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Mainzer Oberstift: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 23. September 2021, 15:50 Uhr

Erzbistum und Erzstift Mainz um 1500. Die Karte zeigt die geringe Ausdehnung des erzstiftischen Territoriums im Verhältnis zur Größe der Erzdiözese und die Lage des Oberstifts im Verhältnis zu den übrigen Gebieten des Erzstifts. (aus: Friedhelm Jürgensmeier, Kurmainz, in: Anton Schindling/Walter Ziegler [Hg.], Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. 4. Band, Münster 1992, 60)
Der Marktplatz von Miltenberg. Im Hintergrund die Burg Miltenberg. (aus: Philipp Wirth, Kunstblätter aus Alt-Miltenberg, Miltenberg 1906, Tafel 10)
Die älteste Ansicht von Aschaffenburg um 1530/40 zeigt den Zustand vor den Zerstörungen des Zweiten Markgrafenkrieges 1552. Deutlich erkennbar sind das alte Schloss sowie das Stift St. Peter und Alexander. Zeichnung von Veit Hirsvogel d. J. (1485-1553). (Staatsbibliothek Bamberg, I. P. 99 [Foto: Gerald Raab])
Das Mainzer Oberstift 1789. (aus: Die süddeutschen Territorien 1789, in: Max Spindler/Gertrud Diepolder, Bayerischer Geschichtsatlas, München 1969, 30. © Bayerischer Schulbuchverlag)

von Roman Fischer

Das Mainzer Oberstift war die im Untermaingebiet (Spessart, Odenwald) gelegene weltliche Herrschaft des Erzbischofs von Mainz mit dem Zentrum Aschaffenburg. Grundlage des Mainzer Besitzes waren die im 10. und 11. Jahrhundert erworbenen Stifte und Klöster in Aschaffenburg und Seligenstadt sowie der Spessart. Im 13. Jahrhundert gelang es den Erzbischöfen, die Konkurrenz der Vögte, die Grafen von Rieneck, im Spessart auszuschalten und ihre Herrschaft zu festigen. Die im Neunstädtebund ansatzweise bestehenden Landstände wurden nach 1525 ausgeschaltet. In der Frühen Neuzeit zogen Kriege das Oberstift schwer in Mitleidenschaft. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es unter Karl Theodor von Dalberg (1744-1817) das Fürstentum Aschaffenburg. 1815 wurde es zwischen Bayern, Baden und Hessen aufgeteilt, wobei Bayern den größten Anteil erhielt.

Das Oberstift als Teil des Erzstifts Mainz

Die Kirchenprovinz Mainz, die größte des Heiligen Römischen Reiches, reichte von Chur in den Alpen bis an die Nordsee, die Erzdiözese vom Neckar bis an die Weser, von der Glan bis an die Saale. Das Territorium hingegen, in welchem die Mainzer Erzbischöfe zugleich die weltliche Herrschaft ausübten - das Mainzer Erzstift - besaß einen sehr viel geringeren Umfang. Erstmals 1085 als "territorium Moguntinum" bezeichnet, erreichte es im 13. und 14. Jahrhundert seine größte Ausdehnung. Seit dem Ende des Mittelalters zerfiel es mehr und mehr in ein bizarres und wenig zusammenhängendes Gebilde mit Schwerpunkten um Mainz und im Rheingau, im Oberstift mit Aschaffenburg als Mittelpunkt, in Nordhessen (um Amoeneburg, Neustadt und Fritzlar), um Königstein im Taunus, im Eichsfeld und schließlich in und um Erfurt.

Stark vereinfacht könnte man dieses Territorium in zwei Hauptteile gliedern: das eine mit Zentrum in Mainz für die Gebiete an Rhein und Main, das andere mit Schwerpunkt in Erfurt für alle anderen Gebietsteile in Thüringen, Hessen und im Eichsfeld. Der rheinische Gebietsteil untergliederte sich wiederum in das sogenannte Unterstift (Mainz und Rheingau) und das Oberstift, also das Territorium um Main, Tauber, Spessart und Odenwald, das sich im 13. und 14. Jahrhundert ausformte. Mit Aschaffenburg als Zentrum bildete das Oberstift einen relativ kompakten und den größten zusammenhängenden Teil des gesamten Mainzer Erzstifts.

