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Mainz, Erzbistum/Erzstift: Politische Geschichte (Spätmittelalter)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Peter von Aspelts Grabmal zeigt ihn als dreifachen Königskröner. (Stiftung Hoher Dom zu Mainz)
Grabmal des Erzbischofs Adolf I. von Nassau. (Stiftung Hoher Dom zu Mainz)
Grabmal des Erzbischofs Johann II. von Nassau. (Stiftung Hoher Dom zu Mainz)
Grabmal des Erzbischofs Konrad III. von Daun. (Stiftung Hoher Dom zu Mainz)
Grabmal des Erzbischofs Diether von Isenburg-Büdingen. (Stiftung Hoher Dom zu Mainz)
Erzbistum und Erzstift Mainz um 1500. Die Karte zeigt die geringe Ausdehnung des erzstiftischen Territoriums im Verhältnis zur Größe der Erzdiözese. (aus: Friedhelm Jürgensmeier, Kurmainz, in: Anton Schindling/Walter Ziegler [Hg.], Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. 4. Band, Münster 1992, 60)
Ansicht von Eltville am Rhein mit der bischöflichen Burg von Wenzel Hollar (1607-1677), vermutlich von 1636. (Staatliche Museen Berlin, Kupferstichkabinett)
Die Mainzer Martinsburg vom Rhein aus, 1477/81 erbaut und 1809 abgebrochen. Zeichnung von Wenzel Hollar, vor 1631. (Staatliche Museen Berlin, Kupferstichkabinett)
Ansicht der Stadt Mainz um 1500. (aus: Conradi Celtis Protvcii Primi Inter Germanos Imperatoriis Manibvs Poete Lavreati Qvatvor Libri …, Nürnberg 1502)
Grabmal des Erzbischofs Berthold von Henneberg. (Stiftung Hoher Dom zu Mainz)

von Friedhelm Jürgensmeier

Wie in zahlreichen anderen Bistümern kam es im Spätmittelalter im Erzbistum Mainz zu zahlreichen schismatischen Bischofswahlen. Ursache dieser Schismen waren vielfach Auseinandersetzungen zwischen dem Domkapitel und den Päpsten. Die letzte strittige Bischofswahl führte 1461/62 zur Mainzer Stiftsfehde. Gleichzeitig spielte Mainz eine bedeutende Rolle in der Reichspolitik. Die Goldene Bulle garantierte dem Mainzer Erzbischof daher 1356 das Königswahlrecht und die Erzkanzlerwürde. Reichspolitisch bedeutende Erzbischöfe waren Peter von Aspelt (reg. 1306-1320) und Berthold von Henneberg (reg. 1484-1506). Es gab heftige Auseinandersetzungen mit der Bischofsstadt Mainz. Die Erzbischöfe residierten daher seit 1329 bevorzugt in Eltville. 1462 verlor Mainz alle Freiheiten und wurde der bischöflichen Stadtherrschaft unterworfen.

Das Jahr 1305 markiert für die Geschichte des Papsttums und des Erzbistums Mainz eine deutliche Zäsur. In Perugia wurde Clemens V. (reg. 1305–1314) zum Papst gewählt, der 1309 die Kurie von Rom nach Avignon verlegte. Negative Begleitumstände dieses erst 1376 endenden "babylonischen Exils" und das darauf folgende große Papstschisma legten sich als dunkle Schatten auch auf die Kirche von Mainz. 1305 war dort Gerhard II. (reg. 1289–1305) als letzter der vier Mainzer Erzbischöfe aus der Familie der Eppstein gestorben. Diese hatten im 13. Jahrhundert in Erzbistum und Reich eine dominierende Rolle gespielt und für das Erzstift große territoriale Zugewinne erzielt.

