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Reichsparteitagsgelände, Nürnberg

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Postkarte mit Darstellung des geplanten Reichsparteitagsgeländes, um 1938. Nur die Luitpoldarena (Nr. 1-4), das Zeppelinfeld (Nr. 8 u. 9) sowie die Mittelachse der Großen Straße (ohne Nr.) wurden tatsächlich gebaut, alles andere blieb Baustelle oder nur im Stadium der Planung. (Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Ph-1167-00)

von Alexander Schmidt

Das ab 1933 konzipierte Reichsparteitagsgelände in Nürnberg gehört zu den bekanntesten Beispielen nationalsozialistischer Monumentalarchitektur. Es diente als architektonischer Rahmen für die Reichsparteitage der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Während die Luitpoldarena, das Zeppelinfeld mitsamt Zeppelintribüne sowie die Große Straße bis 1939 fertiggestellt wurden, blieb der Großteil der beabsichtigten Baumaßnahmen unvollendet. Während des Zweiten Weltkriegs befanden sich auf dem Gelände Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager sowie ein Sammellager für Judendeportationen. Nach 1945 wurde es zunächst von der US-Armee, dann von der Stadt Nürnberg für verschiedene Zwecke weitergenutzt. Seit 2001 setzt sich das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände mit der Geschichte des Ortes und der NS-Zeit auseinander.

Naherholungsgebiet vor 1933

Das im Südosten von Nürnberg gelegene Areal am Dutzendteich war vor 1933 das wichtigste Naherholungsgebiet der Stadt mit mehreren Wasserflächen, Parks, Gaststätten und einer gründerzeitlichen Wohnbebauung. Anlässlich der hundertjährigen Zugehörigkeit Nürnbergs zu Bayern hatte man 1906 auf dem Gelände die Bayerische Jubiläums-Landes-Ausstellung veranstaltet. Vom Ausstellungsgelände blieben die Luitpoldhalle als städtische Festhalle, die Parkanlage Luitpoldhain sowie ein kleiner Leuchtturm am Ufer des Dutzendteichs stehen. Im Jahr 1912 öffnete im Anschluss an den Luitpoldhain der Nürnberger Tiergarten. Das 1928 fertig gestellte Stadionareal prägte mit seiner modernen Gesamtanlage und der am Bauhaus orientierten Architektur das Gebiet südlich des Dutzendteichs. Die letzte bauliche Veränderung vor 1933 auf dem Areal war 1930 die Errichtung eines Ehrenmals für die Nürnberger Gefallenen des Ersten Weltkriegs im Luitpoldhain.

Bau der Luitpoldarena ab 1933

Postkarte mit Luftaufnahme der Luitpoldarena, 1937. Oben links die Luitpoldhalle mit der neuen Fassade von Albert Speer, die sog. "Straße des Führers" (Bildmitte) verbindet das Ehrenmal für die Toten des Ersten Weltkrieges (unten) mit der Ehrentribüne mit Rednerkanzel (oben). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-67975)

Der Plan, ein ausgedehntes Gelände für die Reichsparteitage der NSDAP mit verschiedenen Aufmarschflächen und Hallen anzulegen, existierte 1933 noch nicht. Es gab auch in anderen politischen Systemen für derartiges nur wenige Vorbilder, etwa das Foro Mussolini in Rom, das für den italienischen Duce Benito Mussolini (1883-1945, italienischer Ministerpräsident 1922-1943) ab 1926 als Sportstätte errichtet wurde. So ordnete Adolf Hitler (NSDAP, 1889-1945, Reichskanzler 1933–1945) am 21. Juli 1933 lediglich an, die Parkanlage Luitpoldhain zu beseitigen und dort eine Aufmarschfläche nach seinen Vorstellungen anzulegen. Sie bezog das Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs ein. Gegenüber errichtete man eine Tribüne mit Rednerkanzel und hohen Masten für drei große Hakenkreuzfahnen. Verbunden war beides durch die mit Granitplatten belegte "Straße des Führers". Zuschauertribünen rahmten die bereits 1935 fertiggestellte Anlage ein.

