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Universität Regensburg

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Logo der Universität Regensburg. (Universität Regensburg, Marketing & Kommunikation)

von Andreas Becker

Die Universität Regensburg ist die 1962 ins Leben gerufene vierte bayerische Landesuniversität. Es handelt sich um eine Volluniversität mit zwölf Fakultäten. Besondere internationale Bedeutung hat die Universität Regensburg vor allem in der katholischen Theologie und in der Physik erlangt. Auch in der Ausbildung der bayerischen Lehrerschaft spielt sie eine wichtige Rolle.

Vorgeschichte

Die Vorgeschichte der Universität Regensburg setzt bereits 1487 ein, als Herzog Albrecht VI. von Bayern-München (reg. 1465–1508) bei Papst Innozenz VIII. (reg. 1484-1492) um die Gestattung einer Universität in Regensburg nachsuchte, dessen Eingliederung in sein Herzogtum er betrieb. Obwohl der Versuch der Universitätsgründung trotz päpstlicher Zustimmung schließlich scheiterte, unternahm die Regensburger Bürgerschaft wiederholt Anläufe zur Gründung einer Universität: Um 1560 schlug der evangelische Theologe Matthias Flacius (1520-1575) eine konfessionelle Universität vor, die schwedische Besatzungsmacht plante 1633/34 gleiches, und Anfang des 19. Jahrhunderts misslang der Versuch, die Universität Ingolstadt statt nach München nach Regensburg zu verlegen.

Dennoch bestand in der Stadt mit dem zunächst bischöflichen, ab 1810 königlichen Lyzeum eine höhere Bildungseinrichtung, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch der Charakter einer Fachhochschule für die Priesterausbildung zukam. Sie wurde 1923 in eine Philosophisch-Theologische Hochschule umgewandelt und bestand bis 1968. Ein nach dem Zweiten Weltkrieg von interessierten Bürgern in einem eigens hierfür gegründeten "Verein der Freunde der Universität Regensburg" unternommener Versuch zur Gründung einer Universität in Regensburg – zeitweilig war auch eine Doppeluniversität Bamberg-Regensburg angedacht –, scheiterte im Winter 1951/52 im Landtag an Widerständen der etablierten Landesuniversitäten (München, Erlangen, Würzburg), die um ihre Finanzierung fürchteten.

Gründung der Universität (1962–1967)

In dem Memorandum des Organisationsausschusses von 1963 wurden erste Aufbau- und Strukturvorschläge im Sinne einer Ordinarienuniversität festgehalten (Universitätsbibliothek Regensburg 00/AL 57403 M533)

Nachdem der Deutsche Wissenschaftsrat 1960 im Hinblick auf die zu erwartende demografische Entwicklung dringend die Einrichtung neuer wissenschaftlicher Hochschulen empfohlen hatte, beschloss der Landtag am 10. Juli 1962 die Gründung einer vierten Landesuniversität in Regensburg, die zwei Zwecke verfolgen sollte: Einerseits sollten die anderen bayerischen Universitäten im Sinne der Empfehlung des Deutschen Wissenschaftsrates entlastet werden. Andererseits wollte man "die Bildungsreserven Ostbayerns" heben, wie es Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU, 1905–1991, Ministerpräsident 1962–1978) ausdrückte. Die neue Universität sollte auch eine Art Brückenfunktion zwischen Ost und West wahrnehmen.

Kultusminister Theodor Maunz (CSU, 1901–1993, Kultusminister 1957–1964) berief daraufhin ein Kuratorium, bestehend aus den Rektoren der drei anderen Landesuniversitäten und dem Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Regensburg, das die Gründung durchführen sollte. Das vom Kuratorium verfasste Memorandum entsprach jedoch nicht den Vorstellungen des reformfreudigeren Ministeriums, dem eine Neugründung wie die 1962 in Bochum (Nordrhein-Westfalen) vorschwebte. An einer solchen 'Reformuniversität' sollten Konzepte ausprobiert werden, die an etablierten Universitäten nur mit größeren Mühen umgesetzt werden könnten. Die ständigen Misshelligkeiten zwischen Kuratorium und Ministerium führten 1965 zur Einsetzung eines Strukturbeirats unter dem Vorsitz des in Würzburg lehrenden Zoologen Hansjochem Autrum (1907–2003). Auf Empfehlung dieses Gremiums sollten zahlreiche Reformen an der neuen Universität umgesetzt werden, angefangen von einem System der die Zentralbibliothek ergänzenden Teilbibliotheken, der stärkeren Beteiligung von Studierenden und des akademischen Mittelbaus in den Gremien, der Nutzung elektronischer Systeme (etwa für den Bibliothekskatalog) bis hin zum Aufbau universitätsweiter, fachübergreifender zentraler Dienstleistungseinrichtungen.

