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Steuerautonomie der Länder

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Gemeinschaftliche Steuern in der Bundesrepublik Deutschland: Bund, Länder und Gemeinden 2017. Zahlen nach: Statistisches Bundesamt, Statistik über das Steueraufkommen 2017. (Grafik: Bernhard von Zech-Kleber)

von Wolfgang Renzsch

Bis 1918 lag die Steuerhoheit fast ausschließlich bei den Ländern. 1919/20 gingen Gesetzgebungshoheit und Steuerverwaltung weitestgehend an das Reich über; die Steuerertragshoheit wurde zwischen Reich und Ländern aufgeteilt. Im sog. Dritten Reich lag die Steuerhoheit ausschließlich beim Reich. Bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes gingen die Steuergesetzgebung auf die Alliierten, Steuerverwaltung und Steuerertragshoheit auf die Länder über. Die Alliierten beharrten auf einer im Wesentlichen einheitlichen Steuergesetzgebung. Das Grundgesetz gestaltete 1949 die Aufteilung der Kompetenzen im Bereich der Steuern in der Tradition eines Unitarismus mit föderalen Elementen der Weimarer Republik. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer sind nach Art. 106 Abs. 3 GG Gemeinschaftssteuern von Bund und Ländern, wobei an Einkommens- und Umsatzsteuer auch die Gemeinden beteiligt werden. Des Weiteren gibt es Steuern, deren Aufkommen alleine dem Bund (z. B. Zoll, Kapitalverkehrsteuer) oder alleine den Ländern (z. B. Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Biersteuer) zustehen. Den Ländern obliegt seit Inkrafttreten des Grundgesetzes, die Kirchensteuer festzusetzen und zu erheben. Die Gemeinden erhalten das Aufkommen aus Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis (z. B. Hunde-, Schankerlaubnis-, Vergnügungs-, Zweitwohnungsteuer) und den Hebesätzen der bundesgesetzlich geregelten Realsteuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer). Seit 2006 können die Länder zudem den Steuersatz der Grunderwerbsteuer selbst festsetzen.

Entwicklungslinien der Steuerhoheit der Länder bis 1945

Bis 1918 lag die Steuerhoheit in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen (Zölle, Schaumweinsteuer) so gut wie ausschließlich in den Händen der Gliedstaaten des Deutschen Reiches. Sie hatten das Recht der Steuergesetzgebung wie auch die Ertragshoheit. Ihnen flossen die Steuererträge zu, die ihre Behörden einnahmen (örtliches Aufkommen). In der Weimarer Republik änderte sich dies infolge der Erzbergerschen Finanzreform grundlegend (1919/20, benannt nach dem damaligen Reichsfinanzminister Matthias Erzberger [1875-1921]; u. a. Landessteuergesetz, 30.03.1920). Die Gesetzgebungshoheit wurde – abgesehen von Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis – an das Reich übertragen. Ebenfalls vom Reich übernommen wurde die Steuerverwaltung. Die Steuerertragshoheit wurde hingegen zwischen Reich und Ländern geteilt: Teils flossen die Erträge der Steuern entweder ausschließlich dem Reich oder den Ländern zu (Trennsystem), teils erhielten Reich und Länder prozentual festgelegte Anteile am Aufkommen bestimmter Steuern (Verbundsystem). So flossen den Ländern und Gemeinden zwei Drittel der Erträge der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 20 % der Erbschaftsteuer, 50 % der Grunderwerbsteuer und 10 % der Umsatzsteuer zu. Mit der Gleichschaltung und Entmachtung der Länder im NS-Staat (1934) waren auch alle Formen der föderalen Finanzaufteilung obsolet.

Neugliederung der Steuerhoheit durch die Besatzungsmächte 1945

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gingen die bisherigen Kompetenzen des Reiches in die Hände der Alliierten über. Grundsätzlich setzten anfangs alle, mit dem Ausscheiden der Sowjetunion aus dem Alliierten Kontrollrat 1948 nur noch die westlichen Alliierten, auf Verwaltungskontinuität. Da die Steuergesetzgebung nicht als nationalsozialistisch galt und nicht der Entnazifizierung unterlag, ließen die Alliierten diese Gesetze – abgesehen von Anpassungen der Tarife – in Kraft und vermieden Strukturänderungen. Steuerrechtliche Novellierungen erfolgten durch Gesetze des Alliierten Kontrollrats mehrfach. Der Grundsatz der einheitlichen Steuergesetzgebung wurde weder von den (West-)Alliierten, die jedes deutsche Gesetz genehmigen mussten, noch von deutscher Seite in Frage gestellt.

