fand schließlich auch der Hinweis auf die "mehr als tausendjährige Geschichte" und damit eine historische Legitimation der bayerischen Staatlichkeit Eingang in die Präambel der Verfassung.

Lediglich zwei, jedoch bedeutende Fragen aus dem Komplex der Staatlichkeit waren während der Beratungen besonders umstritten: Die Staatspräsidentenfrage und das Verhältnis zu einer künftigen deutschen Zentralgewalt. Ein eigener bayerischer Staatspräsident war ein Programmpunkt, den bereits die BVP während der 1920er Jahre immer wieder forderte. Nun griff vor allem der "Hundhammer-Flügel" der CSU diese Forderung wieder auf, um nach außen einen sichtbaren Repräsentanten der bayerischen Staatlichkeit und nach innen einen Stabilisierungsfaktor in Krisenzeiten zu schaffen. Die kleinen Parteien, weite Teile der SPD, aber auch der "Müller-Flügel" der CSU lehnten den Staatspräsidenten ab: Sie wandten sich gegen eine Schwächung der parlamentarischen Demokratie wie in Weimar, befürchteten aber ebenso, dass das Amt als Vehikel zur Restauration der Monarchie und damit zusammenhängend zur Beförderung eines bayerischen Separatismus dienen sollte. Bei der CSU trat der parteiinterne Konflikt zwischen Hundhammer- und Müller-Flügel hinzu, der aus der Sach- auch eine Machtfrage machte.

Als Föderalist hatte auch Hoegner Sympathie für das Amt. Er erarbeitete mit Ehard und Horlacher einen Entwurf, der die inneren Rechte des Staatspräsidenten deutlich einschränkte, damit das Amt auch für Teile der SPD als Teil einer großen Kompromisslösung zu Wahlrecht, Schul- und Wirtschaftsverfassung tragbar wäre. Während KPD, WAV und FDP bei ihrer Ablehnung blieben, verlief die Front in der Abstimmung im Plenum quer durch CSU und SPD: Mit 85:84 Stimmen bei vier Enthaltungen wurde die Einführung des Staatspräsidenten schließlich abgelehnt.

Die Sorge vor einem separatistischen Charakter des Staatspräsidentenamtes betraf zudem das Verhältnis Bayerns zu einer künftigen deutschen Zentralgewalt. Während die US-Militärregierung gegen das Amt an sich nichts einzuwenden hatte, zeigte sich in anderen Fragen des künftigen Verhältnisses Bayerns zu Deutschland die stärksten Interventionen der Besatzungsmacht. CSU und SPD waren einig darin, dass der staatliche Neuaufbau Deutschlands nur unter föderalen Vorzeichen erfolgen konnte. Vor allem KPD und FDP bezogen dagegen in den Beratungen deutlich reichsfreundlichere bzw. zentralistischere Positionen und begründeten mit dem aus ihrer Sicht fehlenden Bekenntnis zur deutschen Einheit auch ihre Ablehnung der Verfassung in der Schlussabstimmung.

Clay hatte für die Besatzungsmacht von vornherein klargestellt, keine Bestimmungen in der Verfassung zu akzeptieren, die "prejudicial to the future structure of the Reich" wären. Am 4. Juni forderte er weitergehend, die Verfassung müsste die Übertragung aller notwendiger Hoheitsbefugnisse der Länder auf eine künftige Zentralinstanz ermöglichen. Der Vorbereitende Ausschuss trug dem mit einem zusätzlichen Artikel (180) Rechnung, der Kompetenzübertragungen in der Außen-, Wirtschafts-, Währungs- und Verkehrspolitik ermöglichte. Der spätere Artikel 178 schließlich stellte den Beitritt Bayerns zu einem künftigen deutschen Bundesstaat unter die beiden Bedingungen, dass der Zusammenschluss freiwillig erfolge und das staatsrechtliche Eigenleben der Länder zu sichern sei. Obgleich mit dem Genehmigungsschreiben Clays faktisch unwirksam, blieb dieser Artikel doch deutlicher Ausdruck des starken eigenstaatlichen Selbstverständnisses.

