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Reichspräsidentenwahlen, 1919-1932 (unter besonderer Berücksichtigung der Rolle Bayerns und der BVP)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Paul von Hindenburg bei seiner Vereidigung als Reichspräsident am 12. Mai 1925 im Deutschen Reichstag. (Bayerische Staatsbibliothek)

von Eberhard Kolb

Der Reichspräsident wurde in der Weimarer Republik für eine siebenjährige Amtszeit vom Volk direkt gewählt. Er war mit umfangreichen Machtbefugnissen ausgestattet (insbesondere außerordentliche Vollmachten nach Art. 48 der Verfassung) und bildete ein unmittelbares Gegengewicht zum Reichstag. Zwischen 1919 und 1933 fanden drei Reichspräsidentenwahlen statt: 1919, 1925 und 1932. 1925 trug die BVP maßgeblich dazu bei, dass sich der Kandidat der Rechtsparteien, Paul von Hindenburg (1847-1934), gegen den Zentrumspolitiker Wilhelm Marx (1863-1946) durchsetzte.

Die Wahl Friedrich Eberts zum Reichspräsidenten 1919

Am 11. Februar 1919 wählte die Nationalversammlung mit 277 von 379 abgegebenen Stimmen den Sozialdemokraten Friedrich Ebert (1871-1925) zum Reichspräsidenten. Grundlage war das am Vortag verabschiedete "Gesetz über die vorläufige Staatsgewalt", dessen § 7 bestimmte: "Der Reichspräsident wird von der Nationalversammlung mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt. Sein Amt dauert bis zum Amtsantritt des neuen Reichspräsidenten, der auf Grund der künftigen Reichsverfassung gewählt wird."

Die zweite Reichspräsidentenwahl 1925

Die Reichsverfassung von August 1919 bestimmte in Artikel 41, dass der Reichspräsident durch Volkswahl in sein Amt berufen wurde. Aus verschiedenen Gründen verzögerte sich die Volkswahl. Sie fand erstmals - nachdem Ebert am 28. Februar 1925 verstorben war - im Frühjahr 1925 statt. Am 29. März 1925 erhielt keiner der sieben Kandidaten Karl Jarres (1874-1951, DVP/DNVP), Otto Braun (1872-1955, SPD), Wilhelm Marx (1863-1946, Zentrum), Heinrich Held (1868-1938, BVP), Willy Hellpach (1877-1955, DDP), Erich Ludendorff (1865-1937, deutsch-völkisch bzw. NSDAP) und Ernst Thälmann (1886-1944, KPD) die im ersten Wahlgang notwendige absolute Mehrheit. Der für die BVP kandidierende (und auch vom Bayerischen Bauernbund unterstützte) bayerische Ministerpräsident Heinrich Held erhielt eine Million Stimmen (=3,7 %), davon in Bayern 871.000 von 2,7 Millionen dort abgegebenen Stimmen.

Für den zweiten Wahlgang, in dem die relative Mehrheit ausreichte, zog Held seine Kandidatur zurück. Am 26. April 1925 standen sich lediglich zwei aussichtsreiche Kandidaten gegenüber: der Vorsitzende des Zentrums Wilhelm Marx als Kandidat des "Volksblocks" (Zentrum, SPD, DDP) und der parteilose, 78-jährige Paul von Hindenburg (1847-1934) als Kandidat der Rechtsparteien. Für die KPD trat erneut Thälmann an.

Die BVP trug in doppelter Weise dazu bei, dass Hindenburg eine knappe Mehrheit erzielte (14,6 Mio. Stimmen [48,39 %] gegen 13,8 Mio. Stimmen [45,3 %] für Marx; 6,3% entfielen auf Thälmann): Sie gab den Ausschlag dafür, dass die Kandidatur Hindenburgs überhaupt zustande kam (und damit auch siegreich werden konnte). Ferner verhalf die von der BVP-Führung ausgegebene Hindenburg-Parole dem kaiserlichen Feldmarschall und norddeutschen Protestanten Hindenburg in Bayern zu einem triumphalen Erfolg gegen den rheinischen Katholiken Marx von der Schwesterpartei Zentrum (60,5 % zu 36,7 %). Zwei der vier bayerischen Wahlkreise zählten reichsweit gar zu jenen, in denen Hindenburg am besten abschnitt (Niederbayern-Oberpfalz 68 %, Oberbayern-Schwaben 65,4 %).

Die letzte Reichspräsidentenwahl 1932

Als nach Ablauf von Hindenburgs erster Amtszeit 1932 die neue Reichspräsidentenwahl anstand, wurde Hindenburg gerade von jenen Parteien unterstützt, die 1925 gegen ihn gestanden hatten (vor allem SPD und Zentrum), während ein Großteil der Hindenburg-Wähler von 1925 jetzt zum Kandidaten der NSDAP, Adolf Hitler (1889-1945), überging. Am 13. März 1932 verfehlte Hindenburg nur ganz knapp die absolute Mehrheit (49,6 %); Hitler brachte es auf 30,1 %, der Kommunist Ernst Thälmann auf 13,2 %. Im zweiten Wahlgang am 10. April 1932 siegte Hindenburg überlegen mit 53 %, allerdings steigerte Hitler in diesem Wahlgang seinen Stimmenanteil noch stärker als Hindenburg (36,8 %).

In Bayern schnitt Hindenburg weit überdurchschnittlich ab. Im zweiten Wahlgang erhielt er in Oberbayern-Schwaben 69,1 % (Hitler 24,9 %), in Niederbayern-Oberpfalz 72,3 % (Hitler 22,8 %), in Franken 54,7 % (Hitler 41,2 %), in der Pfalz 52,3 % (Hitler 40,1 %). Die bayerischen Wähler trugen 1932 somit erheblich zu Hindenburgs Sieg über Hitler bei.

Literatur

  • Hanns-Jochen Hauss, Die erste Volkswahl des deutschen Reichspräsidenten. Eine Untersuchung ihrer verfassungspolitischen Grundlagen, ihrer Vorgeschichte und ihres Verlaufs unter besonderer Berücksichtigung des Anteils Bayerns und der Bayerischen Volkspartei (Münchener historische Studien. Abteilung Bayerische Geschichte 2), Kallmünz 1965.

Quellen

  • Emil Schick, Die Wahl des Reichspräsidenten in Bayern am 29. März und 26. April 1925, in: Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamtes 57 (1925), 339-353.

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Empfohlene Zitierweise

Eberhard Kolb, Reichspräsidentenwahlen, 1919-1932 (unter besonderer Berücksichtigung der Rolle Bayerns und der BVP), publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichspräsidentenwahlen,_1919-1932_(unter_besonderer_Berücksichtigung_der_Rolle_Bayerns_und_der_BVP) (28.03.2024)