Philosophisch-theologische Hochschulen
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Spezialhochschulen, die der Ausbildung katholischer Priester dienten. Die Philosophisch-theologischen Hochschulen, bis 1923 Lyzeen genannt, gingen teilweise auf frühneuzeitliche Studieneinrichtungen zurück, teilweise wurden sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts neu begründet. Die staatliche Trägerschaft fast aller dieser Einrichtungen war eine bayerische Besonderheit. Im Zuge der Bildungsreformen der 1970er Jahre wurden die Philosophisch-theologischen Hochschulen entweder geschlossen (Freising) oder zu Universitäten (Passau, Bamberg, Regensburg, Augsburg, Eichstätt) erhoben.
Wurzeln: Die Lyzeen als Ausbildungsanstalten katholischer Geistlicher
Die bayerischen philosophisch-theologischen Hochschulen (PTH) des zwanzigsten Jahrhunderts (Bamberg, Benediktbeuern, Dillingen, Eichstätt, Freising, Passau und Regensburg) gingen - abgesehen von der kirchlichen Hochschule in Eichstätt und der Hochschule der Salesianer Don Boscos in Benediktbeuern - auf königlich-bayerische Lyzeen zurück. Diese waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet worden, nachdem die Säkularisation von 1802/03 eine völlige Neuordnung des bayerischen Bildungswesens notwendig gemacht hatte. Teils an die Traditionen seinerzeit aufgelöster Studienanstalten anknüpfend, teils neugegründet, handelte es sich bei den bis zur Jahrhundertmitte entstandenen Lyzeen in Amberg, Bamberg, Dillingen, Freising, Passau und Regensburg um philosophisch-theologische Spezialschulen, die hauptsächlich der Ausbildung katholischer Geistlicher dienten.
Anders als die klassischerweise mit mindestens vier Fakultäten (Philosophie, Theologie, Jura, Medizin) ausgestatteten Universitäten bestanden die Lyzeen in der Regel aus einer philosophischen und einer theologischen Abteilung; daneben gab es in Aschaffenburg, Augsburg und Speyer so genannte unvollständige Lyzeen, die lediglich mit einer philosophischen Abteilung aufwarten konnten. Die Lyzeen durften keine akademischen Grade (Promotion, Habilitation) verleihen und verfügten bei nur sehr wenigen Selbstverwaltungsrechten über eine schulähnliche Studien-, Prüfungs- und Disziplinarordnung. Akademische Freiheit kannten sie zunächst nicht.
Gleichwohl boten sie in Verbindung mit bischöflichen Klerikalseminaren einen vollwertigen Ersatz für die katholisch-theologischen Universitätsstudien und waren deshalb vor allem für die Priesteramtskandidaten aus ländlichen Regionen attraktiv. Im weitesten Sinne entsprach der bayerische Staat damit den 1563 gefassten Beschlüssen des Konzils von Trient, denen zufolge jede Diözese mit einer geeigneten Einrichtung für die Priesterausbildung versehen sein sollte (vgl. Art. V des Konkordats von 1817).
Staatliche Trägerschaft als bayerische Besonderheit
Als staatliche Einrichtungen mit einem primär kirchlichen Ausbildungsziel waren die vollständigen königlichen Lyzeen beziehungsweise die daraus hervorgegangenen Philosophisch-theologischen Hochschulen nicht nur eine katholische, sondern auch eine bayerische Besonderheit. Bis auf das philosophisch-theologische Lyceum Hosianum im ostpreußischen Braunsberg (seit 1912 als "Staatliche Akademie" bezeichnet) befanden sich alle außerhalb Bayerns gelegenen vergleichbaren Institutionen in kirchlicher Trägerschaft. Gute, wenn auch erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandene Beispiele sind die Philosophisch-theologische Hochschule der Pallottiner in Vallendar oder die Philosophisch-theologische Hochschule Sankt Georgen der Jesuiten in Frankfurt am Main.
