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Straßen und Straßenverkehr (19./20. Jahrhundert)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Plakat zur "Herkomer Konkurrenz" des Jahres 1907, gestaltet von Hans Rudi Erdt (1883-1925). Die Herkomer-Konkurrenzen gehen auf den Maler und Automobilisten Hubert von Herkomer (1849-1914) zurück, der die älteste Tourenwagen-Rallye der Welt 1905 initiierte. Veranstaltungen dieser Art steigerten maßgeblich die Begeisterung für das Automobil und den Rennsport in der Bevölkerung. (Gemeinfrei via Wikimedia Commons)
In der Frühzeit der Automobilisierung dienten die Autobahnen vornehmlich der Inszenierung von Landschaft, u. a. für den Tourismus. Gut zu erkennen ist dies auf der ehemaligen Reichsautobahn München-Landesgrenze [Salzburg]. Auf dem Foto ist der Abstieg ins Rosenheimer Becken mit Blick auf die Alpen dargestellt. (Quelle: Die Strasse 3 [1936]. 2. Halbjahresband, Nr. 15, 469)
Talübergang Bergen der Reichsautobahn. Aufnahme: Georg Grainer, Traunstein. Abb. aus: Das Bayerland, Jahrgang 49 vom Juni 1938, 380. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Bavar. 198 t-49)
Die Arbeit an einer wassergebundenen Schotterstraße in den 1950er Jahren bei Wörnitz (ca. 12 km südlich Rothenburg ob der Tauber). Das Fuhrwerk wässert die Straße, bevor die Deckschicht mit Hilfe der Dampfwalze verdichtet wird. Dieses bis in die 1970er Jahre gängige Verfahren wurde erst spät vom Asphaltstraßenbau abgelöst. (Quelle: Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern [Hg.], Straßen und Brücken in Bayern. 5. Folge. München 1989, 232/233)
Gut sichtbar sind die schweren Frostschäden an einer Bundesstraße in den 1950er Jahren im Bereich Brand, etwa 5 km nördlich von Gunzenhausen (jetzige Bundesstraße 466). Immer wieder kam es durch die zunehmend stärkere Belastung der Straßen insbesondere in den Wintermonaten zu Straßenaufbrüchen. Geteerte oder mit einer teerhaltigen Oberflächenschutzschicht versehene Bundesstraßen besaßen im Nachkriegsdeutschland noch lange Zeit Ausnahmecharakter. (Quelle: Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern [Hg.], Straßen und Brücken in Bayern. 5. Folge. München 1989, 69)

von Alexander Gall

Verkehrswege sind die Lebensadern eines Landes. In Bayern sorgten zu Beginn des 19. Jahrhunderts die sog. "Hauptstraßen" bzw. "Commercialstraßen" (später Staatsstraßen), die "Vicinalstraßen" (ab 1852 Distriktstraßen, ab 1920 Bezirksstraßen) und Gemeindewege für den Verkehrsfluss des Individualverkehrs. Die bis in die Gegenwart anhaltende stetige Zunahme des Verkehrs auf den Straßen erfuhr durch die Verdichtung des Eisenbahnnetzes in den 1850er Jahren eine kurzfristige Unterbrechung. In den 1890er Jahren nahm der Straßenverkehr durch die steigende Verbreitung individualisierter Verkehrsmittel wie dem Fahrrad weiter zu. Die Erfindung des Automobils 1886 durch den Ingenieur Carl Friedrich Benz (1844-1929) führte anfänglich kaum zu merklichem Verkehrsanstieg auf den Straßen, was sich spätestens nach dem Ersten Weltkrieg deutlich änderte. Die neuen Verkehrsmittel Automobil und Motorrad sowie Lastkraftwagen stellten zunehmend höhere Ansprüche an den Straßenbau. Während in den 1930er Jahren der Bau von Reichsstraßen und Reichsautobahnen keine wesentliche Bedeutung für den Straßenverkehr besaß, kam ihm durch den steigenden Wohlstand der Nachkriegsgesellschaft (sog. "Wirtschaftswunder") eine größere Bedeutung zu. Mit der zunehmenden Automobilisierung der Gesellschaft und der Verdichtung des Verkehrsnetzes stiegen auch die Gefahren im Straßenverkehr, die der Gesetzgeber seit jeher verschiedentlich einzudämmen versucht. Mit seiner Belastung für Mensch und Natur sorgen Straßenverkehr und Straßenbau bis heute (2013) in verschiedenster Weise für zum Teil erhebliche Proteste seitens der Bevölkerung (beispielsweise Bau der sog. Isental-Autobahn, Erschließungsbeiträge, Autobahn-Südring-München, Lärmschutz, Ortsumfahrungen).

Die bayerischen Landstraßen vor Beginn des Eisenbahnzeitalters

Insgesamt sind unsere Kenntnisse über die bayerischen Landstraßen während des 19. Jahrhunderts eher gering. Zu dessen Beginn waren die Landstraßen in drei Kategorien unterteilt: die Haupt- bzw. Commercialstraßen (später Staatsstraßen) dienten dem Heer und dem überregionalen Durchgangsverkehr, die Vicinalstraßen (ab 1852 Distriktstraßen, ab 1920 Bezirksstraßen) dem regionalen Verkehr und die Gemeindewege dem lokalen Verkehr. Altbayern hatte aus der Regierungszeit von Kurfürst Max III. Joseph (1727-1777, reg. seit 1745) zwar ein vergleichsweise umfangreiches, aber äußerst mangelhaft konstruiertes Landstraßennetz geerbt. In den neuen fränkischen Territorien und in der linksrheinischen Pfalz war das Straßennetz dagegen weitmaschiger und lückenhafter, dafür hatte man hier aber schon im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts begonnen, sich beim Ausbau der Hauptverbindungen an der stabileren Konstruktion der französischen Chausseen zu orientieren. Diese Straßen zeichneten sich durch einen tragfähigen Grundbau (Packlage), eine geeignete Beschotterung als Fahrbahn, meist Randsteine zur Seitenbefestigung sowie durch seitliche Gräben und eine zu den Rändern hin abfallende Oberflächenwölbung zur Entwässerung aus. Damit blieben sie auch bei nasser Witterung und Tauwetter befahrbar. Bei ihrer Trassierung versuchte man enge Kurven und starke Steigungen zu vermeiden.

