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Sturmbataillon Niederbayern, 1922/23: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Version vom 23. September 2021, 14:51 Uhr

Landshuter SA-Männer, November 1923. (Stadtarchiv Landshut)
Gregor Straßer; Foto, nicht datiert. (Stadtarchiv Landshut)

von Gabriele Goderbauer-Marchner

Seit 1922 baute Gregor Straßer (1892-1934) die Landshuter SA, die bereits 1921 aus einem örtlichen "Saalschutz" hervorgegangen war, zum Sturmbataillon Niederbayern aus. Der Erfolg der Organisation war eng mit seinem Namen verknüpft. Das Sturmbataillon nahm 1923 am Hitlerputsch teil, griff allerdings nicht aktiv in das Geschehen ein. Mit dem Verbot von NSDAP und SA nach dem Putschversuch wurde auch das Sturmbataillon Niederbayern aufgelöst.

Von den niederbayerischen Einwohnerwehren zur Landshuter SA

Nach dem Ersten Weltkrieg gründeten sich im gesamten Deutschen Reich und auch in Österreich Freiwilligenverbände in Form von Freikorps und sog. Einwohnerwehren mit dem selbstgesteckten Ziel, zum "Schutz der Ordnung" einerseits und "zum Schutz des Eigentums gegen linksradikale Unruhen" andererseits zu agieren. Sie waren militärisch zum Teil sehr gut ausgerüstet. Gemeinsam war ihnen das Kriegserlebnis, das Nein gegenüber der alten Monarchie, aber meist auch das Nein gegenüber der jungen Republik ab 1919. Auch der Apotheker Gregor Straßer (1892-1934), damals in Frontenhausen (Lkr. Dingolfing-Landau) in einer Drogerie tätig, marschierte im Mai 1919 bei einem dieser Freiwilligenverbände "gegen die Münchner Roten" mit, um die Räterepublik zu beseitigen, allerdings nicht im Freikorps Epp, wie manchmal zu lesen ist.

In Landshut schlossen sich im Oktober 1919 die niederbayerischen Einwohnerwehren auf Vorschlag des Landeshauptmanns der bayerischen Einwohnerwehren, Georg Escherich (1870-1941), zu einem Kreisverband zusammen. Der "Kreisleitung Niederbayern" standen Oberregierungsrat Schmitt, Regierungsdirektor von Kirschbaum und Regierungsrat Schultheiß mit Oberstleutnant a.D. Baumann vor. Gregor Straßer, der erst im Januar 1921 in Landshut, der Heimatstadt seiner Ehefrau Else, eine Drogerie und Apotheke in der Zweibrückenstraße kaufte, war hingegen bei diesem Zusammenschluss nicht anwesend, auch wenn sein Bruder Otto Straßer (1897-1974) dies post mortem Gregors wiederholt publizierte.

Auf Drängen des Reichs musste die bayerische Regierung die Einwohnerwehren, denen sie mehr als wohlwollend gegenüber stand, im Juni 1921 auflösen. Deren Mitglieder suchten nun neue Betätigungsfelder, unter anderem in den radikalen Rechtsverbänden, den sog. Vaterländischen Verbänden und in den Sturmabteilungen (SA), einer radikalen, aber nicht verbotenen Gruppierung der NSDAP, aus denen die Sturmbataillone erwuchsen (vgl. bereits Rudolf Kanzler, Bayerns Kampf gegen den Bolschewismus. Geschichte der bayerischen Einwohnerwehren, München 1931, 163 ff.). Die Auflösung der Einwohnerwehren war somit "ein Schuss, der nach hinten losging" (Goderbauer, Gregor Straßer, Magisterarbeit 1986, 72).

Die Landshuter SA ging im November 1921 aus einem im Herbst 1920 geschaffenen "Saalschutz" unter Klaus Obermeier hervor. Bis Herbst 1922 standen ihr nacheinander Franz Zirngibl, Franz Schrafstetter und Michael Schachtner vor. Nach Freising und Bad Tölz wurden im September 1922 auch in Landshut Hundertschaften gebildet. Bedeutend wurde die Gruppe aber erst mit dem Auftritt Gregor Straßers.

