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Neugliederung des Reiches (1919-1945)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Kartenansicht: Die Neugliederung des Reichs nach den Plänen von Hugo Preuß. (aus: Werner Münchheimer, Die Neugliederung Deutschlands. Grundlagen - Kritik - Ziele und die Pläne zur "Reichsreform" von 1919-1945 [Frankfurter geographische Hefte 23, 1949, Heft 1])

von Karl-Ulrich Gelberg

Überlegungen, nach der Revolution von 1918 die überkommene Ländereinteilung des Deutschen Reichs mit ihrer Dominanz Preußens zu reformieren, scheiterten rasch. Die Weimarer Reichsverfassung erlaubte zwar die Neugliederung von Ländern, erfolgreich konnten aber nur vier Neugliederungsprojekte abgeschlossen werden. Größer angelegte Lösungen stießen auf historisch-eigenstaatliche Beharrungskräfte, die sich regelmäßig als stärker erwiesen. Auch Planungen verschiedener Gremien blieben ergebnislos. Bayern befürchtete, im Rahmen einer umfassenden Neugliederung des Reichs könnten die Länderrechte weiter reduziert werden. Die Nationalsozialisten führten ab 1933 einige Neugliederungsprojekte durch, eine umfassende Reichsreform kam jedoch auch nach 1933 nicht zustande.

Motive für eine Neugliederung des Reiches / Ausgangssituation 1919

Die territoriale Neugliederung des Reiches war ein zentraler Teilaspekt einer Reichsreform und unmittelbar mit zwei anderen Reformbereichen verknüpft: dem Zuschnitt der Kompetenzen von Reich und Ländern und der Frage der Finanzen (Funktional- und Finanzreform). Zentrales Motiv für die Neugliederung war die Beseitigung der erheblichen Größenunterschiede zwischen den Ländern. Besonders eklatant waren diese zwischen den Kleinstaaten und dem alle anderen Länder durch seine Größe und Bevölkerungszahl dominierenden Preußen. Dahinter stand die Vorstellung, einige wenige gleich große Länder wären leistungsfähiger und würden weniger Verwaltungskosten verursachen.

Überlegungen im Rahmen der Weimarer Verfassungsberatungen - Hugo Preuß

Obwohl die Revolution die Dynastien beseitigt hatte, kam es im Rahmen der Weimarer Verfassungsberatungen zu keiner grundlegenden territorialen Revision. Überlegungen in diese Richtung hatte aber Hugo Preuß (1860-1925), der Vater der Weimarer Verfassung, in seinem Vorentwurf (§§ 11 und 29) zur Verfassung des Deutschen Reiches (Abdruck bei Triepel, Quellensammlung) angestellt: Preuß schlug vor, die historische Länderagglomeration des preußischen Staates aufzulösen und das Reichsgebiet in 14 annähernd gleich große Gebiete (unter Einschluss Deutsch-Österreichs und Deutsch-Böhmens) einzuteilen. Jedes der Gebiete sollte eine Mindestzahl von je zwei Millionen Einwohnern (Karte bei Wagner, Gliederung Deutschlands, 131; Matz, Länderneugliederung, 204) haben. Demnach wäre nur Baden in seinen bisherigen Grenzen erhalten geblieben. Bayern hätte die Pfalz verloren; diese wäre mit den preußischen Rheinlanden vereinigt worden.

Das Regierungsprogramm der Regierung Eisner

Im Regierungsprogramm vom 15. November 1918 sprach sich Kurt Eisner (1867-1919) (vgl. Kabinett Eisner) dezidiert für die Vereinigung des Deutschen Reiches mit der deutsch-österreichischen Republik aus. Wörtlich hieß es weiter: "Wenn wir das Ziel erreichen wollen, dass die Vereinigten Staaten von Deutschland, die Österreich einschließen, die einzige mögliche Lösung des nationalen Problems sind, so werden wir in nächster Zukunft eine zweckmäßigere Gliederung der deutschen Staaten durchzuführen haben, die ohne jede Vorherrschaft eines einzelnen Staates und ohne Antastung der Freiheit und Selbständigkeit Bayerns auch die notwendigen Maßnahmen vernünftiger Einheit trifft." (Bauer, Regierung Eisner 1918/19, 421). Diese zweckmäßigere Gliederung besaß zwei Prämissen, nämlich die Beseitigung der preußischen Dominanz bei Wahrung der territorialen Integrität Bayerns.

