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Lechsgemünd-Graisbach, Grafen von

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Stammbaum der Grafen von Lechsgemünd-Graisbach, beginnend mit Graf Heinrich, dem Stifter von Kloster Kaisheim, 1. Hälfte 16. Jahrhundert, Tempera auf Papier, 114 x 42 cm. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Plansammlung 20593, aus: Werner Schiedermair, Kaisheim - Markt und Kloster, Farb-Abb. 31, 51)
Wappen der Grafen zu Lechsgemünd. Bestandteil einer Tafel mit Wappen von Familien, die sich um das Kloster Kaisheim verdient gemacht haben, um 1500, Öl auf Holz, 45 x 287 cm. (Original: ehemalige Klosterkirche Kaisheim, aus: Werner Schiedermair, Kaisheim - Markt und Kloster, Farb-Abb. 58, 76f., Foto: Philipp Schönborn)
Wappen der Grafen zu Neuffen und Graisbach. Bestandteil einer Tafel mit Wappen von Familien, die sich um das Kloster Kaisheim verdient gemacht haben, um 1500, Öl auf Holz, 45 x 287 cm. (Original: ehemalige Klosterkirche Kaisheim, aus: Werner Schiedermair, Kaisheim - Markt und Kloster (2001), Farb-Abb. 58, 76f., Foto: Philipp Schönborn)
Die Burgen Graisbach und Lechsgemünd, die "Stammsitze" der Grafen von Lechsgemünd-Graisbach, kolorierte Federzeichnung aus der Chronik des Johannes Knebel (gest. 1532) von 1531, 31 x 15 cm (Blattgröße). (Original: Archiv des Bistums Augsburg, HS 132, Vv)

von Doris Pfister

Seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts belegtes Adelsgeschlecht, das mit Kaisheim und Niederschönenfeld zwei bedeutende Klöster gestiftet hat. Einfluss und Besitz reichten über den schwäbisch-westbayerischen Raum hinaus nach Frontenhausen/Niederbayern, bis Sulzau-Mittersill im oberen Pinzgau und Windisch-Matrei in Osttirol. Benannte sich die Familie anfangs hauptsächlich nach der "Stammburg" Lechsgemünd (heute Lechsend im Landkreis Donau-Ries) wechselte die Benennung im 13. Jahrhundert bald nach Lechsgemünd, bald nach dem neuen, benachbarten Wohnsitz Graisbach, dann nach Graisbach allein. In der Forschung hat sich deshalb der Familienname Lechsgemünd-Graisbach eingebürgert. Das 1327 in der Manneslinie ausgestorbene Geschlecht hielt das Hochgericht in der Grafschaft Graisbach, das als "kaiserliches Landgericht", später wittelsbachisches Landgericht Graisbach bis 1523 seinen Sitz auf der gleichnamigen Burg hatte.

Herkunft und frühe Erwähnungen

Die Anfänge der Grafen von Lechsgemünd-Graisbach lassen sich nur schwer klären. Auch die gängigen Stammtafeln (v. Guttenberg, Tyroller) sind teilweise nicht unbedenklich. So ist bislang nicht zu belegen, ob zwischen einem 1044/53 nachweisbaren Graf Chuno im Sualafeld und den später in diesem Raum amtierenden Lechsgemündern eine genealogische Verbindung besteht. Ebenso wenig ist die Einordnung von Leodegar, dem Stifter von St. Walburg in Eichstätt (1035), als "Stammvater" der Grafen von Lechsgemünd oder deren konstruierte Ableitung von den Welfen und Luitpoldingern beweisbar.

Erstmals tritt ein Heinrich (I.) von Lechsgemünd bei Bruno in seinem Buch vom Sachsenkrieg auf. Er habe an der Seite Heinrichs IV. (reg. 1056-1106, Kaiser ab 1084) gekämpft und bei Mellrichstadt (Lkr. Röhn-Grabfeld) am 7. August 1078 den Tod gefunden. Über seine Vorfahren oder Nachkommen ist nichts bekannt. Auch die Frage, ob er mit dem urkundlich noch 1080 genannten Graf Heinrich von Weißenburg gleichzusetzen ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden.