Gregor Straßer baut das Sturmbataillon Niederbayern aus

Im Herbst 1922 trat Gregor Straßer der Landshuter SA bei, kurz darauf auch der NSDAP. Er hatte die knapp zwei Jahre seit seinem Umzug nach Landshut genutzt, um sich politisch umzusehen. Es ist davon auszugehen, dass er im März 1921 Adolf Hitlers (1889-1945) Auftritt in Landshut erlebte und im Oktober 1922 auch Hermann Essers (1900-1981) Rede in der niederbayerischen Hauptstadt hörte. Als freier Mitarbeiter bei den beiden örtlichen Tageszeitungen, dem "Kurier für Niederbayern" und der "Landshuter Zeitung", sowie beim NSDAP-Organ, dem "Völkischen Beobachter", machte er sich einen Namen. Im November 1922 bereits stellvertretender Vorsitzender der Landshuter NSDAP, übernahm er im Januar 1923 die Leitung der Landshuter SA. Es begann - durch Straßers Organisations- und Redetalent - die Hoch-Zeit der Sturmabteilung in Landshut, und Straßer baute sie zum "Sturmbataillon Niederbayern" aus. Er sprach auf vielen Veranstaltungen und schrieb als "G. Str." selbst Artikel.

In großem Rahmen wurde im März 1923 die Standartenweihe der SA vollzogen, im April sorgte die "Fröttmaninger Übung" mit Beteiligung des Niederbayerischen Sturmbataillons für Aufsehen, und am 1. Mai 1923 marschierte die SA auf dem Münchner Oberwiesenfeld auf. Beim "Deutschen Tag" in Nürnberg am 1./2. September 1923 war das Sturmbataillon ebenso präsent wie an vielen Standorten an Allerheiligen; so sprach Straßer selbst am 1. November 1923 "im Namen aller Vaterländischen Kampfverbände" auf dem Städtischen Friedhof Landshuts und legte - begleitet von großem Presseecho - einen Kranz nieder. Hitler war von dem Engagement des Niederbayern beeindruckt.

Beim Hitlerputsch nur am Rande involviert

In ganz Niederbayern zog Gregor Straßer SA-Gruppen zum Sturmbataillon Niederbayern zusammen. Mit dieser Truppe war er auch am Hitlerputsch(-versuch) vom 8./9. November 1923 am Rande beteiligt. Das Sturmbataillon Niederbayern fuhr am 8. November 1923 mit Lastwagen nach München, illegal wurden Waffen mitgeschmuggelt. Eigentlich war die Aktion anders geplant, denn die Parteileitung hatte die Niederbayern nach Freising beordert, und erst dort erhielt Straßer völlig überstürzt den Befehl, mit seinen Männern in München die Wittelsbacher Brücke über die Isar zu besetzen. Es war eine lange Warterei - nichts geschah, und vom Marsch auf die Feldherrnhalle bekamen die überwiegend Landshuter Bürger nichts mit. Am Abend des 9. November fuhren sie wieder zurück - eine sinnlose, unbedeutende, unnütze und zeitaufreibende Aktion, die allerdings Hitler die Loyalität des Niederbayerischen Sturmbataillons unter Straßer bewies. Das Echo des gescheiterten Putsches und der im Frühjahr 1924 stattfindende "Hitlerprozess" brachten zudem der NSDAP und der SA enormen Zulauf und Sympathien - letztlich war das Scheitern des Putsches ein Glück, auch für Straßer (er selbst kam wegen der Teilnahme am Hitlerputsch nicht vor Gericht).

Verbot von NSDAP und SA - Aufstieg Straßers im Parlament

Sogleich nach dem Hitlerputsch wurden NSDAP, SA, die vaterländischen Verbände sowie die Kommunistische Partei verboten. Sog. Entwaffnungskommissare hoben gerade in Landshut und Umgebung umfangreiches militärisches Gut von SA und NSDAP aus. Bei der Reichswehr, die gerade in Bayern "in engster Fühlung" mit der SA stand, beschlagnahmten sie beachtliche Waffenvorräte: Allein im Reichswehrbataillon Landshut hatte Straßers SA fast 350 Gewehre mit Munition aufbewahrt, ebenso in Passau und Straubing, wo auch Pistolen und Gummiknüttel "eingelagert" waren. Zeitintensiver war die Aushebung kleinerer Depots des Sturmbataillons Niederbayern aus privaten Lagern in Landshut, Hofham, Mittergolding, Altheim, Wolfstein, Vilsbiburg (alle Lkr. Landshut), Passau, Regen, Viechtach (Lkr. Regen), Grafenau, Pfarrkirchen und Eggenfelden (beide Lkr. Rottal-Inn). Zigtausende Stück Munition, Waffen, Fernrohre, Helme und Batterien kamen zutage. Die Suchaktionen dauerten bis Ende 1924.

Gregor Straßer gründete im Frühjahr 1924 den Frontkriegerbund in Landshut, in dem er die Mitglieder der verbotenen SA sammeln konnte. Unter den (Tarn-)Namen der verbotenen Nationalsozialisten, "Völkischer Block in Bayern" bzw. "Nationalsozialistische Freiheitsbewegung" im Reich, zog er als Abgeordneter 1924 zunächst in den Bayerischen Landtag und im Dezember 1924 in den Reichstag ein, und verfolgte seine Ziele nun auf legalem Weg.

