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Leiherechte in Franken: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Version vom 17. Oktober 2019, 10:41 Uhr

von Hans-Peter Baum

Der Sammelbegriff "Leiherechte" steht für die Überlassung von Land, seltener von nutzbaren Rechten, durch einen Herrn bzw. Obereigentümer an einen Vasallen bzw. Nutzeigentümer. Zwei Arten von Leihe werden grundsätzlich voneinander unterschieden: die vasallitische und die grundherrschaftliche Leihe. Bei ersterer übten die Vasallen zugleich als Grundherren Herrschaft über die Bauern aus, die diese Güter für sie bewirtschafteten. Eine deutliche begriffliche Unterscheidung der beiden Leihekategorien entwickelte sich in Franken erst im 12. Jahrhundert. Als Gegenleistungen für die vasallitische Leihe verlangte der Herr militärische und/oder politisch-administrative Dienste, bei der grundherrschaftlichen Leihe Abgaben in Form von Naturalien, Geld und Frondiensten. Die vasallitische Leihe existierte in verschiedenen Formen, u.a. als Mannleihe (nur männliche Erbfolge) und als Zinsleihe (geringerer rechtlicher Status, aber auch weibliche Erbfolge). Grundherrschaftliche Güter wurden in Franken bis ins 14./15. Jahrhundert i.d.R. zur temporären Nutzung verliehen. Erst seit dieser Zeit bildete die Erbzinsleihe (freie Vererbung und mögliche Aufteilung unter den Erben, sog. Realteilung) die vorherrschende Form. Die Erbzinsleihe und das mit ihr verbundene System von Abgaben und Diensten blieb im Großen und Ganzen unverändert bis zur Bauernbefreiung im 19. Jahrhundert bestehen.

Einleitung

Wenn von Leihe und Leiherechten im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit die Rede ist, handelt es sich meist um die Überlassung von Land durch einen Herrn oder Obereigentümer an einen Vasallen oder Nutzeigentümer. Seltener ging es dabei um die Verleihung nutzbarer Rechte. Die Überlassung von Gütern zur Leihe zerfiel prinzipiell in zwei rechtlich und sozial unterschiedene Kategorien. An erster Stelle stand die vasallitische Leihe, bei der meist adlige, seltener bürgerliche Vasallen Lehengüter empfingen. Dafür mussten sie dem Herrn militärische und/oder politisch-administrative Leistungen erbringen. Die Vasallen wurden durch den Leihevorgang auch zu Grundherren und erhielten Herrschaft über die Menschen, die die Güter bewirtschafteten. An zweiter Stelle ist die überwiegend bäuerliche Leihe im Rahmen der Grundherrschaft zu nennen, bei der das Land denjenigen verliehen wurde, die es selbst bebauten. Als Gegenleistung wurden hier Abgaben in Naturalien und/oder Geld sowie Frondienste verlangt. Diese Leihe beinhaltete keine Herrschaft über Menschen. Erst der Blick auf beide Leihekategorien ergibt ein treffendes Bild der Besitzrechte im vormodernen Europa. In Franken gab es seit dem Hochmittelalter kaum noch herrschaftsfreien bäuerlichen Besitz.

Die vasallitische Leihe

Beide Leihekategorien waren vielfältig miteinander verflochten. Der Lehensherr konnte Land als Zins-, aber ebenso als Mannlehen auch direkt an Bauern ausgeben. Andererseits gaben seine adligen oder bürgerlichen Vasallen ihre Lehen ganz überwiegend als Zinslehen an Bauern weiter. Diese sollten die Erträge erwirtschaften, die es den direkten Vasallen ermöglichten, die von ihnen erwarteten Leistungen zu erbringen. Eine klare begriffliche Unterscheidung der beiden Leihekategorien entstand erst im 12. Jahrhundert. So zeigen die Urkunden des Würzburger Benediktinerklosters St. Stephan, dass erst seit dieser Zeit deutlicher zwischen den Prekarien, die eine grundherrliche Beziehung mit wirtschaftlichen Diensten und Abgaben begründeten, und den Benefizien, die einem vasallitischen Dienstverhältnis zugrunde lagen, differenziert wurde. Letztere, fortschreitend nur noch an Adlige vergeben, wurden schnell erblich, während es im Falle der Prekarien zunächst bei der Vergabe auf Lebenszeit blieb.