Der "Königsmacher" Erzbischof Peter von Aspelt

1305 fiel die Wahl eines neuen Erzbischofs gespalten aus. Gewählt wurden der Mainzer Domscholaster und spätere Wormser Bischof Emicho von Schöneck (reg. 1303/7-1318), der Favorit von König Albrecht I. (reg. 1298–1308), und Emicho von Sponheim-Kreuznach (gest. um 1325), ein Verwandter der Grafen von Nassau. Beeinflusst von der luxemburgischen Gefolgschaft des französischen Königs Philipp IV. (reg. 1285–1314) bestätigte Papst Clemens V. weder den einen noch den anderen, sondern ernannte den Baseler Bischof Peter von Aspelt (reg. 1306–1320) zum Mainzer Oberhirten. Das Mainzer Domkapitel akzeptierte diese Entscheidung.

Erzbischof Peter erwies sich als geschickter Reichs-, Landes- und Kirchenpolitiker. 1308 war er maßgeblich an der Königswahl Heinrichs VII. von Luxemburg (reg. 1308–1313) beteiligt. 1311 krönte er in Prag dessen Sohn Johann von Luxemburg zum böhmischen König (reg. 1311–1346).

Nach dem frühen Tod Heinrichs VII. zählte Peter von Aspelt zu dem Teil der Kurfürsten, die Ludwig den Bayern (reg. im Reich 1314-1347) gegen Friedrich den Schönen von Österreich (reg. 1314-1330) wählten. Peter von Aspelt krönte am 20. November 1314 Ludwig in Aachen zum König.

Die bald ausbrechenden letzten Auseinandersetzungen zwischen Sacerdotium und Imperium erlebte der 1320 verstorbene Peter von Aspelt nicht mehr. Sein Epitaph im Mainzer Dom preist ihn als dreifachen Königskröner mit politischem Weitblick.

Die Mainzer Schismen ab 1328

Zu Peter von Aspelts Nachfolger postulierte das Mainzer Domkapitel den Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg. Ihm verweigerte Papst Johannes XXII. (reg. 1316-1334) die Bestätigung. Stattdessen ernannte er den Schweizer Matthias von Bucheck OSB (reg. 1321–1328). Er war der letzte Ordensmann auf dem Mainzer Erzstuhl. Auch diese Ernennung nahm das Domkapitel hin. Doch nach seinem Tod 1328 entzündete sich der Kampf um die Besetzung des Heiligen Stuhls von Mainz umso heftiger. Das Domkapitel bestand auf seinem Wahlrecht und widersetzte sich dem Ernennungsanspruch des Papstes. Das brisante Kräftemessen war eng mit dem Konflikt um Ludwig den Bayern verflochten. Gleich mehrere Schismen waren die Folge.

Von 1328 bis 1337 beanspruchten sowohl der erneut vom Domkapitel postulierte Erzbischof Balduin (reg. 1328–1336/37) als auch der vom Papst providierte Heinrich von Virneburg (reg. 1328–1337/46) den Mainzer Erzstuhl. Balduin gewann im größten Teil des jetzt gespaltenen Bistums die Oberhand. Die Anerkennung Heinrichs beschränkte sich auf einige Ortschaften und Kollegiatstifte sowie auf Mainz, dessen Bürger sich damals um Freiheiten und Rechte mit dem Domkapitel und dem Klerus stritten. 1329 steigerte sich der städtische Konflikt zur offenen Revolte. Der Großteil des Klerus verließ Mainz. Erzbischof Balduin umlagerte die Stadt mit befestigten Plätzen und baute in Eltville im Rheingau die Martinsburg. Sie blieb über 150 Jahre bevorzugte Residenz der Mainzer Erzbischöfe.

Unterstützt von dem von Balduin als Reichsoberhaupt anerkannten Kaiser Ludwig zwang der Erzbischof 1332 die Mainzer Bürgerschaft zu einem Friedensschluss. Heinrich von Virneburg, zwar jetzt ausgeschaltet und isoliert, beharrte auf seinem Anspruch als Erzbischof. Darauf bestand auch die päpstliche Kurie. Da weder Balduin noch das Mainzer Domkapitel nachgaben und auch weiter an König Ludwig festhielten, wurden sie 1336 von Papst Benedikt XII. (1335–1342) exkommuniziert und das Erzbistum mit dem Interdikt belegt. Das war wohl Anlass, dass Balduin auf Mainz verzichtete. Jetzt wurde Heinrich von Virneburg als Erzbischof anerkannt, der sich nun Ludwig dem Bayern anschloss.

