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Süddeutscher Städtekrieg, 1449/50

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach (reg. 1440-1486), dargestellt als Markgraf von Brandenburg mit dem Brandenburgischen Wappen. Die Kurwürde symbolisiert der Kurhut, den der kniende Diener hinter ihm hält. Ausschnitt aus der Predella des Schwanenorden-Altars in St. Gumbertus in Ansbach. (Foto: Markus Frankl, Würzburg)
Albrecht III. Achilles, Kurfürst von Brandenburg, Stich von Johann Baptist Fontana (gest. 1587). (Bayerische Staatsbibliothek, Porträt- und Ansichtensammlung, port-004584)
Durch die markgräflichen Truppen zerstörte Orte im Nürnberger Umland am 9. und 10. Juli 1449 nach dem Kriegsbericht Erhard Schürstabs. Erstellt nach Schürstab: Krieg, 149f. durch Gabriel Zeilinger und Hendrik Mäkeler. Die zerstörten Orte (mit Sternpunkten markiert) waren – beginnend mit Heroldsberg (Lkr. Erlangen-Höchstedt) und endend mit Feucht (Nürnberger Land) – außerdem: Ziegelstein, Erlenstegen, Spittelhof, Schefhof, Schoppershof, Mögeldorf, Großreuth, Kleinreuth, Thon, Lohe, Schnepfenreuth, Almoshof, Höfles, Wetzendorf, Schniegling, Gebersdorf, Sündersbühl, Schweinau, Kornburg, Röthenbach (alle Gemarkungen der Stadt Nürnberg), Groß- und Kleinreuth (nun die beiden Siedlungen südlich der Pegnitz) und Wendelstein (Lkr. Roth). Der Gostenhof wurde vom Nürnberger Rat selbst 'vorsorglich' zerstört. (in: Gabriel Zeilinger, Lebensformen im Krieg, Stuttgart 2007, 91)

von Gabriel Zeilinger

Einjähriger Konflikt eines 31 Mitglieder umfassenden Städtebundes mit in Einungen verbundenen Adligen. Hintergrund der Auseinandersetzungen waren Streitigkeiten des Markgrafen Albrecht "Achilles" von Brandenburg-Ansbach (reg. 1440-1486) mit der Reichsstadt Nürnberg. Der Städtekrieg blieb ohne eindeutigen Sieger: Am 22. Juni 1450 wurde ein Waffenstillstand festgelegt, am 27. April 1453 in Lauf endgültig Frieden geschlossen.

Bedeutung und Ursachen

Der Süddeutsche Städtekrieg von 1449/50 war einer der größten Kriege im römisch-deutschen Reich des 15. Jahrhunderts und als solcher ein Höhepunkt der Machtkämpfe zwischen Fürsten und Reichsstädten im Spätmittelalter: Ein insgesamt 31 Mitglieder umfassender Städtebund, dem neben den Metropolen Nürnberg und Augsburg zum Beispiel auch Rothenburg o.d.T. (Lkr. Ansbach), Windsheim (Lkr. Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim) und Weißenburg (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) angehörten. Zahlreiche in Einungen verbundene Adlige kämpften seit Anfang Juli 1449 ein Jahr lang an verschiedenen Schauplätzen zwischen Schwarzwald und Fichtelgebirge gegeneinander. Sein Epizentrum hatte dieser – nach dem ersten Städtekrieg von 1388/89 – zweite so benannte Konflikt jedoch in der auch als "Erste Markgrafenfehde" bezeichneten Auseinandersetzung zwischen Albrecht "Achilles" von Brandenburg-Ansbach (reg. 1440-1486) und der Reichsstadt Nürnberg. Zwar lassen sich dieser Teilkonflikt und andere Auseinandersetzungen (etwa Graf Ulrichs V. von Württemberg [reg. 1433-1480] gegen die Reichsstadt Esslingen) im Rahmen des Gesamtgeschehens rein fehderechtlich unterscheiden. Aufgrund mehrerer Aspekte kann man aber durchaus von einem "süddeutschen Städtekrieg" 1449/50 sprechen: Es gab übergreifende Bündnisse und eine weitgespannte Öffentlichkeit im und über den Krieg. Darüber hinaus erscheint der Begriff so oder in Variation auch in den Quellen.