Das Scheitern der Neugliederung 1919

Mit der Verfassungsgebung 1919 war die Chance für eine grundlegende rechtsstaatliche territoriale Reform vorbei. Der Vorschlag von Preuß scheiterte an Bedenken der Reichsregierung und dem Widerstand der in Länder umbenannten Bundesstaaten. Die Forschung konstatiert, dass auch nach dem Wegfall der Dynastien in den deutschen Staaten unabhängig von ihrer Größe ausgeprägte Landesidentitäten fortbestanden.

Als entscheidenden Beharrungsfaktor der herkömmlichen territorialen Gliederung des Reiches sah Gerhard Schulz die juristisch geschulte und in traditionellen Bahnen erzogene Beamtenschaft, die sich dem jeweiligen "historischen Staatswesen verpflichtet fühlte". In Bayern machte diese homogene Gruppe bekanntermaßen die bayerische Eigenstaatlichkeit in besonderer Weise zu ihrer Sache (vgl. Beitrag Föderalismus). Ernst Rudolf Huber (Dokumente zur dt. Verfassungsgeschichte, Band 4, 219) kommt zu folgendem Urteil: "Doch zeigte sich bald, daß ein gemeinsames Interesse der Landesbürokratien und der politischen Parteien an der Erhaltung des status quo bestand, da beide auf die bestehende Gebietseinteilung eingespielt und durch ihre Besitzstände existentiell mit ihr verbunden waren."

Der Neugliederungsartikel 18 der Weimarer Reichsverfassung

Art. 18 der Weimarer Reichsverfassung, der zum Vorbild des Neugliederungsartikels des Grundgesetzes (Art. 29) wurde, legte die Messlatte für eine Neugliederung hoch und war eher Ausdruck der Widerstände gegenüber Veränderungen als ein wirkungsvolles Instrument zur Neugestaltung. Nach Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung war der Artikel zunächst auf zwei Jahre suspendiert. Das Gesetz zur Ausführung des Artikels 18 der Reichsverfassung wurde am 10. Juli 1922 verkündet (RGBl. I, 1922, S. 545). Der Art. 18 bot prinzipiell zwei Wege zur Neuordnung:

  1. Ohne Zustimmung der Länderregierungen und Bevölkerungen der betroffenen Territorien durch verfassungsänderndes Reichsgesetz.
  2. Einfaches Reichsgesetz genügte, wenn die beteiligten Länder zustimmten. Für die Zustimmung reichte ersatzweise auch die Zustimmung der Bevölkerung (Volksabstimmung), wobei ein Quorum von drei Fünftel der abgegebenen Stimmen, mindestens aber die Stimmenmehrheit der Wahlberechtigten galt.

Ausdrücklich erwähnt wurde Bayern - wohl als Beispiel - in der Neugliederungsbestimmung des Art. 18 (5): "Zum Beschluß einer Gebietsänderung oder Neubildung sind drei Fünftel der abgegebenen Stimmen, mindestens aber die Stimmenmehrheit der Wahlberechtigten erforderlich. Auch wenn es sich nur um Abtrennung eines Teiles eines preußischen Regierungsbezirkes, eines bayerischen Kreises [heute Regierungsbezirk] oder in anderen Ländern eines entsprechenden Verwaltungsbezirkes handelt, ist der Wille der Bevölkerung des ganzen in Betracht kommenden Bezirkes festzustellen. Wenn ein räumlicher Zusammenhang des abzutrennenden Gebiets mit dem Gesamtbezirke nicht besteht, kann auf Grund eines besonderen Reichsgesetzes der Wille der Bevölkerung des abzutrennenden Gebiets als ausreichend erklärt werden."