Staatsorganisation: Repräsentative Demokratie mit einem starken Ministerpräsidenten

Die Neugestaltung des Staatsaufbaus war vom Bestreben gekennzeichnet, eine stabile und handlungsfähige Demokratie aufzubauen.

Das Amt des Ministerpräsidenten (Art. 44–47) erhielt von Anfang an eine wesentlich höhere Bedeutung als in der Bamberger Verfassung. Ihm wurde die Ernennung der Staatsregierung und die Richtlinienkompetenz zugewiesen. Bereits der Vorbereitende Ausschuss ersetzte zudem auf Vorschlag Nawiaskys das von Hoegner vorgesehene Misstrauensvotum durch eine feste Amtszeit des Ministerpräsidenten, um den in Weimar erlebten häufigen Wechsel der Regierung zu verhindern. Nach dem Scheitern des Staatspräsidentenamtes erhielt der Ministerpräsident zudem die Aufgabe, Bayern nach außen zu vertreten, und damit alle wesentlichen Rechte eines starken Staats- und Regierungschefs.

Der Landtag wurde mit den Legislativ-, Wahl- und Kontrollfunktionen eines modernen Parlaments ausgestattet (Art. 13–33). Ergänzend wurden plebiszitäre Elemente aufgenommen: Die Möglichkeit zur Gesetzgebung (Art. 74) und zur vorzeitigen Auflösung des Landtags (Art. 18) durch Volksbegehren/Volksentscheid sowie die Notwendigkeit, Verfassungsänderungen durch Volksentscheid zu bestätigen (Art. 75). Größere Debatten gab es lediglich um das Wahlsystem: Während die CSU das Mehrheitswahlrecht befürwortete und damit nicht zuletzt die eigene politische Dominanz sichern wollte, plädierten die anderen Parteien für das seit 1919 bestehende Verhältniswahlrecht. Sowohl im Vorbereitenden Ausschuss als auch im Verfassungsausschuss einigten sich CSU und SPD schließlich nach kontroversen Debatten auf ein "verbessertes Verhältniswahlrecht", das die Mandate hälftig auf Einmannstimmkreise und Listenmandate aufteilte. Im Gegenzug dazu setzte die CSU eine Sperrklausel von 10 % durch, die eine Partei in mindestens einem Regierungsbezirk überspringen musste, um in den Landtag einzuziehen.

Zusammen mit dem Staatspräsidentenamt wurde auch die weitere offene institutionelle Frage einer zweiten Kammer vom Vorbereitenden Ausschuss offengelassen. Die CSU forderte eine berufsständisch zusammengesetzte Kammer als Stabilisierungsfaktor gegenüber dem parteipolitisch zusammengesetzten Landtag. Für die anderen Parteien dagegen war eine zweite Kammer nicht mit dem Prinzip der Volkssouveränität, das sich im Landtag verwirklichte, vereinbar. Im Verfassungsausschuss einigten sich CSU und SPD im Rahmen eines größeren Kompromisspakets, das auch Bekenntnisschule und Wahlrecht umfasste, auf eine als "Senat" bezeichnete zweite Kammer. Sie sollte aus Vertretern der wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und kommunalen Körperschaften zusammengesetzt sein, aber lediglich gutachterlich am Gesetzgebungsprozess teilhaben (Art. 34–42).

Wertewelt: Christsozial-sozialdemokratischer Konsens

Der Konsens- und Kompromisscharakter der Verfassung kommt am deutlichsten darin zum Ausdruck, dass sowohl die christsoziale als auch die sozialdemokratische Wertewelt ihren Platz fand.

Der CSU gelang es, das christliche Staats- und Gesellschaftsbild in der Verfassung zu verankern. Bereits die von Lorenz Krapp (CSU, 1882–1947) formulierte Präambel distanziert sich von der nationalsozialistischen "Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott". Artikel 2 formuliert bewusst, das Volk sei "Träger der Staatsgewalt", um der christlichen Staatsphilosophie nicht zu widersprechen, wonach alle Staatsgewalt ihren Ursprung in Gott habe. Die Feststellungen, Ehe und Familie seien die "natürliche und sittliche Grundlage der menschlichen Gemeinschaft" (Art. 124) und die Gemeinden die "ursprüngliche[n] Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts" (Art. 11) verweisen auf das christlich geprägte Naturrecht und das katholische Subsidiaritätsprinzip.

