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Literatur in Altbayern (Spätmittelalter): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 23. September 2021, 14:49 Uhr

‚Jüngerer Titurel‘ (Verfasserfragment), 14. Jahrhundert. (Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 1332, 1r)
‚Lohengrin‘, um 1470. (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 345, 1r)
Frauenlob, Codex Manesse, ca. 1300 bis ca. 1340. (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, 399r)
Rechtsbuch Kaiser Ludwigs des Bayern (Oberbayerisches Landrecht), 14. Jahrhundert. (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 2150, 3r)
Johann Hartlieb, Kräuterbuch, um 1455/60. (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 311, 237av)
Johann Hartlieb, Buch aller verbotener Kunst, 1465. (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 478, 1r)
Johannes Schiltberger, Reisebuch, um 1480. (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 216, 1r)
Reinmar von Brennenberg im Codex Manesse, 1300 bis ca. 1340. (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, 188r)
Andreas von Regensburg, Chronik von den Fürsten zu Bayern, 15. Jahrhundert. (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 94, 1r)

von Klaus Wolf

Literaturgeschichtlich umfasst das Spätmittelalter die Zeit von ca. 1250 bis zur Reformation. In Altbayern waren die Klöster (z. B. St. Emmeram in Regensburg, Augustinerchorherrenstift Indersdorf, Tegernsee) literarische Zentren, doch wurde darüber hinaus die Stadt als Literaturort immer wichtiger; hier sind insbesondere die herzoglichen Residenzstädte München, Landshut und Ingolstadt, aber auch Regensburg zu nennen. Insgesamt prägten lateinische und volkssprachige (frühneuhochdeutsche) Literatur die Literaturlandschaft. Das literarische Spektrum war vielfältig und umfasste u. a. Romane, Briefe, Gedichte (auch Minnesang), Ritterliteratur, Passionsspiele, Itinerare und Reiseberichte, Geschichtsschreibung, theologisches, geistliches und Staatsschrifttum. Zu den wichtigsten altbayerischen Autoren des Spätmittelalters zählten u. a. Johannes Aventinus (1477-1534), Ulrich Fuetrer (gest. zwischen 1496 und 1500), David von Augsburg (gest. 1272), Berthold von Regensburg (gest. 1272), Hadamar von Laber (gest. um 1360), Konrad von Megenberg (1309-1374), Hans Rosenplüt (um 1400-um 1460), Konrad Celtis (1459-1508) und Jakob Locher (1471-1528).

Grundzüge

Schon im Frühmittelalter bildete das "Stammesherzogtum" Baiern eine bedeutende Literaturlandschaft lateinischen und althochdeutschen Dichtens. Neben den Agilolfinger"residenzen" sind hier die Bistumssitze Regensburg, Salzburg, Passau und Freising sowie einige Klöster (Tegernsee) als herausragende Literaturorte anzusprechen. Im Hochmittelalter blieben diese Orte als Pflegestätten literarischen Lebens wichtig; daneben profilierten sich dynastisch die Welfen als Mäzene, die so bedeutende volkssprachige Werke wie das "Rolandslied" förderten.

Daran konnte die neue Herzogsdynastie der Wittelsbacher (aber auch andere in Altbayern begüterte Adelsgeschlechter wie die Andechser) teilweise anknüpfen, in deren Umfeld zeitweise Namen wie Walther von der Vogelweide (um 1170-um 1230), Neidhart und Wolfram von Eschenbach (gest. nach 1220) zu verorten sind. Dies erklärt die im ganzen Spätmittelalter im Umkreis der Wittelsbacher zu beobachtende Wolfram-Imitation, etwa im "Jüngeren Titurel" (um 1270) mit der umfassenden Sippengeschichte des Gralsgeschlechts aus der Feder eines gewissen Albrecht, welcher heute nicht mehr mit Albrecht von Scharfenberg identifiziert wird. Diesem wird dafür u. a. ein "Merlin"-Roman zugeschrieben. In Wolframschen Titurel-Strophen war dann ebenso der "Ehrenbrief" des Jakob Püterich von Reichertshausen (um 1400-1469) verfasst. Zur Wolfram-Rezeption ist auch der "Lohengrin" eines gewissen Nouhusius zu zählen, welcher in der Germanistik üblicherweise ins ausgehende 13. Jahrhundert datiert wird.

