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Radio Free Europe

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Logo von Radio Free Europe und Radio Liberty mit der Freedom Bell. (Foto: privat)

von Falk Bachter

Nach einer einjährigen Testphase nahm Radio Free Europe (RFE) am 1. Mai 1951 seinen Sendebetrieb in München auf. 1976 wurde RFE mit dem ebenfalls in München ansässigen Radio Liberty (RL) vereinigt. Hinter dem antikommunistisch ausgerichteten Sender stand das US-amerikanische National Committee for a Free Europe. Die Zielgruppen des Senders waren die Menschen in Osteuropa. Dort versuchte man die Sendungen von RFE/RL mit Störsendern zu unterbinden, um eine Verbreitung westlichen Gedankenguts zu verhindern. Immer wieder kam es zu Anschlägen auf den Sender selbst, aber auch auf dessen Mitarbeiter. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde der Hauptsitz von RFE/RL 1995 von München nach Prag verlegt. Nach wie vor sendet RFE/RL sein Programm mit über 600 Mitarbeitern in 25 Sprachen und in 20 Länder, in denen es keine freie Presse gibt (Stand: 2018).

Gründung des Senders

Nach einigen Monaten Vorbereitungszeit wurde 1949 in den USA das Nationalkomitee für ein freies Europa (National Commitee for a Free Europe, NCFE) gegründet. Gründungsmitglieder waren neben bekannten Journalisten und Diplomaten der nachmalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower (1890-1969, US-Präsident 1953-1961), John Jay McCloy (1895-1989), Allen Welsh Dulles (1893-1969) und Charles Douglas Jackson (1902-1964). Erklärtes Ziel des NCFE war die Befreiung Osteuropas vom Kommunismus. Symbol dafür war die Berliner Freiheitsglocke, die 1950 von den Amerikanern dem Schöneberger Rathaus in West-Berlin geschenkt wurde. Sie wurde unter dem Motto: "Crusade for Freedom" - Kreuzzug für die Freiheit - zum Logo für Radio Freies Europa/Radio Liberty (RFE/RL). Am 14. Juli 1950 erfolgten erste Testsendungen in die Tschechoslowakei. Die ersten Programme wurden in einem Studio im New Yorker Empire State Building produziert. Anschließend wurden sie per Flugzeug nach München geschickt und von einem 7,5 kW Kurzwellensender, stationiert in einem Lastwagen auf dem ehemaligen Militärflughafen in Lampertheim (Hessen), gesendet. Während dieser Testphase betrug die Sendezeit nur 10 Stunden wöchentlich, mit kurzen halbstündigen Beiträgen bestehend aus Nachrichten und politischen Analysen.

Beginn des regulären Sendebetriebs

Nach dieser Testphase begann am 1. Mai 1951 der reguläre Sendebetrieb. RFE bezog ein lang gestrecktes Gebäude in der Oettingenstraße am Englischen Garten in München. Es war ursprünglich für ein Krankenhaus bestimmt. München wurde von den Amerikanern bewusst als Standort gewählt, lag es doch unweit vom sog. Ostblock (Bezeichnung für die Sowjetunion und deren Satellitenstaaten während des Ost-West-Konflikts). Der normale polnische Sendebetrieb wurde ebenfalls nach einer neunmonatigen Erprobungszeit am 3. Mai 1952 aufgenommen. Die Exilpolen in München feierten jeden Sonntag die Hl. Messe in der Barbarakirche in München-Schwabing, die live von RFE nach Polen übertragen wurde. Besonders für die Unterstützung der seit Anfang der 1980er Jahre aufkommenden Gewerkschaftsbewegung Solidarność waren die polnischen Sendungen von größter Bedeutung. Nach Meinung namhafter Osteuropa-Experten trug RFE/RL entscheidend zum Niedergang des Kommunismus in Europa und in der Sowjetunion bei.