Der Rhenser Kurverein und seine Folgen

Als Mitbegründer des Rhenser Kurvereins nahm Erzbischof Heinrich 1338 an dem Beschluss teil, ein von der Mehrheit der Kurfürsten gewählter König bedürfe keiner päpstlichen und sonstigen Bestätigung mehr. Eine Reaktion darauf war, dass der Papst 1344 das Erzbistum Prag errichtete und damit die bisherigen Suffraganbistümer Prag und Olmütz aus der Mainzer Kirchenprovinz löste. Auch entzog er Mainz das Recht, den König von Böhmen zu krönen.

Am 7. April 1346 erklärte Papst Clemens VI. (1342–1352) Erzbischof Heinrich für abgesetzt, weil dieser vehement den Plänen widersprach, gegen Ludwig den Bayern den Markgrafen Karl von Mähren (reg. als König Karl IV. 1346-1378, Kaiser ab 1355) zum König wählen zu lassen. Als neuen Erzbischof providierte er Gerlach von Nassau (reg. 1346/53-1371).

Gerlach konnte lange nicht in den Besitz des Erzbistums gelangen. Er setzte sich jedoch sogleich als Kurfürst durch und berief das Kurkollegium ein, um in Rhens (Lkr. Mayen-Koblenz, Rheinland-Pfalz) am 11. Juli 1346 Karl IV. zum König zu wählen. Dieser reichspolitische Erfolg beendete nicht das Mainzer Schisma. Es bestand fort bis zum Tod Heinrichs von Virneburg 1353.

Bedeutung der Goldenen Bulle für Mainz

Gerlach von Nassau, seit 1354 im Besitz des Erzbistums, schloss mehrere Landfriedensbünde. Hohen Anteil hatte er am Zustandekommen der "Goldenen Bulle" 1356. Sie sprach dem Mainzer Erzbischof, Erzkanzler und rangobersten Kurfürst endgültig das Einladungs- und Leitungsrecht bei der Königswahl zu. Im Kurkolleg erhielt er an Stelle der bisher wichtigen ersten Stimme die wegen des neu geltenden Mehrheitsprinzips unter Umständen entscheidende letzte Stimme.

Erneute Streitigkeiten um den Mainzer Bischofsstuhl

Nach Gerlach und dem kurzen Pontifikat von Johann von Luxemburg (reg. 1371–1373) nahmen mit Adolf I. (reg. 1373/81–1390), Johann II. (reg. 1397–1419) und Adolf II. (reg. 1461–1475) drei weitere Erzbischöfe aus dem Hause Nassau maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke von Erzbistum und Erzstift Mainz.

Die Pontifikate von Adolf I. und Johann II. waren belastet und geprägt vom Bistumsstreit und vom Papstschisma. Adolf I., 1373 vom Domkapitel als Erzbischof postuliert, erhielt wie schon 1371 keine päpstliche Bestätigung. Auf Intervention Karls IV. transferierte Papst Gregor XI. (reg. 1370–1378) vielmehr Ludwig von Meißen (reg. 1374–1381) von Bamberg auf den Mainzer Erzstuhl. Das löste einen heftigen Bistumsstreit aus. Dieser führte 1375 und 1377 im zu Mainz gehörenden Eichsfeld zu offenen Kämpfen.

Das Große Abendländische Schisma

Eine Lösung der verfahrenen Mainzer Situation bahnte sich erst 1378 nach Karls IV. Tod und dem Beginn des Großen Schismas an. Nachdem der Versuch, vom römischen Papst Urban VI. (reg. 1378–1389) die Bestätigung zu erhalten, erneut scheiterte, wandte sich Adolf I. an Papst Clemens VII. (reg. 1378–1394) in Avignon und erhielt von diesem die Konfirmation und das Pallium. 1381 schloss er sich nach Aussöhnung mit König Wenzel (reg. 1376–1400) der römischen Obödienz an und erhielt dafür die Anerkennung Urbans VI. Ludwig von Meißen wurde mit dem Erzbistum Magdeburg entschädigt.

