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Landesentschädigungsamt

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Tobias Winstel


Die Wiedergutmachung gehört zu den zentralen Themen in der Auseinandersetzung der deutschen Nachkriegsgesellschaft mit dem "Dritten Reich". Ihre Leistungen und Mängel wirken bis heute nach. Das Bayerische Landesentschädigungsamt in München stellte die zentrale Institution dar für den Umgang mit Entschädigungsansprüchen, die den rassisch, religiös und politisch Verfolgten nach 1945 erwachsen sind. In ihrer überwiegenden Mehrzahl handelte es sich bei den in diesem Sinne Anspruchsberechtigten um jüdische Opfer des Holocaust oder ihre Nachkommen. Entsprechend war zunächst auf Betreiben der US-Militärregierung und im Zuge der Soforthilfe für die überlebenden Opfer des nationalsozialistischen Unrechts ein "Staatskommissariat für die Betreuung der Juden in Bayern" eingerichtet worden. Dieses Amt entwickelte sich später zur zentralen Behörde für die Feststellung und Entschädigung von immateriellen Schäden: Das Landesentschädigungsamt. Es setzte die Entschädigungsgesetzgebung um und leistete durch die administrative Praxis einen wesentlichen Anteil bei der Wiederherstellung rechtsstaatlicher Verfahren nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Bis 2017 wurden fast eine halbe Million Fälle bearbeitet und durch Bescheid, Gerichtsurteil oder Vergleich entschieden.

Sonderrolle Bayerns

Die Wiedergutmachung war bis zum ersten bundeseinheitlichen Wiedergutmachungsgesetz (BErgG von 1953) Ländersache. Auch danach blieb die Durchführung der Bundesgesetze in der Obhut der Länder, wobei Bayern eines der wenigen Länder war, die die Wiedergutmachungsbehörden dem Finanzressort unterstellten (die meisten Länder wählten dafür das Innen-, Justiz- oder Sozialressort).

Das Land Bayern spielte in zweifacher Hinsicht eine Sonderrolle: Einerseits war Bayern unverkennbar ein Schrittmacher bei der Herausbildung der Durchführung von Rückerstattung und Entschädigung, was sich u. a. an den Vereinbarungen und Ergebnissen der Referenten- und Ministerkonferenzen der Länder ablesen lässt. Andererseits hinkte Bayern, was die tatsächliche Durchführung des Wiedergutmachungsprozesses anging, anderen Ländern hinterher; das hatte in erster Linie damit zu tun, dass in München die Finanzierung der Entschädigung erst 1952 im Haushalt verankert wurde. Mit dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) vom 29. Juni 1956 wurden einige Regelungen vereinheitlicht, es manifestierte allerdings das sog. Territorialitätsprinzip, demgemäß Ansprüche auf Leistungen nach deutschem Entschädigungsrecht an eine Beziehung (Stichtag 31. Dezember 1952) zum Geltungsbereich des BEG (West-Deutschland und West-Berlin) bzw. zu Gebieten geknüpft waren, die am 31. Dezember 1937 zum Deutschen Reich gehört hatten.

Erste Schritte hin zu einer Wiedergutmachungsverwaltung

Gebührenmarke des Staatskommissariats für die rassisch, religiös und politisch Verfolgten in Bayern, das unter der Leitung von Philipp Auerbach zwischen Ende 1946 und 1948 für die Entschädigung zuständig war. (Quelle: Bayerisches Landesentschädigungsamt, München. Scan von Tobias Winstel)
Der Ausweis über die Anerkennung als Verfolgter diente in den ersten Jahren nach dem Krieg als eine Art Berechtigungsnachweis für besondere Hilfen und Fürsorgeleistungen für NS-Opfer. (Quelle: Bayerisches Landesentschädigungsamt, München. Scan von Tobias Winstel)