Im Luitpoldhain hatten Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS) schon beim ersten Parteitag in Nürnberg 1927 eine Standartenweihe veranstaltet. Ab 1933 konnte dies, ergänzt um ein Totengedenken am Ehrenmal, im vergrößerten Rahmen der Luitpoldarena geschehen. Die Anlage wurde ergänzt durch die seit 1906 direkt links neben der neu errichteten Rednertribüne stehende Luitpoldhalle. Diese diente, innen neu ausgestaltet, mit 16.000 Plätzen der Abhaltung des Parteikongresses der NSDAP. Die Luitpoldhalle bekam 1935 eine neue vorgesetzte monumentale Natursteinfassade nach Plänen von Albert Speer (Architekt, Reichsminister, 1905-1981).

Planungen für die Kongresshalle der NSDAP ab 1934

Der Nürnberger Architekt Ludwig Ruff (1878-1934) hatte, wohl zurückgehend auf seinen Vorschlag einer Stadthalle am Ufer des Dutzendteichs aus dem Jahr 1931, den Auftrag erhalten, an derselben Stelle eine neue Halle für den Parteikongress der NSDAP zu bauen. So entstand ab 1935 einer der größten Baukörper aus der Zeit des Nationalsozialismus mit zwei Kopfbauten als Vorhallen und einer halbrunden Haupthalle, geplant für 60.000 Personen. Franz Ruff (1906-1979), der nach dem Tod seines Vaters das Bauprojekt übernommen hatte, konnte allerdings die Halle bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht vollenden.

Albert Speers Gesamtplanung für das Reichsparteitagsgelände 1934/35

Gruppenfoto (v.r.) mit Adolf Hitler (1889-1945), Albert Speer (Minister, Architekt 1905-1981) und dem Nürnberger Hochbaureferenten Walter Brugmann auf der Großen Straße, 25. Juli 1939. Oben ist die Kongresshalle im Bau und oben links das 1:1-Modell der Kongresshallenfassade aus Holz zu erkennen. Fotografie von Heinrich Hoffmann. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-26814)

Erst durch den Tod der beiden Architekten Paul Ludwig Troost (1878-1934) und Ludwig Ruff im Jahr 1934 stieg Albert Speer zum bevorzugten Architekten Hitlers auf. Im Oktober 1934 legte Speer erstmals das Konzept eines ganzen Geländes für die Reichsparteitage vor. Bis November 1935 in mehreren Etappen erweitert und wesentlich vergrößert, verband Speers Planung die vorhandenen Teile des Geländes (Luitpoldarena, Luitpoldhalle, Zeppelinfeld) mit eigenen Projekten zu einem Gesamtensemble, das durch die Große Straße als Hauptachse gegliedert wurde. Die Große Straße verband einen neu geschaffenen Platz vor der Kongresshalle mit dem Märzfeld, einer von Zuschauertribünen und Wehrtürmen gerahmten Fläche für Schaumanöver der Wehrmacht. Die bereits von Ludwig Ruff geplante Kongresshalle und das von Speer ab 1934 völlig umgestaltete Zeppelinfeld östlich der Großen Straße sollten mit einer Halle für Hitlers Kulturreden und mit dem Deutschen Stadion jeweils ein Gegenüber westlich der Großen Straße erhalten. Das Städtische Stadion des Jahres 1928, während der Reichsparteitage als "Stadion der Hitlerjugend" benutzt, blieb in dieser Planung ohne echte Verbindung zu den neuen Bauten Speers. In Ergänzung zu den monumentalen Veranstaltungshallen und Aufmarschflächen entstanden ganz im Südosten des Areals große Lager mit Baracken und Zelten für die Teilnehmer der Reichsparteitage.

