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Politische Morde (Weimarer Republik)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Ulrike Claudia Hofmann

Politisch motivierte Ermordung führender Protagonisten des öffentlichen Lebens durch links- bzw. rechtsextremistische Gruppen oder Einzeltäter. Ziel ist die Veränderung bzw. der Umsturz des bestehenden Staatswesens. Während der Weimarer Republik starben u. a. Außenminister Walther Rathenau (1867-1922) und Finanzminister Matthias Erzberger (1875-1921) bei Attentaten rechtsradikaler Vereinigungen, in Bayern kamen der provisorische Ministerpräsident Kurt Eisner (1867-1919) und der Führer der rheinpfälzischen Separatisten, Franz Josef Heinz (1884-1924), ums Leben. Der SPD-Politiker Erhard Auer (1874-1945) überlebte zwei Mordanschläge. Für die Aburteilung politischer Morde waren die bayerischen Volksgerichte zuständig.

Der Terminus „politischer Mord“

Der Begriff "politischer Mord" bezeichnet zum einen den politisch, ethnisch oder religiös motivierten Völkermord in Kriegszeiten. In Friedenszeiten meint er zum anderen die Tötung von Menschen mit dem Ziel, die staatliche Ordnung zu verändern, wie etwa durch die gezielte Beseitigung von politischen Repräsentanten, Rache- oder Geiselmorde. Die politischen Morde der Jahre zwischen 1919 und 1923 lassen sich nochmals differenzieren in willkürliche Tötungen während der Revolutions- und Rätezeit und geplante Anschläge auf Repräsentanten der Republik. Die Beseitigung von Mitwissern oder Verrätern von Waffenlagern oder anderer Geheimnisse meist rechtsgerichteter Organisationen firmiert unter dem Begriff Fememord.

Die Fälle

Während der Weimarer Republik erschütterten zahlreiche politisch motivierte Morde das öffentliche Leben. Neben den Verbrechen während der Revolutions- und Rätezeit sind hier vor allem die gezielten Anschläge auf Vertreter der neuen staatlichen Ordnung zu nennen.

"Roter" und "weißer Terror"

Die Revolutionsereignisse führten deutschlandweit zum so genannten "roten" und "weißen Terror", also Ausschreitungen von Links- und Rechtsradikalen oder Regierungstruppen, welche die Räterepubliken niederschlagen sollten. In Bayern war der spektakulärste Übergriff der von Anhängern der Räterepublik begangene so genannte "Geiselmord" im Münchner Luitpoldgymnasium im April 1919. Im Gegenzug misshandelten die in München zur Niederschlagung der Räterepublik einrückenden Freikorps- und Regierungssoldaten nicht nur gefangen genommene Räterevolutionäre. Ihnen fielen auch Unbeteiligte zum Opfer, wie die am 6. Mai 1919 umgebrachten 21 Mitglieder eines katholischen Gesellenvereins.

Anschläge auf Repräsentanten der Republik

Soldaten an der mit Blumen geschmückten Attentatsstelle nach der Ermordung Kurt Eisners, Ende Februar 1919. (Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Hoffmann)
Patronenfragment und Patronenhülse des Attentats auf den bayerischen Landtag am 21. Februar 1919. (bavarikon) (Staatsarchiv München, Staw 2709-4)

Anschläge auf Repräsentanten des neuen Staates setzten schon in den ersten Monaten des Jahres 1919 als Nachwehen der revolutionären Novemberereignisse ein. Das erste und prominenteste Opfer in Bayern war Kurt Eisner (1867-1919) von der bayerischen USPD, führender Kopf der Revolution in München und seit 7./8. November 1918 bayerischer Ministerpräsident. Eisner wurde am 21. Februar 1919 auf dem Weg zum Landtag von Anton Graf von Arco-Valley (1897-1945), einem jungen ehemaligen bayerischen Offizier, getötet. Während der darauf folgenden Tumulte erschossen linksradikale Arbeiter im Landtag einen Abgeordneten und einen anwesenden Offizier. Der damalige SPD-Innenminister Erhard Auer (1874-1945) überlebte schwer verletzt.

Seit 1921 ereigneten sich in Deutschland eine Reihe von Attentaten auf Repräsentanten der Weimarer Demokratie, für die eine seit 1920 bestehende rechtsextremistische Geheimorganisation, die "Organisation Consul" (O.C.), verantwortlich war. Als Beginn dieser Serie wird häufig die nie aufgeklärte Ermordung des bayerischen USPD-Abgeordneten Karl Gareis (1889-1921) am 9. Juni 1921 genannt. Es sprechen jedoch mehr Indizien dafür, dass es sich hierbei um einen typischen Fememord handelte. Ungeklärt blieben auch die Schüsse auf den bayerischen SPD-Vorsitzenden Auer am 26. Oktober 1921. Der Täter, der zwei Schüsse vom Münchner Südfriedhof auf den sich auf dem Nachhausweg befindenden Auer abfeuerte, wurde nie gefasst.

"Mord Erzberger!" Steckbrief der Badischen Staatsanwaltschaft, 13. September 1921. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Plakatsammlung)

Eindeutig auf das Konto der O.C., die durch ihre Verbrechen Übergriffe von links provozieren und durch deren Niederschlagung die Demokratie in Deutschland beseitigen wollte, gehen

  • die Ermordung des ehemaligen Reichsfinanzministers Matthias Erzberger (1875-1921) am 26. August 1921,
  • der Anschlag auf den ersten Ministerpräsidenten einer demokratisch legitimierten Reichsregierung und späteren Kassler Oberbürgermeister Philipp Scheidemann (1865-1939) vom 4. Juni 1922,
  • die Tötung des Reichsaußenministers Walter Rathenau (1867-1922) am 24. Juni 1922

zurück.