Nach der Verkündung des Gesetzes über die Errichtung einer vierten Landesuniversität am 18. Juli 1962 nahm die Universitätsbibliothek am 1. April 1964 ihre Arbeit auf, am 1. Oktober 1964 trat mit Dietmar Eberth (geb. 1926) der erste Kanzler seinen Dienst an, und am 9. Oktober 1964 wurde mit Götz Freiherr von Pölnitz (1906–1967) der Rektor der Universität Erlangen zum Gründungsrektor für die Universität Regensburg berufen.

Faksimile des Telegramms vom 21.11.1965 mit dem Rücktrittsgesuch von Götz Freiherr von Pölnitz, dem Gründungsrektor der Universität Regensburg. (Universitätsarchiv Regensburg, Rep. 45 Universitätsarchiv, Nr. 13)

Mehrere Vorgänge im Zusammenhang mit der Universitätsgründung erregten öffentliche Aufmerksamkeit. Bereits 1964 kam eine Preisabsprache mit dem Haus Thurn und Taxis ans Licht, wodurch der Freistaat einen zentralen Anteil des künftigen Universitätsgeländes auf dem südlich der Stadt gelegenen Galgenberg zu einem stark überteuerten Preis gekauft hatte. 1965 kamen Gerüchte zu Verstrickungen von Gründungsrektor von Pölnitz in der NS-Zeit auf. Am Tag nach der Grundsteinlegung der Universität (20. November 1965) legte er sein Amt nieder. Nachfolger wurde der Jurist Franz Mayer (1920–1977), in dessen Händen das Geschick der Universität und die ersten Berufungen in den Jahren 1965 bis 1968 lagen. Mayer selbst war für die nächste Unruhe verantwortlich: Er wollte zur Eröffnungsfeier der Universität am 11. November 1967 die 36 Professoren und eine Professorin in Talaren sehen. Nur zwei Tage zuvor hatten Studierende in Hamburg den Talar zum Symbol für die Ewiggestrigen mit dem Slogan "Unter den Talaren - Muff von tausend Jahren" definiert. Nur ein Teil der Regensburger Professorenschaft trat schließlich im Talar in Erscheinung.

Frühgeschichte der Universität (1967–1974)

Die Universitätsgründung fiel mitten in eine Phase bundesweiter Universitätsgründungen hinein und begründete diese in Bayern. Harte Auseinandersetzungen zwischen Studierenden und Professorenschaft im Sinne der 68er-Bewegung erlebte die Universität Regensburg damals nicht. Das lag zum einen daran, dass sie eine junge Universität in noch völlig fluiden institutionellen Strukturen war, die erst am 6. November 1967 ihren Vorlesungsbetrieb eröffnete. Andererseits bewirkte die weitgehende Umsetzung der Empfehlungen des Strukturbeirats faktisch die Gründung einer Reformuniversität. Scharfe Proteste mit studentischen Massendemonstrationen setzten erst ein, als bekannt wurde, dass der Freistaat die Beseitigung der Drittelparität in den Gremien und der verfassten Studierendenschaft im neuen Bayerischen Hochschulgesetz verankern wollte, das ab Oktober 1974 gelten sollte. Die Jahre 1971 bis 1973 waren daher  die eigentlich revolutionäre Zeit an der Universität Regensburg, auch wegen der überraschenden Wahl des in der damals politisch überhitzten Stimmung als Marxist verschrienen Physikers Gustav Obermair (1934-2019) zum Rektor.