Bayern hatte bis zuletzt im Reichsrat gegen das Gesetz gestimmt (Heimers, Unitarismus, 135-138). Dafür waren eigenstaatliche Motive ausschlaggebend gewesen: Neugliederungsfragen, so die bayerische Position, gehörten nicht in den Kompetenzbereich des Reichsrechts, sondern seien vielmehr Gegenstand bilateraler Regelungen zwischen den Ländern; zum Beleg verwies man auf Coburg. Dass Art. 18 die Möglichkeit der Neugliederung sogar gegen den Willen der betroffenen Länder eröffnete, war für Bayern vollkommen inakzeptabel, da dies die territoriale Integrität der Einzelstaaten grundsätzlich in Frage stellte.

Realisierte Neugliederungen zwischen 1919 und 1933

Tatsächlich kam es zwischen 1919 und 1933 nur in vier Fällen zu Neugliederungen. Grundlage hierfür waren neben der erwähnten zweiten Möglichkeit (Beschluss durch einfaches Reichsgesetz) entsprechende Vereinbarungen zwischen den beteiligten Ländern.

  1. Bildung des Freistaates Thüringen am 1. Mai 1920 aus den sieben thüringischen Staaten: Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Gotha, Reuß (durch Reichsgesetz vom 30.4.1920, RGBl. S. 841). Nach Häupel (Gründung des Landes Thüringen, 105) bedeutete der politische Zusammenschluss allenfalls einen Teilerfolg für die Unitaristen. Eine Einbeziehung des preußischen Regierungsbezirks Erfurt war an der Haltung Preußens gescheitert. Ebenso war anfangs die Bildung eines mitteldeutschen Staates Sachsen-Thüringen im Gespräch gewesen. Auch die letztlich verwirklichte kleinthüringische Territorialreform gelang nur mit Abstrichen, da sich Sachsen-Coburg Bayern anschloss. Weil das Reich die Thüringer Einigungsbestrebungen nur ungenügend unterstützte und die Länderinteressen überwogen, wurde die Thüringische Länderneugliederung nicht zur Initialzündung für eine umfassende territoriale Reichsreform. Im Jahre 1928 konnten in einem Gebietstausch mit Sachsen die gegenseitigen Exklaven aufgelöst werden (Reichsgesetz 30.3.1928, RGBl. I S. 115). Nach dem Zusammenschluss zum Freistaat Thüringen gab es im Deutschen Reich 18 Länder mit 81 En- und Exklaven.
  2. Vereinigung von (Sachsen-)Coburg mit dem Freistaat Bayern am 1. Juli 1920 (Reichsgesetz 1.7.1920 RGBl. S. 842). Das bayerische Staatsgebiet vergrößerte sich um 561 qkm, die Bevölkerung um 74.344 Personen.
  3. Vereinigung des Landkreises Pyrmont des Landes Waldeck-Pyrmont mit Preußen am 1. April 1922 (Reichsgesetz vom 24. März 1922, RGBl. I S. 281).
  4. Vereinigung des Landes Waldeck mit Preußen am 1. April 1929 (Reichsgesetz vom 7. Dezember 1928, RGBl. I S. 401).

Gescheiterte Neugliederungen zwischen 1919 und 1933 (reichsweit)

Mehrere Versuche, auf plebiszitärem Wege zur Neugliederung zu gelangen, scheiterten:

  • Oberschlesien: Volksabstimmung am 3. September 1922 über die Abtrennung der Provinz Oberschlesien von Preußen und die Bildung eines selbständigen Landes Oberschlesien (mehr als 72% Nein-Stimmen, ca. 7% Ja-Stimmen).
  • Hannover: Volksabstimmung am 18. Mai 1924 über die Abtrennung der Provinz Hannover (ohne den Regierungsbezirk Aurich) von Preußen und die Bildung eines selbständigen Landes Hannover. Die Abstimmung scheiterte, weil das erforderliche Drittel der Abstimmungsberechtigten nicht an der Abstimmung teilnahm.
  • Schaumburg-Lippe: Der schaumburg-lippische Landtag hatte sich am 31. März 1926 für eine Volksabstimmung über den Anschluss an Preußen ausgesprochen, die am 6. Juni 1926 mit 11.288 gegen 9.858 Stimmen erfolglos endete, da das 3/5-Quorum nicht erfüllt wurde. Ein erneuter Antrag führte ebenfalls nicht zum Ziel, da er im Landtag 1930 die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit verfehlte (vgl. im Detail: Akten der Reichskanzlei, Kabinett Müller. 1. Band, 1970, S. 23ff.).
  • Hamburg: Am bekanntesten ist das Scheitern der - letztlich 1937 doch noch verwirklichten - "Groß-Hamburg-Lösung".