Diesem Typus entsprach in Bayern zunächst nur das 1843 errichtete bischöfliche philosophisch-theologische Lyzeum in Eichstätt, das als kirchliche Theologenschmiede vor allem in der Zeit des Kulturkampfes und später unter nationalsozialistischer Herrschaft eine Sonderstellung inne hatte.
Entwicklung im 19. Jahrhundert
Wegen des propädeutischen Charakters der philosophischen Studien war die Rangstufe der Lyzeen im Verhältnis zu Gymnasien und Universitäten anfänglich stark umstritten. Nach der endgültigen Abschaffung des allgemein verpflichtenden zweijährigen philosophischen Grundstudiums (biennium philosophicum) 1849 wurden sie jedoch immer mehr an die Universitäten angeglichen, auch wenn sie weiterhin auf Promotions- und Habilitationsrecht verzichten mussten und die nun gewonnene akademische Freiheit durch die von den Priesteramtskandidaten verlangten kirchlichen Prüfungen stark beeinträchtigt wurde.
Hingegen waren die unvollständigen philosophischen Lyzeen in Aschaffenburg und Speyer, durch den Wegfall des philosophischen Propädeutikums ihrer Daseinsgrundlage beraubt, langfristig zur Schließung verurteilt (Aschaffenburg 1873, Speyer 1880). Das gleiche Schicksal ereilte nach der 1863 erfolgten Beseitigung seiner theologischen Studien auch das Lyzeum in Amberg (1865). Halten konnte sich nur das unvollständige Lyzeum in Augsburg.
Umbennennung in Philosophisch-theologische Hochschulen 1923/24, Gründung der PTH Benediktbeuern 1931
Die übrig gebliebenen staatlichen Lyzeen in Bamberg, Dillingen, Freising, Passau und Regensburg erhielten 1923 offiziell die schon seit längerer Zeit stillschweigend verwendete Bezeichnung "Philosophisch-theologische Hochschulen". Das Bistum Eichstätt zog 1924 mit der Umbenennung seiner Hochschule nach. 1931 kam noch die neugegründete Philosophisch-theologische Hochschule der Salesianer Don Boscos in Benediktbeuern hinzu, die in den Gebäuden des 1803 säkularisierten und 1930 dem Bayerischen Staat abgekauften ehemaligen Benediktinerklosters untergebracht wurde.
Im Spannungsfeld zwischen Staat und Kirche
Ein strukturelles Grundproblem der philosophisch-theologischen Hochschulen war stets die Spannung zwischen weltlicher Trägerschaft und kirchlicher Mitaufsicht. Das Konkordat von 1817 brachte keine eindeutige Regelung der Zuständigkeiten. Die daraus resultierenden fortwährenden Kompetenzstreitigkeiten konnten erst mit dem Konkordat von 1924 beigelegt werden. Für die Priesteramtskandidaten, die zugleich Studierende einer staatlichen Lehranstalt und Alumnen eines kirchlichen Klerikalseminars waren, blieb die Unsicherheit jedoch weiterhin bestehen. Nicht selten kollidierte das an den Philosophisch-theologische Hochschulen durch entsprechende Regelungen von 1922 und 1927 auf Universitätsniveau gebrachte Studentenrecht wegen seiner neuen Mitsprachemöglichkeiten mit der strengen Seminardisziplin oder den Weisungen des Bischofs.
Unter der NS-Herrschaft
Ab 1933 waren die philosophisch-theologischen Hochschulen massiven Repressionen ausgesetzt. Die von den Nationalsozialisten durchgeführten Gleichschaltungsmaßnahmen hatten dort allerdings keinen durchschlagenden Erfolg. Im Wintersemester 1939/40 wurden die philosophisch-theologischen Hochschulen schließlich trotz vermeintlicher Absicherung durch das Reichskonkordat von 1933 geschlossen. Nur die bischöfliche Hochschule in Eichstätt wurde davon ausgenommen. Da die katholisch-theologischen Universitätsfakultäten ebenfalls geschlossen waren (Würzburg 1935, München 1938), blieb sie vorerst die einzige Studienmöglichkeit für den katholischen Priesternachwuchs in Bayern. Erst im Frühjahr 1940 trat ihr die wiedereröffnete katholisch-theologische Fakultät der Universität Würzburg zur Seite.