Da die bereits vorhandene Luitpoldarena, das Zeppelinfeld und die in Planung befindliche Kongresshalle schräg zueinander lagen, konnte Speer auch durch die Hauptachse Große Straße keine vollständig symmetrische Gesamtanlage schaffen. Die Große Straße traf zudem schräg auf die Luitpoldarena, was Speer unter anderem durch eine langgestreckte Ausstellungshalle zwischen der Großen Straße und der Luitpoldarena kaschieren wollte.

Bis 1939 wurden vom geplanten Bauprogramm nur die Luitpoldarena, das Zeppelinfeld mit Zeppelintribüne und die Große Straße fertig gestellt. Wichtige Teile der Infrastruktur (Lagergelände, Verkehrswege) waren ebenfalls fertig.

Der Bauherr und die Finanzierung – Zweckverband Reichsparteitag Nürnberg

Der Bau der Luitpoldarena wurde noch als städtisches Projekt angelegt. Bald war aber offensichtlich, dass die Stadt Nürnberg mit dem stetig wachsenden Bauvolumen finanziell vollständig überfordert war. Auf Initiative des Zweiten Bürgermeisters und Stadtkämmerers Walter Eickemeyer (NSDAP, 1886-1959) wurde 1935 der "Zweckverband Reichsparteitag Nürnberg" gegründet, dem die NSDAP, die Stadt Nürnberg, das Land Bayern und das Deutsche Reich angehörten. Sein Leiter war Reichskirchenminister Hanns Kerrl (1887-1941), die Geschäftsführung lag bei Oberbürgermeister Willy Liebel. Der Zweckverband fungierte als Bauherr und Kostenträger für das Reichsparteitagsgelände. Dies lief darauf hinaus, dass vor allem das Reich die Kosten für Speers ausufernde Planungen zu tragen hatte, während die Stadt Nürnberg und das Land Bayern Grundstücke in den Zweckverband einbrachten. Die Stadt stellte auch in erheblichem Maß Mitarbeiter für den Zweckverband zur Verfügung. Allerdings litt der Zweckverband während der gesamten Zeit seines Bestehens unter chronischem Geldmangel, da das Bauprojekt Reichsparteitagsgelände sich immer weiter vergrößerte. Die Gesamtkosten wurden 1938 auf 600 Millionen Reichsmark geschätzt, tatsächlich dürfte die Summe noch um einiges höher gelegen haben.

Am Bauprojekt beteiligt waren zahlreiche Firmen, darunter fast 300 Natursteinbrüche in ganz Deutschland, die über die "Arbeitsgemeinschaft Naturstein" sehr große Mengen Granit und Kalkstein für die Reichsparteitagsbauten lieferten. Die größten deutschen Baufirmen wie Siemens Bauunion, Hochtief und Holzmann mussten Arbeitsgemeinschaften bilden, um Projekte wie Kongresshalle oder Deutsches Stadion umsetzen zu können.

Zeppelintribüne und Zeppelinfeld

Außer der Luitpoldarena war das Zeppelinfeld mit der Zeppelintribüne das einzige Areal, das bis zum letzten stattgefundenen Reichsparteitag 1938 fertiggestellt und auch während der Reichsparteitage durchgängig genutzt wurde. 1933 und 1934 hatte man noch die zum Stadionareal von 1928 gehörende Festwiese Zeppelinfeld benutzt und dort nur eine hölzerne Haupttribüne mit einem großen Reichsadler errichtet. Ab 1935 verlegte man gemäß der neuen Planungen Speers die Haupttribüne des Zeppelinfeldes auf die gegenüberliegende Seite und vergrößerte das Feld erheblich. In mehreren Bauphasen, jeweils unterbrochen durch die Reichsparteitage im September, entstand die 360 Meter lange Zeppelintribüne, verkleidet mit Travertin, mit einem erhöhten Ehrengastbereich samt Rednerkanzel in der Mitte, bekrönt durch eine über zwei Meter hohe, vergoldete Hakenkreuzskulptur. Getrennt durch eine große Aufmarschstraße entlang der Zeppelintribüne (Rasenstraße 2) rahmten Zuschauerwälle, die von 34 kleinen Türmen mit Fahnenmasten gegliedert wurden, das Zeppelinfeld ein. Hauptzugang zum Zeppelinfeld war eine breite Aufmarschstraße (Rasenstraße 1), die von der Großen Straße direkt mittig zur Zeppelintribüne führte.