Ein zweiter Lechsgemünder namens Konrad (Kuno I.), möglicherweise ein Bruder oder Sohn des erstgenannten, erschien am 21. September 1091 ebenfalls in der Umgebung Heinrichs IV. und ist wohl 1092 verstorben. Aus seiner Ehe mit Mathilde, einer Tochter des Grafen Rudolf von Achalm, sind vier Söhne bekannt:

Bei diesem Horburg handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Harburg (Schwaben) (Lkr. Donau-Ries), denn ein zeitgleich im Elsass auftretender Kuno von Horburg und dessen gleichnamiger Sohn haben nach dem derzeitigen Forschungsstand (Eckhardt, Kuno von Horburg) mit der Lechsgemünder Familie nichts zu tun. Die schwäbische Harburg könnte demnach aus dem Erbe der Achalmerin stammen - belegen lässt sich das nicht. Es taucht zusätzlich ein weiterer Kuno von Horburg (gest. 1138/39) als Sohn der Irmgard von Rott (gest. 1101) und (Halb-)Bruder des Grafen Berengar von Sulzbach auf. Hier kann man vermuten, dass Irmgard von Rott, die nachweislich mit Graf Gebhard von Sulzbach (gest. 1085) verheiratet gewesen ist, in zweiter Ehe den älteren Kuno von Horburg geheiratet hat, und der jüngere Kuno beider Sohn war.

Das erste Auftreten der Lechsgemünder zeigt, dass sie in enger Beziehung zum Königtum standen und zudem bereits über eine "Stammburg" (Lechsgemünd, heute Lechsend, Gde. Marxheim, Lkr. Donau-Ries) verfügten. Ihre dortige Einsetzung dürfte sicherlich im Interesse Heinrichs IV. gelegen haben, der 1081 das nahe Donauwörth (Lkr. Donau-Ries), das Herrschaftszentrum der Herren von Werd (Mangolde), einnahm. Vermutlich waren die im Investiturstreit der gregorianischen Partei zugehörigen Mangolde "von der kaiserlichen Partei aus Donauwörth zeitweise verdrängt, mindestens aber bedrängt" worden, während "gleichzeitig eine kaisertreue Familie in diesem Raum angesetzt wurde, nämlich die der Lechsgemünder" (Störmer, Früher Adel, 297).

Heinrich II. von Lechsgemünd und seine Nachkommen

Die Abstammung des Kaisheimer Klosterstifters Graf Heinrich II. (gest. 1142/43) ist ebenfalls nicht mit letzter Sicherheit zu klären. Glaubhaft erscheint, in ihm einen Sohn Ottos von Lechsgemünd zu sehen. Ein namentlich nicht genannter Bruder Heinrichs taucht um 1120 in den Traditionsnotizen des Klosters Baumburg (Gde. Altenmarkt a. d. Alz, Lkr. Traunstein) auf. Ob man als diesen Bruder einen 1137 nachzuweisenden Otto von Möhren ansetzten darf, bleibt unsicher.

Verheiratet war Heinrich II. von Lechsgemünd mit Liutkard, die wie der Sohn Volkrad in der Kaisheimer Stiftungsurkunde von 1135 genannt ist. Volkrads Brüder waren Konrad und Heinrich III. Von diesen nannte sich Konrad (um 1160-um 1182 bezeugt) v. a. nach (Windisch-)Matrei und Sulzau-Mittersill/Pinzgau (beide Österreich), Heinrich (gest. 1207/08) nach Teisbach, Frontenhausen (beide Lkr. Dingolfing-Landau) und Megelingen. Heinrich hatte zwei Söhne: Otto (gest. vor dem Vater) und Konrad von Frontenhausen, Bischof von Regensburg (reg. 1204-1226).

Volkrad von Lechsgemünd selbst (1135-ca. 1145 bezeugt) war gleichfalls mit einer Liutkard, Tochter des Markgrafen Diepold III. von Vohburg (gest. 1146), verheiratet. Er hatte nachweislich zwei Söhne: Heinrich IV. (gest. nach 1214) und Diepold (gest. 1192), der mehrfach im Gefolge Kaiser Friedrichs I. (reg. 1152-1190) erscheint. Ein Volkrad und dessen Sohn Otto, die 1142 zusammen mit König Konrad III. (reg. 1138-1152) in Regensburg auftauchen, lassen sich nicht sicher einordnen.