Die Berufung einiger sehr prominenter Professoren machte die Universität Regensburg zusätzlich schlagartig bekannt: Die beiden renommierten Tübinger Professoren Dieter Medicus (Rechtswissenschaften, 1929–2015) und Joseph Ratzinger (Theologie, geb. 1927, 2005–2013 als Benedikt XVI. Papst) sagten zu. In den Geschichtswissenschaften zählten Horst Fuhrmann (1926–2011) und Dieter Albrecht (1927–1999) zu den Erstberufenen.

1972 beschloss die Staatsregierung, die für die Lehrerausbildung zuständigen Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten zu integrieren, was an der Universität Regensburg den Startschuss für die bis heute bedeutsame Lehrerausbildung gab – mehr als ein Fünftel der Immatrikulierten studierte 2019 das schulische Lehramt.

Am Anfang waren fünf Fakultäten geplant: Katholische Theologie, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Philosophie, Naturwissenschaften, noch in weitere Fachbereiche unterteilt. Als sich zeigte, dass der Bau eines Klinikums dauern würde, wurde die vorklinische Medizin der Biologie zugewiesen. Erst mit der Eröffnung der Zahn-, Mund- und Kieferklinik etablierte sich ab 1984 eine Medizinische Fakultät. Von 1972 bis 1978 bestand zusätzlich eine Fakultät für Erziehungswissenschaften. Ab Oktober 1974 wurde die Universität in elf Fachbereiche neu gegliedert, ab dem Wintersemester 1979/80 erfolgte eine Umbenennung der Fachbereiche in Fakultäten. Bei dieser Gliederung blieb es im Wesentlichen bis 2010. Seit dem Sommersemester 2010 wurde auf die bisherige gemeinsame Klammer einer Durchnummerierung der Philosophischen und der Naturwissenschaftlichen Fakultäten jeweils von I bis IV verzichtet. Die Fakultäten tragen seither ihre gegenwärtigen Bezeichnungen. 2020 wurde die neue Fakultät für Informatik und Data Science gegründet.

Fakultät Gründungsjahr Fachbereiche und Institute, Stand: WS 2020/21.
1 Katholische Theologie 1967 Biblische Theologie

Historische Theologie

Systematische Theologie

Praktische Theologie

2 Rechtswissenschaften 1967 Bürgerliches Recht

Öffentliches Recht

Strafrecht

3 Wirtschaftswissenschaften 1967 Betriebswirtschaftslehre

Immobilienwirtschaft

Volkswirtschaftslehre und Ökonometrie

Wirtschaftsinformatik

4 Medizin 1984 Epidemiologie

Genomik

Humangenetik

Medizinische Mikrobiologie und Hygiene

Pathologie

5 Informatik und Data Science 2020 (Stand 2021: Im Aufbau befindlich)
6 Philosophie, Kunst-, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften 1967 Evangelische Theologie

Geschichte

Klassische Archäologie

Bildende Kunst und Ästhetische Erziehung

Kunstgeschichte

Musikpädagogik (Lehrstuhl)

Musikwissenschaften

Philosophie

Politikwissenschaft

Soziologie – Sozialkunde – Arbeitslehre (Fachgebiet)

7 Humanwissenschaften 1967 Bildungswissenschaft

Erziehungswissenschaft

Psychologie

Sportwissenschaft

8 Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften 1967 Anglistik und Amerikanistik

Germanistik

Information und Medien, Sprache und Kultur (I:IMSK)

Klassische Philologie

Romanistik

Slavistik

Bohemicum Regensburg-Passau (Wissenschaftliche Einrichtung)

9 Mathematik 1967
10 Physik 1967 Theoretische Physik

Experimentelle und Angewandte Physik

Didaktik der Physik

11 Biologie und Vorklinische Medizin 1967 Anatomie

Biochemie, Genetik und Mikrobiologie

Biophysik und physikalische Biochemie

Didaktik der Biologie

Pflanzenwissenschaften

Physiologie

Zoologie

12 Chemie und Pharmazie 1967 Analytische Chemie, Chemo- und Biosensorik

Anorganische Chemie

Organische Chemie

Physikalische und Theoretische Chemie

Pharmazie

Chemiedidaktik

Zentrale Analytik

13 Erziehungswissenschaften 1972-1978

Anmerkung: Im Bereich der Medizin besteht mit dem Lehrstuhl für Experimentelle Medizin und Therapieverfahren eine Anbindung an das Fraunhofer-Institut.