Nachkriegszeit
Nach 1945 wurden die in ihrer baulichen Substanz weitgehend unversehrten philosophisch-theologischen Hochschulen schnell wiedereröffnet. Sie sollten die teilweise zerstörten Landesuniversitäten in München, Würzburg und Erlangen entlasten, die zudem vom Ansturm bildungshungriger junger Menschen überfordert waren. Ab Sommer 1946 wurde daher die traditionelle Möglichkeit, zwei an den philosophisch-theologischen Hochschulen absolvierte Semester auf ein entsprechendes Universitätsstudium anzurechnen, durch die Erteilung zahlreicher Lehraufträge intensiviert. Probleme mit der Anrechenbarkeit beim Übertritt an die Universitäten führten im August 1947 zu einer Spezifizierung dieser Variante des Grundstudiums. Bestimmte Studiengänge boten nur noch eigens ausgewiesene philosophisch-theologischen Hochschulen an.
Eine besondere Stellung erlangten in dieser Situation die Hochschulen in Bamberg (Jura) und in Regensburg (Medizin). Beide Einrichtungen wurden nun gezielt und ihrem fachlichen Schwerpunkt entsprechend ausgebaut - eine Maßnahme, deren Dringlichkeit angesichts des dramatischen Anstiegs der Studentenzahlen außer Frage stehen mußte. So hatte beispielsweise die PTH Bamberg im Wintersemester 1947/48 1.411 Studierende zu verkraften; hinzu kamen noch 151 Gasthörer. Im Sommersemester 1948 waren es sogar 1.640 Studierende, allerdings nur 102 Gasthörer. Zum Vergleich: 1934, noch vor dem Einsetzen der nationalsozialistischen Zugriffsversuche, war die Bamberger Hochschule von nur 119 Studierenden besucht worden. Die Hörerzahlen hatten sich dort also infolge des Zustroms der von den Universitäten an die PTH verwiesenen jungen Leute mehr als verzehnfacht.
Gescheiterte Universitätspläne
Der immer universitätsähnlichere Studienbetrieb förderte Bestrebungen, die beiden Hochschulen Bamberg und Regensburg gemeinsam zu einer vierten Landesuniversität auszubauen. Dieses Projekt scheiterte jedoch Anfang der 1950er Jahre am Widerstand der konkurrierenden Universitäten (namentlich der protestantisch geprägten Universität Erlangen) und wegen fehlender Mehrheiten im bayerischen Landtag. Zwischen 1952 und 1956 wurde der erweiterte Lehrbetrieb an den PTH nach und nach völlig eingestellt und stattdessen der Wiederaufbau der drei Landesuniversitäten forciert. Gleichzeitig traten 1958 mit den Pädagogischen Hochschulen neue Mitbewerber um staatliche Zuwendungen auf den Plan.
Die Qualität der theologischen Ausbildung blieb indes auf unverändert hohem Niveau. Die PTH hatten mit dem Freisinger Kirchenrechtler Dominikus Lindner (1889–1974), dem Passauer Pädagogen Franz Xaver Eggersdorfer (1879-1958) oder dem späteren Regensburger Bischof Michael Buchberger (1874-1961) bedeutende Persönlichkeiten in ihren Lehrkörpern. Joseph Alois Ratzinger (1927-2022, 2005-2013 Papst Benedikt XVI.) studierte von 1945 bis 1947 in Freising und übernahm dort von 1954 bis 1958 vertretungsweise, dann bis 1959 als außerordentlicher Professor den Lehrstuhl für Dogmatik und Fundamentaltheologie, der ihm als Sprungbrett für seine weitere wissenschaftliche und kirchliche Karriere dienen sollte.