Den Hauptstamm der Grafen von Lechsgemünd führte Diepolds Sohn Berthold I. (1193-1253 bezeugt) fort, der das Kloster Niederschönenfeld (Lkr. Donau-Ries) stiftete. Er nannte sich als erster nach der Burg Graisbach (Gde. Marxheim, Lkr. Donau-Ries), wenn auch die alte Benennung die übliche blieb. Seine Nachkommen waren Heinrich V. (1223-1237 bezeugt) und Berthold II. (1238-1288). Mit Berthold III. (1285-1324) starb 1324 - Berthold IV. war vor dem Vater gestorben - der letzte weltliche, mit seinem Bruder Gebhard von Graisbach, Bischof von Eichstätt (reg. 1324-1327), am 14. September 1327 der letzte Spross der Grafenfamilie in der Manneslinie aus.

Die Klosterstiftungen: Kaisheim und Niederschönenfeld

1133/35 entstand auf Gütern Heinrichs II. das Kloster Kaisheim (Lkr. Donau-Ries), das von Zisterziensern aus dem oberelsässischen Kloster Lützel übernommen wurde. Der Augsburger Bischof bestätigte am 21. September 1135 diese ihm übertragene Klosterstiftung. Das Ausstattungsgut war eher bescheiden, als einziges ist der Waldbezirk Haidwang urkundlich genannt. Ob in dem frühen, ab 1137/47 nachweisbaren Klosterbesitz in Bergstetten (Gde. Kaisheim, Lkr. Donau-Ries), Ammerfeld (Gde. Rennertshofen, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen), Ronheim (Gde. Harburg [Schwaben], Lkr. Donau-Ries) und Leitheim (Gde. Kaisheim, Lkr. Donau-Ries) gräfliches Eigengut enthalten war, lässt sich nicht klären. Es ist aber zumindest für einen Teil nicht auszuschließen.

Kaisheim erhielt eine Reihe königlicher und päpstlicher Schutzprivilegien und konnte sich bis ins 14. Jahrhundert eine bedeutende Besitzposition aufbauen, die sich bis in den Raum von Ingolstadt, Augsburg, Ulm, Giengen an der Brenz (Lkr. Heidenheim, Baden-Württemberg), Nördlingen (Lkr. Donau-Ries) und Eichstätt erstreckte. Das rasch aufblühende Kloster entwickelte sich damit zum territorialen Konkurrenten der Stifterfamilie und wurde bald ein attraktives Ziel expansiver Politik.

Das zisterziensische (1370 bestätigte) Privileg der Vogtfreiheit hatte auch den adeligen Stiftern keine Sonderrechte eingeräumt. Trotzdem und trotz aller sonstigen Privilegien ist es Kaisheim nicht gelungen, sich deren Aufsicht zu entziehen. Immer wieder standen die Äbte und der Konvent auch in Konflikt mit der Stifterfamilie, von deren Steuerhoheit sie sich 1321 teilweise freikaufen konnten. Nach dem Übergang an die Wittelsbacher 1342 geriet das Kloster dann zunehmend in ein Spannungsverhältnis zwischen dynastisch-bayerischen Ansprüchen und Reichsinteressen. 1370 erhielt es das Privileg der kaiserlichen Hofgerichtsbarkeit, 1521 ist es in der Reichssteuerliste aufgeführt. Die Hochgerichtsbarkeit mit Blutbann sowie die Reichsstandschaft konnte Kaisheim aber erst 1656 in einem Vergleich mit dem Fürstentum Pfalz-Neuburg durchsetzen.

Das Zisterzienserinnenkloster Niederschönenfeld verdankte seine Entstehung 1240/41 und die Erstausstattung Berthold I. von Lechsgemünd-Graisbach und seiner Frau Adelheid. Sie besetzten es mit frommen Frauen, vermutlich Beginen, die sich zuvor in Burgheim (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) niedergelassen hatten. Der Augsburger Bischof bestätigte am 9. Januar 1241 die Übersiedlung nach "Schoenenveldt"; die Anerkennung durch den Papst erfolgte 1254. Die geistliche Oberaufsicht über das Kloster hatte der Abt von Kaisheim.