Mehrere Jahre lang hatten die verschiedenen Konfliktparteien vorgeblich versucht, in den jeweiligen Streitigkeiten über einzelne Herrschaftsrechte und Besitztitel eine Übereinkunft zu erzielen. Markgraf Albrecht zum Beispiel stritt mit der Reichsstadt Nürnberg um Rechte, die er auch nach dem Verkauf der Nürnberger Burggrafenveste 1427 durch seinen Vater noch beanspruchen zu können meinte. Er führte in den Jahren vor 1449 eine ganze Reihe von Ansprüchen und Klagen vor allem gegen Nürnberg auf: Albrecht störte sich u. a. daran, dass der Nürnberger Rat den Adligen Konrad von Heideck (gest. ca. 1470/71) in Dienst genommen hatte, der zuvor schon durch seine Zusammenarbeit mit Nürnberger Bürgern beim Betrieb eines Bergwerks das Missfallen des Markgrafen erregt hatte. Jener sah dadurch sein Bergregal verletzt.

Noch grundsätzlicher war das Bemühen Albrechts, das Kaiserliche Landgericht des Burggraftums zu Nürnberg wieder als regionale Oberinstanz in seiner Hand zu sehen und gleichzeitig die Kompetenz des Nürnberger Bauerngerichts zu beschränken. Dazu kamen noch kleinere Streitpunkte wie die hohe Gerichtsbarkeit in Gostenhof (Stadt Nürnberg), der Schutz dreier Klöster in Nürnberg, der Wildbann in den Reichswäldern sowie Münzrechte. Diese Rechte stammten aus der Zeit der Burggrafschaft vor 1427 und Albrecht wollte sie im Rahmen seiner politischen Pläne reaktivieren.

Kriegsverlauf und Friedensschluss

Im Juni 1449 wurde offensichtlich, dass eine Verhandlungslösung kaum zu erreichen war. Denn neben den rechtlichen Ansprüchen stand ein in der damaligen Zeit nur schwer zu überwindendes Konfliktmoment im Raum: die vermeintlich geschmälerte oder gar verletzte Ehre der Eliten auf beiden Seiten. Die ab dem 3. Juli 1449 aufflammenden Kämpfe, das wechselseitige Brennen, Rauben und Plündern, währten ein Jahr. Dabei wurden die Besitzungen der Reichsstädte in ihrem Umland durch die Fürsten in größeren Kampagnen recht systematisch zerstört, während die Städte oft in ein- bis zweitägigen Auszügen die Herrschaften des Landadels angriffen und schädigten. Um die fränkischen Reichsstädte herum gab es dadurch einen stellenweise 20 bis 30 km breiten Kreis der Zerstörung, so dass gerade für Mittelfranken von einer weitgehenden Verwüstung des Landes ausgegangen werden kann.

Schien zunächst die Fürstenpartei erfolgreich, konnte der Städtebund im Winterhalbjahr 1449/50 seine Kriegführung besser koordinieren und fügte den Fürsten empfindliche Niederlagen zu – am bekanntesten ist der Sieg der Nürnberger über die markgräflichen Truppen bei den Pillenreuther Weihern nahe Nürnberg am 11. März 1450. Die dritte Kriegsphase ist von der zunehmenden militärisch-ökonomischen Erschöpfung der Kriegsparteien gekennzeichnet: So kam wenige Tage nach der letzten Schlacht bei Rednitzhembach (Lkr. Roth) schließlich am 22. Juni 1450 die "Bamberger Richtung" zustande, die einen Waffenstillstand ab dem 3. Juli und einen darauf folgenden Schiedsaustrag am Hof König Friedrichs III. (reg. 1440-1493, seit 1452 Kaiser) beinhaltete. Beim endgültigen Friedensschluss in Lauf (Lkr. Nürnberg) am 27. April 1453 wurde letztlich der herrschaftliche Zustand vor dem Krieg bestätigt. Dabei musste im Fall der Markgrafenfehde Albrecht Achilles seine Eroberungen aufgeben; die Nürnberger hingegen hatten jährliche Zahlungen sowie einmalig 25.000 Gulden an ihn zu entrichten.

