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Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) (nach 1945)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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von Bastian Vergnon

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die bayerische Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung am 9. Januar 1946 unter dem Vorsitz von Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (1887-1980) wiederbegründet. In den ersten Jahren konnte die Partei besonders dank des starken Zulaufs sudetendeutscher Vertriebener landesweit flächendeckend Strukturen aufbauen, etablierte sich seit 1950 aber hauptsächlich in den kreisfreien Städten, vor allem in München und in Ober- und Mittelfranken. 1946-1947 und 1950-1954 war die SPD als Teil einer Großen Koalition in Bayern an der Regierung beteiligt und stellte 1954-1957 letztmals den Ministerpräsidenten, als Hoegner die gegen die Christlich Soziale Union (CSU) geschmiedete sog. Viererkoalition aus SPD, Freier Demokratischen Partei (FDP), Bayernpartei (BP) und Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) anführte. In den 1960er Jahren erzielte die BayernSPD, die bis 1974 die Entwicklung der Bundes-SPD von der sozialistischen Klassen- zur Volkspartei mit einem programmatischen Schwerpunkt auf der Bildungs- und Sozialpolitik nachvollzog, unter dem neuen Landesvorsitzenden Volkmar Gabert ihre größten Erfolge bei Landtagswahlen. Insbesondere mittels Volksbegehren konnte sie aus der Opposition heraus Einfluss auf die Politik nehmen. Richtungsstreitigkeiten zwischen alten und akademisch gebildeten neuen Mitgliedern gerade in der Hochburg München führten seit Anfang der 1970er Jahre zu Verlusten. In den 1990er Jahren konnte die SPD in Bayern mit Renate Schmidt (geb. 1943) an der Spitze vorübergehend wieder an Wählerstimmen gewinnen, bekam jedoch vor allem durch Bündnis 90/Die Grünen Konkurrenz im linken Lager. Darüber hinaus erlebte sie einen beschleunigten Mitgliederschwund und verlor ab 2003 auch als Oppositionspartei im Landtag zunehmend an Bedeutung.

Die Wiedergründung der bayerischen SPD nach 1945

Wilhelm Hoegner (SPD, 1887-1980). (Foto: Bayerische Staatskanzlei)

Die bayerische Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) stützte sich bei ihrer Wiedergründung 1945 auf Strukturen ihrer Parteiorganisation von vor 1933, deren Überlebende die Partei in Bayern wiederaufbauten. In den Orten, die von der US-amerikanischen Armee befreit waren, geschah dies sogar teilweise vor der Kapitulation der Wehrmacht. Nach dem Tod des ehemaligen Landesvorsitzenden Erhard Auer (SPD, 1874–1945, SPD-Landesvorsitzender 1918–1933) übernahm zuerst der frühere Landtagsabgeordnete und von der amerikanischen Besatzungsbehörde ernannte zweite Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD, 1887–1980, Ministerpräsident 1945–1946, 1954–1957) die Führungsrolle. Die inoffizielle Konstituierung einer Landesorganisation unter seiner Leitung fand auf einer Konferenz in Pfaffenhofen an der Ilm am 11. und 12. November 1945 statt. Die offizielle Gründung erfolgte mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung am 9. Januar 1946.

Auf einer zweiten Landeskonferenz in Pfaffenhofen am 2. Februar 1946 übernahm Hoegner auch offiziell den Landesvorsitz. Jedoch scheiterte die Wiederbelebung der vor 1933 vielfältigen Vorfeldorganisationen. Einerseits verboten die amerikanischen Besatzungsbehörden vorerst die Neugründung von Parteizeitungen und trennten zum Beispiel die Arbeiterwohlfahrt (AWO) als Sozialorganisation von der Parteiorganisation. Andererseits kämpfte die bayerische SPD nach Jahren der nationalsozialistischen Unterdrückung mit großen Nachwuchsproblemen. Und nicht zuletzt kam es innerhalb der Partei zu Richtungsstreitigkeiten: Die Vertreter der auf Bayern konzentrierten, konservativeren Linie unter Hoegner standen wachsendem Widerstand von vergleichsweise linken Gruppen, die sich am SPD-Bundesvorsitzenden Kurt Schumacher (SPD, 1895–1952, SPD-Parteivorsitzender 1946–1952) orientierten, gegenüber. Aber nur eine Minderheit der Partei, zum Beispiel in Ostbayern, favorisierte eine engere Kooperation oder sogar Fusion mit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Sowohl Hoegner als auch Schumacher waren anti-kommunistisch orientiert.

Einen starken Zuwachs erfuhr die bayerische Partei dagegen durch schlesische und sudetendeutsche Vertriebene. Da diese größtenteils auf dem sog. flachen Land untergebracht wurden und dort erstmals sozialdemokratische Strukturen aufbauten, entwickelte sich die SPD zu einer flächendeckenden Organisation. Der Jahresbericht 1947/48 der bayerischen SPD meldete einen Anteil der Heimatvertriebenen von 36 %, 30.000 eingetretene Sudetendeutsche und 200 neugegründete Ortsvereine. Dies war im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, die 20 % Zuwachs durch die Vertriebenen erfuhr, überproportional viel. Teilweise profitierte die SPD davon, dass die Besatzungsbehörden die Gründung von eigenen Vertriebenenparteien verboten hatten. Diese neuen Strukturen brachen allerdings vielerorts im Laufe der 1950er Jahre wieder zusammen, als die sudetendeutschen Sozialdemokraten auf der Suche nach Arbeit in der Industrie die ländlichen Gebiete wieder verließen und in die größeren Städte zogen.

1945 bis zur Landtagswahl 1946

Plakat der bayerischen SPD zur Wahl der Verfassunggebenden Landesversammlung am 30. Juni 1946. (SPD/Archiv der sozialen Demokratie, 6/PLKA000100)

Die Zeit von der Wiedergründung der bayerischen SPD bis in die 1970er Jahre wurde vor allem von den drei Landesvorsitzenden dieser Zeit und den durch sie repräsentierten Strömungen geprägt. Dies war zuerst mit Wilhelm Hoegner der einzige Nachkriegsministerpräsident der SPD, der eine föderalistische und auf bayerische Interessen konzentrierte Linie repräsentierte und die SPD in Bayern zu einer Volkspartei ausbauen wollte. Ihm folgte 1947 mit Waldemar Freiherr von Knoeringen (SPD, 1906–1971, SPD-Landesvorsitzender 1947–1963) ein intellektueller Vordenker, der die Arbeiterpartei zwar für andere Gesellschaftsschichten öffnete, aber dabei inhaltlich keine auf Bayern fokussierte Strategie verfolgte. 1963 übernahm der Sudetendeutsche Volkmar Gabert (SPD, 1923–2003, SPD-Landesvorsitzender 1963–1972) den Landesvorsitz. Er wirkte zwar weniger nach außen als charismatische Führungsfigur, unter ihm feierte die Partei aber ihre größten Erfolge bei Landtagswahlen in Bayern.