Am deutlichsten fand sich die weltanschauliche Handschrift der CSU jedoch in den Schulartikeln (Art. 128–141). Nicht nur wurde die "Ehrfurcht vor Gott" an die Spitze der Bildungsziele gestellt, sondern auch die konfessionell definierte Bekenntnisschule als Regelschule festgeschrieben und damit die von den Nationalsozialisten 1938 durchgesetzte Gemeinschaftsschule wieder abgeschafft. Bereits Hoegners Verfassungsentwurf hatte entgegen der sozialdemokratischen Programmatik den Vorrang der Bekenntnisschule enthalten, um keinen Schulkampf mit der CSU und den Kirchen zu provozieren.

Konnte die CSU den Hauptteil "Gemeinschaftsleben" entscheidend prägen, so war der Hauptteil "Wirtschaft und Arbeit" im Wesentlichen ein Erfolg der Sozialdemokratie. Hoegner hatte in seinem Entwurf Artikel zur Planwirtschaft und Sozialisierung vorgesehen, inhaltlich aber keine marxistische Staatswirtschaft, sondern "ein vom Genossenschaftsgedanken ausgehendes Konzept eines maßvoll steuernd in den Wirtschaftsprozess eingreifenden Staates" (Gelberg) entwickelt. Dies fand grundsätzlich auch im Bauernflügel und unter den christlich-sozialen Gewerkschaftern der CSU Zustimmung, die stark von der Gemeinwohlorientierung der katholischen Soziallehre geprägt waren.

Hatte der Entwurf die Vorberatung noch ohne Diskussion passiert, wurden einige Inhalte im Verlauf der Verfassungsberatungen auf Drängen der US-Militärregierung und des Wirtschaftsflügels der CSU deutlich abgeschwächt: Aus der Planwirtschaft wurde in Art. 152 eine staatliche Überwachung der "geordneten Herstellung und Verteilung" der Güter, im Art. 160 wurde die Sozialisierung von Banken und Versicherungen zu einer Kann-Bestimmung mit Entschädigungspflicht abgemildert. Dennoch blieb der Abschnitt mit den weiteren, weitgehend appellatorischen Artikeln zum Recht auf Arbeit, angemessenen Lohn und Mitbestimmung ein deutlicher Erfolg der Sozialdemokraten.

Mit ihrem wertgebundenen Anspruch enthält die Bayerische Verfassung auch zwei Bestimmungen, das Volk zur Verfassung zu erziehen. Artikel 131, Absatz 3 bestimmt: "Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen." Artikel 188 schreibt vor, jedem Schüler ein Druckexemplar der Verfassung auszuhändigen.

Grundrechtskatalog, Programmsätze und Verfassungsgerichtsbarkeit

Die Bamberger Verfassung hatte nur einen schmalen Grundrechtekatalog, da die seinerzeit bereits beschlossene Reichsverfassung die Grundrechte beinhaltete. Hoegners Verfassungsentwurf enthielt dagegen aufbauend auf dem Weimarer Vorbild einen umfangreichen Katalog klassischer Grundrechte (Art. 98–123). Auf Drängen der Militärregierung wurden zudem Formulierungen eingefügt, die eine Einschränkung dieser Grundrechte an strenge Verfassungsvorgaben banden.

Neben den klassischen Grundrechten wurden v. a. im dritten und vierten Hauptteil zahlreiche Programmsätze aufgenommen, die der Gesellschaft Orientierung geben sollten, allerdings in der späteren Verfassungspraxis "nur einen extrem niedrigen Wirkungsgrad entfalten" konnten (Zacher).