Auf dem Zeppelinfeld fand der "Appell des Reichsarbeitsdienstes", der "Tag der Wehrmacht", 1938 erstmals ein "Tag der Gemeinschaft" mit sportlichen und tänzerischen Vorführungen und der "Appell der Politischen Leiter" statt – letzterer ab 1936 mit dem aus Flakscheinwerfern gebildeten "Lichtdom", einer der bekanntesten Inszenierungen der nationalsozialistischen Propaganda. Beim nicht stattgefundenen "Reichsparteitag des Friedens" 1939 sollte auch erstmals der Saal in der Zeppelintribüne, ein monumentales Foyer für Ehrengäste, geöffnet werden.

Große Straße und Märzfeld

Die Große Straße als Hauptachse des Geländes war bis 1938 weitestgehend fertiggebaut, nicht jedoch ihr Zielpunkt, das Märzfeld. So nutzte die Wehrmacht Große Straße und Märzfeld nie als Aufmarschstraße und Ort für Schaumanöver.

Deutsches Stadion und Granit aus Konzentrationslagern

Das 1937 begonnene Deutsche Stadion, über 800 Meter lang und rund 100 Meter hoch, war das größte Bauprojekt Speers in Nürnberg. Über 400.000 Menschen sollten hier "Nationalsozialistische Kampfspiele" sehen. Erstmals wagte sich Speer mit dem größten Stadion der Welt hier an eine bisherige Maßstäbe sprengende Monumentalität. Dieses Bauprojekt setzte auch den Impuls für Überlegungen, wie die sehr großen Mengen an Naturstein zu beschaffen sein würden. Speer setzte dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit der SS, finanzierte die Neugründung der SS-nahen Firma "Deutsche Erd- und Steinwerke" (DESt), die in den Konzentrationslagern (KZ) Flossenbürg, Mauthausen, Natzweiler und Groß-Rosen Steinbrüche betrieb. Tausende KZ-Häftlinge verloren dort ihr Leben. Da Konzentrationslager mit Granitproduktion erst in den Jahren ab 1938 gegründet wurden, lieferte die DESt nur in geringem Ausmaß Steine nach Nürnberg. Diese wurden wohl für einige Musterbauten, die auf dem heutigen Nürnberger Messegelände standen, verbaut. Weder an der Kongresshalle noch an der Großen Straße findet sich Granit aus KZ-Steinbrüchen.

Lagerareale, Infrastruktur und Landschaftsplanung

Luftfoto des Zeltlagers des Reichsarbeitsdienstes, 1937. In großen Lagerarealen im Südosten des Reichsparteitagsgeländes waren die Teilnehmern der HJ, des Reichsarbeitsdienstes, der SA, und der SS in Zelten und Baracken untergebracht. (unbekannter Fotograf, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Ph-02626-12)

Die großen Lagergelände im Südosten des Areals für Hitlerjugend (HJ), SA, Reichsarbeitsdienst und SS wurden bis 1938 immer besser ausgebaut. Für die SS errichtete Franz Ruff westlich der Luitpoldarena eine ursprünglich in Speers Gesamtplan nicht vorgesehene Kaserne, die, erst 1939 fertiggestellt, der Ausbildung von Funkern der Waffen-SS diente.

Zur Infrastruktur des Reichsparteitagsgeländes gehörten auch der Bahnhof Dutzendteich, der nur teilweise fertig gestellte Lagerbahnhof Märzfeld, die nach den Olympischen Spielen in Berlin als Vergnügungsareal nach Nürnberg verlegte KdF-Stadt sowie der neu angelegte Autobahnzubringer Regensburger Straße, an dem auch ein Umspannwerk zur Stromversorgung des Geländes und neu gebaute Massenunterkünfte für ausländische Arbeiter und ein Wasserturm für das Lagerareal lagen. Selbst für solche kleineren Bauten lieferte Speer die Entwürfe.