Auch auf den sozialistischen Publizisten und Journalisten Maximilian Harden (1861-1927) verübten Rechtsextreme am 3. Juli 1922 ein Attentat, das er schwer verletzt überlebte.

Der Reichspräsident erließ nach den Attentaten auf Erzberger und Rathenau Notverordnungen "zum Schutze der Republik". Die bayerische Regierung verweigerte anfangs deren Umsetzung im Gebiet des Freistaates und verschärfte damit den Dauerkonflikt mit dem Reich, der aus der massiven Unterstützung der bayerischen Regierung für die Einwohnerwehren bzw. den aus ihr hervorgegangenen nationalistischen Gruppen entstanden war.

Beseitigung eines Pfälzer Separatisten 1924

Der letzte öffentlich bekannt gewordene politische Mord in Bayern ereignete sich 1924 vor dem Hintergrund der in der Pfalz verbreiteten separatistischen Bestrebungen, welche die Besatzungsmacht Frankreich unterstützte: Franz Josef Heinz (1884-1924) war nach seinem Austritt aus der bayerischen Mittelpartei Generalsekretär der Freien Bauernschaft der Pfalz und von der sich am 22. Oktober konstituierenden „Rheinischen Republik“ als Generalkommissar für die Pfalz vorgesehen. Er rief am 12. November 1923 die „Autonome Regierung der Pfälzischen Republik“ aus.

Die bayerische Abwehr der separatistischen Bestrebungen erfolgte nicht immer im Rahmen der Legalität. Ihre Zentrale, die "Haupthilfsstelle für die Pfalz" in Heidelberg, organisierte Sprengstoffanschläge und schreckte auch vor Mord nicht zurück. Für das Attentat auf Heinz griff die Abwehrzentrale auch auf Männer aus den Reihen der Organisation Consul zurück. Sie erschossen den Separatistenführer und zwei weitere anwesende Personen am 9. Januar 1924 in einem Speyrer Lokal während des Essens.

Die politischen Morde vor Gericht

Für die politischen Morde waren in Bayern die im November 1918 errichteten, juristisch problematischen Volksgerichte zuständig. Während diese die Verbrechen der politischen Linken und die Anhänger der Räteherrschaft mit hohen Strafen aburteilten, ließen sie gegenüber Straftätern mit nationalistischer Gesinnung Milde walten. Augenfällig wird dies am Beispiel des Prozesses gegen den Eisnermörder: Anton Graf von Arco-Valley wurde zwar am 16. Dezember 1920 zum Tode verurteilt, das Gericht hob jedoch sein edles Tatmotiv explizit hervor. Einen Tag nach dem Urteil wurde er zu Festungshaft begnadigt und bereits 1924 entlassen. Die Volksgerichte unterstützten mit ihrer Rechtsprechung erheblich den Prozess, durch den sich nach dem Ende der Räteherrschaften in Bayern der innenpolitische Kurs merklich nach rechts verlagerte. Der Freistaat entwickelte sich zu einem "Hort der Ordnung", in dem sich nicht nur vaterländisch gesinnte Männer oder rechtsextreme Organisationen niederließen und willkommen waren, sondern auch einige wegen Gewaltverbrechen gesuchte Nationalisten Unterschlupf fanden, so die in Bayern untergetauchte Organisation Consul.

Den Vorwurf, auf dem rechten Auge blind zu sein, erhoben bereits Zeitgenossen nicht nur gegen die bayerischen Volksgerichte, sondern gegen die gesamte Weimarer Justiz. Sie stützten sich dabei u. a. auf die Dokumentationen des Mathematikers Emil Julius Gumbel (1891-1966). Er hatte eine Gegenüberstellung politischer Morde von Rechts und Links sowie deren jeweilige Strafverfolgungen angelegt. Eine zentrale Rolle unter diesen Veröffentlichungen nimmt Gumbels Arbeit "Vier Jahre politischer Mord" aus dem Jahr 1922 ein. Sie setzte seine mit "Zwei Jahre Mord" begonnene Sammlung fort und löste offizielle Untersuchungen der Reichsregierung aus. Ergebnis dieser Nachforschungen bildete die "Denkschrift des Reichsjustizministers", die das Ministerium aus Papierknappheit jedoch nur in einem Exemplar vorlegte, so dass Gumbel sie in Eigeninitiative publizieren lassen musste.

Literatur

  • Hans Fenske, Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, Bad Homburg u. a. 1969.
  • Cord Gebhardt, Der Fall des Erzberger-Mörders Heinrich Tillessen, Tübingen 1995.
  • Bernhard Grau, Kurt Eisner. 1867-1919. Eine Biographie, München 2001.
  • Wilhelm Hoegner, Der politische Radikalismus in Deutschland 1919-1933, München/Wien 1966.
  • Wolf Middendorff, Der politische Mord. Ein Beitrag zur historischen Kriminologie (Schriftenreihe des Bundeskriminalamtes Wiesbaden), Frankfurt am Main 1968.
  • Martin Sabrow, Der Rathenaumord, München 1994.

Quellen

  • Politik in Bayern 1919-1933. Berichte des württembergischen Gesandten Carl Moser von Filseck, hg. v. Wolfgang Benz, Stuttgart 1971.
  • Emil Julius Gumbel, Vier Jahre politischer Mord, Berlin 1922.
  • Emil Julius Gumbel (Hg.), Denkschrift des Reichsjustizministers zu "4 Jahre politischer Mord", Berlin 1924.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Politische Attentate

Empfohlene Zitierweise

Ulrike Claudia Hofmann, Politische Morde (Weimarer Republik), publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Politische_Morde_(Weimarer_Republik)> (28.03.2024)