Teil der Redaktionsräume von Radio Free Europe. Foto: ca. 1960er Jahre. (Aufnahme: privat)

Zielländer der Sendungen von RFE waren neben der Tschechoslowakei und Polen auch Ungarn, Rumänien und Bulgarien.

Bis Anfang der 1970er Jahre wurde RFE/RL vom US-Auslandsgeheimdienst CIA (Central Intelligence Agency) finanziert. Ursprünglich war die offizielle Darstellung, die Sender würden aus privaten Mitteln finanziert. Nachdem die Aufsicht über die Sender der CIA 1971 entzogen worden war, finanzierten sich die Sender aus Mitteln, die der amerikanische Kongress zur Verfügung stellte. 1973 wurde eine neue Organisation gegründet, das Board of International Broadcasting (BIB), das die Aufsicht über RFE/RL und Voice of America (VOA) hatte. Seit der Übernahme des BIB wurde über Ereignisse erst berichtet, nachdem drei voneinander unabhängige Nachrichtenagenturen die gleiche Meldung verbreitet hatten. Nun wurde die Devise "Wahrhaftigkeit vor Schnelligkeit" ausgegeben. Zumindest von diesem Zeitpunkt an konnte nicht mehr von einem Propagandasender gesprochen werden.

RFE/RL zählte in Deutschland etwa 1.400 Mitarbeiter, weltweit ca. 2.000. Viele Exilanten aus dem Ostblock waren für den Sender tätig; dabei handelte es sich oft um Intellektuelle, wie ehemalige Professoren aller Fachrichtungen, Künstler und Schriftsteller. Die Angestellten bei RFE/RL rekrutierten sich aus über 40 Nationen.

Die Redakteure erhielten ihre Informationen durch eigene Mitarbeiter und von Agenturen weltweit. Das Bild zeigt einen Teil des Newsroom mit dem Nachrichtenticker. Foto: ca. 1960er Jahre. (Aufnahme: privat)

Die umstrittene Rolle von RFE während des Ungarn-Aufstandes 1956

Bei dem Aufstand der Ungarn im Oktober/November 1956 spielte RFE eine unrühmliche und umstrittene Rolle. RFE vermittelte in den Sendungen seiner ungarischen Abteilung den Aufständischen, sie könnten mit Hilfe aus dem Westen, insbesondere der Amerikaner, rechnen. Es spricht Vieles dafür, dass sich deshalb die Kämpfe mit den sowjetischen Truppen länger hinzogen, selbst als völlig klar war, dass der Westen nicht eingreifen würde und die Lage der Aufständischen aussichtslos war. RFE zog aus diesem Desaster die Konsequenzen. Bei der Berichterstattung vom sog. Prager Frühling 1968 war der Sender wesentlich zurückhaltender und gab keine Versprechungen mehr bezüglich militärischer Hilfe des Westens.

Die Nachrichtenzentrale des Senders

In der Nachrichtenzentrale, dem "Central News Room", wurden über 20 Nachrichtenagenturen aus dem Westen und dem Ostblock per Fernschreiber empfangen, so z. B. die West-Agenturen AP, AFP, UPI, Reuters, dpa, Sid Sport-Informations-Dienst und aus dem Osten Tass, ADN u. v .a. In den wichtigsten Hauptstädten arbeiteten RFE/RL-Korrespondenten, in London (Großbritannien), Paris (Frankreich), Rom (Italien), Brüssel (Belgien), Islamabad (Pakistan), Washington D.C. (USA), bei der UN in New York, in Bonn (Nordrhein-Westfalen), West-Berlin und in zahlreichen anderen Städten. Bei wichtigen internationalen Ereignissen und Konferenzen, wie auch bei Olympischen Spielen, waren Korrespondenten des Senders akkreditiert.