Auswirkungen

Einen klaren Sieger des Krieges gab es nicht, die Verlierer standen allerdings fest: Außer den Toten und Verwundeten waren es die Vielen vor allem auf dem Lande, die ihr Hab und Gut verloren hatten und ihre meist ohnehin dürftige Lebensgrundlage zerstört sahen. Handel und Gewerbe nahmen nachweislich Schaden durch den Krieg. Die durch die überlieferten Stadtrechnungen rekonstruierbaren Finanzhaushalte der Reichsstädte waren oft auf Jahrzehnte mit Schulden belastet.

Politikgeschichtlich bleibt zu vermerken, dass im zweiten Süddeutschen Städtekrieg 1449/50 ein Städtebund zum letzen Mal ganz selbständig im Rahmen der Reichspolitik in Aktion trat. Die Erfahrungen aus den Städtebünden wie den adligen Einungen spielten aber in der Folgezeit eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der intensivierten Landfriedenspolitik im Reich. Die am Krieg beteiligten Reichsstädte hatten freilich ihre Selbständigkeit erst einmal bewahrt. Markgraf Albrecht Achilles hingegen baute seine Rolle als einflussreicher Reichsfürst nach dem Städtekrieg noch aus. Dabei half ihm auch seine Rolle als zentrale Identifikationsfigur der Adelspartei vor dem und im Städtekrieg.

Quellen- und Forschungslage

Der süddeutsche Städtekrieg 1449/50 weist eine für die Zeit vergleichsweise dichte Überlieferung auf, was wohl in seiner Bedeutung für die Kriegsparteien und in dem Aufsehen, das er überregional erzeugte, begründet ist. So liegen zahlreiche Chroniken sowie einige autobiographische Aufzeichnungen vor, die diesen Konflikt berühren. Der ganze zweite Band der "Chroniken der deutschen Städte" ist dem Städtekrieg gewidmet und bietet neben dem chronologischen Bericht des Nürnberger Rats- und Kriegsherrn Erhard Schürstab (gest. 1461) und den Nürnberger Kriegsordnungen noch zahlreiche Beilagen aus anderen Quellenbeständen. Von beiden Kriegsparteien ist einiges an Verwaltungsschriftgut erhalten, das insbesondere den Alltag des Kriegs näher beleuchtet. Hier sind etwa städtische Rechnungsserien (z. B. in Nördlingen und Bad Windsheim) und Korrespondenzsammlungen (u. a. in Nürnberg und Nördlingen) zu nennen. Eine exzeptionelle Überlieferung stellt das im Staatsarchiv Nürnberg überlieferte "Kriegsarchiv" von Markgraf Albrecht "Achilles" dar (StAN, Fsm Ansbach, Bamberger Abgabe, C 3, Nr. 229 I). Erfreulich ist die insgesamt große Anzahl gedruckter Quellen und Regesten zum Thema (vgl. die Auswahl unten und den Gesamtüberblick zur Quellenlage bei Zeilinger, Lebensformen).

Die Historiker des 19. Jahrhunderts waren augenscheinlich fasziniert von der Rivalität zwischen der adlig-herrschaftlichen und der städtisch-genossenschaftlichen Lebenswelt im späten Mittelalter, was den Städtekrieg von 1449/50 für sie zum Stände- und Prinzipienkampf werden ließ - wiewohl die Lager auf beiden Seiten nicht ungebrochen im ständischen Sinne waren. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts befassten sich v. a. militär- und finanzgeschichtliche Studien mit diesem Krieg. Danach hat zunächst v. a. die Landes- und die Stadtgeschichte Beiträge zur Erforschung dieses Konfliktes geliefert und die jüngere Adels-, Diplomatie- und Kriegsgeschichtsforschung hat wichtige Erkenntnisse auch hierfür geleistet. Zuletzt wurden eine alltags- und erfahrungsgeschichtliche Monographie zum Städtekrieg von Gabriel Zeilinger (geb. 1975) sowie eine Studie von Hendrik Baumbach vorgelegt, welche die Konfliktlagen und -beilegung zwischen Region und Reich für diesen Konflikt fokussierten (vgl. die Literaturhinweise).