Um ihre Benutzbarkeit über einen längeren Zeitraum sicher zu stellen, bedurften alle Landstraßen (mit und ohne tragfähigen Aufbau) des permanenten Unterhalts. Dafür und für den Neubau von Straßen mussten die angrenzenden Gemeinden ursprünglich unentgeltliche Frondienste leisten, die für die Staatsstraßen zwischen 1807 und 1818 schrittweise abgeschafft wurden. Ihre Finanzierung (Baulast) ging im Wesentlichen an den Staat über, der im Jahr 1820 damit die Kosten für den Unterhalt von 6.215 km Staatsstraßen trug. Die Unterhaltsarbeiten wurden nun verstärkt von staatlich besoldeten Straßenwärtern übernommen. Zur Reduzierung des Unterhaltsaufwandes waren für schweres Güterfuhrwerk seit 1812 nach Gewicht gestaffelte Mindestbreiten für die Radfelgen vorgeschrieben. Zu den am stärksten frequentierten Straßen dieser Zeit gehörte die Chaussee zwischen Nürnberg und Fürth, auf der 1821 täglich 40 bis 50 Fuhrwerke verkehrten. 1833 - zwei Jahre vor Eröffnung der Eisenbahnverbindung - ergab eine Verkehrszählung hier einen täglichen Durchschnittsverkehr von nicht weniger als 1.184 Fußgängern, 494 Personen in Kutschen und 108 Fuhrwerken.

Ende des 18. Jahrhunderts begann sich die staatliche Bauverwaltung zu professionalisieren. Dazu gehörte auch die Einrichtung einer Ministerialinstanz, die seit 1830 meist als Oberste Baubehörde dem Ministerium des Innern zugeordnet ist. Neben dem Straßenbau waren in der Obersten Baubehörde mit dem Hochbau und dem Wasserbau alle wesentlichen staatlichen Bauaufgaben zusammengefasst. Innerhalb der Ministerialverwaltung besitzt sie unter anderem durch ihre Größe und ihren eigenen Haushalt eine Sonderstellung, ohne jedoch eine Sonderbehörde darzustellen. Die Mittelstufe der staatlichen Bauverwaltung bildeten seit Ende der 1810er Jahre die bei den Kreisbehörden (Regierungen) angesiedelten Kreisbauräte (heute: Bauabteilungen der Bezirksregierungen). Die untere Verwaltungsebene wurde mehrfach umorganisiert, bis 1872 für den Straßen-, Wasser- und Brückenbau 24 vom Landbau getrennte Ämter eingerichtet wurden, die in ihren Grundzügen bis heute (2013) bestehen. Unter der Oberaufsicht der Obersten Baubehörde wurden bis Mitte der 1840er Jahre - beispielsweise mit den Verbindungen zwischen Bamberg und Bayreuth oder Bamberg und Erlangen - immerhin die schwerwiegendsten Lücken im Straßennetz der neuen Landesteile geschlossen. In Altbayern erreichte man jedoch kaum mehr als eine leichte Verbesserung der höchst mangelhaften Straßenkonstruktion und -trassierung. 1840 wurden alle noch verbliebenen Straßengelder abgeschafft, die bis dahin für die Benutzung erhoben worden waren.

Die Landstraßen im Schatten der Eisenbahn

Als sich in den 1850er Jahren das Eisenbahnnetz zunehmend verdichtete, ging der Verkehr auf den Landstraßen vorübergehend zurück. Während der Durchgangsverkehr auf vielen Staatsstraßen aber bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts gering blieb, nahm der regionale und lokale Straßenverkehr aufgrund seiner Zubringerfunktion für die Eisenbahn und infolge des Wirtschaftswachstums stark zu. Das führte zu einer steigenden Beanspruchung der Distriktstraßen, die aber nur in Ausnahmefällen eine chausseeartige Konstruktion aufwiesen und nun einen erhöhten Unterhalts- und Ausbauaufwand erforderten. Seit den 1860er Jahren erhielten deshalb die Distrikte (die Vorläufer der Landkreise), die die Baulast für die Distriktstraßen trugen, regelmäßig Zuschüsse aus der Staatskasse.

Vom Beginn der 1870er Jahre an existiert eine Übersicht über den Umfang des bayerischen Straßennetzes, die auch Angaben für die Distriktstraßen enthält (vgl. Tab. 1). Zählungen aus dem Jahr 1879 ergaben auf den Staatsstraßen einen durchschnittlichen Verkehr von 159 Zugtieren pro Tag und km (vgl. Tab. 2). Der leichte Rückgang des Zugtierverkehrs im bayerischen Durchschnitt bis 1910 erklärt sich in erster Linie aus dem weiteren Ausbau des Eisenbahnnetzes in Bayern um fast 3.150 km (70 %) seit 1879, während der Kraftverkehr mit insgesamt 6.017 registrierten Fahrzeugen (darunter nur 390 Lastkraftwagen) im Jahr 1910 noch kaum Einfluss darauf besaß.