Die Sendestationen von Radio Freies Europa/Radio Liberty

Blick in die Medienzentrale der Redaktionsräume von Radio Free Europe in München, ca. 1980er Jahre. (Foto: privat)

Die Programme für die fünf Zielländer im sog. Ostblock und für die etwa 20 verschiedenen Dienste von Radio Liberty wurden in München produziert und anschließend an die einzelnen Sendestationen versendet. Von dort wurden die Sendebeiträge von starken Kurzwellen- und Mittelwellensendern (KW bzw. MW) in Richtung Osten geschickt. In Biblis (Hessen) und Lampertheim wurden Kurzwellenanlagen installiert. Weitere Sendeanlagen befanden sich in Playa de Pals in Spanien und in Gloria in Portugal. Diese Anlagen sind seit 2001 stillgelegt. Der Sender bei Holzkirchen (Lkr. Miesbach), unweit der Ortschaft Warngau (Lkr. Miesbach), wurde 1950 auf dem ehemaligen Militärflugplatz Holzkirchen errichtet und ging 1951 in Betrieb. Er diente zur Ausstrahlung der Programme im Mittel- und Kurzwellenbereich.

Die Sender hatten eine Leistung von bis zu 250 kW und in Hauptstrahlrichtung einen Verstärkungsfaktor von 8. Die Strahlungsleistung entsprach mehr als 20.000 Mobilfunkstationen. Das führte in der Umgebung häufig zu extremen elektromagnetischen Störungen. Die Abstürze der Kampfflugzeuge vom Typ Starfighter im Oktober 1970 und vom Typ Tornado bei Oberlaindern (Lkr. Miesbach) im Juli 1984 wurden in Verbindung mit der starken Sendeleistung des Senders Holzkirchen gebracht. Die unmittelbaren Anwohner klagten über Gesundheitsprobleme; Mitarbeiter im Holzkirchner Sendegebäude erkrankten vermehrt an Krebs. Der Sendebetrieb wurde am 31. Dezember 2003 eingestellt.

Die Monitoring-Station in Oberschleißheim

Von 1953 bis 1995 befand sich auf dem Gelände des Flughafens Oberschleißheim (Lkr. München) eine Monitoring-Station von RFE/RL. Hier wurden mit modernsten Empfangstechniken Rundfunksendungen aus den Ostblockstaaten aufgezeichnet und zur Auswertung in die Zentrale in München weitergeleitet. Dort werteten sog. Monitore die Sendungen aus und übersetzten sie ins Englische. In der eigenen Hausdruckerei vervielfältigte man diese Texte und leitete sie den einzelnen Abteilungen zu. Ebenso wurden hier die Störsender, das sog. Jamming, überwacht und mit den eigenen Sendungen auf andere Frequenzen ausgewichen.

RFE/RL verstärkte immer wieder die Sendeleistung, um diese Störsender zu überwinden. Die Sowjetunion betrieb einen enormen Aufwand, um die Bevölkerung am Empfang von RFE/RL zu hindern. Dabei gab sie mehr Geld für das Jamming aus als die Amerikaner für RFE/RL. In Ballungszentren und Großstädten wurde das Jamming intensiviert. Deshalb konnte RFE/RL in weniger dicht besiedelten Gegenden besser empfangen werden. Die Störsender waren auch der Grund dafür, dass einzelne Sendebeiträge von RFE/RL öfter wiederholt wurden. Die Sowjetunion sah durchaus die Gefahr, die ihr von den beiden Radiostationen drohte; sie wurden von den Kommunisten zum direkten Feind erklärt.

Die Programmgestaltung von Radio Freies Europa/Radio Liberty

Neben Nachrichtensendungen und politischen Beiträgen erfreuten sich kulturelle Sendungen bei den Hörern größter Beliebtheit. Im Verwaltungsgebäude am Englischen Garten befand sich ein großes, modernes Studio für Musikdarbietungen. Namhafte Künstler gaben dort Konzerte, die meist live in den Ostblock übertragen wurden. Der Ungar Géza Ekecs (1927-2017, bekannt als László Cseke) war von 1951 bis 1992 der bekannteste Radiomoderator in der ungarischen Abteilung des Senders. Seine Musiksendungen waren legendär und besonders bei den Jugendlichen sehr beliebt.