Die amerikanische Militärregierung übertrug der bayerischen Staatsregierung im Juni 1945 den Auftrag, dass eine besondere Abteilung des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) die Betreuung der rassisch Verfolgten zu übernehmen habe. Das BRK, die NS-Opfer selbst und die Staatsregierung waren sich jedoch sehr bald darüber im Klaren, dass die rein karitativen Maßnahmen einer Fürsorgeorganisation nicht eine angemessene Wiedergutmachung für NS-Opfer ersetzen konnten. Daher wurde beschlossen, eine besondere Staatsbehörde aufzubauen, die in erster Linie ehemals verfolgten Juden beim Neuaufbau ihrer Existenzen und der Wiedergutmachung ihrer Schäden helfen sollte. So errichtete der bayerische Ministerpräsident am 26. Oktober 1945 unter dem Dach des Innenministeriums ein "Staatskommissariat für die Betreuung der Juden in Bayern" und betraute Hermann Aumer (1915–1955) mit der Führung dieser neuen Dienststelle. Aumer wurde bereits im Sommer 1946 auf Veranlassung der Militärregierung entlassen. Neuer Staatskommissar wurde am 15. September 1946 Philipp Auerbach (1906–1952, 1946–1951 zunächst Staatskommissar für die Betreuung der Juden in Bayern, dann Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, schließlich Präsident des Landesentschädigungsamtes). Wie Aumer, war auch Auerbach im "Dritten Reich" wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgt worden.

Neben dem "Staatskommissariat für die Betreuung der Juden in Bayern" richtete die Staatsregierung am 26. März 1946 das "Staatskommissariat für politisch Verfolgte" ein, das unter der Leitung von Otto Aster (KPD) stand. Als Maßnahme der Verwaltungsvereinfachung wurden beide Staatskommissariate schon 1946 zusammengelegt. Das neue Amt firmierte zunächst als "Staatskommissariat für die Opfer des Faschismus". Amtschef wurde der bereits Philipp Auerbach. Schon wenig später erfolgte eine Umbenennung in "Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte". Die besondere Stellung der Wiedergutmachungsbestrebungen manifestierte sich nicht nur in der Einrichtung der Staatskommissariate, sondern auch in Artikel 183 der Bayerischen Verfassung: Alle durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft wegen ihrer religiösen oder politischen Haltung oder wegen ihrer Rasse Geschädigten haben im Rahmen der Gesetzgebung Anspruch auf Wiedergutmachung.

Tätigkeit des "Staatskommissariats für rassisch, religiös und politisch Verfolgte"

Das neue Staatskommissariat setzte sich, wie bereits die Vorgängerinstitutionen seit 1945, für viele verschiedene direkte Hilfsmaßnahmen ein: So unterstützte Auerbach die Arbeit der Israelitischen Kultusgemeinden und anderer jüdischer Vereinigungen, half bei der Wiederherstellung jüdischer Friedhöfe und Synagogen, steuerte Geld zur Errichtung von Bibliotheken bei, kümmerte sich um Kleider, Nahrungsmittel, Brennholz und andere Dinge des täglichen Bedarfs. In vielen Fällen half das Amt auch, indem es die Begleichung von Sanatoriums- oder Medikamentenkosten übernahm.

Dem Staatskommissar waren besonders auch die Stipendien und Hörgeldbefreiungen wichtig, durch die seine Stelle ca. 1.400 NS-Verfolgten ein Studium ermöglichen konnte. Im Einzelfall wurden auch Vorschüsse auf zu erwartende Entschädigungsleistungen gezahlt (sog. Auerbach-Darlehen).

Doch so wirksam solche Hilfeleistungen in der konkreten Lebenssituation der NS-Opfer waren, sie entsprachen nicht dem, was man unter Rückerstattung geraubten Eigentums und Entschädigung immaterieller Verluste verstehen konnte. Daher bildeten sich in der amerikanischen Besatzungszone unter Mithilfe und Überwachung der amerikanischen Besatzungsmacht allmählich die ersten Wiedergutmachungsgesetze heraus. Damit wurden Ansprüche geschaffen, die sich nach dem Grad der durch das NS-Regime verursachten Schädigungen und Schäden richteten.