Hoegner dominierte 1945/46 als Ministerpräsident auch seine Partei. Durch eine direkte Verbindung zu den amerikanischen Besatzungsbehörden, die der Staatsregierung immer mehr eigenständige Kompetenzen einräumten, verfügte er über größeren politischen Spielraum als die erste bayerische Nachkriegsregierung unter Fritz Schäffer(1888-1967, BVP, CSU). In seinem Kabinett übernahm die SPD zusätzlich die Ressorts für Justiz, Inneres, Kultus und Arbeit. Im Fokus der Kabinettsarbeit stand neben der Entnazifizierung und der Versorgung der Bevölkerung – darunter immer mehr Flüchtlinge – die Schaffung einer neuen Verfassung. Obwohl die Christlich Soziale Union (CSU) in der dafür verantwortlichen Verfassunggebenden Landesversammlung mit 58,3 % der Stimmen und 109 von 180 Sitzen eine absolute Mehrheit besaß, konnte Hoegner für die SPD, die 28,8 % und 51 Sitze erhalten hatte, eigene Positionen wie Volksbegehren und Volksentscheide durchsetzen. Er gilt daher bis heute als einer der Väter der Verfassung von 1946. Innerhalb der deutschlandweit zentralistisch orientierten SPD war Hoegner als bayerischer Föderalist jedoch eher ein Außenseiter.

Eine erneute Weichenstellung stellte die erste Landtagswahl 1946 dar. Zwar hatte die CSU mit 52,3 % die absolute Mehrheit erreicht, war aber wegen interner Flügelkämpfe zwischen christlich-liberalen und katholisch-konservativen Anhängern für eine stabile Landtagsmehrheit auf einen Koalitionspartner angewiesen. Die SPD mit 28,6 % hatte daher eine Chance auf Regierungsbeteiligung. Wie schwierig die Meinungsbildung innerhalb der SPD war, zeigte die Landeskonferenz am 14. und 15. Dezember 1946, bei der mit 158 zu 135 Stimmen eine knappe Mehrheit für eine Beteiligung an der Regierung votierte. In dieser Großen Koalition aus CSU, SPD und Wirtschaftlicher Aufbau-Vereinigung (WAV) übernahm die SPD die Ressorts für Justiz, Inneres, Wirtschaft und Arbeit. Hoegner wurde Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident.

1946 bis zur Landtagswahl 1954

Waldemar von Knoeringen (SPD, 1906-1971), SPD-Landesvorsitzender 1947–1963. (Archiv der sozialen Demokratie/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FOTA007214)

Dass die Konflikte innerhalb der bayerischen SPD damit nicht beendet waren, zeigte sich 1947. Als Hoegner nach längeren innerparteilichen Kämpfen mit dem SPD-Bundesvorsitzenden Kurt Schumacher den Landesvorsitz an Waldemar von Knoeringen abgeben musste, bezeichnete er dies als Ende des föderalistischen und auf Bayern zugeschnittenen Kurses. Bereits im September 1947 hatte sich die SPD nach einer als antisozialistisch empfundenen Rede des CSU-Ministerpräsidenten Hans Ehard (CSU, 1887–1980, Ministerpräsident 1946–1954, 1960–1962) aus der Staatsregierung zurückgezogen. Vorausgegangen war starker Druck, vor allem der SPD-Spitze unter Kurt Schumacher. Teile der SPD empfanden diese Koalition als zu wenig sozialistisch und zu sehr am bayerischen Föderalismus orientiert. Als Beispiel galt vor allem die betont kirchenfreundliche Kultur- und Schulpolitik des konservativen Kultusministers Alois Hundhammer (CSU, 1900–1974, Kultusminister 1946–1950), die der säkularen Tradition der SPD stark widersprach. Durch den Austritt aus der Regierung verlor die SPD nicht nur den Zugriff auf die Verwaltung, sondern auch die dahinterstehenden Möglichkeiten und vor allem Ressourcen, um für ihre Anliegen in der breiten Öffentlichkeit zu werben.

Diese Lücke versuchte der Landesvorsitzende von Knoeringen mit einem ambitionierten "Plan A" auszugleichen: Mit einer umfangreichen Wohnungsbau-Kampagne wollte er gleichzeitig mehrere von den Zerstörungen des Krieges betroffene Bevölkerungsgruppen ansprechen und ein deutschlandweit geführtes Thema für die SPD besetzen. Obwohl die Vorstellung der Kampagne auf der Landeskonferenz in Fürth im Juli 1948 durch die Schlusskundgebung breites und positives Echo in Medien und Partei erhielt, scheiterte der Versuch, politisch davon langfristig zu profitieren. Während sich die SPD-Ortsvereine überfordert zeigten, den Plan selbstständig zu propagieren, übernahm die CSU einzelne Vorschläge und nahm der SPD-Kampagne ihre politische Schwungkraft. Von Knoeringen bezeichnete es aber als Erfolg, die Landespolitik aus der Opposition heraus geprägt zu haben - ein Dilemma, das die bayerische SPD prägen sollte: Als Oppositionspartei hatte sie dauerhaft Schwierigkeiten, mit eigenständigen Positionen in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Ebenso hatte sie Probleme, ihre linken Inhalte in einer konservativ geprägten Landespolitik einzubringen. Als Beispiel seien hier die Forderungen nach Vergesellschaftung verschiedener Wirtschaftszweige in den 1950er Jahren genannt.

