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Strafanstalt Landsberg am Lech: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Aktuelle Version vom 23. September 2021, 15:51 Uhr

Das War Criminal Prison in Landsberg am Lech. Luftaufnahme aus dem Jahre 1956. Ein Teil des Gefängnisses diente seit 1920 als Festungshaftanstalt (Stadtarchiv Landsberg a. L., Bild A_002214)
Ansicht der Strafanstalt Landsberg am Lech. Fotografie von J. Hirschbeck, Landsberg. Abb. aus: Das Bayerland, Jahrgang 37 vom März 1926, 161. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Bavar. 198 t-37)
Adolf Hitler in der Festung Landsberg. (Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Hoffmann)
Der Eingang zur so genannten Hitlerzelle in der Festungshaftanstalt Landsberg am Lech während der NS-Zeit. (Privatarchiv Heinrich Pflanz)
Informationstafel auf dem Spöttinger Friedhof. (Privatarchiv Heinrich Pflanz)
Etwa 3000 Menschen demonstrieren am 7.1.1951 am Landsberger Hauptplatz gegen weitere Hinrichtungen. (Privatarchiv Heinrich Pflanz)
Kundgebung gegen die Hinrichtungen im WCP auf dem Hauptplatz, 7. Januar 1951. (Stadtarchiv Landsberg am Lech, BildA 2688)
In diesem Gebäude der Strafanstalt Landsberg wurden in der Nacht vom 6./7. Juni 1951 die letzten sieben Hinrichtungen vollzogen. (Privatarchiv Heinrich Pflanz)

von Thomas Raithel

Die Geschichte der Strafanstalt Landsberg am Lech ist eng mit der Entwicklung des Nationalsozialismus und der Ahndung seiner Verbrechen verbunden. Bekanntheit erlangte sie vor allem als Haftstätte Adolf Hitlers (1889-1945) in den Jahren 1923/24 sowie als War Criminal Prison (WCP) und zentrale Hinrichtungsstätte der US-Besatzungszone im Zeitraum von 1945 bis 1958. Von 1933 bis 1945 war die Anstalt ein Teil des erst in jüngster Zeit genauer erforschten NS-Gefängnissystems. Auf dem benachbarten Spöttinger Friedhof sind sowohl Opfer als auch Täter des NS-Regimes bestattet. Zusammen mit diesem Gräberfeld besitzt die heutige Justizvollzugsanstalt Landsberg auch den Charakter eines zeitgeschichtlichen Erinnerungsortes.

Die Haftanstalt 1905-1933

Die "Gefangenenanstalt" Landsberg mit einer ursprünglichen Kapazität von rund 500 Häftlingen wurde in den Jahren 1905 bis 1908 erbaut und diente zunächst ausschließlich der Inhaftierung von Männern. Nach dem Ersten Weltkrieg entstand eine eigene kleine Abteilung für die sog. Festungshaft. Der Begriff verweist in diesem Zusammenhang nicht auf ein militärisches Bauwerk, sondern auf eine gemäß dem damals gültigen Strafgesetzbuch geregelte "ehrenvolle" Art des Strafvollzugs, die mit privilegierten Haftbedingungen wie der Befreiung vom Arbeitszwang und erleichterten Möglichkeiten, Besuche zu empfangen, verbunden war.