Die Verflechtung der vasallitischen mit der grundherrlichen Leihe zeigt sich auch in den Formen der Verleihung. Seit dem 14. Jahrhundert näherten sich die grundherrlichen Formen den vasallitischen immer mehr an; es wurde – wiederum nach Quellen des Klosters St. Stephan – üblich, dass der mit einem Erbzinsgut beliehene Bauer/Bürger dem Abt als Lehensherrn einen Treueid (Homagium) leistete. Wie es mancherorts bei der vasallitischen Leihe Sitte war, legte er dabei seine gefalteten Hände in die Hände des Abtes. Die formelle Angleichung, zumal das Homagium, folgte zweifellos dem Vorbild der vasallitischen Belehnung. Der Treueid verpflichtete den Lehensmann, den Nutzen des Lehensherrn zu mehren, ihn vor Schaden zu bewahren, die Güter in gutem Stand zu halten und nicht ohne Vorwissen des Lehensherrn zu verkaufen, zu verpfänden oder zusätzlich zu belasten. Er schuf ein persönliches Treueverhältnis zwischen Lehensherrn und -mann. Dies galt auch bei den Zinslehen.

Mannlehen und Zinslehen

Die vasallitischen Lehen wurden seit dem 14. Jahrhundert in Franken in den Lehenbüchern (libri feudorum) der großen, später auch der kleineren Herrschaften erfasst. Wichtig war die Erfassung im Lehenbuch für Bürger und Bauern, die Zins- oder Mannlehen direkt empfingen. Auch wenn von ihnen seit etwa 1400 keine Kriegs- oder Hofdienste mehr verlangt wurden, fielen solche Lehen unter das Lehensrecht. Somit konnte der Herr dem Vasallen im Falle der Nichtleistung der Abgaben das Lehen nur mit Spruch eines Lehensgerichts, meist erst nach drei Jahren, entziehen. Da Bürger und Bauern aber z. B. im Würzburger Lehenhof die Mehrzahl der Vasallen stellten, wenn auch nur mit vielen kleinen, unbedeutenden Lehen, ist diese Leiheform hier zu berücksichtigen. Die in grundherrlicher Leihe vergebenen Güter wurden in Urbaren und Salbüchern erfasst.

Von den bedeutenderen vasallitischen Lehen, die überwiegend an hoch- und niederadlige Vasallen gingen, wurden als Gegenleistung Rat und Hilfe, d. h. höherwertige Dienste, erwartet. Die Erblichkeit dieser Lehen setzte sich zwar früh durch, aber mit einer wichtigen Einschränkung. Ihre ursprüngliche Rechtsform war das Mannlehen, weil nur erwachsene Männer die erwarteten, insbesondere militärischen, Dienste leisten konnten. Mannlehen wurden daher nur in direkter Folge vom Vater auf den Sohn vererbt. Fehlten Söhne, fiel das Lehen an den Lehensherrn zurück. Seit dem Spätmittelalter konnten aber bei adligen Vasallen Mannlehen auch an männliche Seitenverwandte, also Brüder, Neffen usw. fallen. Dies ermöglichte es, wichtige Lehen in der agnatischen Familie zu halten. Dabei handelte es sich um eine Begünstigung v. a. der niederadligen Familien, die auf dieses Angebot mit der vermehrten Auftragung von Eigengut an die Lehensherrn reagierten. Damit wollten sie die Zersplitterung oder den Verlust wichtiger Familiengüter vermeiden. Eigengüter wären hingegen nach Landrecht im Erbgang an Söhne und Töchter gefallen und dann z. B. in Form von Mitgiften der ursprünglichen Besitzerfamilie verloren gegangen. Das Hochstift Würzburg und die Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth, die am schärfsten konkurrierenden großen Lehenhöfe in Franken, boten dieses neue Mannlehenrecht, der für Franken nicht unwichtige fuldische Lehenhof hingegen nicht. Der Versuch der Ritterschaft, die Vererbung auch von Mannlehen in weiblicher Linie durchzusetzen, scheiterte jedoch. Bürgerlichen oder bäuerlichen Inhabern von Mannlehen wurde dieses erweiterte Erbrecht nicht gewährt. Viele von ihnen wandelten daher ihre Mannlehen im 15. Jahrhundert in Zinslehen um, obwohl deren rechtlicher Status geringer war und nun meist eine Abgabe zu leisten war. Die Lehen gehörten dann zu den gemeinen oder Söhne- und Töchter-Lehen, d. h. sie konnten auch an weibliche Erben fallen. Solche Lehen gab es auch beim Adel, hier aber wurden sie nicht zu Zinslehen.