Das bayerische Straßennetz in den 1870er Jahren
Kreis Staatsstraßen in km davon Kunststraßen Distriktstraßen in km
Oberbayern 1.802,9 2 % 3.078,5
Niederbayern 808,8 5 % 2.322,9
Pfalz 588,0 77 % 1.296,0
Oberpfalz 774,7 26 % 1629,4
Oberfranken 643,7 66 % 931,2
Mittelfranken 667,1 97 % 1.342,5
Unterfranken 663,7 98 % 1.212,5
Schwaben 926,0 13 % 762,6
Königreich 6.874,9 37 % 12.575,6

Quelle: Gottfried Hartung, Die bayerischen Landstraßen, Leipzig 1902, 68, 80.

Der tägliche Verkehr im Jahresdurchschnitt für den Kilometer Staatsstraße in Bayern
Regierungsbezirk Zahl der Zugtiere Zahl der Kraftwagen
1879 1910 1924 1910 1924
Oberbayern 147,0 136,3 110,5 7,4 81,6
Niederbayern 166,0 134,7 113,9 2,9 48,2
Pfalz 153,8 155,0 134,2 4,4 145,7
Oberpfalz 178,5 159,5 122,0 2,0 48,1
Oberfranken 159,6 123,8 109,2 (ohne Coburg) 2,3 78,5 (ohne Coburg)
Mittelfranken 158,9 125,0 88,2 4,9 78,4
Unterfranken 196,5 152,0 148,3 3,1 76,7
Schwaben 136,6 168,5 164,2 4,5 75,9
Landesdurchschnitt 159,0 144,0 122,7 4,5 76,4

Quelle: Oberste Baubehörde, Die bayerischen Staatsstraßen, München 1925, 20.

Nach dem vereinzelten Einsatz von Pferdewalzen seit dem Ende der 1850er Jahre führte die bayerische Straßenbauverwaltung in den 1890er Jahren und damit deutlich später als etwa die Städte Berlin (1876) und München (1880) oder das Land Württemberg (1885) die ersten Dampfwalzen ein. Sie verbesserten die Befahrbarkeit der Straßen und erleichterten beim Unterhalt die Umstellung vom "Flicksystem" auf das effektivere "Decksystem". Beim "Flicksystem" wurden Spurrillen und Schlaglöcher punktuell mit Schotter als Deckmaterial aufgefüllt, den erst der darüber fahrende Verkehr verdichtete und verfestigte. Beim "Decksystem" wurde der zu erneuernde Straßenabschnitt dagegen in der gesamten Fahrbahnbreite mit Schotter überdeckt, mit Wasser gebunden und fest gewalzt. Vor allem wenn eine Straße bereits einen tragfähigen Unterbau besaß, erhöhte dieses Verfahren ihre Belastbarkeit, senkte den anschließenden Unterhaltsaufwand und ersparte außerdem Material und damit Kosten. Noch in den 1920er Jahren wurden aber mehr als 60 % der Staatsstraßen im "Flicksystem" unterhalten. Für diese Arbeiten waren um die Jahrhundertwende über 1.000 Straßenwärter beschäftigt, die seit 1904 im Beamtenverhältnis standen.

Die Anfänge des Automobilismus

Ebenfalls in den 1890er Jahren setzte sich mit dem Fahrrad ein neues Verkehrsmittel durch, so dass um 1900 in Bayern etwa 100.000 Radfahrer – vor allem im Umkreis der Städte – unterwegs gewesen sein dürften. Allein in München stieg zwischen 1900 und 1910 die Zahl Fahrräder von 38.000 auf 63.000. Nürnberg entwickelte sich in diesem Zuge zu einem Zentrum der Fahrrad- und später auch der Motorradindustrie. Die Fahrradfahrer waren zwar an einem guten Zustand der vorhandenen Straßen interessiert, stellten aber zunächst noch keine neuen Ansprüche an deren Qualität.

Das sah beim Automobil anders aus. Durch seine Geschwindigkeit und die Gummibereifung wirbelte es die Schotterdecken auf und verteilte sie als Staubwolken über Landschaft und Anlieger. Die Bekämpfung dieser "Staubplage" blieb bis Ende der 1960er Jahre – aufgrund des ausgedehnten Gemeindestraßennetzes noch stärker als anderenorts – eine der Hauptaufgaben im bayerischen Straßenbau. Staub, Lärm und das neuartige Gefährdungspotential riefen vor dem Ersten Weltkrieg vielfach Kritik am Automobilverkehr hervor. Vor allem im stark frequentierten Münchner Umland wehrten sich deshalb die Bewohner immer wieder, teilweise auch gewaltsam, gegen durchfahrende Wagen. Für viele Gemeinden kam noch der verstärkte Straßenverschleiß als finanzieller Belastungsfaktor hinzu, weshalb sie für die Benutzung ihrer Straßen einen zum Teil recht hohen "Pflasterzoll" erhoben. Wichtiger für die öffentliche Wahrnehmung und den Erfolg des frühen Automobilismus waren allerdings Renn- und Tourenfahrten, die meist viele Zuschauer anzogen. Zu den ersten Veranstaltungen dieser Art in Deutschland gehörten die nach dem deutsch-englischen Maler Hubert von Herkomer (1849-1914) benannten Tourenwagen-Rallyes ("Herkomer-Konkurrenzen"), die 1905, 1906 und 1907 vom Bayerischen Automobil-Club veranstaltet wurden und den Siegern zu großer Popularität verhalfen. Die "Herkomer-Konkurrenz" wird bis heute (2013) durchgeführt.