Als erster "Festungshäftling" kam Anfang 1920 Anton Graf von Arco auf Valley (1897-1945) nach Landsberg, der am 21. Februar 1919 den Bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner (SPD, USPD, 1867-1919) erschossen hatte. Die gegen den rechtsradikalen Attentäter verhängte Todesstrafe war auf dem Wege der Begnadigung in eine zunächst lebenslange, dann aber bald deutlich reduzierte Festungshaft umgewandelt worden; bereits im Mai 1924 wurde Arco auf Bewährung entlassen. Nach dem gescheiterten Putsch vom 8./9. November 1923 gegen die bayerische Regierung unter Gustav Ritter von Kahr (Nähe zur BVP, 1862-1934) wurde Adolf Hitler (NSDAP, 1889-1945) in Landsberg inhaftiert und im April 1924 in München zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Bis zu seiner vorzeitigen Freilassung im Dezember 1924 saß Hitler zusammen mit einer Reihe von Anhängern wie Rudolf Heß (NSDAP, 1894-1987) und Julius Streicher (NSDAP, 1885-1946) in Landsberg ein und konnte im "Festungsbau" eine Art Hofhaltung zelebrieren. Gleichzeitig schrieb er an seinem Buch "Mein Kampf" (anfänglich "Viereinhalb Jahre Kampf gegen Lüge, Dummheit und Feigheit. Eine Abrechnung" tituliert), das er hier in seinen Grundzügen fertigstellte.

NS-Zeit 1933-1945

Seit 1933 wurde die Strafanstalt Landsberg einerseits zu einem Instrument des totalitären Unrechtsstaates, andererseits zu einer Stätte des Führerkults. Schon bald nach der NS-Machtübernahme kamen neben den sonstigen Häftlingen auch politische Gefangene nach Landsberg, darunter im Jahr 1938 der Münchner Prediger Pater Rupert Mayer SJ (1876-1945). Nicht selten folgte nach der Haft in Landsberg eine Überstellung ins Konzentrationslager (KZ). Mit der ehemaligen Zelle Hitlers entstand innerhalb der Anstalt ein nationalsozialistischer Wallfahrtsort, den jedes Jahr Zehntausende von Menschen, darunter zahlreiche Angehörige der Hitler-Jugend (HJ), aufsuchten. Weitergehende Pläne, die Anstalt in die größte Jugendherberge Deutschlands umzuwandeln und die Kultstätte um die "Hitlerstube" weiter auszubauen, standen im Kontext der Verleihung des nationalsozialistischen Ehrentitels "Stadt der Jugend" an die Stadt Landsberg. Diese Erweiterungspläne zerschlugen sich ab Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Überwiegend blieb Landsberg auch in der Zeit des Zweiten Weltkriegs eine Anstalt für mehr oder weniger kriminelle Häftlinge. Oftmals hatten sich die Einsitzenden kleinere Diebstähle oder kriegswirtschaftliche Delikte wie Schwarzschlachtung zu Schulden kommen lassen. Weiterhin gab es auch Insassen, die wegen politischer Vergehen wie "Heimtücke", "Wehrkraftzersetzung" oder auch "Judenverbergung" Haftstrafen verbüßten. In den letzten Kriegsjahren wurden immer mehr Gefangene aus anderen Gebieten des nationalsozialistischen Herrschaftsraums nach Landsberg verlegt, da die frontnahen Anstalten wegen des Rückzugs der deutschen Truppen evakuiert wurden. Auf diese Weise kamen unter anderem viele Polen und Italiener in die Strafanstalt Landsberg.

Im Lauf des Kriegs radikalisierte sich der Strafvollzug und die Haftbedingungen verschlechterten sich zunehmend. Den Folgen kräftezehrender Häftlingstransporte und dem Druck steigender Belegung, harter Zwangsarbeit vor allem in lokalen Rüstungsbetrieben, unzureichender Nahrungsmittelversorgung sowie mangelhafter hygienischer und medizinischer Verhältnisse fielen seit 1944 immer mehr Gefangene zum Opfer. Insgesamt starben nach den Aufzeichnungen der amtlichen Register von Beginn des Jahres 1944 bis kurz nach Kriegsende über 210 Menschen. Darunter waren auch zehn Häftlinge, die nach Ausbruchsversuchen hingerichtet wurden. Ungefähr 140 Opfer des NS-Gefängnisses wurden seit April 1944 auf dem alten Spöttinger (Stadtteil von Landsberg) Friedhof beigesetzt, der in unmittelbarer Nähe zur Strafanstalt die barocke St. Ulrichskapelle umgibt.

