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Landstände

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Herzog Otto I. von Wittelsbach (reg. 1180-1183) nimmt die Huldigung der Bayerischen Stände entgegen. Zu seiner Rechten sitzend sein Bruder Konrad, der Erzbischof von Salzburg (reg. 1177-1183). Im Hintergrund wird der Treueschwur verlesen. (Wandteppich, Hans van der Briest nach Peter Candid, 1611; Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen)
Konföderation der evangelischen Stände Böhmens, Mährens, Schlesiens und der Ober– und Niederlausitz mit den evangelischen Ständen Österreichs unter der Enns, Confoederatio Bohemica, Prag 16.8.1619. Pergamentlibell mit 65 anhängenden Siegeln. (Österreichisches Staatsarchiv, Urkunde AUR 1619 VIII 16)
Das Regierungsgebäude (Landschaftshaus) am Münchner Marienplatz um 1740. Davor ist der Fischbrunnen zu sehen. Das Gebäude wurde 1865 abgebrochen. An seiner Stelle steht heute das Neue Rathaus. (aus: Bayerischer Architekten- und Ingenieurverein [Hg.], München und seine Bauten, München 1912, 168; nach einem Aquarell von C. A. Lebschée)

von Maximilian Lanzinner

Landstände hatten einerseits an der landesherrlichen Macht teil, standen jedoch andererseits als eigenständige Interessenvertretung und damit als Gegenpol dem Fürsten gegenüber. Als Korporationen bildeten sie sich im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit unter den verschiedensten Bezeichnungen in ganz Europa, in Ober- und Niederbayern etwa im 14. Jahrhundert. Kennzeichen aller europäischen Landstände war das Recht auf Steuerbewilligung, mit dem sie eine wichtige Einflussmöglichkeit auf die Politik des jeweiligen Herrschers hatten. Die ständische Verfassung stellte eine vormoderne Stufe des parlamentarischen Systems dar. Die Zusammensetzung der Landstände war von Territorium zu Territorium verschieden; im römisch-deutschen Reich war die Drei-Kurien-Vertretung, bestehend aus Vertretern des Adels, des Klerus und der Städte, vorherrschend. Der Höhepunkt ständischer Macht ist die Zeit um 1500. In der Frühen Neuzeit kam es zu einem Transformationsprozess, in dessen Verlauf sich die Gewichte zwischen Fürst und Landständen verschoben. Seit dem 16./17. Jahrhundert verfügten die Landstände schließlich über verschiedene ständische Gremien und eine ausdifferenzierte Verwaltung, welche die staatlichen Tätigkeiten und die Finanzverwaltung mit überwachte.

Definition

Als Landstände werden die ständischen Vertretungen (Ständekorporationen) in den Territorien des römisch-deutschen Reichs bezeichnet. Im Reich selbst versammelten sich die Reichsstände bei Hof-, später bei Reichstagen. "Landschaft" war der zeitgenössisch bevorzugte synonyme Begriff für die landständischen Vertretungen, der auch noch in der Forschung benutzt wird. Sie bildeten sich als Korporationen (=rechtlich handlungsfähige Genossenschaften, Otto Gierke [1841-1921]) im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit in ganz Europa, zunächst in Form von unregelmäßigen Versammlungen, nachfolgend auch als kontinuierlich bestehende politisch-administrative Vereinigungen.

Die Bezeichnungen für Ständekorporationen in Europa waren z. B. États généraux (Frankreich), Cortes (Kastilien, Aragón, Portugal), Parliament (England), Ståndsriksdag (Schweden), Staten-Generaal (Niederlande, Generalstaaten), Rigsrådet (Dänemark), Sejm (Polen). Diese Korporationen vereinigten meist Klerus, Adel und Städte eines Landes, selten auch Bauern (im heutigen Bayern etwa in der Fürstabtei Kempten oder der Fürstpropstei Berchtesgaden). Sie übten als Gesamtheit politisch-staatliche Rechte aus. Zu den Rechten gehörte stets die Steuerbewilligung, die es den Ständen erlaubte, umfassend Einfluss auf die Politik des Herrschers zu nehmen. Verbreitet war außerdem die Mitwirkung bei der Gesetzgebung, ferner das Recht, sich zur Regierungstätigkeit, zur Steuerverwendung und zur Besetzung der hohen Ämter zu äußern; dies geschah überwiegend in Form von Gravamina (Beschwerden). Eine unmittelbare Kontrolle der Regierungstätigkeit war jedoch selten. Eine Huldigung durch die Stände bestätigte die Legitimität des neuen Herrschers. Selten hatten die Stände das Recht, den Herrscher zu wählen oder zu erheben (z. B. Ungarn oder Böhmen). Im Reich wählten die Kurfürsten den römischen König.