Eine erneute Wende für den Einfluss der SPD auf Landesebene brachte die Landtagswahl 1950: Durch die Erfolge der Bayernpartei (BP) brach das Wahlergebnis der CSU komplett ein. Erst- und einmalig erreichte die SPD mit 28 % sogar knapp mehr Stimmenanteile als die CSU mit 27,4 %. Als Hochburgen der SPD kristallisierten sich in dieser Wahl Mittel- und Oberfranken mit seinen protestantisch geprägten Industriegebieten sowie die Landeshauptstadt München heraus. Daneben blieben bis in die 1970er Jahre die meisten kreisfreien Städte ein sehr günstiges Milieu für die SPD. Da die CSU 1950 aufgrund von Überhangmandaten dennoch einen Sitz mehr als die SPD errungen hatte, stellte sie nach schwierigen Regierungsverhandlungen mit Hans Ehard erneut den Ministerpräsidenten in einer Koalition aus CSU, SPD sowie dem Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE). Die SPD setzte als Vorbedingung für den Eintritt in die Regierung die Absetzung des konservativen Kultusministers Alois Hundhammer durch. Die SPD übernahm nun drei Ministerien: Neben Hoegner als Innenminister übernahmen Richard Oechsle (SPD, 1898–1986, Arbeits- und Sozialminister 1950–1954) das Ressort für Arbeit und Soziales sowie zunächst Rudolf Zorn (SPD, 1893–1966, Finanzminister 1951), dann Friedrich Zietsch (SPD, 1903–1976, Finanzminister 1951–1957) das Ressort für Finanzen. Trotz erneuter Spannungen vor allem zwischen CSU und SPD hielt die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode.

Das Kabinett der Viererkoalition in der Staatskanzlei am 14. Dezember 1954. V.l.n.r. sitzend: Walter Stain (BHE, 1916-2001, Arbeitsminister 1954-1962), Otto Bezold (FDP, 1899-1984, Wirtschaftsminister 1954-1957), August Rucker (parteilos, 1900-1978, Kultusminister 1954-1957), Justizminister Fritz Koch, Ministerpräsident Wilhelm Hoegner, Finanzminister Friedrich Zietsch, August Geislhöringer (BP, 1886-1963, Innenminister 1954-1957), Josef Baumgartner (BP, 1904-1964, stellv. Ministerpräsident/Landwirtschaftsminister 1954-1957); v.l.n.r. stehend: Staatssekretäre Karl Weishäupl (SPD, 1916-1989), Willi Guthsmuths (BHE, 1901-1981), Hans Meinzolt (parteilos, 1887-1967), Kurt Eilles (BP, 1914-1960), Albrecht Haas (FDP, 1906-1970), Josef Panholzer (BP, 1895-1973), Ernst Vetter (SPD, 1906-1990), Erich Simmel (BHE, 1885-1974). (Bildarchiv Bayerischer Landtag)

Die "Viererkoalition" 1954-1957

Zwar stagnierte das Wahlergebnis der SPD bei der Landtagswahl 1954 gegenüber großen Gewinnen der CSU. Da letztere aber durch allzu selbstbewusstes Auftreten mögliche Koalitionspartner verschreckte, gelang es von Knoeringen eine Koalition aller anderen Parteien gegen die CSU zu schmieden, die sog. Viererkoalition. In dieser ab 1954 amtierenden Regierung aus der Freien Demokratischen Partei (FDP), Bayernpartei sowie BHE unter Führung der SPD und des Ministerpräsidenten Hoegner übernahm die SPD ein letztes Mal in Bayern Regierungsverantwortung. Sie kam dabei den Koalitionspartnern vor allem personell stark entgegen und stellte, obwohl so stark wie die anderen Partner zusammen, neben dem Ministerpräsidenten mit Fritz Koch (SPD, 1896–1967, Justizminister 1954–1957) nur den Justizminister und erneut mit Friedrich Zietsch den Finanzminister.

In der am Anfang vor allem von der Gegnerschaft zum absoluten Führungsanspruch der CSU zusammengehaltenen Koalition konnte Hoegner als Integrationsfigur die bayerische Politik nochmals prägen, beispielsweise durch seine Bezeichnung der Sudetendeutschen als Vierten Stamm Bayerns. Weiterhin war der Ausbau des Wissenschaftsstandorts Bayern, zum Beispiel durch die Entscheidung zum Bau des Forschungsreaktors München, ein Schwerpunkt der Regierungsarbeit. Eine geplante Entkonfessionalisierung des Schulsystems scheiterte an der Weigerung der katholischen Kirche. Die Koalition zerbrach im Herbst 1957 durch den Übertritt von FDP und BHE zu einer Regierungskoalition mit der CSU.

1957 bis Anfang der 1970er Jahre: Generationswechsel und Erfolge bei Landtagswahlen

Volkmar Gabert (SPD, 1923-2003), 1962 bis 1976 Vorsitzender der SPD-Fraktion, 1963-1972 Landesvorsitzender der SPD. (Bildarchiv Bayerischer Landtag)

Nach dem Ende der Viererkoalition 1957 begann sich ein erster Generationenwechsel in der BayernSPD abzuzeichnen. Während der ehemalige Ministerpräsident Hoegner der Oppositionsarbeit nicht viel abgewinnen konnte, wollte sich der Landesvorsitzende von Knoeringen bewusst zurückziehen, um von ihm geförderten jüngeren Funktionären Platz zu machen. Dazu zählte neben dem 1960 zum Münchner Oberbürgermeister gewählten Hans-Jochen Vogel (SPD, 1926–2020, Oberbürgermeister 1960–1972) Volkmar Gabert. Vor allem Letzterer wurde durch den Landtagsfraktionsvorsitzenden Hoegner und den Landesvorsitzenden von Knoeringen systematisch zum jeweiligen Nachfolger aufgebaut. Während die Wahl Gaberts zum Landtagsfraktionsvorsitzenden relativ problemlos vonstattenging, war die Wahl zum Landesvorsitzenden deutlich knapper. Vor allem seine nicht-bayerische Herkunft wurde dabei als Manko begriffen. Dennoch gewann Gabert die Wahl 1963 mit 136 von 244 Stimmen. Die Jahre unter seinem Vorsitz zeichneten sich durch die größten Erfolge bei den Landtagswahlen aus. Dabei profitierte die SPD auf Landes- wie auf Bundesebene in den 1960er Jahren vom Trend zu einem Zwei-Parteien-System aus CDU/CSU und SPD. Zudem hatte sich die Bundespartei 1959 mit dem "Godesberger Programm" von alter marxistischer Programmatik getrennt und war somit auch für breitere Bevölkerungsschichten wählbar geworden.

Gabert gelang es trotz seiner knappen Wahl, die Partei schnell zu befrieden. Er konnte so eine umfassende und öffentlichkeitswirksame Gegenposition zur Regierungspartei CSU aufbauen. Unter ihm betonte die SPD die Rolle der Opposition als Kontrollinstanz und leitete eine konstruktive Phase in der politischen Arbeit ein, die eigene inhaltliche Vorschläge in den Vordergrund stellte. Dabei profitierte die BayernSPD noch von der programmatischen und organisatorischen Vorarbeit durch Hoegner und von Knoeringen. Beide unterstützten auch nach ihren Rücktritten die Partei durch ihre Prominenz und glichen damit das mangelnde Charisma Gaberts in der Öffentlichkeit teilweise aus.