Diplomzeugnis der Dichterin und Pädagogin May Opitz (eigtl. Sylvia Brigitte Gertrud Opitz, 1960-1996) aus dem Jahr 1986. (Universitätsarchiv Regensburg, Rep. 15 Prüfungsakten Nr. 15335)

Etablierung der Universität Regensburg (1974–2007)

Nachfolger Obermairs zunächst als Rektor, später als Präsident der Universität noch zu Zeiten der Drittelparität wurde der Jurist Dieter Henrich (geb. 1930, Amtszeit 1973–1981). In seiner Amtszeit etablierte sich die Universität Regensburg innerhalb der bayerischen Wissenschaftslandschaft. Dazu trug besonders die Errichtung eines Universitätsklinikums bei. In Henrichs Amtszeit fällt auch das erste Partnerschaftsabkommen Regensburgs mit einer ausländischen Universität, der University of Colorado in Boulder (USA).

Den Weg in die Internationalisierung setzte der Amerikanist Hans Bungert (1930–2000, Amtszeit 1981–1989) fort, auch indem Universitätspartnerschaften in Nordamerika, Osteuropa und in Ostasien begründet wurden. In den Rektoraten des Biologen Helmut Altner (geb. 1934, Amtszeit 1989–2001) und des Psychologen Alf C. Zimmer (geb. 1943, Amtszeit 2001–2009) legte die Universität Schwerpunkte auf die angewandte Forschung, die Ausgründung von Unternehmen und den Ausbau des Stiftungswesens. Bekannte Lehrstuhlinhaber dieser Zeit waren die beiden Leibniz-Preisträger Karl Otto Stetter (Mikrobiologie) (geb. 1941) und Reinhard Zimmermann (Rechtswissenschaften) (geb. 1952) sowie der Bundesverfassungsrichter Udo Steiner (geb. 1939) und der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Wiegard (geb. 1946), der auch von 2001 bis 2011 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung war.

Zu den bekannteren Absolventen der Universität gehören beispielsweise Edmund Stoiber (CSU, geb. 1941, Abschluss 1971, Ministerpräsident 1993–2007), der Physiker und Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber (geb. 1950, Abschluss 1980), die Soziologin May Ayim Opitz (1960–1996, Abschluss 1986) sowie die orthodoxen Bischöfe Ieronymos II. von Athen (geb. 1938, Abschluss 1978) und Theophilos Kuriakose von Antiochien (geb. 1966, Abschluss 2001).

Die Öffnung der Grenzen nach Osteuropa 1989/90 bewirkte, vor allem in Verbindung mit dem kurz zuvor ins Leben gerufenen Erasmus-Programm der Europäischen Union (EU), einen starken Zuwachs der internationalen Studierenden von 278 (bzw. 2,5 % im Jahr 1985) auf 1.484 (bzw. 7,3 % 2015). Damit einher ging eine massive Verschiebung der Herkunftsanteile in der Studierendenschaft. Stammten 1985 nur 6,5 % der internationalen Studierenden aus Osteuropa, so galt dies 1995 für über 19 % und 2015 für fast 35 %. Relativ abgenommen hingegen haben die Zahlen west- und südeuropäischer Studierender, die von 1985 mit 43,5 % bis 2015 auf 31,3 % aller ausländischen Studierenden zurückgingen. Die Anzahl US-amerikanischer Studierender sank sowohl relativ wie in absoluten Zahlen stark (1985: 25,9 %, 2015: 3,6 %). Hintergrund war die nach 1990 verstärkte Hinwendung Regensburgs nach Osteuropa, etwa durch die Gründung des Bohemicums 1996. Die Studierendenzahlen aus den übrigen Kontinenten und Ländern blieben relativ gleich.