Funktion innerhalb der Staatsbildung

Versammlungen der Stände traten zusammen, weil die Herrscher im Interesse des Landes Geld brauchten, etwa für einen Krieg, eine kostspielige Heirat oder die Hofhaltung. Die geforderte außerordentliche Besteuerung war ein Eingriff in das Eigentum, der in Mittelalter und Früher Neuzeit der Zustimmung der Großen im Land bedurfte. Die Herrscher benötigten also die Stände und deren Bewilligungen, denn sie konnten die Sicherung des inneren wie äußeren Friedens und andere Aufgaben nicht mehr allein mit der militärischen Hilfe der Lehensträger und aus den eigenen Gütern oder Regalien bewältigen.

Die Stände halfen, weil gemäß dem Verständnis der Zeit der Herrscher zu Schutz und Schirm, die Stände im Gegenzug zu Rat und Hilfe verpflichtet waren (Otto Brunner [1898-1982]). Diese gegenseitige Verpflichtung ("mutua obligatio") begründete die frühneuzeitliche Staatsbildung. In ihrer ersten Phase wandelte sich der "Domänenstaat" (Joseph Schumpeter [1883-1950]), der aus dem Eigengut und den nutzbaren Rechten des Herrschers finanziert wurde, zum "Steuerstaat" der beginnenden Neuzeit (Gerhard Oestreich [1910-1978]), in dem die Stände die Finanzmittel für die wachsende Staatlichkeit bereitstellten.

Repräsentation, Loyalitäten, Konsens, Tradition

Die Stände vertraten sich im Rahmen dieser Staatlichkeit selbst. Die Beziehungen von Herrscher und Ständen waren geprägt von Loyalitäten, Konsens und Tradition. Die Loyalitäten ergaben sich aus gemeinsamen Interessen, insbesondere der Wahrung des Friedens und der Herrschaft über Untertanen, und aus der (lehens-)abhängigen Stellung der Stände gegenüber dem Landesherrn. Der in Verhandlungen erzielte Konsens verpflichtete beide Seiten. Er beruhte grundsätzlich auf der politischen und rechtlichen Tradition, auf dem "Herkommen". Die Repräsentation der Stände war legitimiert durch das geburtsständische Prinzip. Deshalb vertraten sie nicht die Untertanen oder das "Volk". Es wäre demgemäß irreführend, von "Volksvertretungen" zu sprechen.

Ständische Vertretungen und parlamentarisches System

Wie in ganz Europa schuf die ständische Verfasstheit auch in den Territorien des Reichs die vormodernen Grundlagen für das parlamentarische System der Moderne.

  • Erstens geschah dies durch die Prinzipien der Repräsentation und der politischen Mitsprache; die Landstände beschränkten dadurch die fürstliche Herrschaftsgewalt.
  • Zweitens waren die Rechte ("Freiheiten") der Landstände durch Vereinbarungen geschützt, z. B. in Bayern durch die Landesfreiheitserklärungen oder in Württemberg durch den Tübinger Vertrag (1514). Die "Freiheiten" waren Kern der Verfasstheit eines Territoriums.
  • Drittens entwickelten die Landtage vorparlamentarische politische Verfahren.
  • Viertens schließlich beanspruchten die Stände, obschon mit unterschiedlichem Nachdruck, für das Gemeinwohl des Landes und die Wahrung des Rechts einzutreten.