Neben der Wolfram-Verehrung im Umkreis der Wittelsbacher wäre noch die (für das Spätmittelalter auch über Altbayern hinaus typische) Neidhart-Rezeption zu nennen, wie etwa bei Hans Heselloher (gest. 1453). Daneben gaben sich wie schon im Hochmittelalter diverse Sangspruchdichter an den herzoglichen Höfen die Ehre: Friedrich von Sonnenburg bei Otto II. (reg. 1231-1253) und Heinrich XIII. (reg. 1253-1294), oder Boppe, der die Freigiebigkeit Heinrichs XIII. pries. Lobsprüche auf Ludwig II. (reg. 1253-1294) verfasste Rumelant von Sachsen. Schließlich wurden Wittelsbacher sogar vom berühmten Tannhäuser (gest. nach 1265) um die Mitte des 13. Jahrhunderts gepriesen. Um ausgesprochene Adelsliteratur handelt es sich auch bei der "Georgslegende" des Reinbot von Durne, welche für Otto II. verfasst wurde (durchaus in Imitation des Wolfram'schen 'Willehalm' und mehr noch seines Mäzens Hermann I. von Thüringen [reg. 1190-1217]). Der Adelsperspektive entsprach nicht zuletzt der im Innviertel zu lokalisierende 'Helmbrecht' aus der Feder "Werners des Gärtners" (um die Mitte des 13. Jahrhunderts).

Eines der wichtigsten mittelhochdeutschen Werke aus Altbayern, das "Nibelungenlied" einschließlich seiner Fortsetzung in der "Nibelungenklage", ist freilich nicht mit dem wittelsbachischen Herrscherhaus, sondern (ebenso wie die 1203 beurkundete Förderung Walthers von der Vogelweide) mit dem Passauer Bischof Wolfger von Erla (gest. 1218) in Zusammenhang zu bringen. Sie weist aus Passauer Perspektive eine geradezu antibaierische Tendenz auf. Die auf das "Nibelungenlied" zu beziehende "Kudrun" (um 1230-1250) dürfte dann aber im spätmittelalterlichen Regensburg zu verorten sein. Hier zeigt sich, wie in spätmittelalterlicher Zeit die Stadt als Literaturort immer wichtiger wurde. In diesem Kontext wären insbesondere München, Landshut und Ingolstadt zu nennen, die freilich zugleich als herzogliche Residenzen fungierten (während Regensburg sich zunehmend von den Wittelsbachern unabhängig zu machen suchte). Die Vielzahl der Herzogsresidenzen in Altbayern ergibt sich aus den wiederholten politischen Teilungen der wittelsbachischen Landesherrschaft (bereits seit 1255). Daneben gab es auch noch die althergebrachte Form des mobilen Hofes mit seinem ebenso vagierenden literarischen Leben.

Ludwig der Bayer

Eine beeindruckende Mobilität zeigt gerade das Itinerar des wittelsbachischen Königs Ludwig der Bayer (reg. 1314-1347, als Kaiser seit 1328). Das in seinem Umfeld zu verortende literarische Leben ist keineswegs auf ein einziges Literaturzentrum in seinen Stammlanden zu fixieren, sondern zeigt die vielfältigen Interessen Ludwigs und seines Hofs an Minnesang, Passionsspielen oder Fachprosa sogar eher außerhalb von Altbayern (Nürnberg, Frankfurt am Main). Jedenfalls ist Ludwigs literarischer Einfluss nicht auf seinen Münchner Hof beschränkt. Ludwigs Gründung Ettal könnte vom "Parzival" Wolframs von Eschenbach inspiriert gewesen sein und diente selbst wohl als Anregung der Minneallegorie "Kloster der Minne". Die von Sangspruchdichtern wie Heinrich von Meißen (gest. 1318, genannt Frauenlob) verfassten volkssprachigen Stellungnahmen zugunsten des schon seit 1314 politisch vielfach angefochtenen Wittelsbachers können (gattungstypisch) an vielen Orten aufgeführt worden sein. Neben Ludwig dem Bayern selbst sind als Literaturförderer auch sein höfischer Umkreis zu nennen wie Konrad Groß (gest. 1356) oder Heinrich von Zipplingen (gest. 1346), denen etwa die "Deutsche Sphaera" Konrads von Megenberg (1309-1374) gewidmet wurden.