Die Auflösungsphase
Die 1960er und 1970er Jahre standen hochschulpolitisch vor allem im Zeichen eines qualitativen und quantitativen Ausbaus des Universitätswesens. Zusammen mit den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zur Neuordnung und Vereinheitlichung der Priesterausbildung bedeutete dies das Ende der philosophisch-theologischen Hochschulen, zumal diese wegen ihrer mangelhaften personellen und materiellen Ausstattung auch in den Augen ihrer Professoren und Studenten unzeitgemäß geworden waren.
Gegen teils erhebliche Widerstände (lokale Öffentlichkeit, Universitätsprofessoren und -studenten) und trotz eines Rettungsversuchs der Bischöfe von Bamberg, Augsburg und Passau (Plan eines Hochschulverbands Bamberg-Dillingen-Passau) wurden daher zwischen 1966 und 1978 alle Hochschulen abgebaut (Freising) beziehungsweise als katholisch-theologische Fakultäten oder Fachbereiche in neugegründete bayerische Universitäten und Gesamthochschulen (Augsburg, Bamberg, Passau, Regensburg) eingegliedert. Aus konkordatsrechtlichen Gründen geschah dies jeweils im gegenseitigen Einvernehmen von Staat und Kirche. Analog dazu ging auch die bischöfliche philosophisch-theologische Hochschule in Eichstätt als integrativer Bestandteil in einer 1972 errichteten kirchlichen Gesamthochschule auf (seit 1980 Katholische Universität Eichstätt).
Erfolgreiche Entwicklung der Ordenshochschule Benediktbeuern
Die Hochschule der Salesianer Don Boscos in Benediktbeuern konnte sich dagegen nicht nur weiterhin unter eigenem Namen behaupten, sondern sollte langfristig auch den Erfolg verzeichnen, der den anderen PTH immer versagt geblieben war. Seit 1970 an die theologische und seit 1976 an die philosophische Fakultät der Universitas Pontificia Salesiana in Rom affiliiert, erhielt sie 1981 zunächst die Anerkennung als nichtstaatliche wissenschaftliche Hochschule. 1990 erlangte sie das von den untergegangenen philosophisch-theologoischen Hochschulen stets vergeblich angestrebte staatliche Promotionsrecht im Bereich der katholischen Theologie. 1992 folgten die Erhebung zur theologischen Fakultät und die Verleihung des kirchlichen Promotionsrechts. 2000 wurde ihr schließlich auch das Habilitationsrecht zugesprochen.
Literatur
- Manfred Baldus, Die philosophisch-theologischen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte und gegenwärtiger Rechtsstatus (Neue Kölner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen 38), Berlin 1965.
- Rainer A. Müller, Akademische Ausbildung zwischen Staat und Kirche. Das bayerische Lyzealwesen 1773-1849. 1. Band: Darstellung, 2. Band: Quellen, Paderborn u. a. 1986.
- Rainer A. Müller (Hg.), Veritati et Vitae. Vom Bischöflichen Lyzeum zur Katholischen Universität. 2 Bände, Regensburg 1993.
- Winfried Müller/Ingo Schröder/Markus Mößlang, "Vor uns liegt ein Bildungszeitalter." Umbau und Expansion - das bayerische Bildungssystem 1950 bis 1975, in: Thomas Schlemmer/Hans Woller (Hg.), Bayern im Bund. 1. Band: Die Erschließung des Landes 1949 bis 1973 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 52), München 2001, 273-355.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Verwandte Artikel
- Bischöfliche Knabenseminare
- Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
- Konkordatspolitik (seit 1945)
- Universität Regensburg
- Universitäten (19./20. Jahrhundert)
Lyceen
Empfohlene Zitierweise
Ingo Schröder, Philosophisch-theologische Hochschulen, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Philosophisch-theologische_Hochschulen> (9.12.2024)