War Criminal Prison (1945-1958)

Nach der Besetzung Landsbergs durch Truppen der US-Armee am 27. und 28. April 1945 und der darauffolgenden Entlassung der meisten bisherigen Häftlinge entwickelte sich die Strafanstalt nach und nach zum zentralen "War Criminal Prison" (WCP) der US-amerikanischen Zone, während ein kleiner deutscher Gefängnisteil, der dem 1945 wiedergegründeten bayerischen Justizministerium unterstellt wurde, bis Ende 1946 fortbestand.

Die meisten Gefangenen unter US-Hoheit waren Verurteilte aus den sog. Dachauer Prozessen, die Militärgerichte seit Ende 1945 gegen zahlreiche NS- und Kriegsverbrecher durchführten. Die wichtigsten Häftlingsgruppen bildeten Wachpersonal aus Konzentrationslagern sowie Verurteilte aus "Fliegerfällen", in denen es um die Ermordung abgestürzter oder notgelandeter US-Piloten ging. Die Nähe Landsbergs zum ehemaligen KZ Dachau, wo der Großteil der Prozesse stattfand, war neben der Größe der Anlage und ihrer baulichen Unversehrtheit wohl der entscheidende Grund für die Standortwahl. Dass die Erinnerung an Hitlers Haftzeit ebenfalls eine Rolle spielte, ließ sich bislang nicht nachweisen.

Des Weiteren kamen Verurteilte nach Landsberg, die in den Nürnberger Nachfolgeprozessen vor Gericht gestanden hatten. Darunter waren auch einige prominente Täter wie Oswald Pohl (NSDAP, 1892-1951). Als Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamts hatte dieser in führender Funktion an der Organisation des KZ-Zwangsarbeitssystems und an der Ausplünderung der im Holocaust ermordeten Juden mitgewirkt. Zeitweise nutzte die US-Militärverwaltung das Gefängnis auch für die Inhaftierung von Personen, die während des Kalten Krieges Spionagedelikte begangen hatten.

Die westdeutsche Politik und Öffentlichkeit identifizierte die Strafanstalt nach dem Zweiten Weltkrieg oftmals mit den dort durchgeführten Exekutionen. Von den Todesurteilen aus den Dachauer Prozessen und den Nürnberger Nachfolgeprozessen wurden im WCP in den Jahren 1945 bis 1949 und dann noch einmal für einen Tag im Jahr 1951 insgesamt 252 am Galgen vollstreckt. Zu den letzten sieben Hingerichteten – die bundesdeutsche Abschaffung der Todesstrafe durch das Grundgesetz galt nicht für die US-Justiz – gehörte 1951 auch Oswald Pohl. Durch Erschießungskommandos oder vereinzelt auch durch den Strang wurden zudem in den späten 1940er Jahren über 33 Personen exekutiert, die US-Militärgerichte wegen Nachkriegsdelikten mit der Todesstrafe belegt hatten; zumeist handelte es sich um ehemalige Displaced Persons (DPs) osteuropäischer Herkunft. Etwa 175 Hingerichtete und Verstorbene aus der Zeit des WCP liegen auf dem Spöttinger Friedhof.

Für die zu Haftstrafen Verurteilten – darunter auch einzelne Frauen – stellte das WCP ein relativ modernes Gefängnis dar, in dem liberale Formen des Strafvollzugs, großzügige Möglichkeiten der Berufs- und Weiterbildung sowie das Ziel der Resozialisierung zur Geltung kamen. Gleichzeitig verringerte sich die Zahl der Inhaftierten infolge von Begnadigungen und Haftverkürzungen sehr rasch. Nicht selten profitierten hiervon auch schwer belastete NS-Täter. Diese "Gnadenwelle" war auch eine Folge des Kalten Krieges, in dessen Verlauf die Ahndung der NS-Verbrechen zeitweise in den Hintergrund des politischen und öffentlichen Interesses trat. Die letzten vier Häftlinge verließen das WCP im Mai 1958.