Die grundherrschaftliche Leihe

Die grundherrschaftliche Leihe war die Vergabe von Land an diejenigen, die es unmittelbar nutzten bzw. bebauten, also meistens an Bauern. Für die Überlassung des Lands waren sie zu Abgaben und Dienstleistungen an ihre direkten Herren (oft selbst Vasallen größerer Herren) verpflichtet. Diese wiederum sollten als Gegenleistung Sicherheit und Schutz gewähren. In römisch-rechtlicher Diktion hatten die Herren das "dominium directum" (Obereigentum), die Bebauer des Landes das "dominium utile" (Nutzeigentum) inne. Die klare Begrifflichkeit bei der Unterscheidung von Obereigentum und Nutzeigentum entstand erst im Laufe des 14. Jahrhunderts. Vorher gab es Umschreibungen mit "proprietas" und "utilitas", "usus (fructuarius)", wobei "proprietas" durchaus auch für beide Eigentumskategorien verwendet wurde.

Die landesgeschichtliche Forschung hat fast einhellig festgestellt, dass die Bauern in Franken seit dem Spätmittelalter das von ihnen bebaute Land zu günstigen Bedingungen, meist in der Form der sog. Erbzinsleihe, innehatten. Das bedeutete, dass der Besitz ihnen kaum entzogen werden konnte, solange die Abgaben geleistet wurden. Weiterhin beinhaltete dies, dass der Besitz frei vererbt werden konnte – obwohl beim Besitzerwechsel, auch im Erbfall, fast immer der Handlohn anfiel. Der Besitz konnte zudem unter den Erben in der Form der sog. Realteilung frei aufgeteilt werden. Auch der Verkauf des zu Leihe erhaltenen Landes und der Abzug der Bauern waren kaum behindert, wenn es einen geeigneten Nachfolger gab.

Die Entwicklung zur Erbzinsleihe

Als sicher gilt, dass vom Hochmittelalter bis ins 14. Jahrhundert hinein, teils bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, in Franken den Bauern Land im Regelfall nur zur Nutzung auf Zeit verliehen wurde. Meistens wurde ihnen der Wirtschaftsbetrieb kurzfristig, auf ein Jahr, oder, im Einklang mit den Erfordernissen der Dreifelderwirtschaft, auf drei, sechs, seltener zwölf Jahre überlassen. Die Bauern hatten so nur ein zeitpachtähnliches Besitzrecht an dem bewirtschafteten Hof. Diese Leiheform war unter Namen wie Freistift, Baurecht o. ä. bekannt. Abgaben wurden als Naturalien und Geld fällig, Frondienste kamen meist hinzu. Nach Ablauf der vereinbarten Frist konnte der Herr das Lehen zurücknehmen und zu neuen Bedingungen wieder an denselben Lehensnehmer oder einen anderen ausgeben. Er hatte den Vorteil, die Leihebedingungen kurzfristig modifizieren und somit den größtmöglichen Ertrag aus dem Gut erzielen zu können. Der Lehensnehmer stand hingegen unter dem Druck unsicherer Besitzverhältnisse. Es konnte sich aber auszahlen, einen gut wirtschaftenden Bauern länger zu halten. Daher kam es schon vor der allgemeinen Verbreitung der Erbzinsleihe zu Verleihungen auf die Lebenszeit des Lehensnehmers oder auf zwei Leben, z. B. des Bauern und seiner Witwe oder eines Sohnes. Verleihungen zu solchen Konditionen wurden Leibgeding oder Vitalleihe genannt. Damit war der Bauer der vorher drückenden Ungewissheit der Leihe schon weitgehend enthoben.