Widerstand

Aus den Leitkategorien der ständischen "Freiheit(en)" und des "gemeinen Wohls" begründeten sie ein Recht zum Widerstand. Widerstand kam stetig zum Ausdruck in den Gravamina gegenüber dem Herrscher und reichte über eine breite Palette symbolischer, publizistischer und rechtlicher Formen bis zum bewaffneten Konflikt.

Beispiele für anhaltenden, noch gewaltlosen Widerstand im Reich waren die Stände Nieder- und Oberösterreichs um 1600; für den bewaffneten Widerstand die Stände Böhmens, die 1620 gegen den abgesetzten Landesherrn Ferdinand (reg. 1617/18, 1620-1627 als König von Böhmen, 1619-1637 als römisch-deutscher König) unterlagen. Das große europäische Beispiel ist der Unabhängigkeitskrieg der Niederlande 1568-1648. Adel und Städte der aufständischen niederländischen Provinzen legitimierten den Kampf gegen die spanische Krone mit dem Recht auf Widerstand gegen die tyrannische Gewalt der Obrigkeit.

Entstehung ständischer Vertretungen

Eine erste Ständekorporation versammelte sich im Königreich León (Spanien) im Jahr 1188. Sehr früh auch formulierte die folgenreiche Magna Charta Libertatum (1215) in England die Mitwirkungs- und Freiheitsrechte der Adligen. Im römisch-deutschen Reich bestätigte ein Privileg Heinrichs (VII.) (reg. 1222-1235 als römisch-deutscher Mitkönig) 1231, dass die Landesherrn neue Abgaben nur mit der Zustimmung der "maiores et meliores terrae" erheben dürften. Ständische Vertretungen entstanden aber im Reich erst später.

In Oberbayern begründete die Schneitbacher Urkunde (1302) das Versammlungs- und Steuerbewilligungsrecht der Stände. In Niederbayern gewährte die Ottonische Handfeste (1311) dem regierenden Herzog Otto III. (reg. 1290-1312) eine Steuer; im Gegenzug bestätigte er die Privilegien des Adels. Bis zum 16. Jahrhundert etablierten sich in vielen geistlichen und weltlichen Fürstentümern des Reichs ständische Verfassungen, im Fall der Kurpfalz auch erst am Beginn des 17. Jahrhunderts. Die Könige und Fürsten ergriffen meist die Initiative, um mit Hilfe der Ständekorporationen den finanziellen Handlungsraum zu erweitern. Die Herrscher entschieden letztlich, wer die Versammlungen besuchte und damit zum Kreis der politisch Privilegierten zählte.

Landtage und ständische Verwaltung

Die Tagesordnung eines (Voll-)Landtags aller Berechtigten legte von Anfang an der Fürst fest; allerdings konnten die Landstände ebenso ihre Anliegen vorbringen. Nach Beratung und Abschied lösten sich die Landtage auf. Sie setzten allerdings vielfach ständig tagende Gremien ein, die wiederum seit dem 16. Jahrhundert (in seltenen Fällen auch schon im 15. bzw. erst seit dem 17. Jahrhundert) von Verwaltungen unterstützt wurden.

Die Gremien (Collegium, Ausschuss, Kommissariat, Verordnung usw.) leiteten die Geschäfte der Landschaft, verhandelten nach den Landtagen mit den Fürsten und überwachten die ständischen Verwaltungen, denen die Einbringung und Verwahrung der Steuergelder (Obersteuerkollegium, Steurer, Schatzräte usw.) oblag, die gemäß Beschluss der Landtage oder der Gremien dem Fürsten überstellt wurden. Da die Verwaltungen auch Kredite nahmen oder gaben, hatten sie zugleich die Funktion von Geldhäusern.

Neben den Amtsträgern für die Steuern und die Kassen beschäftigten die Stände vor allem Juristen, die in laufenden Geschäften, ferner in der territorialen Gesetzgebung oder in Rechtsgeschäften tätig wurden (mit Kanzlei).