Auch Niederschönenfeld gelangte, v. a. dank seiner fast ausschließlich adeligen Inwohnerinnen, zu umfangreichen Besitzungen. Ludwig der Bayer (reg. 1294-1347, König ab 1314, Kaiser ab 1328), der das Kloster besonders förderte, verlieh ihm 1322 die Niedergerichtsbarkeit. Seit 1342 bei Bayern, gehörte es zunächst zum Landgericht Graisbach, spätestens 1470 zum bayerischen Landgericht Rain (Lkr. Donau-Ries). Verbliebene Besitzungen und Rechte in dem ab 1506 pfalz-neuburgischen Landgericht Graisbach gingen dem Kloster nach dem Übertritt Ottheinrichs (reg. 1505-1559 als Pfalzgraf von Pfalz-Neuburg, 1556-1559 als Pfalzgraf und Kurfürst von der Pfalz) zum Protestantismus (1542) teilweise verloren.

Herrschaftsmittelpunkte: Die Burgen Lechsgemünd und Graisbach

Der ursprüngliche, mit dem 1078 gestorbenen Heinrich erstmals belegte Familiensitz auf der namengebenden Burg Lechsgemünd am nördlichen Donauufer, deren Burgstall und Mauerreste noch erkennbar sind, liegt etwas abseits vom gleichnamigen Dorf (heute: Lechsend, Gde. Marxheim, Lkr. Donau-Ries). Die Burg soll um 1240/48 durch Bürger aus Regensburg zerstört worden sein, nachdem Berthold II. diese zuvor in ihrem Handel auf der Donau behindert haben soll. Dies mag den Wechsel des Wohnsitzes der Familie und seine Verlegung auf die anderthalb Kilometer entfernt gelegene Burg Graisbach veranlasst haben. Viele Urkunden der folgenden Zeit sind tatsächlich von Graisbach datiert, doch verlor sich der Name Lechsgemünd erst allmählich.

Auf der beim Dorf Graisbach (früher: Greifsbach) stehenden Burg saßen anfangs Ministerialen der Lechsgemünder und des Bischofs von Eichstätt, als deren früher Vertreter Hartnit von Graisbach 1135 überliefert ist. Nach der Zerstörung ihrer Burg Lechsgemünd bewohnte die gräfliche Familie die Burg Graisbach selbst. Ab 1506 zu Pfalz-Neuburg gehörig, blieb sie bis 1523 Sitz des Landgerichts Graisbach.

Von der einst mächtigen, wohl Mitte des 13. Jahrhunderts ausgebauten Burganlage Graisbach haben sich das einstige Haupttor im Osten sowie Teile der Ringmauer mit einem rechteckigen Turm an der Nordwestecke erhalten. An der Südseite der Burgruine befindet sich die ehemalige Burgkapelle St. Pankratius, ein kleiner rechteckiger Quaderbau des 12. Jahrhunderts.

Der Territorialbesitz und die Grafschaft Graisbach

Die Grafen von Lechsgemünd besaßen bis in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts reiche Güter in Kärnten, im Salzburger und Tiroler Gebirge, zwischen Isar und Vils und an der Salzach. Es entstanden eigene Linien, die sich nach (Windisch-)Matrei, Mittersill/Pinzgau und Frontenhausen benannten. Nach dem Aussterben dieser Nebenlinien gingen die Besitzungen verloren. Teile der Grafschaft Frontenhausen fielen später an das Hochstift Regensburg und an die Wittelsbacher.