Ein Teil der Literatur vermutet, dass die Pestepidemien der Mitte des 14. Jahrhunderts durch die großen Bevölkerungsverluste und die daraus resultierende Wüstungswelle zu massiven Einkommensverlusten der Grundherren, zu einer Schere zwischen preislich sinkenden Agrar- und steigenden städtischen Gewerbeprodukten und zu einer verstärkten Abwanderung der bäuerlichen Bevölkerung in die Städte geführt hätten. Neben besseren Einkommenschancen gab es dort auch mehr persönliche Freiheit ("Stadtluft macht frei"). So sei es letztlich zur Durchsetzung der Erbzinsleihe gekommen: Um die Bauern in ihren Dörfern zu halten, hätten die Grundherren bessere Besitzrechte gewähren müssen. Die Forschung stützt sich dabei auf Wilhelm Abels (1904-1985) Agrarkrisentheorie.

Diese These ist durchaus plausibel und wird auch durch Quellenzeugnisse gestützt. Nach Quellen des Klosters St. Stephan in Würzburg ist jedoch das bessere Besitzrecht schon Ende des 12. Jahrhunderts nicht selten bei den sozial besser gestellten Grundholden seiner Grundherrschaften, insbesondere in der näheren Umgebung der Stadt, nachweisbar. Damit wird eine andersartige Erklärung für das Aufkommen der Erbzinsleihe eröffnet. Sie geht danach eher auf die bereits erwähnten Prekarien zurück, speziell die "precaria data" (kein Begriff der Quellen, sondern der historischen Forschung des 19. Jahrhunderts). Meist in Form einer Seelgerätsstiftung zum Gebet für die Seelen des Stifters oder seiner Verwandten, übergab ein Stifter ein Gut an das Kloster, nun Obereigentümer. Anschließend erhielt er es von dem Kloster als abhängiges Untereigentum, meist mit der Verpflichtung zur Zinszahlung, zurück. Da aber das Gut als Geschenk an das Kloster kam, war der Stifter/Schenker in der Lage, gute Bedingungen für zukünftige Dienste bzw. Leistungen auszuhandeln und sie auch auf seine Erben und Nachfolger auszudehnen. Von diesen Prekarienverträgen, die typischerweise mit rechtlich freien Personen ("libere conditionis", später Edelfreie) oder solchen aus Ministerialen- oder Patrizierfamilien abgeschlossen wurden, dehnte sich die Erblichkeit der Zinslehen auf die sozial tiefer stehenden, auf dem Lande lebenden Bauern des Klosters aus. Bei ihnen dürfte sich die Erblichkeit in der Weise durchgesetzt haben, dass der Herr zwar de iure bei der Neubesetzung des Lehens frei war, aber de facto die Erben des ersten Stifters bzw. Besitzers bevorzugte. Damit hatten jene nach mehreren Erbfolgen das Gut gewohnheitsrechtlich inne.

