Kriegsende (1945)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Ab Ende März 1945 besetzten die Alliierten das rechtsrheinische Bayern. In Unterfranken kam es im Zuge dessen noch zu teilweise schweren Gefechten, im Verlauf des Vormarsches US-amerikanischer Truppen von Nord nach Süd nahm die Intensivität der Kampfhandlungen aber stetig ab. Die letzte größere Schlacht um eine bayerische Stadt fand Mitte April um Nürnberg statt. In den Landesteilen südlich der Donau, die am 22. April erstmals überschritten wurde, ereigneten sich nur noch wenige nennenswerte Kämpfe. Mit der Kapitulation der Heeresgruppe G am 5. Mai endete der Zweite Weltkrieg in Bayern.
Ausgangslage 1944/45
Drei Monate nach der Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 hatten die Alliierten bei Aachen die Grenzen des Deutschen Reichs überschritten. Die Rote Armee erreichte am 10. Oktober 1944 Ostpreußen, in Italien standen die Alliierten, die bereits im September 1943 im Süden der Apenninhalbinsel gelandet waren, zu diesem Zeitpunkt auf der Höhe von Florenz. Deutsche Versuche, die gegnerischen Streitkräfte aufzuhalten und die militärische Initiative zurückzuerlangen, waren weitgehend erfolglos, bestenfalls konnte deren Vormarsch verzögert werden.
Zwar wies die Wehrmacht noch 1945 eine beachtliche Truppenstärke auf. Allerdings litt sie akut an Treibstoff- und Munitionsmangel, während die Alliierten auf ausreichend Nachschub zurückgreifen konnten. Außerdem hatten sie mit der Beherrschung des deutschen Luftraums einen entscheidenden taktischen Vorteil, der es der US- und der Royal Air Force ermöglichte, kriegswichtige Infrastruktur und Städte im gegnerischen Hinterland anzugreifen sowie die eigenen Landstreitkräfte auf dem Schlachtfeld zu unterstützen. Die deutsche Luftwaffe trat dagegen kaum noch in Erscheinung.
Ziel der Alliierten und der Sowjetunion war die bedingungslose Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands, die Adolf Hitler (1889-1945) bis zu seinem Selbstmord am 30. April 1945 ablehnte. Ohne ein realistisches und zielführendes strategisches Konzept zu verfolgen, sollte nach Willen Hitlers bis zum letzten Mann Widerstand geleistet werden.
Nachdem das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) Hitler bis zuletzt loyal ergeben blieb, seine Befehle trotz der militärisch hoffnungslosen Lage weitgehend befolgte, ebenso die deutschen Soldaten ihren Vorgesetzten weiterhin Gehorsam leisteten, wurde das Deutsche Reich ab Ende 1944 selbst zum Kriegsschauplatz.
Kriegsverlauf im rechtsrheinischen Bayern 1945
Im Nordwesten des Reichs operierten hauptsächlich britische Truppen, die bis zur Elbe vorstießen. Die Eroberung Ostdeutschlands jenseits der Elbe war gemäß Absprachen zwischen den USA und der Sowjetunion der Roten Armee vorbehalten, der somit auch Berlin zufiel. Nachdem sie weite Teile Westdeutschlands erobert hatten und bis nach Sachsen vorgerückt waren, marschierten die US-Amerikaner daher nicht auf die Reichshauptstadt zu, sondern wandten sich Richtung Süddeutschland. Im Südwesten war außerdem die 1. Französische Armee an der Besetzung Badens, Württembergs und Teilen des Allgäus beteiligt. Nachdem sie gemeinsam mit französischen Truppen die Pfalz erobert und den Rhein überquert hatten, besetzten Soldaten der 7. US-Armee am 25. März 1945 als erste Stadt im rechtsrheinischen Bayern Großostheim. Unter dem Befehl von General Alexander M. Patch (1889-1945) kämpfte die 7. US-Armee in Unter- und Mittelfranken sowie von Württemberg kommend auch in Schwaben und besetzte zuletzt große Teile Oberbayerns. Von Thüringen her rückte seit Mitte April die 3. US-Armee unter General George S. Patton (1885-1945) über Oberfranken, die Oberpfalz und Niederbayern bis nach Böhmen und Oberösterreich vor; am 8. Mai traf sie an der Enns mit der Roten Armee zusammen, die für den bayerischen Kriegsschauplatz keine direkte Rolle spielte.
Ebenfalls hatten die alliierten Bomberflotten ihre Aktivitäten in Bayern in der letzten Kriegsphase nochmals merklich ausgeweitet, was zu teils verheerenden Bomben- und Tieffliegerangriffen auf Städte und auch Dörfer führte, die vom Luftkrieg bislang weitgehend verschont geblieben waren (z.B. Würzburg 16. März, Zapfendorf 1. April, Schwandorf 17. April).