Auf Initiative Ehards schuf der Verfassungsausschuss einen eigenen Abschnitt zum Verfassungsgerichtshof (Art. 60–69), der in seinen Grundzügen bereits in der Bamberger Verfassung angelegt war. Er erhielt neben der Funktion als Staatsgerichtshof (Anklagen gegen Mitglieder der Staatsregierung und des Landtags, Ausschluss von Wählergruppen von der Wahl, Gültigkeit der Wahl und Organstreitigkeiten) auch die Normenkontrolle übertragen. Auf Wunsch der Militärregierung wurde den Bürgern neben der Möglichkeit zur (individuellen) Verfassungsbeschwerde zusätzlich die Möglichkeit zur abstrakten Normenkontrolle eröffnet: Die sog. Popularklage ermöglichte es jedermann, auch ohne persönliche Betroffenheit Klage vor dem Verfassungsgerichtshof einzulegen, wenn seiner Meinung nach staatliches Handeln ein Grundrecht unzulässig eingeschränkt.

Als weitere Eigenheit hatte Hoegners Entwurf bereits neben Grundrechten auch Grundpflichten der Bürger enthalten. Dazu gehörten eine allgemeine "Treuepflicht gegenüber Volk und Verfassung, Staat und Gesetzen" (Art. 117), die Steuerpflicht, die Pflicht zur Übernahme von Ehrenämtern sowie zur gegenseitigen Hilfe in Notfällen.

Größere Bekanntheit erlangte zudem der "Schwammerlparagraph" (Art. 141), der auf das Schweizer Zivilrecht zurückgeht und im Kontext des bereits 1946 aufgenommenen Naturschutzes den "Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur" als Jedermannsrecht verankerte.

Die Entwicklung der Verfassung

Die Überlagerung der Bayerischen Verfassung durch Grundgesetz und Europäische Verträge

Die Konzeption als Vollverfassung hatte nur wenige Jahre Relevanz, bevor die Bayerische Verfassung zunehmend durch andere Ordnungs- und Regelungsregime überlagert wurde. Bereits das Besatzungsrecht und auch Länderratsgesetze gingen dem Landesrecht vor. Das Grundgesetz achtete zwar die Verfassungsautonomie der Gliedstaaten im Bundesstaat. Dennoch hatte sein Inkrafttreten am 23. Mai 1949 einen spürbaren Bedeutungsverlust der Bayerischen Verfassung zur Folge. Zum einen bestimmte Artikel 31 GG den grundsätzlichen Vorrang von Bundesrecht vor jedem Landesrecht. Zum anderen wurde der Landesgesetzgebung durch die Kompetenzverteilung im Grundgesetz ein großer Teil der Gesetzgebungskompetenz entzogen. Zudem existiert mit dem Bundesverfassungsgericht ein starkes Normenkontroll-Organ auf Bundesebene, durch das jeder Bürger das Handeln der Länder auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hin überprüfen lassen kann. Eine Pflicht, vorher das Landesverfassungsgericht zu befassen, existiert nicht, sodass das Landesverfassungsrecht mittelbar an Wirkungskraft einbüßt (z. B. beim sog. Kruzifix-Beschluss 1995).

Diese Entwicklung wiederholte sich mit dem Fortschreiten der Europäischen Integration: Zum einen übertrugen die Mitgliedstaaten zahlreiche Kompetenzen auf die europäische Ebene, darunter in Deutschland auch solche, die die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder betrafen oder zumindest berührten. Zum anderen gilt seit der Costa/Enel-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes 1964 auch der Anwendungsvorrang des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts gegenüber nationalen Rechtsordnungen.

Neben den europäischen Verträgen schränken weitere vom Bund eingegangene völkerrechtliche Verpflichtungen (z. B. Europäische Menschenrechtskonvention), aber auch die Selbstkoordination der Länder (z. B. Rundfunkstaatsvertrag) die Wirksamkeit der Landesverfassungen ein.

Die Bayerische Verfassung als Orientierungspunkt für andere Verfassungen

In den Verfassungsberatungen waren die Weimarer und Bamberger Verfassungen als Orientierungspunkte stets präsent. Zum einen sollten deren Konstruktionsfehler vermieden werden, um mehr politische Stabilität und eine wehrhafte Demokratie zu sichern. Zum anderen fanden aber auch viele Inhalte wörtlich, teilweise oder sinngemäß Eingang in den neuen Entwurf, z. B. das parlamentarische Prinzip, der Weimarer Grundrechtekatalog oder die Bamberger Regelungen zu den Staatsfinanzen. Auch die Schweizer Bundesverfassung wurde in den Beratungen mehrfach herangezogen, etwa zu den Kommunen, der zweiten Kammer oder der Volksgesetzgebung.

