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Urfehden

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Urfehdebrief des Stuttgarters Jacob Ziegler, der am 23. Februar 1608 aus München ausgewiesen wurde. Nachdem er aus dem herzoglichen Gefängnis, dem Münchner Falkenturm, entlassen wurde, schwört Ziegler, das Herzogtum Bayern zukünftig nicht ohne Erlaubnis des Landesherrn zu betreten. Im Falle der unerlaubten Rückkehr drohte ihm der Verlust der Schwurhand, bzw. der Schwurfinger. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Urkunden 5625)
Ende des 18. Jahrhunderts wurden einheitliche Formulare ausgegeben, die die Urfehde regelten. Urpheds-Formular beyr Landesverweisung cum Comminatione immediatae Mortis auf den blossen Wiederbetrettungs Fall. (Bayerische Staatsbibliothek, Kloeckeliana 126 a,7)
Deliktstruktur der Regensburger Urfehdebriefe (1410-1459). (aus: Steffen Wernicke, Von Schlagen, Schmähen und Unendlichkeit. Die Regensburger Urfehdebriefe im 15. Jahrhundert, in: Andreas Blauert/Gerd Schwerhoff [Hg.], Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne [Konflikte und Kultur. Historische Perspektiven 1], Konstanz 2000, S. 379-404, hier: S. 390, Tabelle: Steffen Wernicke).
Anzahl der Regensburger Urfehder in Dekaden. (aus: Steffen Wernicke, Von Schlagen, Schmähen und Unendlichkeit. Die Regensburger Urfehdebriefe im 15. Jahrhundert, in: Andreas Blauert/Gerd Schwerhoff [Hg.], Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne [Konflikte und Kultur. Historische Perspektiven 1], Konstanz 2000, S. 379-404, hier: S. 382, Graphik: Steffen Wernicke).

von Joachim Wild

Die Urfehde, der Verzicht auf Fehde oder Rache am Gegner, begegnet im Mittelalter als Streiturfehde und als Hafturfehde. Die Streiturfehde beendete eine begonnene oder angedrohte Fehde, während im Zuge einer Hafturfehde ein freigelassener Häftling eidlich versprach, sich nicht an den für seine Verhaftung Verantwortlichen zu rächen. Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit war vor allem die Hafturfehde von Bedeutung.

Definition

Urfehde (lat.: iuramentum pacis) bedeutet den eidlich bekräftigten Verzicht auf Fehde bzw. Rache am Gegner (zur etymologischen Deutung des Wortes siehe Saar, Urfehde, 562f.). Die Urfehde begegnet in der älteren Form der Streiturfehde und der jüngeren Form der Hafturfehde.

Streiturfehde

Durch die Urfehde wurde eine bereits begonnene oder angedrohte Fehde mit einem Friedensgelöbnis beendet; sie war damit integrierender Bestandteil des mittelalterlichen Fehdewesens. Mit dem Zurückdrängen des Fehdewesens im Spätmittelalter und der Durchsetzung landesherrlicher Gerichtsbarkeit verlor die Streiturfehde an Bedeutung und verschwand schließlich ganz.