Vor dem Ersten Weltkrieg dominierten unter den Kraftfahrzeugen Motorräder und Personenwagen deutlich; ihr Bestand konzentrierte sich vor allem auf München. 1914 waren hier 51 % der bayerischen Personenwagen und 43 % aller bayerischen Kraftfahrzeuge registriert. Der Luxuscharakter, den Kraftfahrzeuge zu dieser Zeit besaßen, zeigte sich unter anderem darin, dass 1910 eine der beiden frequentiertesten Landstraßen in ganz Bayern die Strecke zwischen Forstenried bei München und dem Villenort Starnberg (45 Kfz/Tag) war (vgl. Tab. 2). Omnibusse und Lastwagen erreichten aber noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen Anteil von mehr als 15 % am gesamten Kraftfahrzeugbestand. Zu ihnen gehörten auch die Kraftpostbusse, mit denen die bayerische Post zwischen 1905 und 1914 nach und nach über 100 Verkehrslinien betrieb. Meist stellten sie für kleinere Ortschaften eine Verbindung zum nächsten Bahnhof her oder beförderten Touristen während der Sommermonate in die oberbayerischen Fremdenverkehrsorte.

Straßenbaupolitik und Motorisierung während der Weimarer Republik

Durch die Vernachlässigung des Unterhalts während des Ersten Weltkriegs und der anschließenden Inflationszeit sowie durch die Zunahme des Lastkraftwagenverkehrs und dessen kriegsbedingte Umstellung auf Eisenbereifung verschlechterte sich der Zustand der Landstraßen erheblich. Für ihre Verbesserung stand im Wesentlichen die 1922 eingeführte Kraftfahrzeugsteuer zur Verfügung, die das Reich seit 1924 fast vollständig den Ländern überließ. Mit ihrer Erhöhung im Jahr 1926 verband sich die Auflage, das gesamte Aufkommen für den Straßenbau und -unterhalt zu verwenden. Zwischen 1926 und 1933 erhielten deshalb etwa 4.600 km der bayerischen Staatsstraßen sog. Oberflächenschutzschichten (3.475 km), Pflasterungen (135 km) oder Teer- und Asphaltbeläge (950 km); 2.030 km besaßen jedoch auch am Ende diese Zeitraums weiterhin nur Schotterdecken. Außerdem wurden die Fahrbahnen vielerorts verbreitert und Korrekturen an der Linienführung vorgenommen, um enge Kurven und große Steigungen zu vermeiden. Seit 1926 überwies das Land Bayern zwischen 30 und 45 % der Kraftfahrzeugsteuer an die Bezirke (die heutigen Kreise) und Gemeinden. Den Unterhalt und den Ausbau ihrer Straßen finanzierten die untergeordneten Gebietskörperschaften dennoch zum weitaus größten Teil (zwischen 90 und 99 % bei den Gemeinden) über Anleihen, allgemeine Steuermittel und Gebühren. Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre erhielten dadurch immerhin knapp 2.750 km des insgesamt etwa 20.000 km umfassenden Bezirksstraßennetzes neue Straßendecken.

Im motorisierten Personenverkehr waren Krafträder von 1923 bis 1957 die dominierenden Verkehrsmittel in Bayern, erst danach wurden sie von den Pkw übertroffen. Während dieser Zeit lag auch die bayerische Motorraddichte (pro Kopf) meist über dem Reichs- bzw. dem Bundesdurchschnitt. Die Dominanz der Krafträder in Bayern und den übrigen süddeutschen Regionen hatte unter anderem in den topographischen Gegebenheiten ihren Grund. Deshalb war hier - anders als im Flachland - auch die Verbreitung von Fahrrädern, den eigentlichen Massenverkehrsmitteln der Weimarer Jahre, geringerer. Außerdem waren gerade in Bayern viele Zweiradhersteller ansässig, die für ihre Produkte Käufer in ihrer unmittelbaren Umgebung fanden, so dass München (BMW) und Nürnberg (u. a. Victoria und Triumph) reichsweit mit die höchsten städtischen Motorradbestände aufwiesen. Auf den Staatsstraßen im rechtsrheinischen Bayern herrschte Mitte der 1920er Jahre jedoch noch der Fuhrwerksverkehr vor (vgl. Tab. 2), nur im Umkreis der Städte München, Nürnberg und Hof waren mehr Automobile und Motorräder unterwegs. Von München aus ging der Kraftverkehr überwiegend in die südlich gelegenen Ausflugsgebiete, die am stärksten befahrene bayerische Staatstraße lag nun aber im Süden Nürnbergs. Vermutlich handelte es sich dabei um die heutige Schweinauer Hauptstraße, ein kurzes Teilstück der heutigen Bundesstraßen 2 und 14, auf dem sich sowohl der Verkehr in Richtung Ansbach als auch in Richtung Schwabach sammelte.