Ihren schwäbisch-bayerischen Herrschaftsbereich baute sich die Adelsfamilie mit staufischer Hilfe von ihrer "Stammburg" Lechsgemünd aus auf. Er erstreckte sich im Raum zwischen Donau, Wörnitz und Altmühl, mit einer deutlich dominierenden Stellung im Mündungsgebiet des Lechs. Eine 1265 ausgestellte Urkunde belegt die Vogtei der Lechsgemünder über die südlich der Donau gelegenen Besitzungen von St. Walburg in Eichstätt, die sie als eichstättische Lehen besaßen. Rennertshofen und Burgheim waren zwei graisbachische Marktorte, auch Zollstätten. Bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verstärkte sich aber zusehends der wirtschaftliche Niedergang des Geschlechts, wie zahlreiche Verkäufe belegen.

Von ihren Burgen aus geboten die Grafen über eine ungewöhnlich große Zahl von Ministerialen und adeligen Dienstleuten (Möhren, Otting, Fünfstetten, Burgheim, Hütting, Straß u. a.). Die gräflichen Ämter hatten die sog. Knollen von Gansheim als Kämmerer, die Ritter von Graisbach und Altisheim als Truchsesse, die Edlen von Schweinspoint als Schenken und die Herren von Meilenhart als Marschälle inne.

Vom Territorialbesitz, dem Eigengut mit Land und Leuten, ist die Grafschaft Graisbach mit der Gerichtshoheit und den zugehörigen Forsten und Jagden (Wildbann) zu unterscheiden, die die Grafen unmittelbar von Kaiser und Reich zu Lehen trugen.

Die Grenzen der hochmittelalterlichen Grafschaft sind äußerst unscharf. Ihre Ausdehnung ist erst in Abschriften eines Graisbacher Landgerichtsbuchs von 1417 überliefert. Die dort beschriebene jüngere Grafschaft hätte demnach von Dollnstein (Lkr. Eichstätt) über Römersberg (Ottenberg), Aicha (Gde. Wellheim, Lkr. Eichstätt), Hütting, Ellenbrunn (Steinerner Mann), Antoniberg östlich Stepperg, Riedensheim bei Neuburg a. d. Donau (alle Gde. Rennertshofen, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen), Sinning (Gde. Oberhausen, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen), Ambach, Schönesberg, Weidorf, Haselbach (alle Gde. Ehekirchen, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen), Pöttmes (Lkr. Aichach-Friedberg), Bayerdilling, Gempfing (beide Gde. Rain, Lkr. Donau-Ries) und Niederschönenfeld bis an die Wörnitz gereicht. Doch waren etwa die Orte Riedensheim bis Bayerdilling nie Grenzorte irgendeines geschlossenen Gebietes. Sie weisen lediglich auf einstigen graisbachischen Streubesitz hin. Es ist zudem davon auszugehen, dass Gerichts-, Zoll-, Geleit- und Wildbannrechte unterschiedlichen Grenzen folgten bzw. sich überschnitten.

1302/04 verkaufte Berthold III. die Hochgerichtsbarkeit in seiner Grafenherrschaft nördlich der Donau zwischen Altmühl und Wörnitz - das hier erstmals als solches bezeugte Landgericht - an Graf Gebhard von Hirschberg. Den eigentlichen Kern des Graisbacher Territoriums um die gleichnamige Burg samt einem weiten Forstbereich zwischen der Donau und dem Dorf Daiting (Lkr. Donau-Ries) behielt sich der Verkäufer dabei ausdrücklich vor. 1304 erteilte König Albrecht (reg. 1298-1308) dem Hirschberger das Privileg, dass die Bewohner seiner Grafschaften vor keinem anderen Gericht belangt werden durften. Die Grafschaft Graisbach besaß also eine der Grafschaft Hirschberg vergleichbare Sonderstellung als "kaiserliches Landgericht", die den großen sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsanspruch begründete.

Die Wittelsbacher: Erben der Graisbacher

Bereits mit dem frühen Tod des letzten Grafen von Hirschberg 1305 war dessen Nachlass an Bayern übergegangen. Als dann 1324 Berthold III. von Lechsgemünd-Graisbach starb, übertrug Ludwig der Bayer - unter Umgehung von Eichstätter Ansprüchen - die engere Herrschaft Graisbach seinem treuen Ratgeber Berthold V. von Neuffen (um 1290-1342), Graf von Marstetten. Er war, wie es scheint, der Sohn einer Schwester der letzten Graisbacher Grafen und über seine Mutter bzw. Großmutter wohl auch ein Nachfahre der Grafen von Hirschberg (Decker-Hauff, Berthold von Neuffen). Seit 1326, noch zu Lebzeiten Bischof Gebhards von Eichstätt, übernahm dieser nun gleichfalls den Titel Graf von Graisbach.