Radio Liberty

Das Amerikanische Komitee für die Befreiung der Völker Russlands (American Committee for the Liberation of the Peoples of Russia) wurde am 19. Januar 1951 gegründet. Nach Verhandlungen mit Exilgruppen begannen die Sendungen von "Radio Liberation" am 1. März 1953 in München. Das Sendeziel war nicht nur Russland, sondern auch die vielen Länder innerhalb der Sowjetunion, wie z. B. Tadschikistan, Usbekistan, Kasachstan, Turkmenistan u. v. a. m. In knapp 20 verschiedenen Sprachen wurde gesendet. Sofort begann die Sowjetunion mit der Installation von Störsendern, um den Empfang in Russland massiv zu erschweren. Auch wurde der Befehl zur Ermordung einzelner Mitarbeiter gegeben. So wurden im September 1954 der Münchner Mitarbeiter Leonid Karas (gest. 1954) sowie im November 1954 der Direktor der aserbaidschanischen Abteilung, Abo Fatalibey (1908-1954), ermordet.

Am 5. September 1959 wurde "Radio Liberation" in "Radio Liberty" (RL) umbenannt. Von Beginn an bis in die 1960er Jahre residierte RL im ehemaligen Flughafengebäude auf dem Münchner Oberwiesenfeld. Als der Flughafenbetrieb 1968 eingestellt und das Gebäude abgebrochen wurde, verlegte Radio Liberty seinen Sitz nach Bogenhausen in den "Arabella Park". Am 2. Oktober 1976 wurden die beiden Sender unter dem Namen RFE/RL Inc. im Gebäude am Englischen Garten vereint. Die beiden Institutionen blieben jedoch völlig unabhängig voneinander. Am 8. Oktober 1984 trennten sich die drei baltischen Sender von RL; die Esten, Litauer und Letten wurden nun mit RFE zusammengeführt. Damit unterstrichen die Exilbalten, dass sie sich Europa zugehörig fühlten und nicht der Sowjetunion.

Radio Freies Europa/Radio Liberty: Werkzeuge im Kampf gegen den Kommunismus sowjetischer Prägung

Der Westen sah drei Möglichkeiten, den Kommunismus und dessen Verbreitung zu bezwingen: auf wirtschaftlicher, militärischer und ideologischer Basis. Der sog. Marshallplan unterstützte die wirtschaftliche Entwicklung in Westeuropa. Auf militärischem Gebiet war die Gründung der NATO 1949 ein wichtiger Gegenpol zum 1955 gegründeten Warschauer Pakt (militärischer Beistandspakt des sog. Ostblocks, 1955-1991). Auf ideologischem Gebiet war die Errichtung der beiden Sender RFE und RL von enormer Bedeutung. Diese waren zuständig für die Verbreitung westlichen Gedankenguts und brachten die Ziele der Politik und Diplomatie den Ländern hinter dem sog. Eisernen Vorhang näher.

Die Hörer im sog. Ostblock erfuhren durch RFE/RL von Ereignissen, die von ihren Regierungen zurückgehalten wurden. So dauerte es bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986 mehrere Tage, bis die Bevölkerung von den Agenturen des "Ostblocks" über das wahre Ausmaß unterrichtet wurde. RFE/RL berichtete wesentlich früher von dem Unglück.

Anschläge auf Mitarbeiter von Radio Freies Europa/Radio Liberty

Seit Bestehen von RFE/RL wurden deren Mitarbeiter immer wieder Opfer von Anschlägen. Der aufsehenerregendste war der Mord an dem Bulgaren Georgi Ivanov Markow (1929-1978), der am 7. September 1978 mittels eines präparierten Regenschirms in London vergiftet wurde.

Kurz nach dem Umzug des Senders 1995 nach Prag (Tschechische Republik) erschossen Unbekannte dort die russische Journalistin Molli M. Riffel-Gordin (1938-1997) von RFE/RL. Auch heute noch sind Mitarbeiter von RFE/RL gefährdet. Am 21. September 2000 wurde der Moskau-Korrespondent des tadschikischen Services in seiner Moskauer Wohnung erschlagen.