Zentrale Einrichtungen und Klinikum

Die Universitätsbibliothek setzte bereits früh auf elektronische Unterstützung und elektronische Medien. Mit der Regensburger Verbundklassifikation (RVK) wurde schon in den 1960er Jahren ein System für die Erfassung von wissenschaftlichen Bibliotheksbeständen entwickelt, das bayernweit und sogar darüber hinaus Gültigkeit erwarb. 1997 wurde die Elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB) ins Leben gerufen, eine der umfassendsten bibliografischen Datenbanken für wissenschaftliche elektronische Zeitschriften. Seit 2020 wird am Universitätsarchiv in Kooperation mit dem Universitätsrechenzentrum ein bayernweites gemeinsames digitales Magazin der bayerischen Universitätsarchive aufgebaut. Bereits seit Ende der 1980er Jahre ist die Universität Regensburg auch mit dem World Wide Web verbunden.

Weitere zentrale Einrichtungen sind beispielsweise das Regensburger Universitätszentrum für Lehrerbildung (RUL), das das Ziel verfolgt, eine wissenschaftsbasierte und berufsbezogene Lehrerbildung weiterzuentwickeln. Hingegen bietet das Zentrum für Sprache und Kommunikation (ZSK) ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Kurs- und Beratungsangebot zur Förderung kommunikativer und persönlichkeitsbezogener Kompetenzen für Studierende und Mitarbeitende an.

Das Universitätsklinikum Regensburg nahm mit der Berufung eines medizinischen Beirats für die Strukturplanung der Medizinischen Fakultät und der Klinikgebäude 1969 erste Formen an. Die Grundsteinlegung für das Klinikum erfolgte am 26. September 1978 durch Präsident Henrich. 1984 nahmen die Klinik und die Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten ihren Betrieb auf. Seither wurde der Gebäudekomplex südlich der Universität kontinuierlich erweitert. 2007 wurde das Universitätsklinikum in Form einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) aus der Universität Regensburg ausgegliedert. 2009 eröffnete das José-Carreras-Centrum für Somatische Zelltherapie. 2010 nahm die Kinder- und Jugendmedizin in der Kinder-Uni-Klinik Ostbayern (KUNO) ihren Betrieb auf. Das Klinikum kooperiert in der Stadt Regensburg und in der weiteren Region mit einer Anzahl Akademischer Lehrkrankenhäuser.

2010 wurde das Regensburger Centrum für Interventionelle Immunologie (RCI) als zentrale Einrichtung der Universität gegründet. Zum 1. Juli 2019 erfolgte die Ausgründung zu einem außeruniversitären Institut. Es widmet sich der Erforschung und Entwicklung verbesserter Therapieansätze unter anderem gegen Krebs und Autoimmunerkrankungen.

Die Universität Regensburg zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts setzten verschiedene Umbrüche im Bildungssektor ein: Zentral für die Universität Regensburg als Teil der gesamten europäischen Wissenschaftslandschaft war der im Zuge des sog. Bologna-Prozesses seit Anfang des 21. Jahrhunderts begonnene Aufbau eines zweistufigen Systems berufsqualifizierender Studienabschlüsse (Bachelor/Master). Im Zuge der Föderalismusreform I erhielten die Hochschulen ab 2006 weitergehende Autonomierechte etwa bei Berufungen oder in Haushaltsfragen. Die 2007 bayernweit eingeführten Studienbeiträge führten zu massiven Studierendenprotesten, die 2009/10 in Studierendenstreiks und an der Universität Regensburg in die Besetzung mehrerer Hörsäle mündeten. Die Studienbeiträge wurden schon 2013 wieder abgeschafft. Mit der Ausweitung der Autonomie verbunden war innerhalb Bayerns auch die schärfere Profilbildung der einzelnen Hochschulen. Hierdurch verlor die Universität Regensburg zwar die Fachbereiche Soziologie und Geografie, gewann allerdings durch die Schaffung eines Lehrerbildungszentrums (Regensburger Universitätszentrum für Lehrerbildung [RUL], etabliert 2009) weitere Bedeutung für die Lehrerausbildung sowie im Bereich der Naturwissenschaften. Mit der Novellierung des Bayerischen Hochschulgesetzes 2021 wurde die Ausweitung der Hochschulautonomie fortgesetzt, beispielsweise durch Schaffung einer vollständigen Binnenorganisationsfreiheit und eines globalen Lehrdeputats.