Das Mainzer Oberstift umfasste den Main-Spessart-Raum (Aschaffenburg, Teile des Nordspessarts um Bad Orb zwischen Kinzig und Jossa und den größten Teil des Mainvierecks mit Ausnahme des äußersten Südostens), einen breiten Saum westlich des Mains (Seligenstadt, Bachgau, Amt Dieburg, Amt Steinheim, alle im heutigen Hessen) sowie einen größeren, aber nicht ganz so abgeschlossenen Komplex südlich des Mainvierecks um Main, Tauber, Neckar und Jagst (die Oberämter Miltenberg, Amorbach, Tauberbischofsheim, Krautheim, überwiegend im heutigen Baden-Württemberg). Nicht zum Oberstift gehörten die Mainzer Gebiete an der Bergstraße und im Main-Taunus-Gebiet.

Ein Teil des Oberstifts unterstand nur mit der weltlichen Herrschaft dem Mainzer Erzbischof, gehörte aber kirchlich zum Bistum Würzburg. Auch der Pfarreientausch von 1656 beendete diese Situation nur teilweise.

Anfänge im Früh- und Hochmittelalter

Bereits im frühen Mittelalter hatte das Gebiet des späteren Oberstifts mit den Benediktinerklöstern Amorbach (Lkr. Miltenberg) und Seligenstadt (Lkr. Offenbach, Hessen) zwei Zentren mit überregionaler Ausstrahlung vorzuweisen. Amorbach war im 8. und 9. Jahrhundert in der Sachsenmission aktiv und bildete im 11. Jahrhundert erneut einen Vorort der Lothringer Klosterreform. Seligenstadt, eine Gründung Einhards, hatte seine Blütezeit im 9. und 10. Jahrhundert. Als drittes religiöses Zentrum kam Mitte des 10. Jahrhunderts das Stift St. Peter und Alexander in Aschaffenburg hinzu, eine Gründung Herzog Liudolfs von Bayern und Schwaben (gest. 957), des Sohnes Kaiser Ottos des Großen (reg. 936-973).

980/82 fasste das Erzstift Mainz in diesem Raum durch den Erwerb von Stift und Stadt Aschaffenburg (Schenkung von Herzog Otto, gest. 982) sowie des ursprünglich königlichen Forstes Spessart Fuß. Noch unter Erzbischof Willigis (reg. 975-1011) wurde eine Mainbrücke bei Aschaffenburg errichtet. 1122 wurden Burg und Siedlung Aschaffenburg befestigt. Schon im 12. Jahrhundert bildete die Siedlung Aschaffenburg alle Merkmale aus, die für städtische Qualität charakteristisch sind (Ummauerung, Markt, Zoll, Juden, Münze).

Die Vicedome

1122 wurde das gesamte Mainzer Erzstift erstmals durch die Einsetzung von vier Vicedomen (Statthaltern) regional untergliedert, die ihren Amtssitz in Mainz (für Mainz und den Rheingau), Aschaffenburg, Rusteberg (für Eichsfeld und Hessen) und Erfurt hatten. Die Aufgaben des Vicedoms/Viztums waren unbeschränkt, seine Amtszeit nicht befristet; er selbst blieb jederzeit absetzbar. Da aber im Laufe der Zeit die Vicedomämter zu Lokalgewalten herabsanken, gelang es nicht, dauerhafte Mittelinstanzen zwischen der Zentralverwaltung in Mainz und den lokalen Verwaltungen für die einzelnen Landesteile zu schaffen.

Bedeutung des Spessarts

Der Aschaffenburger Forst, wie der Spessart auch genannt wurde, wurde zum Kernstück der Mainzer Herrschaft im Oberstift. In Folge des Bevölkerungswachstums des 12. und 13. Jahrhunderts wurden Teile des Spessarts durch die Anlage von bäuerlichen Waldhufendörfern erschlossen. Der größte Teil blieb jedoch durch eine straffe obrigkeitliche Forstaufsicht vor Eingriffen geschützt. Maßnahmen dazu waren die Försterweistümer, die seit dem 12. Jahrhundert die herrschaftlichen Rechte fixierten, die Anlage von Forst- und Bachhuben, von Jagdschlössern, die Einsetzung von Forstmeistern (teilweise in Personalunion mit dem Vicedom) und von reitenden Förstern als dessen Hilfsorganen.