Literatur

  • Hendrik Baumbach, Der erste Markgrafenkrieg (1449/50) als regionale Krise der höchsten Gerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Reich. Die Entwicklung der Landfriedenswahrung und Fehdebeilegung in der Landschaft Franken, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 99 (2012), 17-80.
  • Gerhard Fouquet, Die Finanzierung von Krieg und Verteidigung in oberdeutschen Städten des späten Mittelalters (1400-1500), in: Bernhard Kirchgässner/Günter Scholz (Hg.), Stadt und Krieg (Stadt in der Geschichte 15), Sigmaringen 1989, 41-82.
  • Klaus Graf, "Der adel dem purger tregt Hass". Feindbilder und Konflikte zwischen städtischem Bürgertum und landsässigem Adel im späten Mittelalter, in: Werner Rösener (Hg.), Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (Formen der Erinnerung 8), Göttingen 2000, 191-204.
  • Erhard Waldemar Kanter, Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg, Burggraf von Nürnberg. Ein Zeit- und Lebensbild. 1. Band (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hauses Hohenzollern 10/1), Berlin 1911.
  • Mario Müller (Hg.), Kurfürst Albrecht Achilles (1414-1486). Kurfürst von Brandenburg – Burggraf von Nürnberg (Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 102), Neustadt an der Aisch 2014.
  • Gerhard Rechter, Wenn ihr nicht einen streich haltet, so müsst ihr mehr straich halten. Zum Verhältnis zwischen Niederadel und Städten in Franken, in: Kurt Andermann (Hg.), "Raubritter" oder "Rechtschaffene vom Adel"? Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter (Oberrheinische Studien 14), Sigmaringen 1997, 133-150.
  • Christine Reinle, Ulrich Riederer (ca. 1406-1462). Gelehrter Rat im Dienste Kaiser Friedrichs III. (Mannheimer Historische Forschungen 2), Mannheim 1993.
  • Paul Sander, Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs. Dargestellt aufgrund ihres Zustands von 1431 bis 1440, Leipzig 1902.
  • Ernst Schubert, Albrecht Achilles, Markgraf und Kurfürst von Brandenburg (1414-1486), in: Gerhard Pfeiffer (Hg.), Fränkische Lebensbilder. 4. Band, Würzburg 1971, 130-172.
  • Gabriel Zeilinger, Kleine Reichsstadt - großer Krieg. Der süddeutsche Städtekrieg 1449/50 im Spiegel der Windsheimer Stadtrechnungen, in: Harm von Seggern/Gerhard Fouquet/Hans-Jörg Gilomen (Hg.), Städtische Finanzwirtschaft am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit (Kieler Werkstücke E 4), Frankfurt am Main u. a. 2007, 169-181.
  • Gabriel Zeilinger, Lebensformen im Krieg. Eine Alltags-und Erfahrungsgeschichte des süddeutschen Städtekriegs 1449/50 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte 196), Stuttgart 2007. (im Anhang sind zentrale Quellen zur Alltagsgeschichte dieses Kriegs ediert)

Quellen

  • Karl von Hegel (Hg.), Die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg. 3. Band (Chroniken der deutschen Städte 22), Leipzig 1892 [ND Göttingen 1965].
  • Ute Jäger (Bearb.), Die Regesten der Reichsstadt Weissenburg (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte III/9), Neustadt an der Aisch 2002.
  • Johannes Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623. 2. Teil: Von 1351-1469, hg. von Gerhard Hirschmann (Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 11), Nürnberg 1984.
  • Dieter Rübsamen (Hg.), Das Briefeingangsregister des Nürnberger Rates für die Jahre 1449-1457, Sigmaringen 1997.
  • Irene Stahl (Hg.), Die Nürnberger Ratsverlässe. Heft 1: 1449-1450 (Schriften des Zentralinstituts für fränkische Landeskunde und allgemeine Regionalforschung 23/I), Neustadt an der Aisch 1983.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Gabriel Zeilinger, Süddeutscher Städtekrieg, 1449/50, publiziert am 08.06.2015; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Süddeutscher Städtekrieg, 1449/50> (28.03.2024)