München

"München leuchtete" unter Ludwig dem Bayern weniger durch volkssprachige (frühneuhochdeutsche) Literatur, insbesondere poetische Texte, sondern bildete ein Zentrum lateinischer theologischer und staatsrechtlicher Geistigkeit von europäischer Ausstrahlung. Dies hing mit Ludwigs Rolle als König und Kaiser zusammen, der bis an sein Lebensende in permanentem Konflikt mit der Kurie in Avignon stand. Franziskanische Kreise, unter ihnen William von Ockham (gest. 1347), Marsilius von Padua (gest. 1342/43) und Michael von Cesena (gest. 1342), welche gleichfalls das Papsttum in Südfrankreich bekämpften, schufen ein staatspolitisch modernes und philosophisch auf dem Neuesten (Nominalismus) stehendes Traktatwerk, das europaweit und nicht zuletzt von einheimischen Autoren (etwa Konrad von Megenberg) aufgegriffen wurde. Freilich handelte es sich beim Staatsschrifttum um lateinische Literatur.

In der Volkssprache dagegen glänzte die Münchner Kanzlei in der erstmaligen, im Vergleich zum Lateinischen zahlenmäßig bedeutsamen Ausfertigung von Prunkurkunden in mittelbairischer Schreibart, wodurch der Münchner Kanzlei Ludwigs des Bayern für die Ausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache ein ebenso großer Beitrag zukommt wie der Prager Kanzlei seines Nachfolgers Karls IV. (reg. 1346-1378). Zur pragmatischen Schriftlichkeit in der Volkssprache, die freilich ein wesentliches Moment spätmittelalterlicher Literaturgeschichte darstellt, ist das von Ludwig dem Bayern initiierte sog. Oberbayerische Landrecht (bzw. eigentlich Rechtsbuch) zu zählen. München selbst vermochte erst wieder im 15. Jahrhundert, insbesondere unter Albrecht III. und Albrecht IV. (reg. 1465-1508), als literarisches Zentrum zu glänzen. Hier sind es (wie schon im 14. Jahrhundert) auch die pragmatischen Gattungen, die neben einer Wolfram-Imitation und Ritternostalgie auffallen. Die Ritternostalgie am Münchner Hof im ausgehenden 15. Jahrhundert ist hier keineswegs isoliert zu sehen, sondern fügt sich zum Habsburger Kaiser Maximilian I. (reg. 1486-1519, seit 1508 als Kaiser), dem "letzten Ritter", mit seinen entsprechend rückwärtsgewandten frühneuhochdeutschen Epen oder dem Ambraser Heldenbuch.