Konkurrenz Rieneck, Würzburg und Kurpfalz

Zwischen 1260 und 1271 entbrannte zwischen dem Erzstift Mainz und den Grafen von Rieneck eine Fehde um die Vorherrschaft im Spessartgebiet. Die Rienecker waren Vögte der Mainzer Kirche und bis 1221 Burggrafen der Stadt Mainz und zugleich Vögte des Aschaffenburger Stifts. Sie hatten ihr Zentrum in Lohr und Rieneck mit starken Positionen im Spessart, teilweise aus Mainzer Lehensbesitz.

Dem Erzstift gelang es, seine Suprematie zu behaupten. Neben Aschaffenburg konnte sich seit seiner Gründung um 1230 Miltenberg als zweites wirtschaftliches Zentrum im Oberstift etablieren. Als strategischer Eckpfeiler an der südwestlichen Ecke des Mainvierecks von Mainz gegen die konkurrierenden Mächte Würzburg und Kurpfalz gegründet, verdankte es seinen raschen Aufstieg noch im 13. Jahrhundert der guten Verkehrslage und dem aufblühenden Handel. Es war Stapelplatz an der Handelsstraße von Augsburg und Nürnberg zur Frankfurter Messe und einziger Hafen für rund 140 Mainzer Städte und Dörfer südlich des Mains. Neben dem Handel war der Weinbau zweiter Grundpfeiler seiner Wirtschaft.

Der Neunstädtebund

Im Laufe des 14. Jahrhunderts entstand aus der Vereinigung der neun Amtsstädte des Oberstifts der sog. Neustädtebund. Dieser entwickelte sich mehr und mehr zu einer landständischen Korporation und wurde zunehmend von der Regierung sowohl auf der fiskalischen als auch auf der politisch-militärischen Ebene als solche anerkannt. Nach seiner Beteiligung am Bauernkrieg verlor er jedoch seine Mitwirkungsrechte bei Steuererhebung und Landesverwaltung. Nunmehr vertrat allein das Domkapitel das Land gegenüber dem Erzbischof und Kurfürsten.

Das Oberstift in der Frühen Neuzeit

Im Oberstift gab es nur zaghafte Ansätze zur Reformation, am kräftigsten in Miltenberg (vgl. Martin Luthers "Trostbrief an die Miltenberger" 1524) - anders in der unmittelbaren Nachbarschaft, z. B. in Wertheim und Rieneck. Nach dem Anfall der rieneckischen Erbschaft (1559) führte Erzbischof Johann Adam von Bicken (reg. 1601-1604) 1603 in Lohr die Rekatholisierung durch.

Im Gegensatz zur Erzdiözese Mainz, die durch die Reformation große Einbußen erlitt, erlebte das Erzstift seit dem ausgehenden Mittelalter keine einschneidenden Gebietsveränderungen. Im Bereich des Oberstifts bildete das Aussterben der Grafen von Rieneck 1559, dessen Erbe Mainz zum größten Teil antreten konnte, den größten Einschnitt. Auch die Verwaltungsstrukturen blieben bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert bemerkenswert konstant.

Im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 und im Markgräflerkrieg (1552-1555) wurde das Maingebiet durch Plünderung und Brandstiftung stark in Mitleidenschaft gezogen; in Aschaffenburg ging das erzbischöfliche Schloss in Flammen auf. Unter Erzbischof Johann Schweikard von Kronberg (reg. 1604-1626) wurde es als repräsentativer Renaissance-Bau wiedererrichtet. Dadurch festigte Aschaffenburg seine Funktion als Zweitresidenz der Kurfürsten, die bereits im 13. Jahrhundert begonnen hatte. Eine eigenständige (Mittel-)Behörde zur Verwaltung des Oberstifts konnte sich hier deshalb nicht ausbilden. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Oberstift größtenteils von Schweden erobert (1631) und dem schwedischen Staat in Mainz eingegliedert. In der Endphase des Krieges reduzierten Kriegseinwirkungen und Seuchen die Bevölkerung der Städte des Oberstifts um drei Viertel.