Die Hochphase der bayerischen SPD mit 35,3 % bei der Landtagswahl 1962 und 35,8 % 1966 sorgte für großen Einfluss der SPD-Landtagsfraktion in der Landespolitik. Beispiele sind die umfangreiche Novellierung des Landesplanungsgesetzes und die Herabsetzung des Wahlalters bei Landtagswahlen von 21 auf 18 Jahre im Jahr 1970. Die größten Erfolge waren die Volksbegehren zur bekenntnisfreien Volksschule 1966 und zur Rundfunkfreiheit 1973. Beide Male machte die CSU der Opposition Kompromissvorschläge, da sie eine Niederlage bei den sonst folgenden Volksentscheiden befürchtete. Die Schaffung des Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen 1970 sowie des Landesamtes für Umweltschutz 1972 war auf den Druck der Opposition zurückzuführen, ebenso der Rücktritt von Kultusminister Theodor Maunz (NSDAP/CSU, 1901–1993, Kultusminister 1957–1964) wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit im Jahr 1964. Allerdings stieß die Opposition auch an Grenzen: Die SPD konnte 1966 das Rechtsstellungsgesetz nicht verhindern, das durch die Unvereinbarkeit von Landtagsmandat und kommunalem Wahlamt viele SPD-Abgeordnete ihre Mandate kostete. Auch die Alternativvorschläge der SPD zum Hochschulgesetz 1968 und der Gebietsreform 1971 blieben ohne Einfluss auf die Politik der Landesregierung.

Richtungsstreit in den 1970er Jahren

Während dieser Hochphase der BayernSPD kam es in den 1960er Jahren und vor allem nach Bildung der sozialliberalen Koalition im Bund 1969 zu einem massiven Generationenwechsel innerhalb der Mitgliedschaft. Dieser führte nicht nur zu einer sozialen Veränderung der Partei, sondern auch zu zahlreichen Spannungen innerhalb der Organisation. Vor allem die Übernahme von Posten durch akademisch geprägte Mitglieder der "68er-Generation" sorgte für zahlreiche Konflikte zwischen alten und neuen Mitgliedern. Beispielhaft dafür war in den 1970er Jahren die "Münchner Krankheit" im SPD-Unterbezirk München, ein langjähriger Konflikt zwischen der etablierten Parteiführung und der immer stärker werdenden Parteijugend. Das enorme Medieninteresse an dieser Entwicklung lag zuerst an der Bedeutung der Parteigliederung für die bayerische und bundesdeutsche SPD. Dies lag nicht nur am Status der Stadt als Landeshauptstadt, sondern auch daran, dass sich diese seit 1948 zu einer der stärksten Hochburgen der Partei in Bayern entwickelt hatte. Der SPD-Unterbezirk München hatte einen tiefergreifenderen und schnelleren Wandel der Mitgliedsstruktur als die Bundespartei durchgemacht. In München waren 1974 über die Hälfte der Mitglieder und ein Drittel der Ortsvereinsvorsitzenden erst seit 1969 in der Partei. Junge Akademiker bildeten die Mehrheit dieser Neumitglieder, was die Münchner Partei akademischer prägte als die Bundes-SPD.

SPD-Plakat zur Landtagswahl 1978. (Archiv der Sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/PLKA016337)

Die neuen Mitglieder, die wegen ihres Alters in den meisten Fällen Mitglieder der Parteijugendorganisation der Jungsozialisten (kurz: Jusos) waren, organisierten ihre Aktivitäten professionell. Beispielsweise gab es die Praxis, Sitzungen durch Anträge und Diskussionen so lange zu verschleppen, bis die studentisch geprägten Jusos gegenüber älteren Sozialdemokraten, die wegen ihrer beruflichen Tätigkeit die Besprechung verlassen mussten, die Mehrheit hatten. Dies führte zu zunehmender Verbitterung der älteren Mitglieder. Entsprechend schnell eskalierten die Konflikte zu harten rhetorischen und wahltaktischen Auseinandersetzungen. Diese Konflikte wirkten sich negativ auf das Bild der bayerischen SPD aus, da sie Kräfte innerhalb der Parteigliederungen banden und zu Parteiaustritten sowie Wahlniederlagen führten. In München kam noch dazu, dass die Konflikte den populären Oberbürgermeister Vogel beschädigten, der daher 1972 nicht mehr als Oberbürgermeister kandidierte.

Dennoch wurde Vogel 1972 Landesvorsitzender und Spitzenkandidat für die Landtagswahl 1974. Bei der Landtagswahl verlor die Münchner SPD erstmals alle Direktmandate der Stadt an die CSU und 1978 sogar den Posten des Oberbürgermeisters an den CSU-Kandidaten Erich Kiesl (CSU, 1930–2013, Oberbürgermeister 1978–1984). Auch verlor die SPD in den 1970er Jahren vor allem in den ländlichen Gebieten Bayerns stark an Boden. Dies zeigte sich ebenfalls bei der Landtagswahl 1974 besonders stark, bei der die SPD sämtliche bisherige Direktmandate bis auf drei in Nürnberg an die CSU abgeben musste. Zudem verlor sie in den 1970er Jahren trotz rund 120.000 Mitgliedern auch den Status als mitgliederstärkste Partei an die CSU. Auch der Tod der populären ehemaligen Vorsitzenden von Knoeringen im Jahr 1971 und Hoegner im Jahr 1980 schwächten die SPD.

Ende der 1970er Jahre bis 2018: Verluste, Wiedererstarken und Niedergang

Immer mehr machte sich bemerkbar, dass es der SPD nicht gelang, gegenüber der CSU ein eigenständiges bayerisches Profil aufzubauen. Dies konnten auch die Vorsitzendenwechsel von Hans-Jochen Vogel zu Helmut Rothemund (SPD, 1929–2004, SPD-Landesvorsitzender 1977–1985) 1977 und zu Rudolf Schöfberger (SPD, 1935–2019, SPD-Landesvorsitzender 1985–1991) 1985 nicht ändern. Waren bis dahin die Vorsitzenden der bayerischen SPD eher dem rechten Parteiflügel zugeordnet, war Schöfberger der erste Vorsitzende, der aus dem linken Flügel stammte. Dennoch erwuchs der SPD bei der Landtagswahl 1986 mit den "Grünen" erstmals seit Jahrzehnten wieder eine Konkurrenz im linken Lager. Dies zeigte sich vor allem in Stimmenverlusten in den Großstädten, die in einem vom Thema Kernenergie beherrschten Wahlkampf zugunsten der Grünen ausfielen.