Neben solch konservativer Literaturpflege setzte sich schließlich in München auch ein neuer akademisch gebildeter Dichtertyp durch: Als geradezu universaler Autor in den Diensten Albrechts III. hat der Arzt Johannes Hartlieb (gest. 1468) zu gelten, der aufgrund seiner Studien in Wien und Italien einen neuen gelehrten Autorentyp verkörpert. Seine dem wittelsbachischen Herrscherhaus gewidmeten Werke umfassen ein breites Spektrum zwischen Unterhaltungsliteratur (Verdeutschung von "De amore" des Andreas Capellanus) und Fachprosa, wobei sein "Alexanderroman" nicht zuletzt als Fürstenspiegel gelesen werden konnte. Von der geistlichen Erbauung bis zur (als Bekämpfung von "superstitio" getarnten) Mantik bediente er alle literarischen Bedürfnisse am Hof. Dazu zählte auch der fachlich und literarisch ambitionierte Reisebericht des aus altbayerischem Adel stammenden Hans von Schiltberg (gest. nach 1427), der das Osmanische Reich und das Tatarische Reich durchstreift hatte. Seit 1427 stand dieser bayerische "Marco Polo" in Diensten Albrechts III. Dessen Hof zog auch berühmte Literaten von außerhalb an, wie den Dichterkomponisten Michel Beheim (1416-1474), der auch die Wittelsbacher am Heidelberger Hof erfreute. Der vielseitigste Künstler im wittelsbachischen München dieser Zeit war aber Ulrich Fuetrer (gest. um 1496), der als angesehener Maler in der Residenz arbeitete. Als Maler wirkte er sogar an geistlichen Spielen mit, nicht zuletzt aber fungierte er als Hofdichter, wo er in der Geschichtsschreibung und sogar der durchaus nostalgischen Ritterliteratur glänzte. Seinen Lanzelot-Roman legte er in Prosa wie in Titurelstrophen vor. In dieser kunstvollen Form verfasste er sein umfängliches "Buch der Abenteuer", das dem Grals- und Artus-Stoff Raum bot. Im Gegensatz zu diesem höfischen Literaturbetrieb standen die mehr stadtbürgerlichen Münchner Meistersinger.

Regensburg

Bayerns älteste 'Hauptstadt' Regensburg war Schauplatz eines lebhaften Literaturbetriebs quer durch alle Epochen. Dabei spielte das Kloster Sankt Emmeram schon im Frühmittelalter eine relativ große Rolle. Im Hoch- und Spätmittelalter kamen die Bettelorden hinzu, wobei die Regensburger Franziskaner in der deutschen Literaturgeschichte eine besonders prominente Rolle innehatten. Mit den Schriften des auch in Regensburg wirkenden Davids von Augsburg (gest. 1272), mehr noch aber mit den Predigten Bertholds von Regensburg (gest. 1272) erreichten sie sogar reichsweite Wirkung. Im 14. Jahrhundert konnte mit Hadamar von Laber (gest. um 1360) und seiner Minneallegorie "Die Jagd" zumindest thematisch an ältere Minnesangtraditionen (Burggrafen von Regensburg/Rietenburg) angeknüpft werden, die beim Stadtbürgertum wohl nie erloschen waren (Neidhartfresken). Dabei darf erwähnt werden, dass der Verfasser von Minnesprüchen Reinmar von Brennenberg in der Stadt 1276 verstarb. Darüber hinaus war Hadamars Minneallegorie geradezu schulbildend. Literaturgeschichtlich wohl noch bedeutender war Konrad von Megenberg, mit dem in der Stadt von 1348 bis 1374 ein renommierter Autor der Fachliteratur Fuß fasste. Die anspruchsvollere Kleinepik vertritt in Regensburg Rüdeger der Hinkhofer ("Der Schlegel"). Im 15. Jahrhundert florierte mit Andreas von Sankt Mang (vor 1393–1442/48) die Geschichtsschreibung (u. a. eine volkssprachige "Chronik der Fürsten von Bayern"). Auch darin ist eine Grundlegung für das spätere Werk des Johannes Aventinus (1477-1534) zu sehen.

Landshut

Schon im Hochmittelalter war Landshut Rezeptionsort bedeutender Dichter wie Neidhart und Wolfram von Eschenbach. Auch der Spruchdichter Bruder Wernher dichtete in Landshut. Im 15. Jahrhundert verfasste kein geringerer als Hans Rosenplüt (der selbst allerdings aus Nürnberg stammte; 1400-1460) ein Panegyricon auf Ludwig den Reichen von Bayern-Landshut (reg. 1450-1479).