Anders sah es mit der Steuerverwaltung und der Steuerertragshoheit aus. Da das Reich nicht mehr existierte, übernahmen die Länder die Steuerverwaltung, soweit in der britischen Zone nicht die Finanzleitstelle in Hamburg einige der früheren Funktionen des Reiches übernahm. Im Zuge der Verschmelzung der britischen und amerikanischen Besatzungszone zum Vereinigten Wirtschaftsgebiet ("Bizone") 1947 verlor die Finanzleitstelle aber ihre Bedeutung. Neben der Steuerverwaltung fiel den Ländern auch die Steuerertragshoheit zu. Grundsätzlich erhielt ein Land die Steuern, die von seinen Finanzbehörden erhoben wurden. Dies führte zu erheblichen Problemen, denn die mit Flüchtlingen besonders be- und überlasteten Länder (Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) hatten teilweise nur sehr geringe Steuereinnahmen (1947: Bayern 301 RM pro Einwohner, Hessen 285 RM, Niedersachsen 256 RM, Schleswig-Holstein 233 RM) zu verzeichnen, hingegen konzentrierten sich die Einnahmen aus Einfuhrzöllen und aus Verbrauchsteuern auf importierte Güter (Kaffee, Tee, Tabak) in den Seehäfen Bremen und Hamburg (Bremen 680 RM, Hamburg 1.078 RM). Dieses Problem konnte erst nach Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 gelöst werden.

Gleichwohl nutzten Länder in der amerikanischen und französischen Besatzungszone das Fehlen einer zentralen deutschen Autorität, um eigene Steuergesetze zu erlassen. Hierbei schritt Bayern voran, in dem es unter Finanzminister Fritz Schäffer (CSU, 1888-1967, Ministerpräsident und Finanzminister 1945, Bundesfinanzminister 1949-1957) ab dem 1. September 1945 eine "Notabgabe" in Höhe von 25 % auf alle zu versteuernden Einnahmen erhob. Die verbleibenden 75 % unterlagen weiterhin der Einkommensteuer. Bereits zum 1. November 1945 wurden Freistellungen und Freibeträge eingeführt. Aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 7 wurde diese Steuer nach nur drei Monaten wieder eingestellt, weil es eine zusätzliche Einkommensteuer war und damit eine gleichartige Steuer wie eine "reichsweit" – wie man damals noch sagte - bestehende.

Versuche einer Neustrukturierung bis zur Verabschiedung des Grundgesetzes

Im Vorgriff auf einen bundesweit geregelten Lastenausgleich führte u. a. Bayern "Baunotabgaben" ein, die aber sämtlich nach Gründung der Bundesrepublik entweder ausliefen oder durch bundesgesetzliche Regelungen (Lastenausgleich, Notopfer Berlin) aufgehoben worden sind. Darüber hinaus gab es in der französischen Zone einige kurzlebige, vor allem kommunale Steuern wie eine Einwohnersteuer in Württemberg-Hohenzollern oder eine Weinabgabe in Rheinland-Pfalz. Eher unter Kuriosa fällt wohl die ebenfalls kurzlebige Radfahrsteuer im Saarland.

Insgesamt hat die Zeit zwischen dem Ende des Reiches und dem Inkrafttreten des Grundgesetzes keine gravierenden Spuren im Hinblick auf die Steuerhoheit der Länder hinterlassen. Grundsätzlich beharrten die Alliierten auf einer im Wesentlichen einheitlichen Steuergesetzgebung – wenn auch mit leichten Unterschieden zwischen der britischen auf der einen und den amerikanischen und französischen Besatzungsmächten auf der anderen Seite. Ebenso wirkte in der deutschen Finanzverwaltung, die vom Reich auf die Länder übergegangen war, die Erzbergersche Tradition der reichseinheitlichen Gesetzgebung fort.

Neugestaltung im Rahmen des Grundgesetzes

Das Grundgesetz gestaltete die Aufteilung der Kompetenzen im Bereich der Steuern in der Tradition eines Unitarismus mit föderalen Elementen der Weimarer Republik. Die Zuordnung der Steuerverwaltung an die Länder anstelle einer Bundesfinanzverwaltung war mehr eine Folge des Konfliktes des Parlamentarischen Rates mit den Alliierten als ein Ausdruck des Willens des Verfassungsgebers.