Erzbischof Adolf I. war Mitbegründer des rheinischen Kurvereins und Münzvereins. Für Erfurt erwirkte er vom Papst 1389 die Erlaubnis, eine Universität zu gründen, die 1392 als dritte Universität in Deutschland eröffnet wurde.

Verwirrend verlief die Erhebung seines Bruders Johann II. auf den Mainzer Erzstuhl. Ein Wahlgremium des Domkapitels hatte mit knapper Mehrheit Jofrid von Leiningen (reg. 1396–1397/1401) zum Nachfolger von Erzbischof Konrad von Weinsberg (reg. 1390–1396) gewählt. Dagegen erreichte Johann von Nassau, dass ihm der römische Papst Bonifaz IX. (reg. 1389–1404) das Erzbistum übertrug. 1409 wandte er sich aus Opposition zu König Ruprecht (reg. 1400–1410) von der römischen Obödienz ab und schloss sich dem vom Konzil von Pisa gewählten Papst Alexander V. (reg. 1409–1410) an.

Von 1400 bis 1411 gerieten Erzbistum und Erzstift in eine gefährliche Krise - kirchlich durch die Auswirkungen des Schismas mit kulminierender Polarisierung und politisch durch das gespaltene Königtum. Dabei blieb ohne besondere Wirkung, dass der römische Papst Gregor XII. (1406–1415) Erzbischof Johann als Anhänger des Pisaner Papstes Alexander V. für abgesetzt erklärte und den Apostolischen Legaten Matthäus von Krakau (gest. 1410) zum Nachfolger bestimmte. Ohne unmittelbare Auswirkung blieb ebenfalls, dass Gregor XII. dem territorial in starker Konkurrenz zu Mainz stehenden Landgrafen von Hessen als Anhänger der römischen Observanz die Möglichkeit einräumte, sein Gebiet dem Einfluss der Mainzer erzbischöflichen Jurisdiktion zu entziehen und vakante kirchliche Stellen in eigener Vollmacht zu besetzen.

Mit der Anerkennung des vom Konzil von Konstanz gewählten Papstes Martin V. (reg. 1417–1431) endete für das Erzbistum die schwere Phase großer kirchlicher Spannungen und Spaltungen. Verdienst von Johann von Nassau ist, dass er das sich festigende Mainzer Territorium relativ unbeschadet durch diese Zeit geführt hat.

Streit in der Bischofsstadt Mainz

Unter den Erzbischöfen Konrad III. von Dhaun (reg. 1419–1434) und Dietrich Schenk von Erbach (reg. 1434–1459) brach der schon lange anhaltende Streit der Mainzer Bürgerschaft mit dem Klerus und bald auch untereinander mit Heftigkeit aus.

Weder die von König Sigismund (reg. 1411–1437) verliehenen Freiheiten noch die zwischen Erzbischof und Bürgerschaft 1420/22 geschlossenen Verträge brachten Ruhe. Der Streit eskalierte, als die unterprivilegierten Schichten gegen die politisch tonangebenden Patrizier aufstanden. Viele Patrizier verließen Mainz, darunter auch Johannes Gutenberg (gest. 1468). 1433 zog die gesamte Geistlichkeit, nachdem ihre Steuer- und Abgabenfreiheit beeinträchtigt worden war, aus der Stadt. Die Seelsorge brach zusammen. Der Klerus kehrte erst nach der "Pfaffenrachtung" von 1435 zurück. Sie war auf Vermittlung des seit 1431 in Basel tagenden, doch erst 1434 wirklich aktiven Konzils zustande gekommen.