2013 kehrte die Universität unter dem Amerikanisten Udo Hebel (geb. 1956, Amtszeit seit 2013) erneut zur Präsidialverfassung zurück. Einen wichtigen Meilenstein bedeutete die Aufnahme des Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung in die Leibniz-Gemeinschaft 2017. In den frühen 2020er Jahren gibt es Bestrebungen, das Regensburger Centrum für Immunologie (RCI) ebenfalls in die Leibniz-Gemeinschaft zu überführen. In der Physik machte eine Forschungsgruppe um Professor Rupert Huber (geb. 1973) weltweite Schlagzeilen durch die Sichtbarmachung der Bewegung einzelner Moleküle, wofür Huber 2019 der Leibniz-Preis verliehen wurde. Im gleichen Jahr belegte die Universität Regensburg im Ranking des renommierten Wissenschaftsmagazins "Nature" (sog. Nature Index) den Spitzenplatz unter den deutschen Universitäten (weltweit Platz 44). 2019 wurde der Leibniz-WissenschaftsCampus "Europa und Amerika in der modernen Welt" etabliert, der erste seiner Art in Bayern.

Außenansicht der Universität Regensburg. (Universität Regensburg, Marketing & Kommunikation)

Das Sommersemester 2020 war – bedingt durch die weltweite COVID-19-Pandemie – mit extrem kurzem Vorlauf das erste Semester, das vollständig digital abgehalten wurde. Im gleichen Jahr erfolgte die Gründung der Fakultät für Informatik und Data Science.

Architektur

Außenansicht des Sammelgebäudes der Universität Regensburg. (Universität Regensburg, Marketing & Kommunikation)

Zahlreiche bekannte Architekten wirkten an der Gestaltung der Universität im zeitgemäßen Stil des Brutalismus in den 1960er und 1970er Jahren mit (Architekturbüro Heinle, Wischer und Partner; Alexander Freiherr von Branca [1919-2011]; Kurt Ackermann [1928-2014]). Die authentische, zugleich pragmatische Architektur gewann zahlreiche Preise.

Der Beton ist der Witterung unmittelbar ausgeliefert; Folge hiervon waren immer mehr erkennbare Schäden, bis hin zu einem Stück Beton, das Rektor Zimmer beinahe getroffen hätte. Daraufhin stellte die Staatsregierung 2008 insgesamt 400 Mio. € für die Sanierung der Universitätsgebäude zur Verfügung. In der Folge wurden unter anderem die Mensa (2008-2010), das Forum und die Tiefgarage West (2019-2021) saniert. Neue Gebäude traten hinzu: Ab 1978 wurde das Klinikum immer weiter ausgebaut. Es folgten das im nördlichen Campusbereich liegende, ebenfalls preisgekrönte sog. Vielberth-Gebäude (2008-2010), das Ausweichgebäude für die Naturwissenschaften (2010–2014) sowie die Zentrale Bushaltestelle (2013). Von 2020 an wurde auf dem südlichen Campus ein umfassender Forschungsbau für das Regensburger Zentrum für ultraschnelle Nanoskopie errichtet.

Bemerkenswert sind die zahlreichen Kunstwerke, die über den gesamten Campus verteilt sind: Über dem Grundstein der Universität errichtete 1968 der Künstler Fritz Koenig (1924–2017) die Bronzestele "Karyatide R". Geradezu zum Symbol der Universität avancierte hingegen Hermann Kleinknechts (geb. 1943) markante Skulptur "Angehaltene Bewegung" (1976/77).