Das Grundgesetz wies in der Fassung vom 23. Mai 1949 den Ländern nur sehr begrenzte Steuergesetzgebungskompetenzen zu: Art. 140 GG bestimmte, dass die Artikel 136 bis 139 und 141 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) Bestandteile des Grundgesetzes sind und damit weiter gelten. Art. 137 Abs. 6 WRV bestimmte, dass Religionsgemeinschaften, die Körperschaften öffentlichen Rechts sind, nach landesrechtlichen Bestimmungen von ihren Mitgliedern Steuern erheben können. Diese Bestimmung, nach der es in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fällt, die Kirchensteuer zu normieren, gilt seither.

Die Kirchensteuer

Die Kirchensteuer entstand im 19. Jahrhundert infolge der allgemeinen Säkularisierung und insbesondere nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Da die Kirchen dadurch ihre eigenständigen finanziellen Grundlagen verloren hatten, bestand die Notwendigkeit, ihnen die Gelder zu sichern, die sie für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigten. Es wurden daher ab 1827 (Lippe-Detmold) staatlich sanktionierte Kirchensteuern eingeführt. 1831 folgte Oldenburg, 1838 das Königreich Sachsen, das Königreich Bayern im Jahr 1892. Preußen führte die Kirchensteuer flächendeckend erst 1905/06 ein.

Mit der Weimarer Verfassung wurde Religionsgemeinschaften, soweit sie Körperschaften öffentlichen Rechts waren, das Recht eingeräumt, nach Maßgabe landesrechtlicher Bestimmungen Steuern zu erheben. Mit der Reichsabgabenordnung von 1919 und durch Landesgesetze wurden die Kirchensteuern von den staatlichen Steuerverwaltungen eingezogen.

Trotz seiner kirchenfeindlichen Grundeinstellung führte der NS-Staat den Kirchensteuerabzug vom Lohn durch die Arbeitgeber zum 1. Januar 1935 als "staatliche" Aufgabe ein. Zugleich errechnete sich die Kirchensteuer nun einheitlich als ein Prozentsatz der Lohnsteuer. Die Lohnsteuerkarten wurden um den Vermerk "Konfession" ergänzt.

Mit der Verabschiedung des Grundgesetzes erhielten die Länder das Recht zur Festsetzung und Regulierung der Kirchensteuer. Jedes Land hat die damit zusammenhängenden Fragen mit den anerkannten Religionsgemeinschaften per Staatsvertrag oder Konkordat sowie deren Bestätigung durch die Landesparlamente geregelt. Tatsächlich aber unterscheiden sich die verschiedenen landesrechtlichen Regelungen nicht in nennenswerter Weise. Lediglich die Steuersätze variieren leicht zwischen 8 % (Bayern und Baden-Württemberg) und 9 % (übrige Länder) der Lohn- und Einkommensteuer sowie der Kapitalertragsteuer. Die staatlichen Finanzbehörden erhalten zwischen 3 % und 4,5 % des Aufkommens als Entschädigung für den Verwaltungsaufwand.

Bemerkenswert ist, dass die Länder unabhängig von ihrer religiösen Prägung (weniger stark in den Ländern im Norden und Osten, stärker im Süden und Westen) nahezu die gleichen Sätze erheben und zudem die Kirchensteuergesetzgebung, der Staatsverträge bzw. Konkordate mit den Religionsgemeinschaften zugrunde liegen, die verschiedenen Religionsgemeinschaften gleich behandelt. Eine Ursache für die weitgehende Vereinheitlichung könnte sein, dass die Grenzen der Diözesen resp. Landeskirchen nicht mit denen der Länder übereinstimmen.

Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis

Ferner bestimmte das Grundgesetz in der Fassung von 1949, dass die "Steuern mit örtlichen bedingtem Wirkungskreis, insbesondere [die] Grunderwerbsteuer, [die] Wertzuwachssteuer und [die] Feuerschutzsteuer" von der konkurrierenden Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes ausgenommen sind - und damit in die Steuerhoheit der Länder bzw. Gemeinden fallen. Bei den Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis handelt es sich um Gemeindesteuern wie Hundesteuer, Jagdsteuer, Pferdesteuer, Schankerlaubnisteuer, Vergnügungssteuer, Zweitwohnungsteuer usw. Diese werden von den Gemeinden geregelt. In die kommunale Kompetenz fallen auch die Hebesätze der bundesgesetzlich geregelten Realsteuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer).