Nicht mehr realisiert wurde die Landschaftsplanung für das Gesamtgelände des Berliner Landschaftsplaners Gerhard Hinz (1904-1989). Dieser sah unter anderem keine Wohnbebauung am Dutzendteich und ein begradigtes Ufer des Teiches vor, die Gaststätten am Ufer sollten ebenfalls verschwinden. Ziel war eine Art "gleichgeschaltete" Landschaft, die nur noch den Zwecken des Reichsparteitags dienen sollte.

Reichsparteitagsgelände im Krieg – Kriegsgefangene, Zwangsarbeit und Judendeportationen

Foto russischer Kriegsgefangener mit Wachposten auf der Baustelle Märzfeld, November 1941. Das Lagerareal wurde im Krieg als Lager für Kriegsgefangene unterschiedlicher Herkunft genutzt. Bei Zwangsarbeit auf dem Märzfeldgelände kamen im Winter 1941/42 900 russische Kriegsgefangen um. (Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände/Karl Bach Ph-0401-18)

Die Bauarbeiten ruhten während des Zweiten Weltkriegs weitestgehend, nur kurzfristig unterbrochen vom Versuch, mit Zwangsarbeitern den Bau weiterzuführen. So musste ein Arbeitskommando aus sowjetischen Kriegsgefangenen Erdreich auf dem Märzfeld umschichten. 900 Menschen starben dabei im Winter 1941/42, 1.000 weitere an Hunger und Kälte.

Die Lagerinfrastruktur des Reichsparteitagsgeländes, eines der größten Lagerareale im Deutschen Reich, wurde während des Zweiten Weltkriegs in weiten Teilen als Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager genutzt. Die weißen Zelte des Zweckverbands Reichsparteitag fanden sich in vielen von der Wehrmacht beim Vormarsch im Osten eingerichteten Kriegsgefangenenlagern. Der Bahnhof Märzfeld diente dabei als Lagerbahnhof dem An- und Abtransport von Gefangenen. In Langwasser selbst entstand zunächst das Kriegsgefangenenstammlager A des Wehrkreises XIII (Stalag 13 A) für bis zu 30.000 Insassen. Es wurde später als Stalag 13 D nochmals neu eingerichtet. Zwischen 1939 und 1945 durchliefen das Lagerareal Langwasser rund 150.000 Kriegsgefangene aus der Sowjetunion, aus Polen, Frankreich, den USA und anderen Nationen. Später kamen noch Offizierslager und im Bereich des SS-Lagers ein großes Zwangsarbeiterlager der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN) hinzu. Besonders elend waren die Verhältnisse im sogenannten "Russenlager", wo etwa 3.000 sowjetische Kriegsgefangene zugrunde gingen.

Das kleine, am westlichen Rand der Lagerzone gelegene Waldlager II diente 1941/42 als Sammellager für zwei Deportationen von Juden aus Nordbayern. Über 2.000 Menschen wurden von hier aus nach Riga-Jungfernhof (Lettland) und Izbica (Polen) deportiert, nur 17 der Nürnberger Juden überlebten. Auf der zur Lagerzone des Reichsparteitagsgeländes gehörenden "Russenwiese" richtete die Gestapo 1942/43 ein Arbeitserziehungslager (AEL) ein, in dem auch Gefangene zu Tode kamen. So machten Zwangsarbeit, die Inhaftierung von Kriegsgefangenen und Judendeportationen das Reichsparteitagsgelände, 1933 bis 1938 eine Bühne nationalsozialistischer Propaganda, auch zu einem Ort nationalsozialistischen Terrors mit über 5.000 Todesopfern.