Für ihre Tagungen und Verwaltungen errichteten die Landstände im Reich vor allem im 16. Jahrhundert repräsentative Gebäude; in wenigen Territorien (im Norden des Reichs) versammelten sie sich noch unter freiem Himmel.

Berechtigung zur Teilnahme

Die Zusammensetzung der Landstände unterschied sich von Territorium zu Territorium. Berechtigt zum Besuch von Landtagen waren entweder alle Adligen des Landes, nur die gewählten, nur die vornehmen mit registriertem Adelsgut, nur diejenigen mit mehreren Generationen adliger Ahnen oder nur die vom Fürsten privilegierten Adligen (so in Bayern nach Verleihung der Edelmannsfreiheit 1557). Überwiegend bildete der Adel bei den Landtagen und in den Gremien nur eine Kurie, mitunter auch zwei (Herren und Ritter). Aber der Adel konnte auch gänzlich fehlen.

Aus dem Klerus waren zur Teilnahme berechtigt: die Domkapitel (in manchen geistlichen Territorien), sodann Stiftsherren, Pröpste, Äbte oder die Kleriker großer Pfarreien. Jedoch war auch der Klerus nicht immer vertreten.

Für die Städte und Märkte kamen meist die Bürgermeister oder Syndizi. Vertreter der Bauern waren sehr selten zum Besuch von Landtagen befugt (so in Tirol, Vorarlberg, Ostfriesland).

Typen ständischer Repräsentation im Reich

Die Korporationen der Stände vereinigten also je nach Territorium unterschiedliche Gruppen. In den Territorien des Reichs lassen sich folgende Formen der Beteiligung und ständischen Repräsentation erkennen:

  1. die vorherrschende Drei-Kurien-Vertretung mit Klerus, Adel und Städten
  2. die Vier-Kurien-Vertretung mit Klerus, zwei Adelskurien der Herren (Grafen) und Ritter, Städten
  3. die Zwei-Kurien-Vertretung mit Adel und Städten
  4. die (Rumpf-)Vertretung ohne Adel, in der Regel mit Prälaten, Städten und "Ämtern" (Gemeinden, Kleinbezirke), vereinzelt auch nur mit Städten
  5. die seltenen Landtage, in denen auch Bauern zu den ständischen Vertretungen gehörten.


Darüber hinaus gab es Territorien ohne ständische Repräsentation; vor allem geistliche und kleine Territorien verfügten mitunter über keine landständische Vertretung und Verfassung.

Vorkommen und innere Struktur der Typen im Reich

Der Drei-Kurien-Typus mit einer Adelskurie findet sich in den großen weltlichen Territorien, von Kursachsen, Braunschweig (Herzogtümer), Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt bis nach Bayern und Innerösterreich, aber auch in geistlichen wie Kurköln, Magdeburg oder Salzburg. Vertretungen mit vier Kurien hatten Hinterpommern, Kurmark und die Lausitzen im Norden, aber auch Ober- und Niederösterreich (mit Grafen bzw. Herren und Rittern). Der Adel dominierte in beiden Typen. Seine autochthonen Herrschaftsrechte und seine soziale Stellung gaben der ständischen Politik im Ganzen den Rückhalt. Auch hatte sich der Adel häufig zuerst als einziger Stand versammelt, an den sich später Prälaten und Städte angliederten. Die Städte (und Märkte) hatten ihm gegenüber trotz ihrer fiskalischen Bedeutung wenig Einfluss.

In den geistlichen Territorien finden wir den Drei-Kurien-Typus (mit oder ohne Domkapitel) mitunter erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts, in Bremen, Münster, Paderborn oder Passau. Den Ton gaben die Domkapitel an, wenn sie dazugehörten und Adel und Städte nur schwach vertreten waren. Die Domkapitel hatten ohnehin in geistlichen Territorien bedeutende Rechte, da sie den Bischof wählten und an der Regierung des Hochstifts mitwirkten.