Feuerschutzsteuer

Die Feuerschutzsteuer war ursprünglich eine Abgabe, die der Förderung des Feuerlöschwesens diente und an die Versicherungsprämien geknüpft war. Sie war bis 1979 landesrechtlich gestaltet, von diesem Zeitpunkt an durch Bundesrecht. Historisch war die Feuerversicherung eine örtliche Steuer, jedoch veränderte sie sich mit dem zunehmenden geographischen Auseinanderfallen von Versicherung und Versicherungsgegenstand. Konkret: Wenn ein Haus in Bayern bei einer Versicherung in Hamburg versichert war und die Feuerschutzsteuer dem Sitzland der Versicherung zugutekam, konnte – wie das Bundesverfassungsgericht 1963 feststellte – nicht mehr von einer örtlichen Steuer die Rede sein. Seit 2010 verwaltet das Bundeszentralamt für Steuern die Feuerschutzsteuer (§ 10 FeuerschStG). Unabhängig von der Verwaltungszuständigkeit stehen die Erträge aber den Ländern zu. Anders als die übrigen Steuern, die den Ländern allein zufließen, erfolgt die Verteilung unter den Ländern nicht nach dem Prinzip des örtlichen Aufkommen, sondern durch Steuerzerlegung (§ 11 FeuerschStG): 35 % des Aufkommen nach den Anteilen der Länder an der Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche abzüglich Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit sowie private Haushalte; 5 % nach den Anteilen nach der Bruttowertschöpfung von Land- und Forstwirtschaft und Fischerei; 40 % entsprechend den Anteilen an der Wohnbevölkerung; 20 % entsprechend an der Anteile an den Privathaushalten. Die Zerlegung wird von der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg durchgeführt.

Wertzuwachssteuer

Die Wertzuwachssteuer ist eine historische Steuer, die seit der Verabschiedung des Grundgesetzes nicht mehr erhoben wird. Wertzuwächse bei Immobilien oder Wertpapieren werden bei der Realisierung der Gewinne durch die Einkommensteuer erfasst. Damit wäre eine Wertzuwachssteuer eine der Einkommensteuer gleichartige Steuer, für die es nach Art. 105 Abs. 2a GG keinen Raum gibt.

Grunderwerbsteuer

Etwas komplizierter liegen die Dinge bei der Grunderwerbsteuer. Seit 1919 war sie eine "kräftig sprudelnde" Reichssteuer. Die wesentlichen bis heute geltenden Strukturen datieren aus dem Reichsgrunderwerbsteuergesetz von 1940. Das Grundgesetz übertrug 1949 die Gesetzgebungskompetenz den Ländern, wodurch das Reichsgesetz als Landesrecht fortgalt. Erst 1962 begannen die Länder, das alte Gesetz zu modifizieren oder zu ersetzen. Die Grundstruktur wurde aber nicht geändert, sondern die Länder nutzten ihre Kompetenz, um unter Beibehaltung des hergebrachten Steuersatzes von sieben Prozent zahlreiche Ausnahmetatbestände wie begrenzte Steuerbefreiungen für den Erwerb oder Kauf von selbstgenutztem Wohneigentum oder für den sozialen Wohnungsbau zu schaffen. Das führte dazu, dass nach der Finanzreform von 1969, die den Ländern die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz wieder entzog, Klage über die Rechtszersplitterung geführt wurde. Durch Befreiungstatbestände waren etwa 80 % des Immobilienumsatzes steuerbefreit. Außerdem galt die Steuer wegen der zahlreichen Ausnahmen als besonders verwaltungsintensiv.

Seit 1971 wurden in einer Bund-Länder-Kommission Veränderungsmöglichkeiten diskutiert. Die parlamentarischen Beratungen verzögerten sich aber, weil der Bundesgesetzgeber die 6. EG-Richtlinie zur Harmonisierung des Umsatzsteuerrechtes abwarten musste. Eine Gesetzesvorlage wurde dann im Dezember 1979 eingebracht. Das Bundesgesetz von 1983 sah in Anlehnung an das Gesetz von 1940 eine wesentliche Vereinfachung des Gesetzes, insbesondere die Streichung der zahlreichen Ausnahmen, vor. Der Steuersatz wurde auf zwei Prozent gesenkt.

Finanzreform 1969

Die Finanzreform von 1969 brachte zweifellos einschneidende Veränderungen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, insbesondere des Finanzausgleichs, mit sich. Im Hinblick auf die Steuerautonomie der Länder war sie hingegen relativ bedeutungslos. Der noch heute geltende Art. 105 GG wurde neu gefasst. Art. 1 regelt nach wie vor die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes. Anstelle der bisher enumerativ aufgelisteten Steuern (Abs. 2), die der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterlagen, trat die Formulierung, dass der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die "übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder teilweise zusteht …" inne hat. Ein neuer Art. 2a bestimmte wie bisher, dass die Länder die Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern besitzen. Gestrichen wurde die gesonderte Erwähnung der Grunderwerbsteuer, der Wertzuwachssteuer und der Feuerschutzsteuer als landesrechtlich zu regelnde Steuern. Damit wurde mit Ausnahme der Grunderwerbsteuer aber nur bereits geltendes Recht neu formuliert, materiell jedoch kein neues geschaffen.