Vereidigung der Siebener, eines gemeindlichen Gremiums von Schiedsleuten, das speziell für Streitigkeiten über Besitz und Einkünfte in Feld und Stadt (oder Dorf) zuständig war. Die Abbildung stammt aus dem sog. Volkacher Salbuch von 1504. (Stadtarchiv Volkach, B2, fol. 444r)

Jedenfalls machen viele Quellen deutlich, dass schon im frühen 14. Jahrhundert zwischen Spessart und Steigerwald das Erbzinsrecht der Bauern gang und gäbe war. Man kann wohl annehmen, dass die Durchsetzung des Erbzinsrechts durch die große Pest von 1349/50 noch beschleunigt worden ist und besonders zu dessen Ausdehnung auf die weiter östlich gelegenen Teile Frankens beitrug. Denn anscheinend wurden die Bereiche im Fichtelgebirge oder Frankenwald, in der Fränkischen Schweiz oder an der Rezat mit Verzögerung erfasst. Erst um 1500 dürfte das Erbzinsrecht dort vorherrschend geworden sein. Parallel mit diesem breiteten sich auch die Rechte der bäuerlichen Gemeinden aus; deren Ausbildung kann als Anzeichen für die Geltung des besseren Leiherechts gedeutet werden. So hatten schon im 14. Jahrhundert in Spessart und Steigerwald viele Dörfer gewählte Gemeindevertreter neben den von der Herrschaft eingesetzten Schultheissen, weiterhin oft einen Gemeindeschreiber, ein Rathaus, ein eigenes Siegel, in Weistümern festgelegte Rechte usw. Solche Einrichtungen sind in den östlichen fränkischen Gebieten wiederum erst deutlich später anzutreffen. Besonders wenig entwickelt waren anscheinend die Gemeinderechte im Obermaingebiet, speziell in der Markgrafschaft Bayreuth. Um Ansbach und Uffenheim (Lkr. Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim) herum gab es andererseits – zumindest im 18. Jahrhundert – Freidörfer, wo die Gemeinden selbst im Besitz der Dorfherrschaft waren, die Gemeindeämter selbst besetzten, die Dorfpolizei in Händen hatten und sogar Gewerbefreiheit herrschte.

Die mit der Erbzinsleihe verbundenen Abgaben und Dienste

Auch wenn das in Franken geltende Leiherecht als günstig für die Bauern gelten kann, waren diese durch Abgaben und Dienste stark belastet. Zunächst waren die vereinbarten Anteile an der Ernte von Acker- und Gartenfrüchten als Naturalien oder in Geld dem Grundherrn abzuliefern. Es ist schwierig, die Höhe der grundherrlichen Anteile genau zu beziffern, da Zins und Gült von Gut zu Gut variierten. Man wird aber annehmen können, dass etwa ein Viertel bis ein Drittel der Ernte abzutreten war. Dazu kamen der große Zehnt (vom Getreide), der kleine Zehnt (von anderen Feld- und Gartenfrüchten) und der Blutzehnt (von Kleintieren). Die Zehnten (d. h. 1/10 der Ernte) dienten zunächst dem Unterhalt von Kirche und Pfarrer, waren aber schon seit dem 13., spätestens 14. Jahrhundert oft in andere Hände gelangt und wurden frei gehandelt. Entsprechend der üblichen 5%igen Verzinsung von Kapital geschah dies im 15./16. Jahrhundert zum Zwanzigfachen des Ertrags. Der Zehnte machte demnach nicht unbedingt genau ein Zehntel der Ernte aus, sondern in guten Jahren vielleicht nur ein Zwölftel oder weniger, in schlechten aber ein Achtel oder mehr des tatsächlichen Ertrags. Dabei wirkte der Getreidepreis ausgleichend, weil er in besseren Erntejahren fiel, in schlechten stieg. Man wird vermuten können, dass im Falle von gravierenden Missernten der gewöhnliche Ertrag nicht erreicht wurde und dann auch der Bezieher des Zehnten Einbußen hinnehmen musste. Meist dürften aber die Bauern bei der Abrechnung des Zehnten Verluste erlitten haben.