Aufgrund des zunehmenden Verkehrs führte Bayern, nach länderübergreifender Abstimmung, 1926 erstmals eindeutige Vorfahrtsregeln ein, die zwei Jahre später auch fast wörtlich vom Reich übernommen wurden. 1928/29 wurden auf den Staatsstraßen im bayerischen Durchschnitt dann gut dreimal so viele Kraftfahrzeuge (196) wie Fuhrwerke (59) gezählt. Eine Ausnahme bildete die Pfalz, wo der Kraftverkehr schon bei der Verkehrszählung 1925 fast durchweg stärker als der Fuhrwerksverkehr war (vgl. Tab. 2) und in der ersten Hälfte der 1920er Jahre auch die Kraftfahrzeugdichte (pro Kopf) über dem bayerischen Durchschnitt und die Zahl der Personenwagen über der der Motorräder lag. Der Grund dafür ist nach Kornmann (Automobilverkehr Süddeutschlands, 19, 26) vor allem in der französischen Politik während der von 1918 bis 1930 dauernden Rheinlandbesetzung zu suchen, die die hohen Zollschranken für Importwagen in den ersten Jahren außer Kraft gesetzt hatte. Trotz der schlechten Wirtschaftslage in den besetzen Gebieten hielt sich die Dichte der Personenwagen hier auch in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre leicht über dem bayerischen Durchschnitt, während die Kraftfahrzeugdichte insgesamt nun dahinter zurückblieb. An der Ausnahmesituation in der Pfalz lässt sich damit der Einfluss ablesen, den die hohen Pkw-Preise - neben den hohen Unterhaltskosten - auf die im internationalen Vergleich überproportional große Nachfrage nach Motorrädern in Deutschland und Bayern ausübten.

Die nationalsozialistische Straßenbau- und Kraftfahrzeugpolitik

Die nationalsozialistische Straßenbaupolitik bedeutete für das Straßenwesen eine massive Zentralisierung. Mit der 1934 beschlossenen Neugliederung des Landstraßennetzes übernahm das Reich vom Land Bayern 70 % (ca. 4.750 km) der bisherigen Staatsstraßen sowie weitere 1.400 km Straßen anderer Gebietskörperschaften als Reichsstraßen in seine Verwaltung und Baulast. Die restlichen 1.920 km Staatsstraßen sowie rund 9.000 km der bisherigen Bezirksstraßen und 850 km weiterer kommunaler Straßen bildeten nun das Netz der Landstraßen I. Ordnung. Die verbliebenen Bezirksstraßen (ca. 10.900 km) wurden in Landstraßen II. Ordnung umbenannt. Landstraßen I. und II. Ordnung blieben zwar weiterhin in der Verwaltung und Baulast des Landes bzw. der Bezirke; der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, eine von Adolf Hitler (NSDAP, 1889-1945) neu geschaffene Oberste Reichsbehörde unter Leitung des Bauingenieurs Fritz Todt (NSDAP, 1891-1942), hatte sich aber die Fachaufsicht dafür vorbehalten. Durch die Konzentration des Generalinspektors auf den Fern- und Durchgangsverkehr machte der Ausbau der Reichsstraßen und Landstraßen I. Ordnung bis zum Beginn des Krieges zwar weitere Fortschritte; aber selbst von den bayerischen Reichsstraßen besaßen 1938 noch 700 km keine festen Decken. Die Qualität des untergeordneten Straßennetzes stagnierte dagegen oder verschlechterte sich sogar. Das lag nicht zuletzt an der Priorität, die der ebenfalls vom Generalinspektor organisierte Bau der Reichsautobahn genoss.

Die Forschung ist sich inzwischen einig, dass der Autobahnbau weder militärischen Motiven folgte noch größere volks- oder verkehrswirtschaftliche Rationalität besaß. Auch sein Beitrag zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit fiel deutlich geringer aus als die nationalsozialistische Propaganda behauptete. Als Propagandamaßnahme verstanden, erwies sich der Bau der Reichsautobahnen für das NS-Regime jedoch als überaus erfolgreich. Er diente ihm dabei als Ausweis der eigenen Modernität sowie als Symbol für die "Verbindung der deutschen Gaue" und die Versöhnung von Technik und Natur. Beispielhaft dafür steht die Strecke München–Salzburg, die weder dichten Verkehr noch eine nennenswerte wirtschaftliche Raumerschließung erwarten ließ, sich aber ideal für eine spektakuläre Inszenierung der Landschaft anbot. Dafür nahm man etwa beim Irschenberg (Lkr. Miesbach) Steigungen in Kauf, die die damaligen Lkw im Winter vor ernsthafte Probleme stellten. Die besondere Konzeption der Strecke führte Ende der 1930er Jahre außerdem dazu, dass durch die Zunahme der Ausflugsfahrten an etlichen Sommerwochenenden reichsweite Verkehrsspitzen erzielt wurden, während der durchschnittliche Verkehr an Werktagen gering blieb. Einen neuartigen Straßentyp stellte die "Deutsche Alpenstraße" (auch "Queralpenstraße" genannt) dar. Erste vage Ideen dazu kamen Ende der 1920er Jahre von einigen bayerischen Fremdenverkehrsvereinen, die sich an den Plänen für touristische Bergstraßen in Österreich (bspw. Großglockner Hochalpenstraße, Kaunertaler Gletscherstraße, Wiener Höhenstraße) und der Schweiz (bspw. Glaubenbühlpass, Nufenenstrasse, Sustenpass) orientierten. Konkrete Gestalt nahm das Projekt jedoch erst an, als es 1933 das besondere Interesse Hitlers fand, der den kostspieligen Bau forcierte. Die Deutsche Alpenstraße lässt sich damit ebenso der nationalsozialistischen Tourismusförderung zuordnen wie den internationalen Bemühungen um die automobile Erschließung der Bergwelt für den visuellen Konsum.