Bereits im Sommer 1959 gab es einen Anschlag auf die Sendezentrale am Englischen Garten. In der Cafeteria wurde Gift in die Salzstreuer gefüllt. Dieser Anschlag konnte frühzeitig vereitelt, die Urheber jedoch nie ausfindig gemacht werden. Eine Spur führte zum tschechoslowakischen Geheimdienst (StB). Diese Vermutung konnte jedoch nie bewiesen werden.

Am 21. Februar 1981 erfolgte der folgenschwerste Anschlag auf die Sendezentrale von Radio Free Europe in der Münchner Oettingenstraße. Sender und insbesondere Mitarbeiter waren immer wieder Übergriffen ausgesetzt. Konkrete Täter konnten nicht ermittelt werden. Bei dem Anschlag 1981 wurden drei Mitarbeiter schwer verletzt. Der betroffene Gebäudeteil musste in der Folge abgebrochen werden. Das Bild zeigt den Teil der Sendezentrale, der besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. (Foto: privat)

Anschläge auf die Sendezentrale

Der folgenschwerste Anschlag erfolgte am 21. Februar 1981. Um 21:47 Uhr explodierte eine etwa 20 Kilogramm schwere Bombe, abgelegt im Schutz der Dunkelheit an der Außenmauer der Sendezentrale (die Stadtverwaltung hatte eine hellere Beleuchtung zuvor untersagt). Zu diesem Zeitpunkt waren nur etwa 40 Mitarbeiter im Sendegebäude, so dass zwar drei Tschechoslowaken schwer verletzt wurden, weitere Opfer jedoch nicht zu beklagen waren. Der beschädigte Gebäudetrakt musste anschließend aus statischen Gründen abgebrochen und neu errichtet werden. Die Explosion richtete auch in der Nachbarschaft schwere Schäden an; Fensterscheiben im Umkreis von bis zu einigen hundert Metern gingen zu Bruch. Nach diesem schweren Anschlag wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft, darunter strenge Fahrzeug- und Personenkontrollen; die Fenster wurden mit schusssicheren Scheiben ausgestattet.

Auftraggeber des Anschlags

Die Ermittlungen führten rasch zum rumänischen Geheimdienst Securitate, der den Auftrag zu dem Anschlag gegeben hatte. Nach dem Fall des sog. Eisernen Vorhangs 1989/90 fanden sich Hinweise in den Archiven Osteuropas, die diese Ermittlungsergebnisse weitgehend bestätigten. Der deutsche Terrorist Johannes Weinrich (geb. 1947) führte das Attentat zusammen mit dem Schweizer Terroristen Bruno Bréguet (geb. 1959) und zwei Mitgliedern der spanischen Terrorgruppe ETA aus. Weinrich war damals die rechte Hand des international gesuchten Top-Terroristen Ilich Ramírez Sánchez (geb. 1949, genannt Carlos bzw. Schakal), der die Aktion im Hintergrund leitete. In Stasi-Unterlagen zu dem Anschlag ist von Beglückwünschungen an Sánchez von verschiedenen Seiten, etwa den Spitzen der Securitate, zu lesen. Sánchez wurde 1997 in Paris und bei einem zweiten Prozess 2011 wegen der Mittäterschaft bei vier Anschlägen, bei denen elf Menschen starben und 150 verletzt wurden, zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt.

Ab dem Frühjahr 2003 musste sich Weinrich wegen sechsfachen Mordes in den Jahren 1982 und 1983 in Frankreich und bei einem Prozess vor dem Kammergericht in Berlin verantworten. Er wurde 2004 mangels Beweisen freigesprochen. Eine Auslieferung an Frankreich lehnte das Kammergericht in Berlin ab. 2011 wurde Weinrich in Paris in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Anschlag auf RFE/RL blieb bis heute ungesühnt.