Vom Staatskommissariat zum Landesentschädigungsamt

Mit Verordnung vom 24. Oktober 1946 (GVBl. 1947, 43) wurde das "Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung" (BLVW) errichtet, zwei Jahre später (GVBl. 1948, 248) das "Bayerische Landesamt für Wiedergutmachung", das an die Stelle des "Staatskommissariats für rassisch, religiös und politisch Verfolgte" und der Abteilung III des "Landesamtes für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung" trat. Das BLVW führte fortan die Bezeichnung "Bayerisches Landesamt für Vermögensverwaltung" und war nur mehr für den Bereich der Rückerstattung (also materielle Schäden) zuständig. Das "Bayerische Landesamt für Wiedergutmachung" wiederum wurde mit Verordnung vom 22. November 1949 (GVBl. 1949, 276) in das "Bayerische Landesentschädigungsamt" (BLEA) umbenannt und war vor allem für immaterielle Schädigungen (an Gesundheit, Leib und Leben, beruflichem Fortkommen etc.) zuständig.

Die ersten einschlägigen Gesetze waren das Militärregierungsgesetz Nr. 59 (MRG 59) der US-Zone von 1947 (eine Regelung zur Rückerstattung) und das "Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz)" von 1949. Das heißt, Rückerstattung und Entschädigung bestanden nun nicht mehr aus freiwilligen Leistungen des Staates, sondern aus einklagbaren Rechtsansprüchen. Die Zuständigkeit für die Wiedergutmachung in Bayern ging in dieser Zeit schrittweise an das Finanzministerium über, während anfänglich auch noch das Innenministerium bzw. der Ministerpräsident selbst dafür verantwortlich gewesen waren. Damit sollte eine zentrale Organisationsstruktur unter dem Dach jenes Ressorts zusammengefasst werden, dem man die Aufgaben von Rückerstattung und Entschädigung inhaltlich zuordnete.

Wie in der Rückerstattung wäre auch in der Entschädigung die Durchführung der Verfahren nicht allein in der Zentrale in München möglich gewesen. Daher gab es Zweigstellen für die jeweiligen Regierungsbezirke, allerdings mit dem Unterschied, dass Nürnberg für Ober- und Mittelfranken zuständig war. Diese nachgeordneten Behördenableger leisteten wichtige Vorarbeiten – sie nahmen Anträge entgegen, vernahmen Zeugen, erhoben Beweise etc. Offensichtlich unbegründete Anträge konnten sie direkt ablehnen. Ansonsten legten sie die vorbeiarbeiteten Akten dem Landesentschädigungsamt zur Entscheidung vor. Zusätzlich waren an fast allen größeren Orten Bayerns Außenstellen eingerichtet, wobei dies für die politisch und religiös Verfolgten die KZ-Betreuungsstellen waren, für die rassisch Verfolgten das "Bayerische Hilfswerk".

Letzteres war bereits kurz nach dem Krieg im Jahr 1945 als "Bayerisches Hilfswerk für die durch die Nürnberger Gesetze Betroffenen" gegründet und dem Staatskommissariat unterstellt worden. Das Hilfswerk war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Zentrale in München und zwölf Außenstellen, das beträchtliche Mittel – der jährliche Etat belief sich auf 300.000 bis 400.000 DM – vom bayerischen Staat erhielt. Es betreute hauptsächlich die etwa 18.000 ehemals Verfolgten jüdischer Herkunft, die sich unmittelbar nach Kriegsende in Bayern aufhielten. Häufig bestand die Hilfe in Form konkreter und kurzfristiger Sofortmaßnahmen, die das Leben nach dem Überleben erleichterten. Im Laufe der Zeit jedoch entfremdete es sich vom Landesentschädigungsamt und seinem Präsidenten Auerbach, denn es wurde zu einer Art Konkurrenz des Landesentschädigungsamtes und – so ein gängiger Vorwurf – als kommunistisch unterwandert angesehen. Mit Erlass des BErgG erübrigte sich dieser Streit schließlich, da ab diesem Zeitpunkt ohnehin nur noch eine einzige staatliche Behörde für den Vollzug der Entschädigung zuständig war, nämlich das Landesentschädigungsamt.