Die Verteidigung der beiden Wehrkreise VII (München) und XIII (Nürnberg), in denen das rechtsrheinische Bayern militärisch organisiert war, oblag im Wesentlichen den bei Kämpfen im Westen stark dezimierten 1., 7. und 19. Armeen der Heeresgruppe G sowie dem XIII. SS-Armeekorps und der 17. SS-Panzergrenadier-Division. Ebenfalls kämpften auf deutscher Seite verschiedene ausländische Truppenkontingente (Waffen-SS-Freiwillige, Königlich Ungarische Armee, Russische Befreiungsarmee), ferner der durch Führererlass vom 25. September 1944 aufgestellte Volkssturm (Männer zwischen 16 und 60 Jahren), der militärisch so gut wie bedeutungslos war; des Weiteren wurden Luftwaffenpersonal, Reichsarbeitsdienst (RAD) und Hitlerjugend (HJ) herangezogen. Den militärischen Oberbefehl über die Heeresgruppe G übte General Friedrich Schulz (1897-1976) aus, ihm vorgesetzt war der Oberbefehlshaber West, Generalfeldmarschall Albert Kesselring (1885-1960). Der Volkssturm unterstand den jeweiligen Gauleitern.
Wichtigstes strategisches Ziel der US-Amerikaner im Süden des Reichs war die vermeintliche Alpenfestung, die erreicht werden sollte, ehe sich die verbliebenen deutschen Truppen dort verschanzen hätten können. Zwar zogen sich diese tatsächlich vor allem in Richtung des bayerisch- österreichischen Hochgebirges zurück, wohin zuletzt auch Parteigrößen wie Hermann Göring (1893-1946), Robert Ley (1890-1945), Fritz Sauckel (1894-1946) oder Julius Streicher (1885-1946) ausgewichen waren; in Wirklichkeit existierten in den Alpen aber keine nennenswerten Befestigungen. Prestigeträchtig für die US-Truppen waren in Bayern ferner Nürnberg als 'Stadt der Reichsparteitage', München, die 'Hauptstadt der Bewegung' ("Cradle of the Nazi beast", Dwight D. Eisenhower, 1890-1969), sowie der Obersalzberg. Nachträglich von großer symbolischer Bedeutung wurde das am 29. April befreite Konzentrationslager (KZ) Dachau, in dem den US-Soldaten die Gräuel des NS-Regimes in vollem Umfang vor Augen geführt wurden ("Dachau Gives Answer To Why We Fought", 45th Division News, 13. Mai 1945). Um den deutschen Soldaten den Weg in den Süden abzuschneiden und ihnen wenig Gelegenheit für Umgruppierungen zu geben, aber auch um ostwärts möglichst große Landgewinne gegenüber der Roten Armee zu erzielen, waren die US-Amerikaner bei ihrem Vormarsch in Bayern auf Schnelligkeit bedacht.
Insgesamt nahm die Intensität der Kampfhandlungen in Bayern von Nord nach Süd ab. Am schwersten gestalteten sich Anfang April die Kämpfe in Unterfranken, ferner fanden zwei Wochen später noch größere Gefechte um Nürnberg und Neumarkt in der Oberpfalz statt. Systematische Pläne zur Verteidigung lagen für die meisten Städte in Bayern nicht vor; es wurden zwar vielfach provisorische Abwehrmaßnahmen angestellt, diese aber dann in Anbetracht der taktischen Überlegenheit der Alliierten nicht konsequent ausgeführt (z.B. in Regensburg, Ingolstadt, München). Im Zuge des deutschen Rückzugs wurden in der Regel Brücken gesprengt, was den gegnerischen Vormarsch aber kaum beeinträchtigte. Zu großangelegten Zerstörungen der Infrastruktur infolge Hitlers 'Nero-Befehl' kam es ebenso wenig wie zu Aktivitäten deutscher Partisanen ('Werwölfe') im von den Alliierten besetzten Gebiet.