Am Beispiel der Hohenzollerfrage - um die preußische Enklave stritten Baden und Württemberg - kommt Heimers (Unitarismus, 134) zu dem wohl auch auf andere Fälle übertragbaren Schluss: "Mit nicht geringem partikularem Egoismus hatte die badische Regierung gemeinsam mit Württemberg und Preußen verhindert, daß ein den wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Erfordernissen des modernen Großstaats zuwiderlaufendes Relikt dynastischer Vergangenheit beseitigt wurde."

Neben den historisch-eigenstaatlichen Beharrungskräften gewannen im weiteren Verlauf der krisenhaften ökonomischen Entwicklung der Weimarer Republik, die auch eine Krise der Länderhaushalte war, fiskalische Überlegungen immer mehr an Bedeutung. Dies führte unter anderem zu der Überlegung, die mecklenburgische Justizverwaltung zu verreichlichen (Akten der Reichskanzlei, Kabinett Müller, Band 1, 1970, S. 26). Noch einen Schritt radikaler erwog Hessen 1926/1927 infolge seiner dramatischen Haushaltsschwierigkeiten gar eine Preisgabe seiner staatlichen Selbständigkeit bzw. eine Umbildung in eine Reichsprovinz bzw. in ein Reichsland. Ein neuer territorialer Zuschnitt hatte stets auch eine Erhöhung oder Verringerung des Steueraufkommens zur Folge. Preußen z. B. hatte deshalb die Groß-Hamburg-Lösung torpediert - es war nicht dazu bereit, auf das Steueraufkommen der Hamburger Randgemeinden zu verzichten.

Am Beispiel des so genannten Preußenschlags wird besonders klar, dass auf dem Höhepunkt der Krise der Weimarer Republik auch parteipolitische Erwägungen retardierend auf den Neugliederungswillen wirkten. Am 20. Juli 1932 wurde die geschäftsführende Regierung des Landes Preußen mit dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Otto Braun (1872-1955) durch einen Reichskommissar ersetzt, was zur Folge hatte, dass die Staatsgewalt Preußens auf die Reichsregierung überging. Vor 1932 hatte die SPD ihre preußische Machtposition entschlossen verteidigt und daher eine Zerschlagung Preußens stets abgelehnt.

Zentralstelle für die Gliederung des Deutschen Reiches

Auf Beschluss der Nationalversammlung vom 19. Juli 1919 und unter Verweis auf die Zielsetzung von Art. 18 der WRV (Abs. 1), wonach die Gliederung des Reiches "der wirtschaftlichen und kulturellen Höchstleistung des Volkes" dienen sollte, war bereits am 3. November 1920 eine "Zentralstelle für die Gliederung des Deutschen Reiches" entstanden. Ihr Leiter war zunächst der preußische Staatsminister a. D. Siegfried Graf von Rödern (1870-1954), ab 1922 dann Reichsminister Erich Koch-Weser (1875-1944). Die Zentralstelle konnte gutachtlich Stellung nehmen, besaß jedoch kein Initiativrecht in der Neugliederungsfrage.

Bayern hatte die Errichtung dieser Stelle, zuletzt als einziges Land, im Verfassungsausschuss des Reichsrats abgelehnt. Dass diese neue Einrichtung keine Wirksamkeit entfalten konnte, lag aber vor allem am Widerstand Preußens und der fehlenden Bereitschaft der Reichsregierung, die Zentralstelle als Instrument zu verwenden. Sie wurde schließlich auf Anregung von Koch-Weser, mittlerweile Reichsjustizminster, am 4. Januar 1929 aufgelöst (Kabinettsbeschluss vom 13. Juli 1928, Akten der Reichskanzlei, Kabinett Müller, Band 1, 1970, S. 25). Hintergrund der Auflösung war, dass nunmehr der Verfassungsausschuss der Länderkonferenz als die gegebene Einrichtung galt, eine Territorialreform vorzubereiten, die sich am Leitbild "leistungsfähiger Länder" orientierte.

