Pfalzwacht, 1930-1933
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Im Dezember 1930 in Kaiserslautern gegründete katholische Selbstschutzorganisation unter der Führung von Adolf André. Analog zur Bayernwacht im rechtsrheinischen Bayern sollte die Pfalzwacht die Veranstaltungen von katholischen Parteien und Organisationen gegen Angriffe politischer Gegner schützen, konnte der Gewaltbereitschaft von SA und SS aber nur wenig entgegensetzen. Am 13. April 1933 wurde sie aufgelöst.
Gründung
Wie die Bayernwacht, so war auch die Pfalzwacht eine katholische Wehr- und Selbstschutzorganisation, deren Aufgabe es sein sollte, Veranstaltungen von Zentrum und BVP, der katholischen Vereine und der Kirche gegen Störungen politischer Gegner zu schützen. Gegründet wurde sie Anfang Dezember 1930 in Kaiserslautern, nachdem sich der latente Antikatholizismus der pfälzischen NSDAP bei den zurückliegenden Reichstagswahlen zum ersten Mal in aller Deutlichkeit gezeigt hatte.
Unter den pfälzischen Katholiken war ihre Gründung allerdings lange umstritten, da man befürchtete, sie würde die Spaltung des politischen Katholizismus in der Pfalz, wo Bayerische Volkspartei (BVP) und Zentrum nebeneinander existierten, noch mehr vergrößern. Ihre Organisation beschränkte sich daher zunächst auf die Westpfalz, das Einzugsgebiet des BVP-Organs "Pfälzer Volksbote", dessen Chefredakteur Adolf André zugleich politischer Leiter der Pfalzwacht war. Erst im Juni 1932 forderten die Parteiführungen von Zentrum und BVP sowie der Vorstand des Christlichen Bauernvereins der Pfalz ihre Mitglieder und Anhänger unter dem Eindruck des sich mehr und mehr radikalisierenden politischen Lebens ausdrücklich dazu auf, der Pfalzwacht beizutreten. Nun gelang es, die Organisation auch auf die Vorderpfalz auszudehnen. Im September 1932 hatte sie 7.000-8.000 Mitglieder.
Organisation
Die organisatorische Basis der Pfalzwacht bildeten die Ortsgruppen, darüber standen als mittlere Organisationseinheiten die Bezirksverbände und über diesen schließlich die Kreisleitung, die ihren Sitz in Kaiserslautern hatte. Die Ortsgruppen setzten sich aus jeweils drei Abteilungen zusammen: den aktiven Mannschaften, der Reserve und den passiven Mitgliedern. An ihrer Spitze standen ein politischer Führer, sein Stellvertreter und ein technischer Leiter, der für die militärische Ausbildung der Mitglieder verantwortlich war. Unterstützt wurden sie von einem Ausschuss von – je nach Größe der Ortsgruppe – zwei bis vier Beisitzern. Die Vorstandschaften waren immer paritätisch zu besetzen. Gehörte der politische Führer dem Zentrum an, musste sein Stellvertreter Mitglied der BVP sein – und umgekehrt.
Programmatik
Programmatisch stand die Pfalzwacht auf dem rechten Flügel des politischen Katholizismus. Sie trat für ein "einiges und starkes Großdeutschland" und eine "starke Staatsautorität" ein , bejahte den "Gedanken der Wehrhaftigkeit", bekämpfte die "Kriegsschuldlüge", lehnte pazifistische Ideen als "volkszersetzend" ab und sah in vielen Bereichen Übereinstimmung mit den Zielen des Stahlhelms. Die Verteidigung der Republik und der parlamentarischen Demokratie wurde nie ausdrücklich als Ziel formuliert.
Geringe Wirksamkeit gegen die Gewalt von SA und SS
Nach anfänglichen organisatorischen Problemen entwickelte sich die Pfalzwacht zu einer beachtlichen und mitgliederstarken Schutztruppe, die im katholischen Milieu und der katholischen Öffentlichkeit großes Ansehen genoss und mit ihrem militärischen Auftreten bei vielen den Eindruck erweckte, man sei gegen Übergriffe radikaler Parteien bestens gewappnet. Wie wenig sie der Aggressivität und Gewaltbereitschaft von SA und SS jedoch entgegenzusetzen hatte, zeigte sich, als im Frühjahr 1933 auch Veranstaltungen der katholischen Parteien zum Ziel nationalsozialistischer Angriffe wurden (Kaiserslautern, Eppstein). Zwar war die Empörung unter den pfälzischen Katholiken groß, die offizielle Stellungnahme der Pfalzwacht zeigt aber deutlich, wie hilflos sie der nationalsozialistischen Doppelstrategie gegenüberstand.
Das Ende 1933
Obwohl die Pfalzwacht sich – ähnlich wie Zentrum, BVP und Christliche Gewerkschaften - nach der "Machtergreifung" der NSDAP in Bayern und in der Pfalz eilfertig bereit erklärte, an der "Neugestaltung der deutschen Nation" mitzuarbeiten, wurde auch sie verboten und am 13. April 1933 aufgelöst.
Literatur
- Rudolf Morsey, Der Untergang des politischen Katholizismus. Die Zentrumspartei zwischen christlichem Selbstverständnis und "nationaler Erhebung", Stuttgart 1977.
- Gerhard Nestler, "Das Signal von Kaiserslautern". Die Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialisten und Pfalzwacht am 20. Februar 1933, in: Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern 36/37 (1998/99), 181-190.
- Gerhard Nestler, Die Pfalzwacht. Zur Geschichte der Wehrorganisationen in der Endphase der Weimarer Republik, in: Kaiserslauterer Jahrbuch für pfälzische Geschichte und Volkskunde 5 (2005), 182-197.
Weiterführende Recherche
Empfohlene Zitierweise
Gerhard Nestler, Pfalzwacht, 1930-1933, publiziert am 29.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Pfalzwacht,_1930-1933> (13.10.2024)