Vor allem die Niederlage bei der Landtagswahl 1990 führte neben einem Wechsel im Landesvorsitz 1991 zu einer größeren Parteireform. So wurden die seit der Kaiserzeit existierenden Parteibezirke Franken, Südbayern und Niederbayern/Oberpfalz zu einem Landesverband zusammengelegt. Dieser hatte damit erstmals auch die Finanzhoheit über die bayerische Parteiorganisation. Unter der populären Vorsitzenden Renate Schmidt (SPD, geb. Pokorny, geb. 1943, SPD-Landesvorsitzende 1991–2000) feierte die SPD in den 1990er Jahren nochmals Erfolge auf Landesebene. Jedoch gelang es ihr auch in dieser kurzen Erholungsphase nicht, die absolute Mehrheit der CSU zu gefährden. So war die BayernSPD auch, anders als in den 1960er Jahren, bei Volksentscheiden nicht mehr führend. 1998 führte beispielsweise die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) das Volksbegehren "Schlanker Staat ohne Senat" an, welches die SPD nur noch als ein Partner unter vielen unterstützte.

SPD-Plakat zur Landtagswahl 2003. (Archiv der Sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/PLKA037882)

Eine Zäsur bedeutete die Landtagswahl 2003, bei der die SPD mit 19,6 % ihr bei weitem schlechtestes Ergebnis seit 1945 einfuhr. Hatte sie bis dahin unumstritten die bedeutendste Oppositionspartei gestellt und zumindest im Landtag die Führung innerhalb der Opposition übernommen, wurde diese Rolle nun immer mehr von den erstarkenden Bündnis 90/Die Grünen herausgefordert. Diese Tendenz setzte sich mit Ausnahme der Wahl 2013 fort, bis nicht nur Bündnis 90/Die Grünen, sondern auch die Freien Wähler (FW) und die Alternative für Deutschland (AfD) die SPD bei der Landtagswahl 2018 an Stimmen und Mandaten überholten.

Programmatik

Die inhaltliche Ausrichtung der bayerischen SPD war seit 1945 starken Veränderungen ausgesetzt. Das Aktionsprogramm von 1946 bezog sich noch stark auf den "demokratischen Sozialismus", der die Partei seit dem ersten Parteiprogramm von 1891 geprägt hatte. Entsprechend forderte die bayerische SPD im Aktionsprogramm eine demokratisch kontrollierte "Planung und Lenkung der Wirtschaft" sowie eine damit einhergehende "Neuordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse". Ausdruck dessen waren 35 Forderungen, zum Beispiel nach einer Vergesellschaftung der Bergbau-, Eisen- und Stahlindustrie, der Energieversorgung und der Verkehrsbetriebe sowie eine Bodenreform. Weitere Schwerpunkte waren die Entnazifizierung und eine zentrale demokratische Lenkung der Wirtschaft.

Diese ideologische Basis des "demokratischen Sozialismus" veränderte sich in den 1950er Jahren nicht weiter. Allerdings setzte die bayerische SPD, bedingt durch die Verlagerung von Kompetenzen auf die Bundesebene, in ihren Landtagswahlprogrammen neue Schwerpunkte. 1954 waren dies zum Beispiel die Kulturpolitik, unter die auch Wissenschaft und Bildung fielen, die Sozialpolitik mit Schwerpunkt des Wohnungsbaus und der Kommunalpolitik. Im "Bayernprogramm" 1962 legte die Partei ebenfalls einen Schwerpunkt auf die Bildungspolitik und forderte zum Beispiel "Mehr und bessere Schulen".

1970 war die Programmatik der Landtagswahl stark von der Unterstützung für die Politik der sozialliberalen Bundesregierung geprägt. Auf Landesebene fokussierte sich die SPD inhaltlich erneut auf die Schul- und Wissenschaftspolitik, bei der sie der CSU-Versäumnisse vorwarf und eigene Initiativen wie die Abschaffung der Konfessionsschulen in den Vordergrund stellte. Vor allem die konkreten Forderungen nach einer christlichen Gemeinschaftsschule und einem Landesentwicklungsplan für die Wirtschaft zeigten Kontinuitäten, die seit dem Aktionsplan von 1946 bis in die 1960er und 1970er Jahre verfolgt wurden. Radikale Bestrebungen, zum Beispiel die 1970 von einzelnen Jusos erhobene Forderung, des Privateigentums an Grund und Boden aufzuheben, blieben dagegen ohne Resonanz auf die offizielle Programmatik.

Insgesamt entwickelte sich die bayerische SPD von einer sozialistischen Klassenpartei hin zu einer demokratischen Volkspartei. So verwies das Landeswahlprogramm von 1974 explizit auf die von Hoegner geprägte Bayerische Verfassung und das Godesberger Programm, mit dem die SPD auf Bundesebene diese Entwicklung 1959 vollzogen hatte. Beide Werke sollten nicht mehr zugunsten des Sozialismus ersetzt werden. Stattdessen beanspruchte die SPD für sich, deren Intention mit ihrer sozialdemokratischen Programmatik zu verwirklichen. Das Programm zeigte auch die Veränderung in der Mitgliederstruktur, da es deutlich akademischer und kleinteiliger in seinen Forderungen aufgebaut war als die vorherigen Programme. Neben den klassischen Inhalten der Bildungs- und Sozialpolitik legte es zum Beispiel mit Lebensqualität und Umweltschutz neue Themen fest. Dabei wurde die Marktwirtschaft nicht mehr in Frage gestellt, sondern sollte durch vorbeugende Planung des Staates ergänzt werden, um Chancengleichheit zum Beispiel für Frauen und Arbeiter zu erreichen.