Konzilien, Kirchenreform und Territorialentwicklung

Die Einberufung des Konzil nach Basel durch Papst Martin V. war 1430 auf Drängen des Reichsepiskopats erfolgt, der unter Führung von Erzbischof Konrad III. in Nürnberg tagte. Auf der Synode in Aschaffenburg 1431 bereitete sich die Mainzer Kirchenprovinz auf das Konzil vor, beschickte es jedoch zunächst nur schwach. In dem zwischen den Baseler Konziliaristen und Papst Eugen IV. (reg. 1431–1447) bald ausbrechenden Machtkampf erklärte sich Erzbischof Dietrich 1438 mit den anderen Kurfürsten für neutral. Eine Synode in Mainz bestätigte diese Haltung. Sie blieb bis 1447 die Mainzer politische Linie. Dem widerspricht nicht die Annahme der Baseler Reformdekrete durch die "Mainzer Akzeptation" von 1439. 1447 schloss sich Erzbischof Dietrich der Opposition der rheinischen Kurfürsten gegen Papst Eugen IV. nur zurückhaltend an. Den Konflikt beigelegt sah er mit den "Fürstenkonkordaten" von 1447, in denen die Päpste Eugen IV. und Nikolaus V. (reg. 1447-1455) Zugeständnisse im Sinne der Baseler Reformbeschlüsse machten. Die beiden Vereinbarungen verloren ihre Bedeutung durch das Wiener Konkordat von 1448, das die päpstlichen Zugeständnisse erheblich minderte. Eine durchgreifende Reform an Haupt und Gliedern ließ auf sich warten, was in der Folgezeit zu zahlreichen Beschwerden führte. Einen ersten Niederschlag fanden diese Gravamina im "Mainzer Libell" von 1451.

Im Erzbistum Mainz mit seiner dichten Kloster- und Stiftslandschaft wurden die vom Baseler Konzil ausgehenden kirchlichen und monastischen Reformdekrete aufgegriffen, zeitigten aber nur mäßigen Erfolg. Eine breite Plattform für Reformideen bildeten die Provinzkapitel der benediktinischen Mainz-Bamberger Provinz. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts fanden die Reformbewegungen von Bursfelde und Windesheim die Unterstützung der Erzbischöfe und der auf machtpolitische Arrondierung ihrer Landesherrschaft bedachten Landesherren. Nicht zuletzt über Wahlkapitulationen vermochte das adelige Domkapitel seinen Einfluss und seine privilegierte Stellung weiter auszubauen. Durch kriegerische Niederlagen musste das Erzstift Mainz im 15. Jahrhundert territoriale Verluste hinnehmen. Vor allem gegenüber der sich erheblich vergrößernden Landgrafschaft Hessen verlor es im 15. Jahrhundert seine bisher beherrschende Stellung. Städtische und religiöse Unruheherde bildeten gegen Ende des Jahrhunderts insbesondere Erfurt sowie der Taubergrund und der Odenwald, wo Henselin von Niklashausen (gest. 1476) als schwärmerischer Prophet mit seiner sozial- und kirchenkritischen religiösen Botschaft starken Zulauf hatte.

Die Mainzer Stiftsfehde (1461/62)

Die wirklich großen territorialen und machtpolitischen Einbußen für Mainz brachte jedoch die Stiftsfehde von 1461/62 mit sich. Diether von Isenburg-Büdingen (reg. 1459–1461/63; 1475–1482), 1459 zum Erzbischof gewählt und 1460 von Rom bestätigt, wurde von Papst Pius II. (reg. 1458–1464) 1461 wieder abgesetzt. Hintergrund waren politische Differenzen und der heftige Streit wegen der von Rom auf 10.000 Gulden verdoppelten Konfirmationstaxe, die nach jeder Mainzer Bischofswahl zu zahlen war. Mit der Absetzung erlaubte der Papst dem Domkapitel, in einem neuen Verfahren Isenburgs Rivalen Adolf II. von Nassau als Erzbischof zu postulieren. Trotz Isenburgs Protest wurde Adolf II. vom Papst bestätigt und im Bistum inthronisiert. Für eine militärische Auseinandersetzung suchten beide Verbündete und verpfändeten dafür weite Gebiete des Erzstifts.

Ab Dezember 1461 sprachen die Waffen. Nach dem Sieg am 30. Juni 1462 bei Seckenheim (Stadt Mannheim, Baden-Württemberg) schien der exkommunizierte und vom Kaiser gebannte Erzbischof Diether den Kampf für sich entschieden zu haben. Doch am 28. Oktober 1462 eroberte Erzbischof Adolf II. die auf Seiten seines Gegners stehende Stadt Mainz. Das machte ihn zum Sieger.