Als mit Bertholds Tod 1342 auch die Familie Neuffen-Marstetten im Mannesstamm ausstarb, setzte sich Kaiser Ludwig IV. mit seinen Erbansprüchen durch. Er verlobte Bertholds Erbtochter Anna von Neuffen (1327-1380) mit seinem jungen Enkel Friedrich (reg. 1375-1392 als Herzog von Bayern, 1392-1393 als Herzog von Bayern-Landshut) und konnte so die noch verbliebenen Besitzungen und Rechte der Graisbacher einziehen und dem bayerischen Herzogtum angliedern. Das gesamte Graisbacher Erbe, das den wittelsbachischen Herrschaftsbereich in Schwaben beträchtlich erweiterte, geriet nun in den Sog des sich konsolidierenden "Herzogsstaates". Bei den Landesteilungen wurde es 1349 dem oberbayerischen Landesteil Ludwigs des Brandenburgers (reg. 1347-1361) zugeschlagen, 1392 fiel es an den Herzog von Oberbayern-Ingolstadt, 1447 an das niederbayerische Herzogtum Landshut. Dabei führten die Herzöge von Bayern mitunter auch den Titel eines Grafen von Graisbach (so etwa Ludwig VIII. [reg. 1443-1445] 1417, 1439). Spätestens im 16. Jahrhundert scheint dieser Grafentitel dann aber erloschen gewesen zu sein.

Seit 1342 beanspruchten die Wittelsbacher die überterritoriale Gerichtshoheit über den alten Grafschaftssprengel, der Herrschaftsgebiete des Hochstifts Eichstätt, der Grafen von Oettingen, der Marschälle von Pappenheim und vor allem der Nürnberger Burggrafen und der Ansbacher Markgrafen einschloss. In der Praxis freilich ist es ihnen infolge jahrzehntelanger Verpfändungen nicht gelungen, die Jurisdiktionsrechte nachdrücklich genug zu sichern. Dies führte in der Zeit der Auseinandersetzungen mit den Markgrafen von Ansbach um die Mitte des 15. Jahrhunderts dazu, dass der Einfluss des alten Graisbacher Gerichts zusehends an Bedeutung verlor und sich auf das engere Gebiet der bayerischen Herrschaft um Graisbach und um die (von Bayern 1379, endgültig 1454 erworbene) Stadt und Vogtei Monheim (Lkr. Donau-Ries) beschränkte. Es entstand hier das bayerische Landgericht Graisbach, das sich zunächst "Kammergericht" nannte.

1506 wurde das Landgericht Graisbach dem im Jahr zuvor neu geschaffenen wittelsbachischen Fürstentum Pfalz-Neuburg zugeteilt. Pfalzgraf Ottheinrich verlegte 1523 den Landgerichtssitz nach Monheim. Die Zuständigkeit des Landgerichts Graisbach - wie es am Ende des Alten Reiches noch immer hieß - ging damit auf den neuen Gerichtssitz über. 1750 wurde auch der Sitz des Kastenamtes Graisbach nach Monheim verlegt.

Zur Historiographie

Zu den Grafen von Lechsgemünd-Graisbach existieren verschiedene ältere Stammtafeln, die allerdings, v. a. für die Frühzeit, unzuverlässig sind. Den derzeitigen Forschungsstand repräsentieren Birgitt Maier, Kloster Kaisheim (1999) - auf die sich die vorliegende Darstellung wesentlich stützt -, mit Angaben auch zur älteren Literatur, und Werner Schiedermair, Kaisheim - Markt und Kloster (2001). Wichtige Informationen liefern darüber hinaus die für das Thema relevanten Bände des Historischen Atlas von Bayern (Teil Schwaben: Landgericht Rain, Nördlingen, Neuburg an der Donau, Donauwörth, Grafschaft Oettingen; Teil Franken: Gunzenhausen-Weißenburg) und nicht zuletzt auch die ortsgeschichtliche Literatur.