Bayerisches Traditionsbanner der SPD unter dem Motto "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit". (Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/PLKA040086)

Diese inhaltlichen Schwerpunkte blieben in den 1980er Jahren gleich. Hier zeigte sich in den Programmen aber eine deutlichere Oppositionshaltung gegenüber der CSU, da viele Forderungen von Kritik an der Staatsregierung abgeleitet wurden. Daneben blieben die zentralen Themen bestehen, zum Beispiel der Ausbau des Sozialstaates und der Gesundheitsversorgung, eine Wende in der Verkehrspolitik zu Öffentlichem Personennahverkehr und Bahn, eine Demokratisierung und höhere Durchlässigkeit des Bildungswesens sowie eine Dezentralisierung von Verwaltungskompetenzen weg von der Landesebene. Diese Themen veränderten sich bis in die 2010er Jahre nicht, auch wenn sich in den einzelnen Programmen aktuelle Entwicklungen widerspiegelten. So waren die 1990er Jahre von der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und dem Umbau der Wirtschaft geprägt. 2008 wiederum ergaben sich durch die Reformen der sog. Agenda 2010 auf Bundesebene zahlreiche inhaltliche Forderungen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, die sich auf Änderungen einzelner Reformen bezogen. 2013 und 2018 wuchsen die Programme nochmals deutlich an, wobei sich die Leitmotive "soziale Gerechtigkeit" und "Zusammenhalt" wenig vom Motto 2008, "Bayern, aber gerechter" unterschieden.

Insgesamt hat die bayerische SPD die Entwicklungen auf Bundesebene auch in ihrer offiziellen Programmatik nachvollzogen.

Landesvorsitzende der bayerischen SPD seit 1945
Name Lebensdaten Amtszeit
Wilhelm Hoegner 1887-1980 1945-1947
Waldemar von Knoeringen 1906-1971 1947-1963
Volkmar Gabert 1923-2003 1963-1972
Hans-Jochen Vogel 1926-2020 1972-1977
Helmut Rothemund 1929-2004 1977-1985
Rudolf Schöfberger 1935-2019 1985-1991
Renate Schmidt geb. 1943 1991-2000
Wolfgang Hoderlein geb. 1953 2001-2003
Ludwig Stiegler geb. 1944 2003-2009
Florian Pronold geb. 1972 2009-2017
Natascha Kohnen geb. 1967 2017-2021
Florian von Brunn geb. 1969 2021-2024
Ronja Endres geb. 1986 ab 2021

Landtagswahlergebnisse der bayerischen SPD seit 1945

Die Landtagswahlergebnisse der bayerischen SPD lassen sich in fünf Phasen gliedern:

  • Zwischen 1946 und 1958 sowie zwischen 1986 und 1998 stand sie immer relativ stabil über 25 %.
  • Zwischen 1958 und 1982 erzielte sie dauerhaft Ergebnisse über 30 %.
  • 2003 brach die Partei auf unter 20 % ein.
  • 2018 erzielte sie erstmals ein Ergebnis von unter 10 %.

Bei den Direktmandaten konnte die SPD jahrzehntelang vor allem in München und im "fränkischen Korridor" der evangelisch geprägten, industrialisieren Regionen von Ober- und Mittelfranken punkten. Besonders die Landeshauptstadt München zeigte sich bis in die 1970er Jahre als sozialdemokratische Festung. So erreichte die SPD bei der Landtagswahl 1950 dort 39,1 % gegenüber 18,8 % der CSU. Zu einem Einbruch bei den Direktmandaten kam es bei der Landtagswahl 1974, bei der es der CSU gelang, flächendeckend in München und im"fränkischen Korridor" SPD-Direktmandate zu übernehmen. Die meisten dieser Mandate konnte die SPD nie zurückgewinnen. Zwar hielten sich einzelne "Wahlinseln", aber mit München-Milbertshofen ging 2018 das letzte Direktmandat verloren (Stand: 2021).

Ergebnisse bei den Landtagswahlen seit 1946
Wahljahr Spitzenkandidatur Prozente Mandate
1946 Wilhelm Hoegner 28,6 % 54
1950 Waldemar von Knoeringen 28,0 % 63
1954 Wilhelm Hoegner 28,1 % 61
1958 Wilhelm Hoegner 30,8 % 64
1962 Volkmar Gabert 35,3 % 79
1966 Volkmar Gabert 35,8 % 79
1970 Volkmar Gabert 33,3 % 70
1974 Hans-Jochen Vogel 30,2 % 64
1978 Helmut Rothemund 31,4 % 65
1982 Helmut Rothemund 31,9 % 71
1986 Karl-Heinz Hiersemann 27,5 % 61
1990 Karl-Heinz Hiersemann 26,0 % 58
1994 Renate Schmidt 30,0 % 70
1998 Renate Schmidt 28,7 % 67
2003 Franz Maget 19,6 % 41
2008 Franz Maget 18,6 % 39
2013 Christian Ude 20,6 % 42
2018 Natascha Kohnen 9,7 % 22
2023 Florian von Brunn 8,4 % 17

Bundestagswahlergebnisse der bayerischen SPD seit 1945

Bei den Ergebnissen der Bundestagswahl zeigte sich seit 1945, dass die bayerische SPD immer mindestens 5 % unter dem Schnitt der Bundespartei lag. Dreimal (1980, 1987, 2002) lag sie sogar über 10 % unter dem Bundesergebnis. Ganz grob betrachtet folgten die Ergebnisse der bayerischen Partei jedoch immer der Bundes-SPD. Das deutlich schlechtere Ergebnis 2002 erklärte sich durch die Kanzlerkandidatur des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber, was der CSU im Gegensatz zur bayerischen SPD bei diesen Wahlen einen großen Schub in Bezug auf die Mobilisierung von bayerischen Wählern gab.

Eine Erklärung für die Verluste 1987 ist das erstmalige erfolgreiche Auftreten der bayerischen Grünen, die ihr bis 2005 stärkstes Bundestagswahlergebnis im Land holten. Bis 1983 konnte die bayerische SPD aber stabil Direktmandate im nördlichen Oberfranken, in Mittelfranken um den Großraum Nürnberg und in München halten. 1987 erreichte sie erstmals kein Direktmandat. 1990 gewann sie wieder Mandate in Nürnberg und München, 1998 sogar auch wieder im nördlichen Oberfranken (Coburg, Hof). Diese konnte sie allerdings nicht dauerhaft halten. 2009 ging mit München-Nord auch das letzte Direktmandat verloren.