Neuregelungen der Förderalismuskommission Anfang der 2000er Jahre

Aufgrund der Beratungen der Föderalismuskommission wurde Art. 105 Abs. 2a GG 2006 um den Satz ergänzt: "Sie [die Länder] haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer." Damit bekamen die Länder die Möglichkeit, den 1997 auf 3,5 % erhöhten Steuersatz selbst festzulegen. Abgesehen von Bayern und Sachsen haben die übrigen Länder daraufhin die Steuersätze auf bis zu 6,5 % (2017) erhöht. Damit nähert sich der Steuersatz wieder dem Satz an, wie er vor 1983 bestand – diesmal allerdings ohne die zahlreichen Ausnahmetatbestände. Entsprechend gibt es mittlerweile kritische Einwände hinsichtlich der Höhe des Steuersatzes.

Die gesellschaftspolitische Auswirkung der hohen Steuersätze ist, dass breiteren Bevölkerungsschichten der Erwerb von Grundbesitz erschwert wird. Das läuft anderen sozialpolitischen Intentionen wie der privaten Vorsorge für das Alter, zu der das selbst bewohnte Immobilieneigentum zählt, entgegen. Wenn nun, wie teilweise gefordert, bundesgesetzlich oder durch Landesgesetz (hierzu wäre eine Grundgesetzänderung erforderlich) wieder Ausnahmetatbestände geschaffen werden, befindet man sich wieder in derselben Situation wie vor der Reform von 1983. Mit dieser Politik haben die Länder eher Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Landesgesetzgebung bei Steuerfragen gefördert.

Bewertung

In der Rückschau lässt sich feststellen, dass die Steuergesetzgebung und die Steuerertragskompetenz in der Bundesrepublik Deutschland in der Tradition eines Unitarismus mit föderalen Elementen der Erzbergerschen Finanzreform 1919/22 verblieben ist. Auch die Gesetzgebung des NS-Staates, die nach 1945 in der Regel weiter galt, weil es sich nach der Auffassung der Zeit nicht um NS-Recht handelte, wirkte vereinheitlichend. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlaubt die "Not", wie beispielsweise im Finanzausschuss des Parlamentarischen Rates argumentiert wurde, keine länderspezifische Steuergesetzgebung. In späteren Jahren fanden sich mit der Ausnahme bei den Hebesätzen der Grunderwerbsteuer nie Mehrheiten für eine landesrechtliche Steuergesetzgebung. Es erscheint auch wenig wahrscheinlich, dass sich das ändern könnte, zumal eher EU-weite Steuerharmonisierungen, nicht -regionalisierungen, auf der politischen Agenda stehen.

Literatur

  • Klaus Franzen, Die Steuergesetzgebung der Nachkriegszeit in Westdeutschland (1945-1961), Bremen 1994.
  • Felix Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer (Jus Ecclesiasticum. Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht und Staatskirchenrecht 66), Tübingen 2002.
  • Hanno Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, Tübingen 2004.
  • Martin Küssner, Die Abgrenzung der Kompetenzen des Bundes und der Länder im Bereich der Steuergesetzgebung sowie der Begriff der Gleichartigkeit von Steuern (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft 57), Berlin 1992.
  • Franz Menges, Reichsreform und Finanzpolitik. Die Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit Bayerns auf finanzpolitischem Wege in der Zeit der Weimarer Republik (Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter 7), Berlin 1971.
  • Hans Pagenkopf, Der Finanzausgleich im Bundesstaat. Theorie und Praxis, Stuttgart u. a. 1981.
  • Hans-Peter Ullmann, Der deutsche Steuerstaat. Geschichte der öffentlichen Finanzen vom 18. Jahrhundert bis heute, München 2005.

Quellen

Weiterführende Recherche

Verwandte Artikel

Finanzhoheit; Finanzautonomie;

Empfohlene Zitierweise

Wolfgang Renzsch, Steuerautonomie der Länder, publiziert am 27.08.2018 (aktualisierte Version 19.08.2019); in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Steuerautonomie_der_Länder> (28.03.2024)