Die Dorfbewohner waren meist verpflichtet, die herrschaftliche Mühle zu nutzen, woraus dem Grundherrn weitere Einnahmen zuflossen. Hier schwört ein Müller zusammen mit Frau, Kind und Knecht dem Bürgermeister von Volkach den Eid, um die örtliche Mühle in Empfang zu nehmen. (Stadtarchiv Volkach, B2, fol. 441r)

Im 15. Jahrhundert wurden manche Güter bei kurzer Leihfrist auf Teilbau ausgegeben. Dabei dürfte es sich um einen Versuch gehandelt haben, die Ausbreitung der Erbzinsleihe zu unterlaufen. Beim Teilbau war ein Drittel, sogar die Hälfte der Ernte an den Grundherrn abzugeben. Allerdings trug dieser auch das Risiko mit, d. h. er erhielt nur seinen vertraglichen Anteil der Ernte, ganz gleich wie diese ausfiel. Die damit verbundenen größeren Einnahmeschwankungen dürften bewirkt haben, dass diese Leiheform sich in Franken nicht durchsetzte - obwohl sie den Grundherren wieder die Möglichkeit gab, die Leihverträge relativ kurzfristig zu ändern.

Neben den schon genannten Abgaben mussten die Bauern, die ein Gut in Erbzinsleihe besaßen, dem Grundherrn eine Abgabe beim Besitzwechsel leisten, den Handlohn (lat. Laudemium). In Franken belief er sich auf 5-10 % des Gesamtwerts des Gutes, doch ohne fahrende Habe und Vieh. Sie war nicht nur beim Verkauf des Guts, sondern auch im Erbgang oder bei der Übertragung als Mitgift fällig. Es gab, jedoch in Franken selten, neben der Abgabe des Handlohns in dienender Hand auch die in herrschender Hand, d. h. beim Wechsel des Grundherrn. Verließ ein Bauer mit dem Gut auch die Grundherrschaft, wurde die Nachsteuer fällig; sie belief sich auf 2 % bis 5 % des Werts der mitgenommenen Habe. Wohl überall in Franken gaben die Bauern als symbolische Anerkennung (Rekognitionszins) der Grundherrschaft jährlich ein Fastnachtshuhn. Wo in Franken noch die Leibeigenschaft bestand, fiel beim Tod des Bauern das beste Stück Vieh als Besthaupt, beim Tod der Bäuerin deren bestes Kleid, als Gewandfall an den Grundherrn. Der Gerichtsherr, der nicht unbedingt identisch mit dem/den Grundherren im Dorf war, hatte von jeder Herdstelle in der Gemeinde ein Rauchhuhn bzw. Rauchpfund als Rekognitionszins.

Hirten für die Schafe, Rinder und Schweine der Bauern und Bürger wurden meist von der Gemeinde selbst angestellt. (Stadtarchiv Volkach, B2, fol. 411v)

Wie praktisch überall in Europa wurden von den Bauern über die Abgaben in Naturalien und Geld hinaus persönliche Dienste verlangt. Bei den Diensten waren wohl die regionalen Unterschiede noch größer als bei den Abgaben. Von den Inhabern ganzer Huben (ungeteilte Bauerngüter), die in Franken meist zwischen zehn und 20 ha umfassten, wurden etwa in der Herrschaft des Zisterzienserklosters Ebrach im Steigerwald acht bis 16 Tage Fronarbeit im Jahr verlangt, von den Besitzern halber Huben sechs bis zwölf Tage. In Franken überwogen die gemessenen Leistungen, die zeitlich oder sachlich begrenzt waren, also eine bestimmte Zahl von Fuhren oder das Pflügen einer festgelegten Ackerfläche und dergleichen umfassten. In Franken scheinen viele Fronpflichten bereits im Spätmittelalter in Geldzahlungen umgewandelt worden zu sein, was z. T. mit den erwähnten zunehmenden Rechten der Gemeinden einherging. Dann löste z. B. die Gemeinde durch eine Pauschalzahlung eine Fron für alle Pflichtigen ab. Auch bei den Fronen dürfte es ein Ost-West-Gefälle in Franken gegeben haben. In der Coburger Gegend scheinen im Spätmittelalter 50 bis 60 Frontage üblich gewesen zu sein.