Zur weiteren Biografie Gregor Straßers

Gregor Straßer, geboren am 31. Mai 1892 im oberbayerischen Geisenfeld, war das älteste von fünf Kindern der Eheleute Peter Straßer und Pauline, geborene Strobel. Gregor studierte Pharmazie und nahm als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Im Januar 1921 ließ er sich als Apotheker in Landshut nieder. Bis zu diesem Zeitpunkt war er nie öffentlich in Erscheinung getreten. Dennoch: Von Fronterlebnissen und Kriegsausgang, Versailler Vertrag und Kameradschaftserlebnissen geprägt, engagierte er sich nun politisch. Er wandte sich der SA und der NSDAP zu, lernte Adolf Hitler kennen und wurde ab 1924 zu einem der mächtigsten Nationalsozialisten vor 1933. Ab 1926 war er Reichspropagandaleiter, später Reichsorganisationsleiter der NSDAP. Hitler schätzte den eigenständigen Denker und Organisator. Als die NSDAP bei der Reichstagswahl im November 1932 jedoch viele Stimmen verlor und Hitler zugleich jeglichen Koalitionsverhandlungen eine Absage erteilte, begann der Konflikt Straßer-Hitler. Straßer wollte die NSDAP in eine Koalition einbinden. Der Streit eskalierte, am 8. Dezember 1932 erklärte Straßer in einem Brief an Hitler seinen Rücktritt von allen Parteiposten (nicht von seinem Reichstagsmandat). Zugleich versicherte er Hitler seine Loyalität. Im Frühjahr 1933 verließ er die Politik endgültig und trat eine Direktionsstelle beim Pharma-Konzern Schering-Kahlbaum in Berlin an. Gerüchten über eine erneute politische Betätigung erteilte er eine Absage, dennoch wurde er am 30. Juni 1934 im Zuge des "Röhm-Putsches" gegen Mittag von Gestapo-Beamten in seiner Berliner Wohnung abgeholt und am selben Tag erschossen. Hitler hatte einen ehemaligen und nach wie vor bei vielen beliebten und geschätzten Mitstreiter, von dem er annahm, er könnte eventuell doch noch zum Konkurrenten werden, eiskalt beseitigen lassen. Ein gewaltsames Ende, und doch: Straßer war nie ein Gegner Hitlers, sondern durch und durch Nationalsozialist, der die Ideologie der NSDAP zeitlebens befürwortete. Die Berichte seines Bruders Otto Straßer nach 1934, Gregor sei ein "linker Nazi" gewesen, einer, der in manchen Fragen sehr viel milder und humaner gedacht habe, gehören in das Reich der Mythenbildung.

Literatur

  • Donald Morse Douglas, The Early Ortsgruppen: The Development of national Sozialist Local Groups 1919-1923, Diss. masch. Kansas 1968.
  • Gabriele Goderbauer-Marchner, Gregor Straßer und die Anfänge der NSDAP in Landshut, in: Georg Spitzlberger (Hg.), Weitberühmt und vornehm ... Landshut 1204-2004. Beiträge zu 800 Jahren Stadtgeschichte, Landshut 2004, 461-474.
  • Gabriele Goderbauer, Gregor Straßer und die Anfänge der NSDAP in Bayern, insbesondere in Niederbayern und Landshut (= unveröff. Magisterarbeit an der LMU München) 1986. (hier Verweise auf die Halbmonatsberichte und weitere Quellen der Regierung von Niederbayern, Polizeiinspektion Landshut, Landespolizei, Stadtrat, Stadtkommissär Landshut u. a.)
  • Udo Kissenkoetter, Gregor Straßer und die NSDAP (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 37), Stuttgart 1978.
  • Peter D. Stachura, Gregor Straßer and the rise of Nazism, London 1983.

Quellen

  • Kurier für Niederbayern, Landshuter Tag- und Anzeigeblatt, 74.-78. Jg., 1921-1925. (seit 16. April 1924 unter dem Zusatz "Organ des Völkischen Blocks in Niederbayern"; seit Juli 1924: Landshuter Tag- und Anzeigeblatt/Straubinger Neueste Nachrichten)
  • Landshuter Zeitung, Amtliches Publikationsorgan niederbayerischer Behörden, 73.-77. Jg., 1921-1925.
  • Völkischer Beobachter, Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands, Ausgabe München, 34.-38. Jg., 1920-1924 (ab Mai 1924 verboten).

Weiterführende Recherche

Empfohlene Zitierweise

Gabriele Goderbauer-Marchner, Sturmbataillon Niederbayern, 1922/23, publiziert am 12.06.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Sturmbataillon_Niederbayern,_1922/23> (29.03.2024)