Hafturfehde

Im Laufe des Spätmittelalters gewann die Hafturfehde immer mehr an Umfang und Gewicht. Der Straftäter wurde nur unter dem eidlichen Versprechen aus der Haft entlassen, sich nicht an den für seine Inhaftierung Verantwortlichen zu rächen. Der Bruch der Urfehde war Eidbruch und wurde entsprechend bestraft. Die Urfehde wurde im Urfehdebrief manifest, einer Urkunde, die jeder Urfehder dem Gerichtsherrn auszuhändigen hatte. In Bayern war ab 1629 das Schwören der Urfehde bei ewiger Landesverweisung obligatorisch, bei zeitlich begrenzter Landesverweisung in das Ermessen des Gerichts gestellt. Brach ein des Landes Verwiesener seine Urfehde, konnten ihm entweder die Schwurfinger abgehackt oder er konnte gebrandmarkt werden. Das System der Urfehde existierte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Im Laufe des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit sammelten sich Tausende von Urfehdebriefen in den Archiven der Gerichtsherren an, die dort häufig zu eigenen Urkundengruppen formiert wurden (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Bestände: Pfalz-Neuburg Urkunden, Kurbayern Urkunden). Eine reiche Überlieferung findet sich auch in (ehemals) städtischen Archiven (z. B. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichsstadt Regensburg Urkunden). Leider wird nicht in jedem Urfehdebrief der Grund der Inhaftierung (Straftat) geschildert. Wo dies geschieht, erhält der Historiker interessante Einblicke in die zeitgenössischen Straftatbestände und insgesamt in das soziale Umfeld der Straftäter. Nach Heydenreuter entwickelte sich die Urfehde zu einem wichtigen Mittel zur Sicherung der Strafvollstreckung.

Dokumente

Literatur

  • Andreas Blauert, Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (Frühneuzeit-Forschungen 7), Tübingen 2000.
  • Reinhard Heydenreuter, Kriminalgeschichte Bayerns. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Regensburg 2003.
  • Martin Hoernes/Steffen Wernicke, "Umb die unzucht die ich handelt han ...": Quellen zum Urfehdewesen (Halbgraue Reihe zur historischen Fachinformatik A 9), Sankt Katharinen 1990.
  • Günter Jerouschek/Andreas Blauert, Zwischen Einigungsschwur und Unterwerfungseid: Zur obrigkeitlichen Usurpation des Urfehdewesens, in: Hans Schlosser (Hg.), Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Formen und Entwicklungsstufen (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Symposien und Synthesen 5), Köln u. a. 2002, 227-246.
  • Friederike Rabl, Regensburger Urfehden der Jahre 1330 bis 1368, Zulassungsarbeit Regensburg 1987.
  • Stefan Chr. Saar, Art. Urfehde, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 5. Band, Berlin 1998, Sp. 562-570.
  • Raimund J. Weber, Art. Urfehde, in: Lexikon des Mittelalters. 8. Band, Stuttgart/Weimar 1999, Sp. 1294.
  • Steffen Wernicke, Auswertung der spätmittelalterlichen Urfehdeurkunden Regensburgs, in: Thomas Engelke u. a. (Hg.), Historische Forschung mit Kleio. Ergebnisse des ersten Treffens der Kleio-User-Group im Stadtarchiv Regensburg vom 18. bis 21. März 1990 (Halbgraue Hefte zur historischen Fachinformatik A 8), Sankt Katharinen 1990, 17-22.
  • Steffen Wernicke, Von Schlagen, Schmähen und Unendlichkeit. Die Regensburger Urfehdebriefe im 15. Jahrhundert, in: Andreas Blauert/Gerd Schwerhoff (Hg.), Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne (Konflikte und Kultur. Historische Perspektiven 1), Konstanz 2000, 379-404.

Quellen

  • Christine Bührlen-Grabinger (Bearb.), Urfehden im Ermstal. Von Stadt und Amt Urach, von außeramtlichen Orten und vom Forst aus den Jahren 1440-1584 (Metzinger Heimatblätter. Quellenpublikationen 1), Metzingen 1991.
  • Alois Niederstätter (Hg.), Vorarlberger Urfehdebriefe bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Eine Quellensammlung zur Rechts- und Sozialgeschichte des Landes, Dornbirn 1985.
  • Urfehde-Brief des Bürgers Hans Wernlin zu Donauwörth: vom 13. Mai 1446, in: Kollectaneen-Blatt für die Geschichte Bayerns, insbesondere des ehemaligen Herzogtums Neuburg 49 (1886), 153-157.

Weiterführende Recherche

Unfehde, Urphede, Urphed

Empfohlene Zitierweise

Joachim Wild, Urfehden, publiziert am 18.03.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Urfehden> (28.03.2024)