Der Zwei-Kurien-Typus mit Adel und Städten kam vor in weltlichen Fürstentümern wie Mecklenburg, Jülich oder Kleve und in geistlichen wie Osnabrück, Westfalen oder Paderborn. (Rumpf-)Landtage mit Prälaten und Städten (oder "Ämtern") blieben in jenen Territorien zurück, aus denen der Adel ausschied und den Weg in die Reichsritterschaft fand. Dies war der Fall in Württemberg, den fränkischen Markgrafschaften, in Baden (Durlach nur Städte), Würzburg, Bamberg, Fulda und Kurtrier. Die (Rumpf-)Landtage ohne Adel waren gegenüber den Fürsten schwächer als die Drei-Kurien-Landtage, jedoch nicht in Württemberg.

Ständische Vertretungen fehlten überhaupt oder verschwanden bis zum 18. Jahrhundert in der Kurpfalz, besonders aber in geistlichen Territorien (Kurmainz, Fulda, Würzburg, Eichstätt, Straßburg, Augsburg oder Passau) sowie in Propsteien und Grafschaften.

Niedergang ständischer Macht oder Transformationsprozess?

Gesamtdarstellungen bewerten die Entwicklung in der Frühen Neuzeit meist so, dass bis ins 16. Jahrhundert ein Aufstieg selbstbewusster, machtvoller Landstände zu verzeichnen sei, dann aber ein Niedergang begonnen habe. Nach 1650 hätte das absolutistische Landesfürstentum die Stände niedergerungen. Der sichtbare Einfluss der Landstände schwand in der Tat infolge ihrer "partikularistischen Fundamentalstruktur" (Wolfgang Reinhard), auch in Bayern. In einigen Territorien behaupteten sich die Stände ohne Einbußen, etwa in Kursachsen oder Württemberg.

Generell ist jedoch weniger ein Niedergang als ein Transformationsprozess zu beobachten, der die Gewichte zwischen Fürst und Ständen verschob. Der Fürst auf der einen Seite erhielt von den Ständen die Mittel, um den zentralisierenden Finanz-, Gerichts- und Machtstaat aufzubauen. Davon profitierten alle, auch die Bauern, die – jedenfalls dem Anspruch nach – durch die Gerichte des Fürsten geschützt wurden. Der Adel auf der anderen Seite erreichte im Gegenzug, dass sein Vorrang und sein autonomer Rechtsbereich in der Grund- oder Gutsherrschaft gesichert wurden. Rechtlich und wirtschaftlich profitierten auch Klerus und Städte.

Landstände im 18. Jahrhundert

Dennoch war die Wirksamkeit der Stände im 18. Jahrhundert keineswegs aufgehoben. Nicht mehr (Voll-)Landtage, sondern ständische Gremien mit ihren Verwaltungen überwachten die Staatstätigkeit und sorgten für geordnete Finanzen. In Bayern war das nach 1669 die Landschaftsverordnung, der eine verzweigte Verwaltung unterstand. Diese war nicht nur zuständig für Steuern, sondern förderte auch Gesundheitswesen, Wissenschaft und Bildung. Die Verordnung mit ihrer Schuldenverwaltung sicherte vor allem den Kredit von Fürst und Land und verhinderte, dass die Untertanen übermäßig besteuert wurden. Insofern trugen die Stände wie schon vor dem 18. Jahrhundert komplementär zur Stabilisierung des Staatswesens bei.

Das Ständetum blieb jedoch zugleich als Herrschaftsträger ein Gegengewicht zum absoluten Fürsten, von Ausnahmen wie Brandenburg-Preußen abgesehen. Die Ausschüsse der Stände traten dem Herrscher korporativ entgegen, geschützt durch die Verfassung des Reichs. Hinzu kam der Einfluss des Adels in der Regierung und Verwaltung des Landes, wodurch die Einbußen korporativer ständischer Macht ausgeglichen wurden.