Reichsparteitagsgelände nach 1945

Foto der Zeppelintribüne mit Besuchern, um 1947. Nach 1945 nahm zunächst die US-Army das Gelände in Beschlag, benannte das Zeppelinfeld in "Soldiers Field" um und führte dort Militärparaden durch. (Foto Ray d’Addario, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände D-0324-01)

Am 20. April 1945 nahm die US-Army Nürnberg ein, befreite 14.000 Kriegsgefangene in Langwasser und feierte die symbolträchtige Eroberung Nürnbergs an Hitlers Geburtstag auch auf dem Reichsparteitagsgelände: Nach einer Parade auf dem Zeppelinfeld am 22. April 1945 sprengte die US-Army die große Hakenkreuzskulptur über der Zeppelintribüne und benannte das Feld in "Soldiers Field" um. Bis in die 1960er Jahre fanden dort Paraden der US-Army statt. Das Zeppelinfeld diente bis in die 1990er Jahre amerikanischen Soldaten als Sportfläche.

Der größte Teil des Reichsparteitagsgeländes ging mit den vollendeten oder begonnenen Bauten vom Zweckverband Reichsparteitag wieder in den Besitz der Stadt Nürnberg über. Keine andere deutsche Stadt war nach 1945 mit einem so großen Areal mit monumentalen Staatsbauten aus nationalsozialistischer Zeit konfrontiert wie Nürnberg. So gab es Versuche, das negativ belastete Image als vormalige "Stadt der Reichsparteitage" durch die Entfernung von Bauten des Reichsparteitagsgeländes los zu werden. Die Stadt veranlasste den Abriss der Luitpoldarena in den 1950er Jahren, beseitigte die Türme des Märzfeldes beim Bau des Stadtteils Langwasser und ließ 1967 die Pfeilerkolonaden der Zeppelintribüne sprengen – die wohl umstrittenste Maßnahme im Umgang mit den Bauten des Reichsparteitagsgeländes.

Gleichzeitig nutzte die Stadtverwaltung Gebäude des ehemaligen Reichsparteitagegeländes für andere Zwecke: Das Lagerareal diente bis auf Weiteres als Lager für Displaced Persons und Vertriebene – die Wurzel des heutigen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, das in der ehemaligen SS-Kaserne untergebracht ist. Der Bautorso der Kongresshalle beherbergte zunächst große Ausstellungen wie die Deutsche Bauausstellung 1949 und die Jubiläumsausstellung 900 Jahre Nürnberg 1950. Nachdem große Lösungen wie der Einbau eines Fußballstadions (1950er und 1960er Jahre) für die ehemalige Kongresshalle an der Finanzierung gescheitert waren, richtete man den Bau als Lagerhalle her und vermietete ihn an das Versandhaus Quelle. Seit dem Ende dieser Nutzung 2007 steht ein großer Teil der Kongresshalle leer.

Das weitläufige Areal am Dutzendteich war Ort für zahlreiche kleinere und größere Veranstaltungen. Zu den Großveranstaltungen auf dem Gelände zählen das Nürnberger Volksfest auf dem Platz vor der Kongresshalle, das bereits seit 1947 an der Zeppelintribüne stattfindende Norisringrennen, ein Weltkongress der Zeugen Jehovas, der Sudetendeutsche Tag 1955 und das große Musikfestival "Rock im Park".

Die pragmatische Nachnutzung von Bauten aus nationalsozialistischer Zeit stieß auch auf Kritik: So forderte der Filmemacher Alexander Kluge (geb. 1932) mit seinem Film "Brutalität in Stein" 1961 zu einem bewussteren Umgang mit den Bauten des Reichsparteitagsgeländes auf und eine Gruppe junger Architekten wollte unter dem Motto "Schöneres Nürnberg" in den 1960er Jahren die Kongresshalle zugunsten eines begrünten Hügels beseitigen.