Nicht der von der NS-Propaganda aufwendig beworbene "Kdf-Wagen" (später: Volkswagen), wohl aber die konjunkturpolitisch motivierte Kfz-Steuerbefreiung vom April 1933 für neu zugelassene Pkw und Krafträder bewirkten einen Motorisierungsschub. Ihr Bestand stieg in Bayern nach der Stagnation während der Weltwirtschaftskrise deshalb von 1933 bis 1939 jeweils um mehr als 100 % mit besonders hohen Zuwachsraten bei den Motorrädern. Die Kraftfahrzeugdichte insgesamt lag damit zwar über dem Reichsdurchschnitt, im Vergleich mit Frankreich oder Großbritannien blieb sie aber auf niedrigem Niveau. Das verbreitetste individuelle Verkehrsmittel dürfte aber weiterhin das Fahrrad gewesen sein, das vor allem im Nahbereich und im Berufsverkehr zum Einsatz kam. Bei der Straßenverkehrszählung von 1936/37 fiel der Fuhrwerksverkehr (durchschnittlich 39 Fahrzeuge pro km) auf den Reichsstraßen gegenüber dem Kraftfahrzeugverkehr (durchschnittlich 575 Fahrzeuge pro km) nun kaum mehr ins Gewicht; auf den Landstraßen I. Ordnung machte er immerhin noch 18 % des Gesamtverkehrs aus.

Straßenbaupolitik und Motorisierung in Bayern nach 1945

Das Grundgesetz erneuerte nach der Besatzungszeit zwar die zentralstaatliche Planungshoheit und Baulast für die Bundesstraßen und Bundesautobahnen (vormals Reichsstraßen und Reichsautobahnen), Aufsichtsrechte des Bundes bei den Landstraßen waren aber nicht mehr vorgesehen. Ihre Planung und Verwaltung lag damit wieder bei den Ländern, die für die Landstraßen I. Ordnung (in Bayern: Staatsstraßen) auch die Baulast übertragen bekamen. Für die Landstraßen II. Ordnung (seit 1958 Kreisstraßen) tragen seither die Kreise die Baulast; die bayerische Landkreisordnung von 1952 ermöglichte es ihnen außerdem, zur früheren Selbstverwaltung ihrer Straßen zurückzukehren. Die Kraftfahrzeugsteuer wurde auch in der Bundesrepublik den Ländern zugewiesen, ohne sie aber wieder einer Zweckbindung zu unterwerfen.

Nach Kriegsende konzentrierten sich die Straßenbaubehörden zunächst auf die Wiederherstellung der über 1.000 zerstörten Straßenbrücken. Ebenso wie nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich der Zustand der bayerischen Straßen auch nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem durch eine unzureichende Instandhaltung erheblich verschlechtert. Hinzu kam der Bedeutungsgewinn des Lastkraftverkehrs, bei dem die Zahl der Fahrzeuge schon 1948 den Vorkriegsstand übertraf und außerdem Maße und Gewichte deutlich zugenommen hatten. Besonders im Frühjahr, wenn sich während der Tauperiode die Tragfähigkeit der Straßen durch eine zu große Durchfeuchtung des Unterbaus verminderte, verursachten die Lkw deshalb schwere Schäden, die es in dieser Form und Häufigkeit in der Vorkriegszeit nicht gegeben hatte.

Von der frostsicheren Sanierung abgesehen fehlte es der Mehrzahl der bayerischen Landstraßen außerdem an ausreichend breiten Fahrbahnen und festen Decken, die der steigenden Verkehrsbelastung gewachsen gewesen wären. 1950 hielt die Oberste Baubehörde 93 % der Staatsstraßen und 99 % der Kreisstraßen aus diesen Gründen für ausbaubedürftig. Nur bei den Bundesstraßen entsprachen demnach immerhin fast 50 % des Netzes den Anforderungen (vgl. Tab. 3). Den Aufwand für den Ausbau schätzte sie auf 600 bis 700 Mio. DM, was die finanziellen Möglichkeiten bei weitem überstieg. Diese Verhältnisse verursachten im Bayerischen Landtag zu Beginn der zweiten Legislaturperiode eine so große Flut von Anträgen, bestimmte Strecken bevorzugt auszubauen, dass die Abgeordneten der Großen Koalition bald von politischen Entscheidungen für den Einzelfall Abstand nahmen. Stattdessen überantworteten sie es im Wesentlichen der Obersten Baubehörde, einen regional ausgewogenen und objektivierbaren Kriterienkatalog für den Ausbau der Staatsstraßen auszuarbeiten und danach systematisch vorzugehen. Zugleich spielte sich im Landtag eine Regelung ein, praktisch das gesamte Aufkommen der Kfz-Steuer für den Straßenbau zu verwenden. Längerfristiger Erfolg war dieser technokratischen Strategie aber erst beschieden, als die Kfz-Steuererhöhung (für Lkw) des Verkehrsfinanzgesetzes von 1955 und die anziehende Wirtschaftskonjunktur die finanziellen Spielräume für den Straßenbau erhöhten.

Das bayerische Straßennetz zwischen 1948 und 1989 (in km)
1948 1955 1965 1975 1985 1989
Autobahnen 571 582 784 1.220 1.836 2.015
Bundesstraßen 5.587 5910 6.667 7.331 7.130 7.126
Staatsstraßen 10.404 10.461 13.922 13.531 13.765 13.800
Kreisstraßen 9.638 10.065 11.824 15.935 17.842 18.213
Gemeindestraßen k.A. 76.159 75.242 87.048 91.000 93.000

Bei den Gemeindestraßen ist die Länge der Inner- und der Außerortsstraßen angegeben; die Werte zwischen 1955 und 1975 beziehen sich jeweils auf das folgende Jahr, die Werte für 1985 und 1989 sind hochgerechnet und gerundet.