Weitere Geschichte der Strafanstalt und Konflikte um die Erinnerung

Die Strafanstalt ging 1958 vollständig an die bayerische Justizverwaltung über, die einen Teil der Anlage bereits wieder seit 1956 nutzen konnte. Gegenwärtig (2013) bietet die Justizvollzugsanstalt Landsberg – einschließlich eines Freigängerhauses in unmittelbarer Nähe sowie der 1966 hinzugekommenen Außenstelle in Rothenfeld bei Andechs (Lkr. Starnberg) – 687 Haftplätze für Männer. Die Gestaltung des Spöttinger Friedhofs, auf dem Täter und Opfer des NS-Regimes in enger Nachbarschaft liegen, hat von den späten 1940er bis in die 2000er Jahre mehrfach für heftige öffentliche Kontroversen gesorgt. Heute erinnern namenlose Holzkreuze und eine Informationstafel an die Bestatteten.

Literatur

  • Ludwig Eiber/Robert Sigel (Hg.), Dachauer Prozesse. NS-Verbrechen vor amerikanischen Militärgerichten in Dachau 1945-1948 (Dachauer Symposien zur Zeitgeschichte 7), Göttingen 2007.
  • Manfred Deiler, Von Hitlers Festungshaft zum Kriegsverbrecher-Gefängnis No. 1: Die Landsberger Haftanstalt im Spiegel der Geschichte, Landsberg am Lech 2. Auflage 1993.
  • Volker Dotterweich, Vom "Marsch nach Berlin" zum "Marsch nach Landsberg": Hitlers Wege nach Landsberg 1923-1939, in: Volker Dotterweich/Karl Filser (Hg.), Landsberg in der Zeitgeschichte – Zeitgeschichte in Landsberg, München 2010, 151-193.
  • Heinrich Pflanz, Der Spöttinger Friedhof in Landsberg am Lech. Eine Dokumentation, St. Ottilien 3. Aufl. 2005.
  • Othmar Plöckinger, Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers "Mein Kampf" 1922-1945. Eine Veröffentlichung des Instituts für Zeitgeschichte, München 2. Auflage 2011.
  • Edith Raim, Eine kleine Stadt erlebt die große Geschichte. Landsberg am Lech 1923-1958. Eine Chronik von Ereignissen, in: Martin Paulus u. a. (Hg.), Ein Ort wie jeder andere. Bilder aus einer deutschen Kleinstadt. Landsberg 1923-1958, Reinbek bei Hamburg 1995, 12-32.
  • Thomas Raithel, Das Landsberger Gefängnis vor und nach 1945, in: Volker Dotterweich/Karl Filser (Hg.), Landsberg in der Zeitgeschichte – Zeitgeschichte in Landsberg, München 2010, 407-430.
  • Thomas Raithel, Die Strafanstalt Landsberg am Lech und der Spöttinger Friedhof (1944-1958). Eine Dokumentation im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München, Berlin/München 2009.
  • Nikolaus Wachsmann, Hitler's Prisons: Legal Terror in Nazi Germany, New Haven 2004. (dt.: Nikolaus Wachsmann, Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat, München 2006.)
  • Klaus Weichert, Von der Gefangenenanstalt zur Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech 1909-2008. Eine Chronik über 100 Jahre, herausgegeben von der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech, Landsberg am Lech 2008.

Weiterführende Recherche

Externe Links

JVA Landsberg am Lech, JVA Rothenfeld, Staatliche Gefangenenanstalt Landsberg am Lech, War Criminal Prison (WCP) No. 1 Landsberg, Gefängnis Landsberg am Lech, Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech, War Criminal Prison Nr. 1, WCPL, Festung Landsberg

Empfohlene Zitierweise

Thomas Raithel, Strafanstalt Landsberg am Lech, publiziert am 22.07.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Strafanstalt_Landsberg_am_Lech> (19.04.2024)