Literatur

  • Hansmartin Decker-Hauff, Berthold von Neuffen, Graf von Marstetten und Graisbach. Kaiserlicher Generalvikar für Italien. Um 1290 bis 1342, in: Max Miller/Robert Uhland (Hg.), Schwäbische Lebensbilder. 6. Band, Stuttgart 1957, 28-40.
  • Karl A. Eckhardt, Kuno von Horburg. Ein Beitrag zum Thema "Latein für Sippenforscher", in: Adhémar de Panat/Xavier de Ghellinck Vaernewyck, Mélanges offerts à Szaboles de Vajay, Braga 1971, 153-181.
  • Helmut Flachenecker, Gebhard, Graf von Graisbach (+ 1327), 1324-1327 Bischof von Eichstätt, in: Erwin Gatz (Hg.) unter Mitwirkung von Clemens Brodkorb, Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2001, 170f.
  • Karl Hausberger, Konrad von Frontenhausen (+ 1226), 1204-1226 Bischof von Regensburg, in: Erwin Gatz (Hg.) unter Mitwirkung von Clemens Brodkorb, Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2001, 622f.
  • Birgitt Maier, Kloster Kaisheim. Rechts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Zisterzienserabtei von der Gründung bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft/Schwäbische Forschungsstelle Augsburg der Kommission für bayerische Landesgeschichte 1: Studien zur Geschichte des bayerischen Schwaben 25), Augsburg 1999.
  • Werner Schiedermair (Hg.), Kaisheim - Markt und Kloster. Mit Beiträgen von Karl Batz u. a., Lindenberg 2001. (hier v. a.: Ottmar Seuffert, Das Zisterzienserkloster Kaisheim/Kaisersheim von 1133 bis 1802. Ein geschichtlicher Abriss, 54-61; Reinhard Heydenreuter, Kaisheim im Reich. Zur staatsrechtlichen Stellung der Reichsabtei, 66-73)
  • Wilhelm Störmer, Früher Adel. Studien zur politischen Führungsschicht im fränkisch-deutschen Reich vom 8. bis 11. Jahrhundert. 2 Teilbände (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 6/I-II), Stuttgart 1973.
  • Franz Tyroller, Die Grafen von Lechsgemünd und ihre Verwandten. Mit einer genealogischen Tafel, in: Neuburger Kollektaneenblatt 107 (1953), 9-56, Beilage 1 (dabei: Josef Heider, Geographisches Register, 56-62; Josef Heider/Josef Bürzle, Genealogische Tafeln, Beilagen 2-4).

Quellen

  • Hermann Hoffmann (Bearb.), Die ältesten Urbare des Reichsstiftes Kaisheim 1319-1352 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte 5[a]: Urbare 1), Augsburg 1959.
  • Hermann Hoffmann (Bearb.), Die Urkunden des Reichsstiftes Kaisheim 1135-1287 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte 2a: Urkunden und Regesten 11), Augsburg 1972.
  • Claudia Kalesse u. a., Archivalien und Bibliographie, in: Werner Schiedermair (Hg.), Kaisheim - Markt und Kloster. Mit Beiträgen von Karl Batz u. a., Lindenberg 2001, 310-320.
  • Claudia Kalesse (Bearb.), Staatsarchiv Augsburg. Reichsstift Kaisheim. Zentrale und unterbehördliche Überlieferung, Amtsbücher und Akten (Bayerische Archivinventare 56), München 2007.
  • Franz Tyroller (Bearb.), Genealogie des altbayerischen Adels im Hochmittelalter in 51 genealogischen Tafeln mit Quellennachweisen, einem Anhang und einer Karte, in: Wilhelm Wegener (Hg.), Genealogische Tafeln zur mitteleuropäischen Geschichte, Göttingen 1962-1969, 45-524.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Graisbach, Grafschaft

Empfohlene Zitierweise

Doris Pfister, Lechsgemünd-Graisbach, Grafen von, publiziert am 14.05.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Lechsgemünd-Graisbach,_Grafen_von> (28.03.2024)