Länderkonferenz und Unterausschüsse

Die 1928 von der Reichsregierung zur Beratung von Reichsreformfragen mit den Ländern einberufene Länderkonferenz (vgl. Regierungsdenkschriften zur Reichs- und Verfassungsreform) bildete anschließend zwei Ausschüsse: Einen Verfassungs- und einen Territorialausschuss. Anders als der Territorialausschuss, der seine Arbeit gar nicht erst aufnahm, beriet der Verfassungsausschuss am 5./6. Juli 1929 unter anderem auch über einen territorialen Vorschlag, der Teil des so genannten Gemeinschaftsreferats war. Mitglieder des "Gemeinschaftsreferats" waren Erich Koch-Weser (Reich), Ministerialdirektor Arnold Brecht (1884-1977) (Preußen), Minister Adam Remmele (1877-1951) (Baden) und der Landeshauptmann der Rheinprovinz Johannes Horion (1876-1933). Nach diesem Vorschlag sollte Preußen aufgelöst und seine Provinzen sollten "Länder neuer Art" werden. Bayern, Sachsen, Württemberg und Baden hätten als "Länder alter Art" Bestandsschutz genossen, aber Abstriche bei den Kompetenzen hinnehmen müssen.

Der bayerische Ministerpräsident Heinrich Held (BVP, 1868-1938) lehnte den Vorschlag in scharfem Ton ab. Unter anderem erklärte er wörtlich: "Was mich am allermeisten wundert – damit komme ich zu dem Kernpunkt –, ist, daß Sie Länder neuer Art schaffen wollen. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube! muß ich da auch sagen. Was man sich staatsrechtlich als Land vorstellt, was würdig wäre, den Namen Land zu tragen, suche ich vergeblich in dem Referat. Ich frage, warum dieser Name? Damit schaffen Sie doch bewußt einen neuen Dualismus in Deutschland. Das ist doch keine Vereinfachung. Sie haben ja nicht einmal im Prinzip ein Land geschaffen! […] Wenn Sie sagen, Sie hätten den Länderbegriff erweitert, so trifft das nicht zu. Sie haben den Provinzialbegriff erweitert, aber nicht mehr" (Verfassungsausschuss; das Referat Helds: S. 11-18, Zitat: S. 14).

Reichspostminister Georg Schätzel (1874-1934). Abb. aus: Das Bayerland, Jahrgang 34 vom Februar 1923, 100. Fotografie Kester & Co. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Bavar. 198 t-34)

Auch hinter der unklaren Kompetenzzuweisung an die so genannten Länder alter Art sah Held letztlich nur eine zentralistische Stoßrichtung. Entsprechend stimmten der bayerische Ministerpräsident und der bayerische Reichspostminister Georg Schätzel (1874-1934) bei der Schlussabstimmung als einzige gegen das Gemeinschaftsreferat (laut Matz, Länderneugliederung, 63f., weil die neue Regelung auch eine neue Stimmenverteilung im Reichsrat zu Ungunsten Bayerns zur Folge gehabt hätte). Infolge des Vetos des bayerischen Ministerpräsidenten gab es keine verfassungsändernde Mehrheit für eine auch territoriale Korrekturen einschließende Reichsreform. Das Fünf-Parteien-Bündnis aus SPD, Zentrum, DDP, DVP und BVP war in der Frage der Reichsreform zerbrochen.

Bayern spielte in den 1920er Jahren in den Neugliederungsüberlegungen auch als Objekt eine Rolle: so die bayerische Pfalz in den Erwägungen interessierter Kreise in Baden (Kurpfalz), Württemberg und Hessen (Fenske, Pfalz) sowie der bayerische Regierungsbezirk Schwaben (Bertele: Reichsland Groß-Schwaben mit Stuttgart und Augsburg; Heinze, Die Region).

Neugliederung im Nationalsozialismus (1933-1945)

Die von Adolf Hitler (1889-1945) programmatisch angekündigte, dann jedoch versandete und spätestens mit Kriegsbeginn 1939 endgültig ad acta gelegte umfassende nationalsozialistische Reichsreform (s. Bachnick sowie Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933/34, S. 1196/Anm. 7) kompensierten die Nationalsozialisten, indem sie punktuell in der Weimarer Republik nicht verwirklichte Neugliederungen diktatorisch durchsetzten. Dahinter ist die Absicht zu erkennen, die "Systemzeit" als unfähig zu großen Lösungen zu diskreditieren.