Forschung

Werner Näf (1894-1959) entwarf 1945 für den Verlauf der Ständegeschichte ein einprägsames Bild: Aus einer Ellipse mit den Herrschaftspolen Fürst und Stände sei ein Kreis geworden, ein Kreis mit dem Fürsten als alleinigem Mittelpunkt. Das Bild passt nicht mehr zum heutigen Forschungsstand, weil es nur die Oberfläche machtstaatlicher Konzentration veranschaulicht. Es beachtet zwar den Rückgang von (Voll-)Landtagen und der offenen Opposition, die dort sichtbar wurde, nicht aber die strukturellen Veränderungen. Denn die Transformation der ständischen Rechte und Organisation schuf neue Formen der komplementären Staatlichkeit und neue Gegenpole zur Fürstenmacht.

Zur Forschungslage ist abschließend zu bemerken: Wir wissen manches über die Landtage, die Steuerverwaltung und die ständischen Institutionen, obgleich längst nicht für alle Territorien. Diese vorparlamentarischen Phänomene, darüber hinaus generell das Nichtabsolutistische im Fürstenstaat, erschienen seit etwa 1950 untersuchenswert. Nach 1980 verebbte die Ständeforschung, obwohl Arbeiten zur Verwaltungsverflechtung, zu Finanzen oder zur Sozialstruktur noch Akzente setzten. Das wieder zunehmende Interesse seit etwa zehn Jahren ist angeregt durch neue Fragen. Sie orientieren sich am zeitgenössischen Verständnis des Ständischen: zum einen an den Ausprägungen und dem Begriff des Widerstands, zum anderen an den symbolischen oder semantischen Ausdrucksformen von Loyalität, Konsens und Tradition.

Literatur

  • Peter Blickle, Landschaften im Alten Reich. Die staatliche Funktion des gemeinen Mannes in Oberdeutschland (Études présentées à la Commission Internationale pour l'Histoire des Assemblées d'États 41), München 1973.
  • Otto Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Darmstadt unveränderter ND der 5. Auflage 1990.
  • Francis Ludwig Carsten, Princes and Parliaments in Germany. From the 15th to the 18th Century, Oxford 1959.
  • Robert von Friedeburg (Hg.), Widerstandsrecht in der frühen Neuzeit. Erträge und Perspektiven der Forschung im deutsch-britischen Vergleich (Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 26), Berlin 2001.
  • Dietrich Gehard (Hg.), Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Göttingen 2. Auflage 1974.
  • Gabriele Greindl, Untersuchungen zur bayerischen Ständeversammlung im 16. Jahrhundert. Organisation, Aufgaben und die Rolle der adeligen Korporation (Miscellanea Bavarica Monacensia 121), München 1983.
  • Kersten Krüger, Die landständische Verfassung (Enzyklopädie deutscher Geschichte 67), München 2003.
  • Maximilian Lanzinner, Fürst, Räte und Landstände. Die Entstehung der Zentralbehörden in Bayern 1511-1598 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 61), Göttingen 1980.
  • Thomas Paringer, Die bayerische Landschaft. Zusammensetzung, Aufgaben und Wirkungskreis der landständischen Vertretung im Kurfürstentum Bayern (1715-1740) (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 27), München 2007.
  • Patrick Schmidt (Hg.), Stadtgemeinde und Ständegesellschaft. Formen der Integration und Distinktion in der frühneuzeitlichen Stadt (Geschichte: Forschung und Wissenschaft 20), Berlin 2007.
  • Claude Soule, Les États généraux de France 1302-1789, Paris 1968.
  • Barbara Stollberg-Rilinger, Vormünder des Volkes? Konzepte landständischer Repräsentation in der Spätphase des Alten Reiches (Historische Forschungen 64), Berlin 1999.
  • Arno Strohmeyer, Konfessionskonflikt und Herrschaftsordnung. Widerstandsrecht bei den österreichischen Ständen (1550-1650) (Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reichs 16), Mainz 2006.

Quellen

  • Werner Näf (Hg.), Herrschaftsverträge des Spätmittelalters, Bern 2. Auflage 1975.
  • Walter Ziegler (Bearb.), Altbayern von 1550 bis 1651 (Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern I/3), München 1992.

Weiterführende Recherche

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Ständebewegung, Ständische Bewegung, Standschaft, Landtag

Empfohlene Zitierweise

Maximilian Lanzinner, Landstände, publiziert am 19.09.2011; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landstände (29.03.2024)