In den Bundeskabinetten war die bayerische SPD bisher mit vier Personen vertreten:

  • Käte Strobel (SPD, geb. Müller, 1907–1996, Wahlkreis Nürnberg-Süd)

1966 bis 1969: Bundesministerin für Gesundheit im Kabinett von Kurt Georg Kiesinger (CDU, 1904 bis 1988, Bundeskanzler 1966–1969

1969 bis 1972: Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend im Kabinett von Willy Brandt (SPD, 1913–1992, Bundeskanzler 1969–1974)

  • Hans-Jochen Vogel (Wahlkreis München-Nord)

1972 bis 1974: Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau im Kabinett von Willy Brandt

1974 bis 1981: Bundesminister für Justiz im Kabinett von Helmut Schmidt (SPD, 1918–2015, Bundeskanzler 1974–1982)

1998 bis 2005: Bundesminister für Inneres im Kabinett von Gerhard Schröder (SPD, geb. 1944, Bundeskanzler 1998–2005)

  • Renate Schmidt (Wahlkreis Erlangen)

2002 bis 2005: Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Kabinett von Gerhard Schröder

Ergebnisse bei den Bundestagswahlen seit 1949
Wahljahr Ergebnisse Bayern Mandate Bayern Ergebnisse Bundesebene Mandate Bundesebene
1949 22,7 % 18 29,2 % 136
1953 23,3 % 25 28,8 % 162
1957 26,4 % 25 31,8 % 181
1961 30,1 % 28 36,2 % 203
1965 33,1 % 30 39,3 % 217
1969 34,6 % 31 42,7 % 237
1972 37,8 % 33 45,8 % 242
1976 32,8 % 29 42,6 % 224
1980 32,7 % 30 42,9 % 228
1983 28,9 % 26 38,2 % 202
1987 27,0 % 24 37,0 % 193
1990 26,7 % 26 33,5 % 239
1994 29,6 % 29 36,4 % 252
1998 34,4 % 34 40,9 % 298
2002 26,1 % 26 38,5 % 251
2005 25,5 % 24 34,2 % 222
2009 16,8 % 16 23,0 % 146
2013 20,0 % 22 25,7 % 193
2017 15,3 % 18 20,5 % 153
2021 18.0 % 23 25,7 % 206

Kommunalwahlergebnisse der bayerischen SPD seit 1945

Bei den Kommunalwahlen zeigte sich deutlich, dass die SPD ihre Hochburgen in den kreisfreien Städten hatte. Hier war sie zwischen 1948 und 1978 sowie 1990 teilweise deutlich stärker als die CSU. Ebenso deutlich wurde, dass die Landkreise – vor allem die ländlich strukturierten – die Schwachpunkte der Partei waren. Trotzdem gab es einige Landkreise, die über längere Zeit SPD-dominiert waren: So der Landkreis Schwandorf, der bedingt durch industrielle Zentren und den Widerstand gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf von 1972 bis 2014 SPD-regiert war. Der Landkreis Coburg wurde sogar von 1946 bis 2018 von SPD-Landräten regiert. Insgesamt zeigte sich wie schon bei Bundes- und Landtagswahlen, dass die bayerische SPD auch bei den Kommunalwahlen ihre Zentren vor allem in den Bezirken Ober- und Mittelfranken sowie in der Landeshauptstadt München hatte. München hatte seit 1948 nur zwischen 1978 und 1984 keinen SPD-Oberbürgermeister. Dagegen erwiesen sich die ostbayerischen Bezirke Niederbayern und Oberpfalz als eher weniger von der SPD geprägte Regionen.

Ergebnisse bei den Kommunalwahlen seit 1946
Wahljahr Gesamtergebnis kreisfreie Städte

(Stadträte)

Landkreise

(Kreistage)

1946 28,0 % 38,0 % 22,9 %
1948 23,3 % 29,2 % 21,2 %
1952 24,9 % 35,1 % 20,5 %
1956 27,6 % 38,6 % 22,6 %
1960 32,8 % 46,2 % 26,2 %
1966 34,8 % 48,5 % 28,4 %
1972 36,8 % 49,1 % 31,7 %
1978 30,3 % 39,1 % 26,9 %
1984 30,5 % 40,9 % 26,9 %
1990 28,4 % 37,3 % 25,2 %
1996 25,7 % 32,7 % 23,5 %
2002 25,1 % 35,2 % 22,1 %
2008 22,6 % 33,7 % 19,2 %
2014 20,7 % 30,3 % 17,8 %
2020 13,7 % 20,4 % 11,6 %

Europawahlergebnisse der bayerischen SPD seit 1979

Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament zeigte sich ein allgemeiner Trend nach unten. Die einzige Ausnahme stellte die Wahl 2014 dar, bei der die gesamte SPD durch die europäische Spitzenkandidatur von Martin Schulz (SPD, geb. 1955, Präsident des Europäischen Parlaments 2012–2017) beflügelt wurde. Bereits bei der Europawahl 2009 war es dagegen Bündnis 90/Die Grünen gelungen, die bayerische SPD in mehreren kreisfreien Städten und Landkreisen einzuholen und teilweise auch zu überholen.

Ergebnisse bei den Europaparlamentswahlen seit 1979
Legislaturperiode Ergebnis in Bayern
1979-1984 29,2 %
1984-1989 27,6 %
1989-1994 24,2 %
1994-1999 23,7 %
1999-2004 21,6 %
2004-2009 15,3 %
2009-2014 12,9 %
2014-2019 20,1 %
2019-2024 9,3 %

Mitgliederzahlen der bayerischen SPD seit 1945

Die Mitgliederzahlen der bayerischen SPD waren ab circa 1948 wieder nachvollziehbar. Vorher hatten die Verfolgungen durch das nationalsozialistische Regime und das Chaos der Nachkriegszeit eine landesweite Mitgliedererfassung behindert. Ein erster, unmittelbar nach Kriegsende einsetzender Mitgliederzuwachs, bedingt durch Beitritte zahlreicher Flüchtlinge und Vertriebener, schwächte sich schnell wieder ab und die Partei verlor bis Mitte der 1950er Jahre kontinuierlich Mitglieder. Erst danach setzte mit der Entwicklung zur Volkspartei ein erneutes Mitgliederwachstum ein, das 1972 einen Höhepunkt erreichte. Danach erfolgte ein bis heute (2023) anhaltender Mitgliederschwund, der sich insbesondere zwischen 1990 und 2010 stark beschleunigte. Seitdem sanken die Zahlen auf niedrigerem Niveau langsamer und in einem Rahmen, der auch andere Parteien mit sinkenden Mitgliederzahlen betrifft.