Verlierer war die Stadt Mainz, denn sie wurde nicht nur geplündert, sondern verlor auch die ihr 1244 von Erzbischof Siegfried III. von Eppstein (reg. 1230-1249) verliehenen Freiheiten. Ihr Status als "freie Stadt", welche die erzbischöfliche Herrschaft fast abgeschüttelt hatte, war dahin. Sie war fortan erzbischöflich, denn 1462 nahm Erzbischof Adolf II. der Bürgerschaft diese ihre bisher gehaltenen Freiheiten und Privilegien. Dieter verzichtete im Frieden von Zeilsheim 1463 auf sein Amt und wurde dafür mit einem aus Teilen des Erzstifts gebildeten Fürstentum entschädigt. Um diesen Gebietsverlust nicht zu verewigen, wählte ihn das Domkapitel nach Adolfs II. Tod 1475 erneut zum Erzbischof. Zu Erzbischof Diethers Verdiensten zählt die Gründung der 1477 eröffneten Mainzer Universität. Unter ihm entstand auch als erzbischöfliche Residenz die 1480 errichtete Mainzer Martinsburg.

Ausblick

Politisches Kalkül war Anlass, dass noch zu Lebzeiten von Diether das Domkapitel 1481 den erst etwa 14 Jahre alten Kurfürstensohn Adalbert von Sachsen (reg. 1482-1484) zum Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge wählte. Sein Tod 1484 nötigte zur erneuten Bischofswahl. Gewählt wurde Berthold von Henneberg (reg. 1484–1504). Sein Pontifikat zeigt, wie fließend auch für das Erzbistum und Kurfürstentum Mainz die Grenzen zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit sind. Über Reformverordnungen, Synoden und Visitationen mühte er sich um kirchliche Reformen. Erfolge erzielte er bei der wirtschaftlichen und territorialen Stabilisierung des Erzstifts. Sein eigentliches Feld war jedoch die Reichspolitik. Als Erzkanzler führte er ab 1494 persönlich die Reichskanzlei und setzte 1495 auf dem Wormser Reichstag wesentliche Veränderungen der Reichsverfassung durch, darunter die Reichskammergerichtsordnung. Gegen das monarchische Herrschaftsbestreben des Kaiserhofes zielte die von ihm betriebene Reichsreform mit einem "Reichsregiment" auf einen ständischen Zentralismus. Sein Reichsreformprogramm scheiterte am Widerstand von Maximilian I. (König 1486, Kaiser 1508-1519) und an den partikularistischen Landesinteressen der Reichsfürsten. Der "Vater der Reichsreform" wurde 1502 entmachtet. Er verlor die Leitung der Reichskanzlei und das von ihm geführte Reichssiegel. Reichspolitisch waren die Mainzer Erzbischöfe damit für lange Zeit geschwächt. Das zeigte sich nicht nur bei Bertholds Nachfolgern Jakob von Liebenstein (reg. 1504-1508) und Uriel von Gemmingen (reg. 1508-1514), sondern auch bei Albrecht von Brandenburg (reg. 1514–1545), dem ersten Mainzer Erzbischof und Kurfürsten der Frühen Neuzeit.

Die Mainzer Erzbischöfe im Spätmittelalter

Name Regierungszeit Lebensdaten/Bemerkung
Werner von Eppstein 1259–1284
Heinrich von Isny 1286–1288
Gerhard II. von Eppstein 1289–1305
Peter von Aspelt 1306-1320
Matthias von Buchegg 1321-1328
Balduin von Luxemburg 1328-1337 gest. 1353
Heinrich III. von Virneburg 1328-1346
Gerlach von Nassau 1346-1371
Johann von Luxemburg-Ligny 1371-1373 gest. 1382
Ludwig von Meißen 1374-1381
Adolf I. 1381-1390
Konrad II. von Weinsberg 1390-1396 gest. 1409
Jofried (Gottfried) von Leiningen 1396-1397/1401
Johann II. 1397-1419
Konrad III. Wild- und Rheingraf von Dhaun 1419-1434
Dietrich Schenk von Erbach 1434-1459
Diether von Isenburg 1459-1461/63 nochmals 1475-1482
Adolf II. von Nassau 1461-1475
Diether von Isenburg 1475-1482
Adalbert von Sachsen (Administrator) 1482-1484
Berthold von Henneberg 1484-1504
Jakob von Liebenstein 1504-1508
Uriel von Gemmingen 1508-1514
Albrecht von Brandenburg 1514-1545