(Quelle: Oberste Baubehörde [Hg.], Straßen und Brücken in Bayern. 5. Folge, München 1989, 82.)

In erster Linie diente das Verkehrsfinanzgesetz aber zur Finanzierung des Autobahnbaus, für die der Bundestag die Mineralölsteuer angehoben hatte. Noch im selben Jahr wurde in Bayern mit dem Bau der Strecke von Nürnberg über Würzburg nach Frankfurt begonnen. Sie stellte eine neue, dringend benötigte Magistrale in Richtung Rhein und Ruhr her und leistete damit einen wesentlichen Beitrag, die bayerische Verkehrsinfrastruktur den veränderten Verhältnissen infolge der Deutschen Teilung anzupassen. Bis zum Ende der 1960er Jahre, als die Motorisierungs- und Straßenbaueuphorie noch nahezu ungebremst waren, wurde das bayerische Autobahnnetz von rund 580 auf gut 1.000 km ausgebaut. Die Verkehrspläne auf Bundes- und Landesebene vom Ende der 1960er Jahre sahen eine Erweiterung auf bis zu 3.300 km vor, die bis Ende der 1980er Jahre abgeschlossen sein sollte. Sinkende Straßenbaubudgets und wachsendes Umweltbewusstsein führten jedoch bereits Ende der 1970er Jahre wieder zu einer Reduzierung der ausgreifenden Konzeptionen. Außerdem verzögerten sich einige Neubauprojekte durch Bürgerproteste und langwierige Gerichtsverfahren oder sie scheiterten (vorerst) ganz wie im Fall des Ringschlusses der A99 im Süden Münchens. 1989 erstreckte sich das bayerische Autobahnnetz auf rund 2.000 km; bis zum Jahr 2012 kamen dann noch einmal etwa 500 km hinzu.

Seit Mitte der 1950er Jahre erhielten auch die Kreis- und Gemeindestraßen verstärkte Aufmerksamkeit, weil sich ihr Zustand noch kaum gebessert hatte. Da weder Landkreise noch Gemeinden direkt an den Abgaben des Kraftverkehrs beteiligt waren, mussten sie ihre Straßenbauausgaben vor allem aus allgemeinen Steuermitteln und Krediten bestreiten. Hinzu kamen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs seit Mitte der 1950er Jahre zwar noch Zuweisungen des Freistaates aus der Kfz-Steuer; mit 10 bis 16 % der kommunalen Gesamtausgaben für den Straßenbau fielen sie aber kaum ins Gewicht. Vor besonders großen Problemen standen dabei die kleinen, weniger als 1.000 Einwohner zählenden Gemeinden in Bayern: Sie hatten die Baulast von knapp 32.000 km kommunaler Außerortsstraßen zu tragen, gut 85 % davon ohne feste Deckschichten.

Um die Gemeinden zu entlasten, stuften Bund, Freistaat und Landkreise Anfang und Mitte der 1960er Jahre deshalb mehrere tausend Kilometer Gemeinde-, Kreis- und Staatsstraßen in die jeweils nächst höhere Straßenklasse auf. Den bedeutenderen Beitrag zur Sanierung der Kommunalstraßen leistete aber die nach Finanzminister Rudolf Eberhard (CSU, 1914–1998, Finanzminister 1957–1964) benannte Finanzreform ("Eberhard-Plan") im Jahr 1963. In der Folge überließ der Freistaat Kreisen und Gemeinden unter anderem das volle Aufkommen der Kfz-Steuer zweckgebunden für den Straßenbau, während die Aufwendungen für die Staatsstraßen nun aus allgemeinen Haushaltsmitteln bezahlt werden mussten. Dies führte bald zu deren Unterfinanzierung, weshalb bereits seit Ende der 1960er Jahre wieder ein steigender Anteil am Kfz-Steueraufkommen für Ausbau und Instandhaltung der Staatsstraßen reserviert wurde. Mit dem 1971 verabschiedeten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) begann schließlich auch der Bund, Verkehrsprojekte von Kreisen und Gemeinden stärker zu bezuschussen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg zunächst der Bestand an Krafträdern steil an, er sank dann aber ab 1956 kontinuierlich und trug ab Mitte der 1960er Jahre auch nicht mehr nennenswert zur Motorisierung bei. Bei den Pkw setzte Mitte der 1950er Jahre ein starkes Wachstum ein, das bis in die Gegenwart anhält (2005: 587 Pkw/1.000 Einwohner). Anfang der 1950er Jahre verloren die Pkw ihren Luxuscharakter und wandelten sich allmählich zu einem normalen Konsumgut. Dazu trugen neben den steigenden Einkommen sowie der zunehmenden Verbreitung von Kredit- und Teilzahlungsfinanzierungen auch die sinkenden Autopreise bei, die Rationalisierung und Massenproduktion zu verdanken waren. Während die Motorisierung bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges in Bayern eher ein städtisches Phänomen war, wiesen seit Beginn der 1950er Jahre die Landkreise vor allem aufgrund der wachsenden Traktoren- und Lkw-Bestände eine höhere Kfz-Dichte (pro Kopf) als die kreisfreien Städte auf. Im Verlauf der 1970er Jahre übertrafen die Landkreise die kreisfreien Städte dann auch bei der Pkw-Dichte. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet Ingolstadt, das seit Beginn der 1970er Jahre aufgrund der vor Ort ansässigen Automobilindustrie (Audi AG) stets eine der höchsten Pkw-Dichten überhaupt im Freistaat besitzt.