Ingolstadt

Für Ludwig den Bärtigen von Bayern-Ingolstadt (reg. 1413-1443), der selbst eine kleine volkssprachige Kriegslehre verfasste, machte der Herold und Wappendichter Johann Holland (geb. ca. 1390) weit verbreitete höfische Turnierreime. Zum bedeutenden literarischen Zentrum gerade auch der volkssprachigen Literatur entwickelte sich Ingolstadt aber erst seit 1472 mit der unter Herzog Ludwig dem Reichen vorgenommenen hiesigen Universitätsgründung. Abgesehen von Heidelberg (1386) stellte Ingolstadt die erste wittelsbachische Landesuniversität dar. Neben lateinischem wurde dort von Anfang an universitäres Schrifttum auch in der Volkssprache publiziert. Daneben stellte Ingolstadt eines der wichtigsten Zentren des Frühhumanismus im Reich dar (Konrad Celtis [1459-1508], Jakob Locher [1471-1528] u. a.).

Tegernsee

Tegernsee entfaltete als geistliches und geistiges Zentrum gerade im Spätmittelalter eine bemerkenswerte literarische Potenz. Dies gilt im Gefolge von Universitätsstudien späterer Tegernseer Benediktinermönche in Wien und den Erträgen der Melker Reform nicht nur für das lateinische, sondern auch für das frühneuhochdeutsche Schrifttum, welches wiederum in ganz Altbayern bei den illitterati Distribution erfuhr. So wurde Tegernsee für Altbayern das, was Melk im 15. Jahrhundert für Österreich bedeutete. Dabei bleibt zu beachten, dass Klöster nicht nur im Spätmittelalter, sondern in der gesamten Frühen Neuzeit im wenig urbanen Altbayern wichtige Literaturzentren blieben.

Indersdorf

An geistiger Potenz mit Tegernsee durchaus vergleichbar war auch das Augustinerchorherrenstift Indersdorf, das (auch literarisch) seit dem Hochmittelalter in enger Verbindung mit den Wittelsbachern stand. Indersdorf wurde besonders seit dem Priorat des Johannes von Indersdorf (1382-1470), der in Wien studiert hatte, für den Herzogshof einflussreich. Johannes von Indersdorf vermochte als herzoglicher Beichtvater sein volkssprachiges religiöses Schrifttum geschickt zu verbreiten. Als Zentrum der Raudnitzer Reform konnte Indersdorf zudem seinen literarischen Einfluss über Altbayern hinaus beträchtlich erweitern.

Forschung

Während die sog. schöne Literatur für den fraglichen Zeitraum über diverse Literaturgeschichten als gut erforscht gelten kann, bedarf es bei der Fachprosa, namentlich der auf die Landesuniversität Ingolstadt zurückgehenden, noch durchaus Untersuchungen. Insgesamt stellt auch eine die lateinische wie volkssprachige Literatur in Altbayern für das Mittelalter insgesamt überblickende neuere Literaturgeschichte ein Desiderat dar. Eine solche Literaturgeschichte sollte mithilfe eines weiteren Literaturbegriffs der Gefahr begegnen, das Spezifikum und den Charakter altbayerischer Literatur im Spätmittelalter zu verfehlen, denn eine Beschränkung auf sog. poetische Gattungen oder Höhenkammliteratur würde tendenziell zu eher unbefriedigenden Ergebnissen führen, die der Lebendigkeit literarischen Lebens in Altbayern nicht gerecht werden könnte. Dagegen zeigt eine gattungsmäßige Ausweitung, etwa auf die Fachprosa, eine Flankierung von Modernisierungstendenzen in der spätmittelalterlichen Landesherrschaft. Dementsprechend wäre methodisch für eine Literaturgeschichte eine Anlehnung an das Konzept der Literarischen Interessenbildung (Joachim Heinzle) sinnvoll. Dabei muss für einige Gattungen wie Schreiborte erst noch eine systematische Heuristik (die Sammlung möglichst aller unterschiedlichen Überlieferungsträger eines Textes oder der Textzeugen) angegangen werden.