Die Ära Auerbach im Landesentschädigungsamt

Die Rückerstattung geraubten Eigentums entwickelte sich zu einem eigenen Bereich, der auf die gleiche Verfolgungsgeschichte zurückging, aber in anderen Behörden und auf Grundlage anderer Gesetze geregelt wurde. Die Entschädigung körperlicher und seelischer Schäden war das kompliziertere Rechtsgebiet. Wie konnte der Verlust von Freiheit, von Gesundheit oder gar von nahestehenden Menschen kompensiert werden? Diese Hypothek lastete von Anfang an auf den Bemühungen zur Wiedergutmachung.

Vor allem unter seinem ersten Präsidenten war das Landesentschädigungsamt deshalb weit mehr als nur ein amtliches Durchführungsorgan: nämlich ein zentraler Ort für die juristische, medizinische, psychologische und moralische Bewertung von NS-Verbrechen. Gleichzeitig verlor diese besondere Behörde nie ganz den Charakter einer Fürsorgeorganisation. Das Landesentschädigungsamt entwickelte sich rasch zu einem riesigen Apparat mit mehreren hundert Mitarbeitern. Das führte allerdings auch dazu, dass in den Amtsräumen der Andrang von Antragstellern verschiedenster Nationalitäten mit der Zeit kaum mehr zu bewältigen war. Mit den zunehmend chaotischen Verhältnissen im Landesentschädigungsamt wuchs auch das Misstrauen auf Regierungsebene gegenüber dem teilweise autokratischen Verwaltungs- und Führungsstil Philipp Auerbachs. Zweifellos engagierte er sich in außergewöhnlich hohem Maß auch persönlich für die Entschädigung und vermochte mit seiner unbürokratischen Art manches zu erreichen, jedoch setzte er sich dabei über geregelte Verfahren hinweg, verteilte Gelder ohne Belege und verlor zudem jeden Bezug zur organisatorischen Realität.

Im Zuge von Unregelmäßigkeiten in der Buchführung des Amtes und Hinweisen auf Missbrauch bei der Zuweisung von Entschädigungsleistungen wurde Auerbach im Januar 1951 aus seinem Amt entfernt und einige Wochen danach verhaftet. Das Landesentschädigungsamt war monatelang von Beamten der Polizei besetzt und dadurch zeitweise völlig lahmgelegt. Zudem setzte der Landtag im Juni einen Untersuchungsausschuss ein, um die politischen Hintergründe der Affäre zu ermitteln. Dabei geriet auch das Finanzministerium in öffentliche Bedrängnis, da es jahrelang Auerbach in seiner Amtsführung nicht nur hatte gewähren lassen, sondern sogar bestärkt hatte, weil er ganz im Sinne der Staatsregierung viele Displaced Persons (DPs) dazu gebracht hatte, Bayern und Deutschland zu verlassen. Am Ende eines spektakulären, mehr als vier Monate dauernden Strafprozesses ab April 1952 verurteilte das Landgericht München I Auerbach wegen Unterschlagung, Bestechung, Meineids und Vortäuschens eines Doktortitels zu zweieinhalb Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 2.700 DM. Begleitet wurde der hoch politisierte Prozess von antisemitischen Nebengeräuschen und gleichzeitig scharfen Protesten aus den Reihen der ehemals Verfolgten bzw. ihrer Vertreter gegen die Verurteilung Auerbachs. In der Nacht nach der Urteilsverkündung zog Auerbach auf dramatische Art und Weise Konsequenzen und nahm eine Überdosis Schlaftabletten zu sich. Zwei Tage später starb er an den Folgen seines Selbstmordversuchs im Münchner Klinikum Josephinum. Seine unorthodoxe Amtsführung, seine kantige Persönlichkeit und sein sehr ausgeprägter Ehrgeiz, vor allem aber auch die wachsende Gegnerschaft von Seiten des Staates wie von Seiten einflussreicher Verfolgtenorganisationen waren ihm zum Verhängnis geworden. Erst 1954 wurde er posthum rehabilitiert. Sein Tod markiert das Ende eines umfassenden Verständnisses von Wiedergutmachung, das Rückerstattung, Entschädigung, Entnazifizierung, Bestrafung und öffentliches Gedenken miteinander verband.