Abgesehen von den in Franken selteneren leibherrschaftlichen Abgaben waren alle genannten Lasten Reallasten, d. h. sie lagen auf dem zur Leihe genommenen Gut und nicht auf der Person des Bauern. Sie entstanden mit der Leihe und endeten mit der Aufgabe des Guts. Ein Bauer, der sein Lehengut verkaufte und wegzog, war dem Grundherrn über die Nachsteuer hinaus nichts mehr pflichtig.

Die Realteilung

Die Realteilung zur Leihe genommener Güter war in Franken sehr verbreitet. Nach mehreren Erbgängen führte sie nicht selten dahin, dass nur noch kleine Bruchteile des ursprünglichen Guts – meist der erwähnten Hube – vererbt wurden. Sie reichten nicht aus, um eine Familie zu ernähren. So ist aus Ortschaften in der Grafschaft Wertheim bekannt, dass im 15. Jahrhundert Anteile von nur noch 1/48 im Erbgang erworben wurden. Statt Ackerstücken erhielten die Erben höchstens noch einige Gartenbeete und diese verstreut über das ganze Dorf. Unter dem Gesichtspunkt einer rationellen bäuerlichen Wirtschaft waren solche Teilungen nicht sinnvoll. Daher ist zu fragen, warum die Grund- oder Territorialherren nicht gegen solche Auswüchse einschritten. Zwei Erklärungen bieten sich an: Für größere Territorialherren spielten die Einnahmen aus der Grundherrschaft seit dem Spätmittelalter keine wichtige Rolle mehr. So trugen z. B. die grundherrschaftlichen Einnahmen um 1550 in der Grafschaft Wertheim nur noch etwa zwölf bis 15 % zum Gesamtbudget bei. Der zweite Grund ist vielleicht darin zu sehen, dass bei der Realteilung das Land zwar weitgehend aufgeteilt wurde, einige der aus der Grundherrschaft fließenden Einnahmen aber dadurch steigen konnten. So wurde bei vielen Teilhabern an dem geteilten Gut der Handlohn ohne Zweifel sehr viel öfter fällig als bei nur einem Besitzer. Zudem wurde der Handlohn nicht unbedingt auf 1/48 Anteil vermindert. Das Fastnachtshuhn wurde wohl kaum auf 1/48 geteilt, sondern war von jedem Teilhaber als ein ganzes Huhn zu entrichten. Auch die Dienste, die an der einst ungeteilten Hube hingen, wurden nicht auf 1/48 geteilt. Die Grundherren waren in der Lage, einige Abgaben und Dienste unvermindert oder nur wenig vermindert von jedem einzelnen Inhaber eines kleinen Anteils einzufordern. Damit konnte sich die Realteilung für sie finanziell günstig oder zumindest nicht nachteilig darstellen.

Die Erbzinsleihe und das mit ihr verbundene System von Abgaben und Diensten blieb in Franken im Wesentlichen unverändert bis zur Bauernbefreiung während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestehen. Sie machte alle bisher auf den Gütern der Bauern liegenden Lasten ablösbar. Zwar wurden die feudalen Lasten in Franken – anders als in Frankreich 1789 – nicht entschädigungslos abgeschafft, aber die Bauern waren doch in der Lage, mithilfe von Krediten die Ablösesummen aufzubringen und die Kredite meist in ein bis zwei Jahrzehnten zurückzuzahlen.