Erst am Ende des Kurstaates im ausgehenden 18. Jahrhundert kam es zu nennenswerten Verwaltungsreformen, zunächst 1772 im Vizedomamt Aschaffenburg, dann 1782 im gesamten Erzstift. Hauptziel war die Verschmelzung von Administration, Justiz und Kameralwesen, verbunden mit einer weitgehenden Dezentralisierung.

1698 zählte man im Oberstift 53.500 Untertanen, die direkt der erzbischöflichen Herrschaft unterstanden. Dazu trat noch eine unbekannte Zahl in Mediatherrschaften der Klöster und des Domkapitels.

Das Schicksal des Oberstifts um 1800

Karl Theodor Reichsfreiherr von und zu Dalberg (1744-1817), Unter ihm wurde das Territorium des Oberstifts zum Großherzogtum Frankfurt erhoben. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-001342)

1792 wurden Mainz und das linksrheinische Erzstift erstmals von französischen Truppen besetzt. Die Regierung floh nach Aschaffenburg. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 erlosch der Mainzer Kurstaat auch staatsrechtlich. An seine Stelle trat das "Fürstentum Aschaffenburg" unter dem letzten Mainzer Erzbischof, Karl von Dalberg (1744-1817), der 1806 als Fürstprimas an die Spitze des Rheinbundes trat. Sein Staat wurde 1810 zum Großherzogtum Frankfurt erhoben. Im Süden entstand 1803 das Fürstentum Leiningen (Amorbach, Miltenberg, Buchen, Tauberbischofsheim), das aber 1806 bereits an Baden fiel, welches 1810 Teile (Amorbach, Miltenberg) an Hessen-Darmstadt abtrat.

Im Wiener Kongress (1815) wurden dann große Teile des ehemaligen Oberstifts dem Königreich Bayern zugesprochen (der südliche Teil an der Tauber fiel an Baden, ein Streifen westlich des Mains an Hessen). Ein Separatvertrag zwischen Bayern und Österreich vom 3. Juni 1814 sprach Bayern zwar den Erwerb von Frankfurt und eine Landbrücke zur linksrheinischen Pfalz zu. Nachdem der Vertrag aber nicht realisiert werden konnte, musste Österreich an Bayern zum Ausgleich eine jährliche Abgabe in Geld zahlen.

Archivsituation

Bei der Flucht der Mainzer Regierung vor den Franzosen wurden auch die Archive des Mainzer Kurstaats nach Aschaffenburg verbracht, von wo sie zum größten Teil ins Staatsarchiv Würzburg gelangt sind.

Literatur

  • Günter Christ/Georg May, Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte. 2. Band: Erzstift und Erzbistum Mainz. Territoriale und kirchliche Strukturen, Würzburg 1997.
  • Günther Christ, Lohr (Historischer Atlas von Bayern. Teil Franken I/34), München 2007.
  • Roman Fischer, Aschaffenburg im Mittelalter. Studien zur Geschichte der Stadt von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg 32), Aschaffenburg 1989.
  • Roman Fischer, Das Untermaingebiet und der Spessart, in: Peter Kolb/Ernst-Günter Krenig (Hg.), Unterfränkische Geschichte. 2. Band, Würzburg 1992, 121-168.
  • Manfred Stimming, Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Erzbistums Mainz (Forschungen zur hessischen Geschichte 11), Darmstadt 1915.
  • Wilhelm Störmer, Miltenberg (Historischer Atlas von Bayern. Teil Franken I/25), München 1979.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel


Erzstift Mainz, Mainz, Erzstift, Fürstentum Aschaffenburg

Empfohlene Zitierweise

Roman Fischer, Mainzer Oberstift, publiziert am 13.04.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Mainzer_Oberstift (20.04.2024)