Inwiefern die Bayerische Verfassung selbst anderen Verfassungen als Orientierungspunkt diente, ist bisher nur rudimentär bekannt: Die parallelen Verfassungsberatungen in Bayern und Hessen wurden wechselseitig wahrgenommen. Auch wurden wohl im Grundgesetz der Menschenwürde-Artikel 1 und die Ewigkeitsklausel des Art. 79 nach bayerischen Vorbildern (Art. 75 und 100) formuliert. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass sich die Verfassung der Republik China von 1947 teilweise an der Bayerischen Verfassung orientierte.

Verfassungsänderungen

Im Gegensatz zum Grundgesetz wurde die Bayerische Verfassung nur selten geändert, was nicht zuletzt am Erfordernis eines Volksentscheids liegen dürfte. Auch wenn von den 16 Änderungsgesetzen (Stand 2020) nur zwei durch ein Volksbegehren und 14 durch den Landtag initiiert wurden, so spielte das Instrument des Volksbegehrens doch häufig als Drohkulisse der Opposition eine gewichtige Rolle, um im Landtag gemeinsame Kompromissentwürfe mit den Regierungsparteien zu erreichen.

Die erste Änderung im Jahr 1968 ersetzte die Bekenntnisschule durch die Christliche Gemeinschaftsschule. Nach zähen Diskussionen hatten sich CSU, SPD und FDP auf einen gemeinsamen Entwurf verständigt und mit den beiden christlichen Kirchen abgestimmt, um eine pädagogische Reform der Volksschulstruktur zu ermöglichen. Die Verfassungsänderung wurde zwar im Volksentscheid am 7. Juli 1968 mit 76,3 % bei einer Wahlbeteiligung von 40,7 % angenommen. Als in der Folge jedoch über 2.300 Volksschulen aufgelöst und in größere Strukturen eingegliedert wurden, hatte dies deutliche Proteste vieler Bürger zur Folge.

1970 erfolgte die Herabsetzung des Wahlalters auf 18 (aktiv) bzw. 21 (passiv) Jahre. 1973 wurde die Sperrklausel im Wahlrecht verändert und von 10 % auf Regierungsbezirksebene auf 5 % in ganz Bayern gesenkt. Während diese Änderungen weitgehend unstrittig waren, ging der Einführung der Rundfunkfreiheit im neuen Art. 111a eine bedeutende landespolitische Kontroverse voran: Die CSU hatte 1972 versucht, mit einer Novelle des Rundfunkgesetzes mehr Einfluss auf den Bayerischen Rundfunk (BR) zu gewinnen und die Voraussetzungen für Privatrundfunk zu schaffen. Dagegen lancierten SPD und das "Bürgerkomitee Rundfunkfreiheit" ein Volksbegehren, das mit 13,9 % der Wahlberechtigten erfolgreich war. Angesichts der drohenden politischen Niederlage bewegte sich die CSU auf die Opposition zu. Sie akzeptierte die Forderungen weitgehend in einem gemeinsamen Gesetzesentwurf, der dann auch von 87,1 % der Wähler bei einer Wahlbeteiligung von 23,4 % bestätigt wurde.

Während der Natur- und Landschaftsschutz schon seit 1946 verankert war, wurde er 1984 weiter ausformuliert und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen explizit als Staatsziel in Artikel 3 der Verfassung aufgenommen. Erneut hatte die SPD mit einem Volksbegehren gedroht und so die CSU zu einer gemeinsamen Änderungsinitiative bewegt.