Am 29. Mai 1995 verabschiedete sich die Redaktion von Radio Free Europe mit einem Telex an den neuen Sendestandort Prag aus München. (Foto: privat)
Gedenkstein vor dem Gebäude in der Münchner Oettingenstraße, aus dem Radio Free Europe bis zu seinem Umzug nach Prag gesendet hat. (Foto: privat)

Wie effektiv waren die Sendungen von Radio Freies Europa/Radio Liberty?

Für die Sendeleitung war es wichtig, die Bevölkerung im Osten nicht nur über Ereignisse im Westen zu informieren, sondern vor allem auch über die Zustände und das politische Geschehen in den Empfangsländern aufzuklären. Wie konnte festgestellt werden, welche Wirkung die Sendungen hatten? Genaue Zahlen gibt es nicht. Über versteckte Kanäle - es gab auch ein Telefon für Hörer aus dem Osten -, Briefe und über Emigranten konnte in Erfahrung gebracht werden, wie verbreitet die Sendungen in allen Bevölkerungsschichten gehört wurden.

Viele Dissidenten, wie z. B. auch Václav Havel (1936-2011, Präsident der ČSSR 1989-1992, tschechischer Präsident 1993-2003), berichteten nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks, dass RFE/RL die wichtigste Quelle war, um verlässliche und unzensierte Informationen zu erhalten. Der Sender verfügte über das bestausgestattete Osteuropa-Archiv und die umfangreichste Bibliothek über Themen den Ostblock betreffend. Der erste frei gewählte polnische Präsident Lech Waᴌesa (geb. 1943, Präsident von Polen 1990-95) sagte, Papst Johannes Paul II. (1920-2005, Papst 1978-2005) und Radio Free Europa hätten einen entscheidenden Anteil am Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa gehabt.

Ausblick

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurden die Sendungen in den Ostblock eingestellt. Der Sender verlegte 1995 seinen Hauptsitz von München nach Prag. In dem ehemaligen Studiogebäude in München sind heute Fachabteilungen der Universitätsbibliothek und Institute der Ludwig-Maximilians-Universität sowie das Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft untergebracht.

Heute (Stand: 2018) sendet RFE/RL in 25 Sprachen für Hörer in 20 Ländern, darunter Afghanistan, Iran, Weißrussland, Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan.

Literatur

  • Alexander Badenoch/Andreas Fickers/Christian Henrich-Franke (Hg.), Airy Curtains in the European Ether. Broadcasting and the Cold War, Baden-Baden 2013.
  • Anna Bischof/Zuzana Jürgens (Hg.), Voices of Freedom - Western Interference? 60 Years of Radio Free Europe (Veröffentlichtungen des Collegium Carolinum 130), Göttingen 2015.
  • Gyula Borbándi, Die Tätigkeit des Münchener Senders Freies Europa während des Ungarnaufstandes 1956. Quellenbericht eines Zeitzeugen, in: Ungarn-Jahrbuch 29 (2009), 427-459.
  • Gyula Borbándi, Radio Freies Europa – Radio Free Europe, in: Danubiana Carpathica 49 (2008), 243-254.
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  • A. Ross Johnson/R. Eugene Parta (Hg.), Cold War Broadcasting. Impact on the Soviet Union and Eastern Europe. A Collection of Studies and Documents, Budapest 2010.
  • A. Ross Johnson, Radio Free Europe and Radio Liberty. The CIA Years and Beyond, Stanford 2010.
  • Bernd Stöver, Das Veto der Bombe. Amerikanische Liberation Policy im Jahr 1956: Das Beispiel Radio Freies Europa, in: Roger Engelmann (Hg.), Kommunismus in der Krise, Göttingen 2008, 201-218.

Quellen

Externe Links

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Weiterführende Recherche


RFE, RL, Radio Freies Europa, Radio Liberty

Empfohlene Zitierweise

Falk Bachter, Radio Free Europe, publiziert am 24.09.2018; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Radio_Free_Europe> (29.03.2024)