Literatur

  • Martin Baisch (Hg.), Der "Jüngere Titurel" zwischen Didaxe und Verwilderung. Neue Beiträge zu einem schwierigen Werk (Aventiuren 6), Göttingen 2010.
  • Christian Bauer, Geistliche Prosa im Kloster Tegernsee. Untersuchungen zu Gebrauch und Überlieferung deutschsprachiger Literatur im 15. Jahrhundert (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 107), Tübingen 1996.
  • Horst Brunner, "Ahi, wie werdiclichen stat der hof in Peierlande!" – Deutsche Literatur des 13. und 14. Jahrhunderts im Umkreis der Wittelsbacher, in: Hubert Glaser (Hg.), Die Zeit der frühen Herzöge. Von Otto I. zu Ludwig dem Bayern (Wittelsbach und Bayern 1/1), München 1980, 496-511.
  • Sonja Emmerling, Hadamar von Laber und seine Liebesdichtung "Die Jagd" (Forum Mittelalter 2), Regensburg 2005.
  • Edith Feistner, Das spätmittelalterliche Regensburg als Literaturstadt: Werke, Sammlungen, Fragmente, in: Peter Schmid (Hg.), Regensburg im Spätmittelalter (Forum Mittelalter. Studien 2), Regensburg 2007, 125-136.
  • Hanns Fischer/Johannes Janota, Die deutsche Literatur, in: Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 2. Band: Das alte Bayern. Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 2., überarbeitete Auflage 1988, 972-977.
  • Joachim Heinzle, Vom hohen zum späten Mittelalter. Wandlungen und Neuansätze im 13. Jahrhundert (1220/30-1280/90) (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit 2/2), Tübingen 2., durchgesehene Auflage 1994.
  • Johannes Janota, Vom späten Mittelalter zum Beginn der Neuzeit. Orientierung durch volkssprachige Schriftlichkeit (1280/90-1380/90) (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit 3/1), Tübingen 2004.
  • Fritz Peter Knapp, Literatur vom frühen bis zum späten Mittelalter (750-1350), in: Albrecht Weber (Hg.), Handbuch der Literatur in Bayern. Vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart. Geschichte und Interpretationen, Regensburg 1987, 27-45.
  • Bernd Neumann, Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Aufführung mittelalterlicher religiöser Dramen im deutschen Sprachgebiet. 2 Bände (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 84/85), München 1987.
  • Hans Pörnbacher, Die volkssprachliche geistliche Literatur des Mittelalters in Bayern, in: Walter Brandmüller (Hg.), Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte. 1. Band: Von den Anfängen bis zur Schwelle der Neuzeit, Sankt Ottilien 1999, 837-851.
  • Virgil Redlich, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte im 15. Jahrhundert (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 9), München 1931.
  • Martin Schubert (Hg.), Schreiborte des deutschen Mittelalters. Skriptorien - Werke - Mäzene, Berlin/Boston 2013.
  • Wilhelm Volkert (Hg.), Das Rechtsbuch Kaiser Ludwigs des Bayern von 1346 (Bayerische Rechtsquellen 4), München 2010.
  • Klaus Wolf, Astronomie für Laien? Neue Überlegungen zu den Primärrezipienten der "Deutschen Sphaera" Konrads von Megenberg, in: Edith Feistner (Hg.), Konrad von Megenberg (1309-1374). Ein spätmittelalterlicher "Enzyklopädist" im europäischen Kontext (Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 18), Wiesbaden 2011, 313-325.
  • Klaus Wolf, Hof – Universität – Laien. Literatur- und sprachgeschichtliche Untersuchungen zum deutschen Schrifttum der Wiener Schule des Spätmittelalters (Wissensliteratur im Mittelalter 45), Wiesbaden 2006.
  • Klaus Wolf, Literarisches Leben um Ludwig den Bayern. Literarische Gattungen zwischen Tradition und Innovation im Dienst von Netzwerken und Gegnern, in: Peter Wolf, Evamaria Brockhoff, Elisabeth Handle-Schubert u. a. (Hg.), Ludwig der Bayer. Wir sind Kaiser! Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2014 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 63), Augsburg 2014, 69-72.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Klaus Wolf, Literatur in Altbayern (Spätmittelalter), publiziert am 25.10.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Literatur in Altbayern (Spätmittelalter) (29.03.2024)