Literatur

  • Heinz Duchhardt, Universität Mainz, in: Sönke Lorenz (Hg.), Attempto - oder wie stiftet man eine Universität. Die Universitätsgründungen der sogenannten zweiten Gründungswelle im Vergleich, Stuttgart 1999, 147-156.
  • Friedhelm Jürgensmeier, [Biogramme der Mainzer Erz- und Weihbischöfe ab 1448], in: Erwin Gatz u. a. (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1995.
  • Friedhelm Jürgensmeier, Das Bistum Mainz. Von der Römerzeit bis zum II. Vatikanischen Konzil (Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 2), Frankfurt am Main 2. Auflage 1989.
  • Friedhelm Jürgensmeier, Die Goldene Bulle von 1356 und der Erzbischof von Mainz, in: Evelyn Brockhoff u. a. (Hg.), Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle. 1356-1806. Aufsätze, Frankfurt am Main 2006, 308-313.
  • Friedhelm Jürgensmeier, Erzbistum Mainz, in: Erwin Gatz u. a. (Hg.), Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, Freiburg im Breisgau 2003, 400-426.
  • Friedhelm Jürgensmeier (Hg.), Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte. 1. Band: Christliche Antike und Mittelalter (Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 6/1), Würzburg 2000. [Gedrucktes Quellen- und Literaturverzeichnis: 1008-1128]
  • Friedhelm Jürgensmeier, Kirche und kirchliche Institutionen in Hessen vor der Einführung der Reformation, in: Inge Auerbach (Hg.), Reformation und Landesherrschaft. Vorträge des Kongresses anlässlich des 500. Geburtstages des Landgrafen Philipp des Großmütigen von Hessen vom 10. bis 13. November 2004 in Marburg (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 24/9), Marburg 2005, 39-50.
  • Friedhelm Jürgensmeier, Mainz, in: Erwin Gatz u. a. (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2003, 395-415. [Biogramme der Mainzer Erzbischöfe mit Literatur]
  • Franz Machilek, Das Spätmittelalter von 1215 bis 1517. Schwaben und Franken, in: Walter Brandmüller (Hg.), Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte. 1. Band: Von den Anfängen bis zur Schwelle der Neuzeit, 1. Teilband: Kirche, Staat und Gesellschaft, Sankt Ottilien 1998, 437-533.
  • Fritz Pfeil, Der Kampf Gerlachs von Nassau mit Heinrich von Virneburg um das Erzstift Mainz, Straßburg 1910.
  • Gerhard Stein, Die Einungs- und Landfriedenspolitik der Mainzer Erzbischöfe zur Zeit Karls IV., Mainz 1960.
  • Wolfgang Voss, Dietrich von Erbach. Erzbischof von Mainz (1434-1459). Studien zur Reichs-, Kirchen- und Landespolitik sowie zu den erzbischöflichen Räten (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 112), Mainz 2004.

Quellen

  • Johann Friedrich Böhmer/Cornelius Will (Bearb.), Regesta Archiepiscoporum Maguntinensium. Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe von Bonifatius bis Uriel von Gemmingen 742?-1514. 1. und 2. Band, Innsbruck 1877–1886, ND Aalen 1966.
  • Goswin von der Rosp, Regesten der Erzbischöfe von Mainz von 1289-1396, Leipzig u. a. 1913-1958.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Friedhelm Jürgensmeier, Mainz, Erzbistum/Erzstift: Politische Geschichte (Spätmittelalter), publiziert am 13.04.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Mainz,_Erzbistum/Erzstift:_Politische_Geschichte_(Spätmittelalter) (27.03.2024)