  • Am 1. Januar 1934 kam es zur Vereinigung von Mecklenburg-Strelitz mit Mecklenburg-Schwerin zum Freistaat Mecklenburg (Gesetz vom 15. Dezember 1933 RGBl. I, S. 1065; zu Details s. Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933/34, S. 1038).
  • Als umfassendste territoriale Neugliederung gelang schließlich 1937 mit dem "Groß-Hamburg-Gesetz" (vom 26. Januar 1937 RGBl. I, S. 91) eine Erweiterung Hamburgs um die preußischen Städte Altona/Elbe, Harburg-Wilhelmsburg und Wandsbek. Dies brachte eine Vergrößerung des Stadtgebiets um 80% auf 746 qkm und der Bevölkerung von 1,2 auf 1,65 Mio. Einwohner mit sich. Gleichzeitig bewirkte das Gesetz, dass Lübeck seine Unabhängigkeit verlor und Preußen zugeschlagen wurde. Oldenburg erhielt Wilhelmshaven und gab seinerseits neben Eutin (Schleswig-Holstein) auch Birkenfeld ab, das an die preußische Rheinprovinz kam (im Detail Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1937, S. 35f.). Bei der Verabschiedung im Reichskabinett am 26. Januar 1937 bezeichnete Reichsinnenminister Wilhelm Frick (1877-1946) den Gesetzentwurf als Fortschritt auf dem Gebiete der Reichsreform, auch wenn Länder wie Braunschweig, Anhalt, Schaumburg-Lippe und Lippe noch erhalten blieben (ebd. S. 67f.).
  • Nach Kriegsbeginn kam es im September 1939 auf Betreiben Hermann Görings (1893-1946) zur "Unterweserreform", bei der Bremerhaven Preußen eingegliedert wurde.
  • Von ökonomischen Motiven war die Gebietsbereinigung 1941 im Raume der Hermann-Göring-Werke Salzgitter bestimmt, die einen Austausch zwischen preußischen und braunschweigischen Gebieten brachte.

Aus bayerischer Perspektive erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, wenn auch lokal begrenzt, die teilweise zeitlich parallel verlaufende nationalsozialistische Eingemeindungspolitik in der bayerischen Landeshauptstadt München sowie auch in der nunmehr als "Groß-Wien" bezeichneten ehemaligen österreichischen Landeshauptstadt. Die nationalsozialistischen Initiatoren hielten es "vor allem für notwendig, den im Zusammenhang mit dem ‚Anschluss’ zu erwartenden Bedenken entgegenzuwirken und Befürchtungen der Beschränkung der Entwicklung sowie eines politisch-administrativen Bedeutungsverlustes der österreichischen Bundeshauptstadt in einem ‚gesamtdeutschen’ Reich zu zerstreuen" (Gesetz über die Gebietsveränderungen in dem Land Österreich, GBlLÖ Nr. 443/1938, Inkrafttreten 15. Oktober 1938, Mayer, Gebietsreform, 77). In Wien wurden im Unterschied zu München die Maßnahmen zum 1. September 1954 wieder rückgängig gemacht.

Ausblick: Die Zeit nach 1945

Die durch die Bildung der alliierten Besatzungszonen bestimmte Neueinteilung der deutschen Länder nach dem Zweiten Weltkrieg schuf eine völlig neue Ausgangslage. Trotz zahlreicher Diskussionen in der unmittelbaren Nachkriegszeit blieb die von den Siegermächten geschaffene Ländergliederung jedoch unverändert. Einzige Ausnahme war die Bildung von Baden-Württemberg auf Basis des Artikels 118 des Grundgesetzes. Bayern gelang es zudem, 1955 den Landkreis Lindau wieder zurückzuerhalten. Artikel 29 des Grundgesetzes, der die Neugliederung des Bundesgebiets regelt, war bis 1955 durch die Alliierten suspendiert. Sämtliche danach angelaufenen Unternehmungen, die Ländereinteilung zu ändern, gelangten nicht zum Erfolg, darunter auch der bayerische Versuch, die linksrheinische Pfalz wieder zu erhalten.