Natürlich hatten diese Vorgänge für die Berechtigten verheerende Folgen. Zum einen war damit die Arbeit des Amtes für lange Zeit unterbrochen. Die "Münchener Jüdischen Nachrichten" beklagten, dass seit Schließung des Amts die Wiedergutmachung in Bayern praktisch zum Erliegen gekommen sei. Aber nicht nur auf die bayerische Wiedergutmachungspraxis, sondern auch auf die der anderen deutschen Länder strahlten diese Ereignisse aus. So stoppte beispielsweise das hessische Innenministerium nach Bekanntwerden der Fälschungen in Bayern unverzüglich alle Entschädigungsanträge von DPs.

Reorganisation der Amtsstruktur

Entschädigungsakten ehemaliger NS-Verfolgter in der Registratur des Bayerischen Landesentschädigungsamts in München. (Foto: Tobias Winstel)

Allerdings ging es nach dem Ende der Überprüfungsaktionen und einiger daraus resultierender Strafprozesse unter neuer Leitung und einigen organisatorischen Neuerungen im Landesentschädigungsamt weiter. Im Rahmen einer groß angelegten Umstrukturierung, die im Wesentlichen eine Straffung der Verwaltung vorsah, erhielt die Behörde ein neues Gesicht. Die Neuorganisation zielte insbesondere darauf, die Tätigkeit der jeweiligen Angestellten – auch die der Amtsleitung – besser als bisher zu kontrollieren und einen engeren Kontakt mit dem Ministerium zu schaffen. Zudem verlor das Amt einige Zuständigkeiten, etwa die Verwaltung der KZ-Friedhöfe, die an die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen überging. Außerdem wurde die Zahl der Planstellen erhöht. In seiner Hochphase Ende der 1950er Jahre war das Landesentschädigungsamt dann mit knapp 700 Beschäftigten sogar eine der größten Behörden in Bayern.

Allerdings hatte auch das Ministerium aus den Fehlentwicklungen des Entschädigungsamtes gelernt und setzte nun bewusst auf zwei fest verankerte Kontrollinstanzen: einen Vertreter der Staatsinteressen und einen Beirat für Wiedergutmachung. Hinter dieser Einrichtung, die es innerhalb der amerikanischen Besatzungszone so nur in Bayern gab, stand der Gedanke, die NS-Opfer bei der Durchführung des Entschädigungsgesetzes mit einzubeziehen. Aufgrund seiner personellen Zusammensetzung und auch seines in der Geschäftsordnung verankerten Auftrags war der Beirat eine Opfervertretung. Demnach war der Geschäftsstellenleiter automatisch auch als Offizialanwalt berufen – also als der Pflicht-Rechtsbeistand, falls ein Antragsteller die Kosten für einen Anwalt nicht aufbringen konnte oder wollte. Mit dieser Umstrukturierung gelang es, die Arbeitsleistung (heißt: die Bescheidgeschwindigkeit) des Amtes wesentlich zu steigern.