Luftbild des Eingangs zum Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, 2020. Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände wurde 2001 eröffnet. Die Architektur des Grazer Architekten Günter Domenig setzt eine bewussten Akzent gegen die Architektur der NS-Zeit. (Luftbild Hajo Dietz, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände D-0310-01)

Spätestens seit den 1970er Jahren wurden auch Informationsmöglichkeiten zur Geschichte des Geländes gefordert. Dies mündete schließlich in der ersten historischen Ausstellung in der Zeppelintribüne "Faszination und Gewalt" des Pädagogischen Institut der Stadt Nürnberg ab 1984, zu Bildungsangeboten von Gruppen wie dem Verein "Geschichte Für Alle" seit den 1980er Jahren und der Eröffnung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände im Jahr 2001, das mit seiner modernen Architektur des österreichischen Architekten Günther Domenig (1934-2012) ein deutliches Zeichen gegen die Architektur der ehemaligen Kongresshalle setzt. Im Jahr 2004 verabschiedete der Nürnberger Stadtrat Leitlinien, welche den Erhalt der noch vorhandenen Bauten des Reichsparteitagsgeländes vorsehen.

Die ehemalige "Stadt der Reichsparteitage" Nürnberg ist anhand der Umgangsweisen dem baulichen Erbe aus nationalsozialistischer Zeit zu einem Spiegel deutscher Vergangenheitspolitik geworden. Auch die Debatte um Erhalt oder Verfall von Zeppelinfeld und Zeppelintribüne, wo ein neu gestalteter Lern- und Begegnungsort entstehen soll, zeigt dies. Im Zuge der Bewerbung Nürnbergs zur Kulturhauptstadt Europas 2025 soll das ehemalige Reichsparteitagsgelände eine herausgehobene Rolle als Lernort und Ort künstlerischer Auseinandersetzung spielen. Das Gelände am Dutzendteich zählt inzwischen als Naherholungsgebiet und wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit zu den meistbesuchten Orten in Nürnberg – auch mit vielen internationalen Gästen. Auch wegen dieser "demokratischen Inbesitznahme" wurde das ehemalige Reichsparteitagsgelände nicht zu einem Wallfahrtsort rechtsradikaler Gruppen.

Literatur

  • Charlotte Bühl-Gramer, Perspektivenwechsel. Das ehemalige Reichsparteitagsgelände aus Sicht von Besucherinnen und Besuchern (Schriften des Kulturreferats Nürnberg 4), Nürnberg 2019.
  • Centrum Industriekultur Nürnberg (Hg.), Kulissen der Gewalt. Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, München 1992.
  • Eckart Dietzfelbinger, Bauen für die Ewigkeit: das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, in: Siegfried Zelnhefer (Hg.), Die Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg (Schriftenreihe des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände 2), Nürnberg 2002, 261-269.
  • Yasmin Doosry, "Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen ...". Studien zum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Tübingen 2002.
  • Kunsthalle Nürnberg (Hg.), Das Gelände, Nürnberg 2008.
  • Julia Lehner (Hg.), Erhalten! Wozu? Perspektiven für Zeppelintribüne, Zeppelinfeld und das ehemalige Reichsparteitagsgelände (Schriften des Kulturreferats Nürnberg 2), Nürnberg 2017.
  • Alexander Schmidt (Hg.), Das Gelände. Dokumentation. Perspektiven. Diskussion 1945-2015, Nürnberg 2015.
  • Alexander Schmidt, Gleichgeschaltete Landschaft. Zum Umgang mit Natur und Landschaft beim Bau des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg, in: Gesellschaft zur Förderung der Hochschule Geisenheim (Hg.), Naturschutz am ehemaligen Westwall. NS-Großanlagen im Diskurs, Geisenheim 2016, 68-85.
  • Alexander Schmidt, Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Nürnberg 5. Auflage 2017.

Quellen

  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, (Speer-Pläne).
  • Bundesarchiv Berlin, NS 22 (Reichsorganisationleiter der NSDAP).
  • Stadtarchiv Nürnberg, C 32 (Zweckverband Reichsparteitag Nürnberg).

Externe Links

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Weiterführende Recherche

Empfohlene Zitierweise

Alexander Schmidt, Reichsparteitagsgelände, Nürnberg, publiziert am 30.9.2020; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichsparteitagsgelände,_Nürnberg (28.03.2024)