Die Bedeutung der Universität für die Region

Parallel zur Universitätsgründung siedelten sich Firmen wie BMW, Siemens, Continental und andere in Regensburg an, wodurch ein ökonomischer Cluster entstand. Über die Initiative FUTUR beteiligt sich die Universität durch die Förderung von Ausgründungen und zahlreichen Kooperationen mit Unternehmen an der Stärkung des Wirtschaftsstandorts Regensburg. Der Ausbau der Infrastruktur, die Nähe nach Tschechien und Osteuropa insgesamt eröffneten nach der Wende 1989/90 eine lange anhaltende Phase wirtschaftlicher Prosperität, die geprägt war von einem wahren Bauboom. Auf der Negativseite sind steigende Grundstückspreise und Wohnungsmieten zu verzeichnen. Im Innenstadtbereich führte dies zu einer Gentrifizierung, dafür wuchs die Stadt in die Breite.

Die Gründung der Universität Regensburg veränderte das Gesicht der Stadt Regensburg und der Region grundlegend und nachhaltig. Studentisches Leben bereichert seither die Stadt. Das kulturelle Leben nahm einen ungeheuren Aufschwung. Die Universität Regensburg entwickelte sich zu einem wichtigen kulturellen Zentrum für die Oberpfalz und Ostbayern. Das 1974 eröffnete Audimax war jahrzehntelang größter Veranstaltungsraum in Regensburg und der weiteren Umgebung. Dass der Komponist und Musikpädagoge Carl Orff (1895–1982) im Jahr 1974 erstes Ehrenmitglied der Universität wurde, verdeutlicht das Gewicht, das der kulturellen Funktion der Universität beigemessen wird.

Anfang 2020 beschloss der Ministerrat, an der Universität Regensburg ein Zentrum für Erinnerungskultur einzurichten; diesem Schritt ging eine bereits lange währende und seit Sommer 2018 institutionalisierte Kooperation der Universität mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg voraus.

Von acht aktuell bestehenden Musikensembles an der Universität (Stand 2021) sind das "Symphonieorchester" und das "Uni Jazz Orchester" (UJO I & UJO II) die bedeutendsten. Ebenfalls existieren gegenwärtig (2021) 15 verschiedene Theatergruppen, einige bereits seit vielen Jahren: So die "Regensburg University Players" (seit 1968), die ausschließlich englischsprachige Stücke aufführen, oder auch das Regensburger Studententheater, das ab 1976 maßgeblich von Reinhart Meyer (geb. 1942) geprägt wurde, und überregionale Bekanntheit erlangte. Die internationale Theatergruppe Babylon führt seit 1997 Theaterstücke auf.

Literatur

  • Andreas Becker, Das Regensburger Lyzeum Albertinum während des Ersten Weltkriegs, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 156 (2016), 305-336.
  • Andreas Becker/ Klaus Buchenau (Hg.), Die Universität Regensburg im Kalten Krieg (Schriftenreihe des Universitätsarchivs; 2), Regensburg 2017.
  • Andreas Becker/Sebastian Pößniker/Bernhard Löffler (Hg.), Reform mit Grenzen. Die Geschichte der Universität in ihren Gründungsjahren bis 1975 (Schriftenreihe des Universitätsarchivs Regensburg; 2), Regensburg 2018.
  • Friedrich Hartmannsgruber, Um die geistige Form der Universität. Zur Strukturplanung der Universität Regensburg 1962-1967, in: Regensburger Almanach 1988, 39-52.
  • Universität Regensburg (Hg.), Gelehrtes Regensburg – Stadt der Wissenschaft. Stätten der Forschung im Wandel der Zeit, Regensburg 1995.
  • Universität Regensburg (Hg.), Ein Campus für Regensburg. Konzeption - Architektur - Kunst. 40 Jahre Universität Regensburg, 2007.
  • Universität Regensburg (Hg.), 50 Jahre Universität Regensburg, Regensburg 2017.
  • Alois Weißthanner, Die Gesandtschaft Herzog Albrechts IV. von Bayern an die Römische Kurie 1487 – Stiftungsprivileg für eine Universität in Regensburg, in: Archivalische Zeitschrift 47 (1951), 189-200.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Andreas Becker, Universität Regensburg, publiziert am 18.03.2021; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Universität_Regensburg (19.04.2024)