So wurde der Beirat zu einer Anlaufstelle für viele Antragsteller, aber auch für Rechtsanwälte, Entschädigungsrichter oder das Ministerium. Er diente als Forum für die Verhandlung verschiedener Interessen und konnte auf diese Art eine Reihe strittiger Fälle außergerichtlich und ohne größeren Verwaltungsaufwand klären. Verhindert werden konnte damit aber nicht, dass es um die Besetzung des Beirats immer wieder scharfe Auseinandersetzungen gab. Denn alle Opfergruppen versuchten, möglichst viele ihrer eigenen Vertreter dort unterzubringen. Dabei gab es nicht nur Streit unter den drei im Bundesentschädigungsgesetz berücksichtigten Opfergruppen, also den "politisch, rassisch und religiös Verfolgten"; vor allem auch unter den Vertretern der jüdischen NS-Opfer gab es Diskrepanzen. Insbesondere wurde der Israelitischen Kultusgemeinde, die im Beirat vergleichsweise stark repräsentiert war, von anderen jüdischen Organisationen die Vertretung der jüdischen Interessen streitig gemacht.

Das Entschädigungsamt blieb immer ein Sonderfall in der bayerischen Verwaltung. Vom Staat allenfalls pflichtschuldig eingerichtet, von der Bevölkerungsmehrheit und der Öffentlichkeit misstrauisch betrachtet, von den Antragstellern gleichzeitig benötigt und kritisiert. Im Grunde stellt sich auch die Frage, ob eine reguläre Verwaltung überhaupt in der Lage sein kann, eine derartige Dimension menschlichen Leids zu mildern, wie es durch die nationalsozialistischen Verbrechen verursacht wurde. Einerseits sollte die Behörde nach bürokratischen Gesichtspunkten reibungslos und effektiv funktionieren; andererseits erwartete man von den oftmals überforderten Mitarbeitern eine besondere Form der persönlichen Einfühlung und des Engagements.

Ein Ausdruck für dieses Dilemma war der häufige Abschluss der Entschädigungsverfahren durch Vergleich. Das heißt, die Verfahren wurden abgekürzt, indem der Berechtigte in der Regel auf einen Teil seiner Ansprüche verzichtete. Allerdings muss die Vergleichspraxis unter der damals gegebenen persönlichen Situation der ehemals Verfolgten gesehen werden. Für viele von ihnen brachte ein Vergleich durchaus Vorteile, etwa für diejenigen, die möglichst schnell aus dem Land ihrer Verfolgung weg und nach Israel oder in die USA auswandern wollten. Für die Behörde wiederum lag der Vorteil in erster Linie darin, dass Fälle dadurch schneller abgeschlossen werden konnten und sich weitere kostspielige Ermittlungen und Verhandlungen, insbesondere der Gang vor die ebenfalls überlastete Entschädigungsgerichtsbarkeit, erübrigten.

Um die Bereitschaft zu außergerichtlichen Einigungen wie Schlichtung oder Vergleich überhaupt zu ermöglichen, brauchte es ein ordentliches gerichtliches Regelungsverfahren, das im Hintergrund stand. Konnten sich die verschiedenen Parteien nicht einigen, mussten Gerichte eine Klärung herbeiführen. So kann man in gewisser Weise durchaus davon sprechen, dass es gewissermaßen zwei Entschädigungsämter gab: zum einen das BLEA, zum anderen die Gerichte. Dafür gab es Entschädigungskammern an den Landes- bzw. Oberlandesgerichten. Ein internationales Berufungsgericht wie den "Court of Restitution Appeal of the Allied High Commission for Germany" (CORA) in der Rückerstattung gab es bei der Entschädigung nicht. Hier wurde eine Reihe von grundsätzlichen Urteilen letztinstanzlich vom Bundesgerichtshof entschieden. Das heißt, die Gerichte brachten nicht nur die rechtliche Entwicklung der Wiedergutmachung, sondern auch die praktische Durchführung voran, indem sie schnell und effektiv eine Reihe von Verfahren abschlossen.