Zum Forschungsstand

Die hier benutzte Literatur stammt überwiegend aus den 1970er bis späten 1990er Jahren. Die Forschung zur Agrargeschichte hat seitdem zwar nicht stillgestanden, aber es gibt kaum neuere Arbeiten für die Region Franken, die zu der hier interessierenden Frage des Leiherechts, speziell des bäuerlichen Leiherechts, neue und abweichende Ergebnisse erbracht hätten. An wenigstens teilweise das Thema berührenden neueren Sammelbänden sind etwa die von Helmut Flachenecker und Rolf Kießling zu Wirtschaftslandschaften in Bayern von 2010 oder Werner Rösener über Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft von 2000 zu nennen. Die Arbeiten von Helmut Demattio zu Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit am Beispiel eines Dorfs im Haßgau (2003), Andreas Flurschütz da Cruz über die Dorfherrschaft in Westheim und David Petry zu fränkischen Dorfordnungen des 15. bis 18. Jahrhunderts (beide von 2011), gehen nicht vertieft auf Leiherechte ein.

Literatur

  • Wilhelm Abel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter, Hamburg u. a. 3. Aufl. 1978.
  • Kurt Andermann/Oliver Auge (Hg.), Dorf und Gemeinde. Grundstrukturen der ländlichen Gesellschaft in Spätmittelalter und Frühneuzeit (Kraichtaler Kolloquien 8), Epfendorf 2012.
  • Klaus Arnold, Niklashausen 1476. Quellen und Untersuchungen zur sozialreligiösen Bewegung des Hans Behem und zur Agrarstruktur eines spätmittelalterlichen Dorfes (Saecula Spiritalia 3), Baden-Baden 1980.
  • Peter Blickle, Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte 35), Stuttgart/New York 1989.
  • Karl Dinklage (Hg.), Fränkische Bauernweistümer (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte X/4), Würzburg 1954.
  • Hanns-Hubert Hofmann, Bauer und Herrschaft in Franken, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 14 (1966), 1-29.
  • Friedrich Lütge, Geschichte der deutschen Agrarverfassung vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert (Deutsche Agrargeschichte 3), Stuttgart 2. Aufl. 1967.
  • Joseph Morsel, Die Erfindung des Adels. Zur Soziogenese des Adels am Ende des Mittelalters – das Beispiel Franken, in: Otto G. Oexle/Werner Paravicini (Hg.), Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 133), Göttingen 1997, 302–375.
  • Helmut Neumaier, Fränkische Reichsritterschaft Ort Odenwald versus Grafen von Hatzfeldt. Eine Fallstudie "in puncto collectationis", in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 76 (2016), 101–132.
  • Monika Ofer, St. Stephan in Würzburg. Untersuchungen zu Herrschafts-, Wirtschafts- und Verwaltungsformen eines Benediktinerklosters in Unterfranken 1057–1500 (Dissertationen zur mittelalterlichen Geschichte 6), Köln/Wien 1990.
  • Dieter Rödel, Grundherrschaft und Landesausbau im Hochmittelalter am Beispiel Mainfrankens, in: Werner Rösener (Hg.), Grundherrschaft und bäuerliche Gesellschaft im Hochmittelalter (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 115), Göttingen 1995, 294-319.
  • Werner Rösener, Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte 13), München 1992.
  • Peter Rückert, Landesausbau und Wüstung des hohen und späten Mittelalters im fränkischen Gäuland (Mainfränkische Studien 47), Würzburg 1990.
  • Rolf Sprandel, Von der Burgpertinenz zum Amtsterritorium. Deutsche Verfassungsgeschichte im Spiegel unterfränkischer Quellen, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 71 (2014), 57–70.
  • Wilhelm Störmer, Ansatzpunkte politischer Willensbildung der Bauernschaft im spätmittelalterlichen Schwaben, Franken und Bayern, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 23 (1975), 165-180.
  • Hildegard Weiss, Das Agrarwesen vom Spätmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. § 65: Die rechtliche und soziale Lage der Bauern, in: Max Spindler (Begr.)/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 3. Band, 1. Teil: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 1997, 878-895.

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Hans-Peter Baum, Leiherechte in Franken, publiziert am 14.12.2018, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Leiherechte_in_Franken> (16.04.2024)