Mitte der 1990er Jahre kam es im Vorfeld des 50. Jubiläums der Verfassung zu Diskussionen, ob eine "Totalrevision" der Verfassung zur Anpassung an neue Rahmenbedingungen notwendig sei. Dies wurde mehrheitlich verneint, jedoch Reformbedarf angemahnt. Zwei Verfassungsänderungen gingen in dieser Zeit von außerparlamentarischen Kräften aus: Der Verein "Mehr Demokratie" setzte mit einem Volksentscheid 1995 die Einführung kommunaler Bürgerbegehren und Bürgerentscheide durch. 1997/1998 betrieben die Ökologisch-Demokratische Partei (ödp) und "Mehr Demokratie", unterstützt von der Landtagsopposition, das Volksbegehren "Schlanker Staat ohne Senat", das die Abschaffung des bayerischen Senats zum Ziel hatte. Beim Volksentscheid am 8. Februar 1998 stimmten bei einer Wahlbeteiligung von 39,9 % insgesamt 69,2 % dem Volksbegehren zu, während das von der CSU vorgelegte "Senatsreformgesetz" nur 23,6 % Zustimmung erhielt. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof erklärte infolge der Klage des Senats gegen seine Auflösung das Volksbegehren am 17. September 1999 für gültig und der Senat wurde zum 1. Januar 2000 aufgelöst.

Neben dieser fundamentalen Veränderung des Institutionengefüges erfolgten 1998 auf Initiative der Landtagsparteien weitere größere Verfassungsänderungen in zwei Verfassungsreformgesetzen, die mit 75,0 % bzw. 73,9 % im Volksentscheid angenommen wurden. Einerseits wurden die Grundrechte und Staatsziele ergänzt: Es wurde ein Bekenntnis zur Europäischen Integration aufgenommen (Art. 3a), die durch das Grundgesetz ohnehin gegenstandslose Bestimmung zur Todesstrafe gestrichen (Art. 47 Satz 4), der Staat zur Förderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 118 Abs. 2), der Behinderten (Art. 118a) und von Kultur und Sport (Art. 140 Abs. 3) verpflichtet sowie der Tierschutz (Art. 141) aufgenommen. Andererseits wurden Bestimmungen zur Reform von Landtag und Staatsregierung beschlossen: Die Zahl der Landtagsabgeordneten wurde auf 180 festgesetzt (Art. 13 Abs. 1), die Zahl der Staatsminister und Staatssekretäre auf maximal 17 begrenzt (Art. 43 Abs. 2) und die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängert (Art. 16 Abs. 1). Zudem wurde die Rolle der parlamentarischen Opposition betont (Art. 16a) und dieser mehr Rechte bei Untersuchungsausschüssen zugestanden (Art. 25). Neu in die Verfassung aufgenommen wurde die Wahl des Landesbeauftragten für den Datenschutz (Art. 33a) sowie des Präsidenten des Obersten Rechnungshofes durch den Landtag (Art. 80 Abs. 2).

2003 wurden das passive Wahlalter auf 18 gesenkt (Art. 14 Abs. 2), der Menschenwürdeartikel an den Wortlaut des Grundgesetzes angepasst (Art. 100), Kinderschutzbestimmungen (Art. 125f.) und Regeln zur besseren Information des Landtags (Art. 55 Nr. 3) eingefügt sowie das Konnexitätsprinzip gestärkt, wonach der Staat den Kommunen nur zusätzliche Aufgaben übertragen kann, wenn er zugleich die dafür notwendigen Finanzmittel bereitstellt (Art. 87).

Nach den umfangreichen Verfassungsänderungen von 1998 und 2003 verstummten die Stimmen, die zuvor über eine grundsätzliche Revision nachgedacht hatten. Die vorerst letzten Verfassungsänderungen erfolgten 2013: Aufgenommen wurden Zielsätze zur Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen (Art. 3 Abs. 2) sowie des ehrenamtlichen Engagements (Art. 121). Zudem wurde eine "Schuldenbremse" (Art. 82) und die Pflicht des Staates zur angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden (Art. 83 Abs. 2) verankert. Schließlich erhielt der Landtag mehr Informations- und Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union (Art. 70 Abs. 4). Alle Vorschläge wurden mit jeweils rund 90 % Zustimmung angenommen.

Literatur

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  • Hans F. Zacher, Vom Lebenswert der Bayerischen Verfassung, in: Bayerische Verwaltungsblätter 116 (1985), 513–519.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Alexander Wegmaier, Verfassung des Freistaates Bayern (1946), publiziert am 23.02.2021; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Verfassung_des_Freistaates_Bayern_(1946)> (28.03.2024)

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