Historische Dimension, menschliche Wirkung

Für die ehemals Verfolgten bedeuteten die Verfahren oft eine große psychische Last, da sie im Modus des formalisierten Verwaltungsvorgangs mit der Zeit ihrer Verfolgung konfrontiert und nicht selten dadurch retraumatisiert wurden. Zugleich bot dieser Prozess des Verhandelns von Unrecht und Gerechtigkeit auch die Gelegenheit, die begangenen Verbrechen zu benennen und eine Pflicht zur Wiedergutmachung öffentlich anzuerkennen. Zudem waren die Verwendungsmöglichkeiten der Entschädigungsgelder sehr unterschiedlich und es gab kaum einen Lebensbereich, für den dieses Geld nicht eingesetzt wurde: Ausbildungen wurden davon finanziert, Wohnraum gemietet, Ausreisen bezahlt oder private bzw. geschäftliche Einrichtungen angeschafft. So halfen sie manchem Überlebenden beim Wiederaufrichten einer wirtschaftlichen Existenz, beim Wiederbeschaffen verlorenen Eigentums und damit verknüpfter Lebenssituationen. Nicht zuletzt diese Seite der Wiedergutmachung machte es manchen Überlebenden der nationalsozialistischen Verbrechen erst möglich, sich in Bayern bzw. Deutschland (erneut) niederzulassen.

Heute (Stand: 2017) ist das Landesentschädigungsamt keine eigene Behörde mehr, sondern als ein Referat Teil der Abteilung Rechtsangelegenheiten im Staatsministerium der Finanzen. Zum April 1990 war das Amt infolge der organisatorischen Zusammenlegung mit der "Staatsschuldenverwaltung" in "Bayerische Landesentschädigungs- und Staatsschuldenverwaltung" umbenannt und dann im Jahr 2002 in die Oberfinanzdirektion München eingegliedert worden. Die Aufgaben der Landesentschädigungs- und Staatsschuldenverwaltung gingen aufgrund der LfFVO vom August 2005 auf das neu gegründete "Landesamt für Finanzen – Dienststelle München" über. Der Bereich der Entschädigung führt seither die Bezeichnung "Landesamt für Finanzen – Landesentschädigungsamt".

Die Hauptzeit der Anträge und Renten im Sinne der Entschädigungsgesetzgebung lag naturgemäß in den Jahrzehnten nach dem Krieg. Seit einigen Jahren kann die Bearbeitung der insgesamt eingereichten ca. 470.000 Entschädigungsanträge als abgeschlossen gelten. Die Aufgabe der Stelle liegt jetzt noch in der laufenden Betreuung der etwa 4.500 Entschädigungsrenten und -beihilfen (Stand: Februar 2017), deren Empfänger über die ganze Welt verstreut leben. Daneben werden auch noch in Einzelfällen Heilverfahrenskosten (Medikamentenkosten, Heilbehandlungskosten, Kuren, Pflegekosten, Bestattungskosten, Kosten für Hilfsmittel und Prothesen, Zahnsanierungskosten) erstattet.

In der immer noch stattfindenden Betreuung der Geschädigten liegt ein wichtiger Aspekt der Geschichte dieses Amtes, ja der sog. Wiedergutmachung überhaupt: Die dauerhafte Sichtbarmachung der Wiederherstellung von Recht nach der Verfolgung. Aus zahlreichen Akten, autobiographischen Zeugnissen oder Interviews ist zu erfahren, dass die Entschädigung eine monatliche Bestätigung dafür war (und es noch ist), dass die Zeit der Entrechtung vorüber ist.


Präsidenten des Landesentschädigungsamtes
Name Lebensdaten Amtszeit Bemerkung
Dr. Philipp Auerbach 1906-1952 1949-1951
Dr. Franz Zdralek 1894-1970 1951-1952 kommissarisch
Maxmilian Troberg 1902-1979 1952-1967
Heinz Meier 1912-1993 1967-1980
Klaus Heßdörfer geb. 1928 1980-1991
Dr. Klaus Vötter 1991-1998

Literatur


Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

bis 1947 Staatskommissariat für die Opfer des Faschismus, bis 1948 Staatskommissariat für die rassisch, religiös und politisch Verfolgten, bis 1949 Landesamt für Wiedergutmachung


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Empfohlene Zitierweise

Tobias Winstel, Landesentschädigungsamt, publiziert am 19.06.2018; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landesentschädigungsamt> (28.03.2024)