Seit den 1950er Jahren haben mehrere Kommissionen (Luther-Ausschuss 1954, Ernst-Kommission 1973) Vorschläge für eine Neueinteilung der Länder gemacht, wobei die Planungen stets auf größere und leistungsfähigere Länder zielten. Nach der Wiedervereinigung flammte die Debatte zwar wieder auf. Der einzige konkrete Versuch, die Fusion von Berlin und Brandenburg, scheiterte jedoch 1996.

Dokumente

Literatur

  • Uwe Bachnick, Die Verfassungsreformvorstellungen im nationalsozialistischen Deutschen Reich und ihre Verwirklichung, Berlin 1995.
  • Konstantin Bertele, Reichsland Groß-Schwaben mit Stuttgart und Augsburg. Ein Beitrag zur Reichsreform und Reichsneugliederung unter besonderer Berücksichtigung bayerisch-Schwabens d.i. Ostschwabens, Kempten 1930 (67 S.).
  • Hans Fenske, Die Pfalz in den Überlegungen zur Reichsreform in der Weimarer Zeit, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 21 (1995), 481-501.
  • Beate Häupel, Die Gründung des Landes Thüringen. Staatsbildung und Reformpolitik 1918-1923 (Demokratische Bewegungen in Mitteldeutschland 2), Weimar/Köln/Wien 1995.
  • Rainer Hambrecht (Hg.), "Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft". Ausstellung des Staatsarchivs Coburg anläßlich der 75. Wiederkehr der Vereinigung Coburgs mit Bayern am 1. Juli 1920 (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 34), München 1995.
  • Manfred Peter Heimers, Unitarismus und Süddeutsches Selbstbewußtsein. Weimarer Koalition und SPD in Baden in der Reichsreformdiskussion 1918-1933 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 98), Düsseldorf 1992.
  • Stefan Heinze, Die Region Bayerisch-Schwaben. Studien zum schwäbischen Regionalismus im 19. und 20. Jahrhundert, Augsburg 1995.
  • Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band 7: Ausbau, Schutz und Untergang der Weimarer Republik, Stuttgart 1984, 670-679.
  • Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Band 4: Deutsche Verfassungsdokumente 1919-1933, Stuttgart 3. Auflage 1992, 219f.
  • Klaus-Jürgen Matz, Länderneugliederung. Zur Genese einer deutschen Obsession seit dem Ausgang des Alten Reiches, Idstein 1997.
  • Wolfgang Mayer, Die nationalsozialistische Gebietsreform, in: Felix Czeike (Hg.), Wien 1938 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 2), Wien 1978, 77-87.
  • Werner Münchheimer, Die Neugliederung Deutschlands. Grundlagen - Kritik - Ziele und die Pläne zur „Reichsreform“ von 1919-1945 (Frankfurter Geographische Hefte, 23, 1949, H. 1).
  • Gerhard Schulz, Triebkräfte und Ziele der Reichsreform nach der Weimarer Verfassung, in: Rudolf Morsey (Hg.), Verwaltungsgeschichte. Aufgaben, Zielsetzungen, Beispiele, Berlin 1977, 71-99.
  • Helmut Wagner, Die territoriale Gliederung Deutschlands in Länder seit der Reichsgründung - Eine politologische Studie zur Raumordnung, in: Studien zur territorialen Gliederung Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert (Historische Raumforschung 9), Hannover 1971, 1-148.

Quellen

  • Franz J. Bauer (Bearb.), Die Regierung Eisner 1918/19. Ministerratsprotokolle und Dokumente (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Erste Reihe 10), Düsseldorf 1987.
  • Heinrich Triepel (Bearb.), Quellensammlung zum Deutschen Reichsstaatsrecht, Tübingen 4. Auflage 1926, 6ff. (Vorentwurf von Hugo Preuß).
  • Verfassungsausschuß der Länderkonferenz. Niederschrift über die Verhandlungen der Unterausschüsse vom 5. und 6. Juli 1929 im Reichsministerium des Innern, Berlin 1930.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Karl-Ulrich Gelberg, Neugliederung des Reiches (1919-1945), publiziert am 15.11.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Neugliederung_des_Reiches_(1919-1945)> (28.03.2024)