Entwicklung der Mitgliederzahlen seit 1948
Jahr 1948 1950 1954 1960 1970 1972 1980 1990 2000 2010 2018
Mitgliederzahl 121.480 100.386 81.049 99.973 119.663 135.787 121.158 116.347 92.807 67.255 58.717

Literatur

  • Julia Angster, Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie. Die Westernisierung von SPD und DGB (Ordnungssysteme, Bd. 13) Oldenbourg Verlag, München 2003.
  • Wolfgang Behr, Sozialdemokratie und Konservatismus. Ein empirischer und theoretischer Beitrag zur regionalen Parteianalyse am Beispiel der Geschichte und Nachkriegsentwicklung Bayerns, Hannover 1969.
  • Ulrich Borsdorf/Peter Brandt/Lutz Niethammer, Arbeiterinitiative 1945. Antifaschistische Ausschüsse u. Reorganisation der Arbeiterbewegung in Deutschland, Wuppertal 1976.
  • Martin Broszat/ Hartmut Mehringer (Hg.), Die Parteien KPD, SPD, BVP in Verfolgung und Widerstand (Bayern in der NS-Zeit, Band V). München 1983.
  • Erik K. Franzen, Der vierte Stamm Bayerns. Die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen 1954-1974. München 2010.
  • Karl-Ulrich Gelberg, Neubildung von Parteien und Verbänden, in: Max Spindler/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Band IV/1, München 2. Auflage 2003, 757-802.
  • Helga Grebing/Dietmar Süß (Hg.), Waldemar von Knoeringen. Ein Erneuerer der deutschen Sozialdemokratie. Reden, Aufsätze, Briefwechsel und Kommentare zu Leben und Wirken, Berlin 2006.
  • Helmut Hanko, München braucht Sozialdemokraten. Die Geschichte der Münchner SPD seit 1945, München 2009.
  • Klaus Peter Hartmann: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute. Regensburg 2. Auflage 2004.
  • Katrin Kasparek, 100 Jahre Sozialdemokratie im Nürnberger Rathaus 1908-2008. Herausgegeben von der SPD-Stadtratsfraktion Nürnberg, Nürnberg 2008.
  • Wolfgang Krug, Der Organisationsprozess der BayernSPD von 1970 bis 1991. Stuttgart 1994.
  • Peter Lösche/Franz Walter, Die SPD. Klassenpartei – Volkspartei – Quotenpartei. Zur Entwicklung der Sozialdemokratie von Weimar bis zur deutschen Vereinigung. Darmstadt 1992.
  • Hans-Werner Martin, „… nicht spurlos aus der Geschichte verschwinden.“. Wenzel Jaksch und die Integration der sudetendeutschen Sozialdemokraten in die SPD nach dem II. Weltkrieg (1945-1949). Frankfurt am Main 1996.
  • Hartmut Mehringer (Hg.), Von der Klassenbewegung zur Volkspartei. Wegmarken der bayerischen Sozialdemokratie 1892-1992 (Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie 5), München/London/New York u.a. 1992.
  • Hartmut Mehringer, Waldemar von Knoeringen - Eine politische Biographie. Der Weg vom revolutionären Sozialismus zur sozialen Demokratie (Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie 2), München/New York/London 1989.
  • Susanne Miller/ Heinrich Pothoff: Kleine Geschichte der SPD. 1848 bis 2002. Bonn 8. Auflage 2002.
  • Alf Mintzel, Strategie und Organisation. Sozio-strukturelle Schwächen in SPD und FDP in Bayern, in: Stefan Immerfall/Aline M. Kuntz/Alf Mintzel u.a. (Hg.), Parteien in Bayern (Passauer Papiere zur Sozialwissenschaft 15), Passau 1996, 103-173.
  • Rainer Ostermann (Hg.), Freiheit für den Freistaat. Kleine Geschichte der bayerischen SPD mit Beiträgen von Willy Albrecht, Essen 1994.
  • Rainer Ostermann, Sozialdemokratische Politik in konservativem Umfeld. Die bayerische SPD 1945-1990, in: Rainer Ostermann (Hg.), Freiheit für den Freistaat mit Beiträgen von Willy Albrecht, Essen 1994, 123-171.
  • Ingelore Pilwousek (Hg.), Otto Graf, Wolfgang Graf: Leben in bewegter Zeit 1900–2000. München 2003.
  • Eberhard Riegele, Parteienentwicklung und Wiederaufbau. Die lokale Neugründung und Politik der SPD in den Jahren 1945 und 1949 am Beispiel der Stadt Augsburg, Augsburg 1977.
  • Bernhard Taubenberger, Licht übers Land. Die bayerische Viererkoalition 1954-1957. München 2002.
  • Dieter Thränhardt, Wahlen und politische Strukturen in Bayern 1848-1953. Historisch-soziologische Untersuchungen zum Entstehen und zur Neuerrichtung eines Parteiensystems (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 51). Düsseldorf 1973.
  • Bastian Vergnon, Die sudetendeutschen Sozialdemokraten und die bayerische SPD 1945 bis 1978, Frankfurt a. M. u.a. 2017.
  • Emil Werner, Im Dienst der Demokratie. Die bayerischen Sozialdemokratie nach der Wiedergründung 1945, München 1982.

Quellen

  • BayernSPD-Landtagsfraktion, Mit Leidenschaft für Demokratie. 110 Jahre SPD-Landtagsfraktion in Bayern. München 2003.
  • Josef Boyer/Till Kössler (Bearb.), Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Mitgliedschaft und Sozialstruktur, in: Marie-Luise Recker/Klaus Tenfelde (Hg.), Handbuch zur Statistik der Parlamente und Parteien in den westlichen Besatzungszonen und in der Bundesrepublik Deutschland (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 12,4), Teilband 4: SPD, KPD und kleinere Parteien des linken Spektrums sowie DIE GRÜNEN. Mitgliedschaft und Sozialstruktur 1945-1990 bearb. von Josef Boyer und Till Kössler, Düsseldorf 2005, 33-734.
  • Das Godesberger Programm der SPD, 1959.
  • Wilhelm Hoegner, Der schwierige Außenseiter. Erinnerungen eines Abgeordneten, Emigranten und Ministerpräsidenten, München 1959.
  • SPD im Widerstand, im Wiederaufbau und in der Gestaltung Bayerns. Vortrag von Volkmar Gabert am 19. September 1992 in der Georg-von-Vollmar-Akademie in Kochel. München 1994.
  • Dieter Staude (Hg.), 50 Jahre Wiedergründung SPD Niederbayern/Oberpfalz. Nach Verbot und Verfolgung 1933 – 1945 – 1995, Regensburg 1995.
  • Hans-Jochen Vogel, Die Amtskette. Meine 12 Münchner Jahre. Ein Erlebnisbericht. München 1972.
  • Emil Werner, Im Dienst der Demokratie. Die bayerische Sozialdemokratie nach der Wiedergründung. München 1982.

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Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Bastian Vergnon, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) (nach 1945), publiziert am 20.06.2023, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Sozialdemokratische_Partei_Deutschlands_(SPD)_(nach_1945)> (10.12.2024)

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