Die zunehmende Motorisierung wirkte sich selbstverständlich massiv auf das Verkehrsgeschehen aus. Schon bei der Verkehrszählung 1952/53 wurden die Bundesstraßen im Durchschnitt von etwa doppelt so vielen Kraftfahrzeugen (1.178 Kfz pro Tag) frequentiert wie 1936/37; bis 1970 vervierfachte sich der Verkehr hier fast noch einmal. Der Hauptteil des Verkehrswachstums fand aber auf den Autobahnen statt. Während 1952/53 noch 2.852 Kfz/Tag gezählt wurden, hatte sich dieser Wert bis 1960 mehr als verdoppelt und bis 1970 sogar versechsfacht (17.146 Kfz/Tag). Entsprechend starke Veränderungen zeigte auch der Berufsverkehr. Gegenüber 1961 nutzten die Pendler (über die Gemeindegrenzen) im Jahr 1970 vor allem Fahrrad und Eisenbahn immer weniger und setzten sich stattdessen in ihrer Mehrheit (ca. 55 %) selbst ans Steuer ihrer Pkw oder ließen sich privat mitnehmen. Dadurch und durch den Ausbau der Straßen sank die durchschnittliche Pendelzeit in Bayern während dieses Zeitraums um etwa ein Drittel von 37 auf 25 Minuten (für eine Strecke). Die weitere Motorisierung des Berufsverkehrs brachte seitdem aber kaum mehr nennenswerte Zeitgewinne. Den größten Anteil am Personenverkehr machen jedoch schon lange der Freizeit- und der Urlaubsverkehr aus, bei denen das eigene Auto von den Nutzern noch stärker als im Berufsverkehr bevorzugt wird.

Mit der zunehmenden Motorisierung stieg während der 1950er und 1960er Jahre auch die Anzahl der Straßenverkehrsunfälle und Verkehrstoten steil an, bis im Jahr 1970 in Bayern 3.897 (BRD: 19.193) Verkehrsteilnehmer ums Leben kamen. Im Angesicht dieser Rekordmarke konnte der Bund trotz vielfältiger Widerstände als ersten Schritt zum 1. Oktober 1972 ein Tempolimit von 100 km/h auf Landstraßen einführen. Weitere gesetzliche Regelungen (z. B. Einbaupflicht für Sicherheitsgurte in Neuwagen ab 1. Januar 1974, ab 1. August 1984 Sanktionierung sog. "Gurtmuffel"), aber auch die Verbesserung der Fahrzeugsicherheit oder der Notfallmedizin haben dazu beigetragen, dass die Zahl der Verkehrstoten seit dem Jahr 1971 fast kontinuierlich sinkt (1980: 2.683; 1990: 1.715; 2012: 662), obwohl die Anzahl der Kfz oder der gefahrenen Kilometer weiter zugenommen hat. Aufgrund des ausgedehnten Landstraßennetzes und entsprechend vieler Überlandfahrten lag die Anzahl der Verkehrstoten (in Bezug auf die Einwohnerzahl) in Bayern ähnlich wie in Niedersachen in der Regel deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Denn mit den höheren Geschwindigkeiten, die außerorts gefahren werden, steigt bei Unfällen auch das Mortalitätsrisko erheblich an.

Literatur

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  • Alexander Gall, "Gute Straßen bis ins kleinste Dorf!" Verkehrspolitik in Bayern zwischen Wiederaufbau und Ölkrise (Beiträge zur historischen Verkehrsforschung 7), Frankfurt am Main/New York 2005.
  • Gottfried Hartung, Die bayerischen Landstraßen, ihre Entwicklung im XIX. Jahrhundert und ihre Zukunft. Eine historisch-kritische Studie aus dem Gebiete der bayerischen Verkehrspolitik, Leipzig 1902.
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Quellen

  • Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (Hg.), Der Kraftfahrzeugbestand in Bayern 1907 bis 1987 (Beiträge zur Statistik Bayerns 421), München 1987.
  • Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen (Hg.), Der Kraftverkehr auf Reichsautobahnen, Reichs- und Landstraßen im Dritten Reich. 1. Band, Berlin 1939.
  • Oberste Baubehörde im K. Staatsministerium des Innern, Der Verkehr der Zugtiere und Kraftwagen auf den vom Staate unterhaltenen Strassen in Bayern nach den Beobachtungen in den Jahren 1897 und 1910 sowie die Instandhaltung und Verbesserung dieser Strassen, München 1914.
  • Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Die bayerischen Staatsstraßen. Die Ursachen ihres jetzigen schlechten Zustandes und die notwendigen Maßnahmen zu ihrer Verbesserung, München 1925.
  • Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern (Hg.), Straßen und Brücken in Bayern. Folgen 2 bis 6, München 1961, 1966, 1973, 1989, 2004.
  • Statistisches Bundesamt, Verkehrsunfälle - Zeitreihen, Wiesbaden 2012.
  • Statistisches Reichsamt, Das deutsche Straßen- und Wegewesen im öffentlichen Haushalt. Mit einem Überblick über das Straßen- und Wegewesen im Ausland (Einzelschriften zur Statistik des Deutschen Reichs 29), Berlin 1934.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verkehrsinfrastruktur, Straßenverkehrsinfrastruktur, Wegenetz, Straßennetz

Empfohlene Zitierweise

Alexander Gall, Straßen und Straßenverkehr (19./20. Jahrhundert), publiziert am 07.08.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Straßen_und_Straßenverkehr_(19./20._Jahrhundert)> (28.03.2024)