Bis in die letzten Kriegstage wurden von deutschen Soldaten allerdings immer wieder an Flüssen oder Anhöhen neue Verteidigungslinien bezogen und Ortschaften provisorisch befestigt. In der Regel wurden diese Stellungen aber, bestenfalls nach kurzen Feuergefechten, schnell aufgegeben. Lokale Honoratioren (nicht selten in Stellvertretung der NS-belasteten Bürgermeister) erreichten vielfach den Rückzug deutscher Truppen aus ihren Gemeinden und führten eine kampflose Übergabe herbei. Wenn dies nicht gelang und Widerstand geleistet wurde, oft von der Waffen-SS und jungen Soldaten oder Hitlerjungen ausgehend, führte dies zu erheblichen Zerstörungen durch Beschuss von Tieffliegern und Artillerie sowie abschließendem Sturm durch Bodentruppen (z.B. in Karlstadt am Main, Kirchenlamitz, Gunzenheim).
Verglichen mit den amerikanischen Verlusten - insgesamt verzeichnete die 3. US-Armee in der zweiten Aprilhälfte etwa 550 Gefallene, die 7. US Armee im April etwa 2.200 -, waren die Verluste auf deutscher Seite im letzten Kriegsjahr erheblich: Insgesamt fielen 1945 ca. 1,2 Millionen deutsche Soldaten, der Großteil von ihnen bei den intensiven Kämpfen in Westdeutschland und an der Ostfront. In Bayern sollen über 350.000 Soldaten von der 3. und der 7. US-Armee in Kriegsgefangenschaft genommen worden sein. Die Zahl der Zivilisten, die 1945 in Bayern im Zuge von Kampfhandlungen starben, ist bei ungefähr 20.000 anzusetzen. Neben Städten, die bereits seit mehreren Jahren Luftangriffen ausgesetzt waren, waren bei Kriegsende besonders solche, in denen noch Bodenkämpfe stattfanden, weitläufig zerstört (z.B. Aschaffenburg, Gemünden am Main, Neustadt an der Donau).
Franken
Nach Überquerung des Mains bei Aschaffenburg begannen US-amerikanische Truppen am 25. März die zur Festung erklärte Stadt zu belagern und unter Artilleriefeuer zu legen. Ihre Eroberung erfolgte acht Tage später nach schweren Kämpfen, andere amerikanische Einheiten waren zu diesem Zeitpunkt bereits weiter nach Osten vorgerückt. In Kleinstädten wie Gemünden am Main oder Arnstein stießen sie noch auf Widerstand, der aber schnell überwunden werden konnte. Größere Kämpfe entwickelten sich um das durch den Luftkrieg schwer gezeichnete Würzburg, das bis zum 6. April eingenommen wurde, und um Schweinfurt, das bis zum 7. April besetzt wurde.
US-amerikanische Infanteristen in Ruinen des Aschaffenburger Stadtteils Schweinheim, 2.4.1945. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
US-Panzer beim Häuserkampf in der Brentanostraße in Aschaffenburg, Anfang April 1945. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Ende März wollte General Patton das Kriegsgefangenenlager Hammelburg durch ein Kommandounternehmen befreien, da dort sein Schwiegersohn inhaftiert war. Die Operation endete in einem Desaster und der fast vollständigen Vernichtung der Kommandoeinheit. Sie stellte eine der wenigen Niederlagen der US-Amerikaner in Bayern dar.
Die Verbände der 7. US-Armee rückten nach Überwindung der größten Widerstände in Unterfranken bis zum 14. April im Osten schnell nach Bamberg vor und erreichten dort die Operationslinie zur 3. US-Armee, die am selben Tag Bayreuth und bis zum 20. April das übrige Oberfranken eingenommen hatte. Ein Gegenangriff mit etwa 30 Panzern vom nahe gelegenen Truppenübungsplatz Grafenwöhr am 15. April bildete eine der seltenen größeren Offensivoperationen in Bayern, zu denen die Wehrmacht noch imstande war, konnte aber problemlos abgewehrt werden.
Die letzte größere Schlacht um eine bayerische Stadt wurde um Nürnberg geführt: Die amerikanischen Divisionen, die die 'Stadt der Reichsparteitage' am 16. April einschlossen, hatten zuvor umliegende Städte wie Erlangen, Herzogenaurach und Lauf ohne größere Kampfhandlungen eingenommen. In Nürnberg sollte es aber vier Tage lang zu schweren Straßen- und Häuserkämpfen kommen, in deren Verlauf sich die US-Amerikaner durch die Vorstädte in Richtung Altstadt vorarbeiteten. Am 20. April kapitulierten die letzten deutschen Truppen, wohingegen sich Gauleiter Karl Holz (1895-1945) mit seinen engsten Gefolgsleuten in den Ruinen des Polizeipräsidiums verschanzte, in der Absicht dort kämpfend unterzugehen.
US-Panzer in Nürnberg, April 1945. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Amerikanische Panzer fahren durch die Äußere Laufer Gasse. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Siegesfeierlichkeiten von US-Soldaten auf der Zeppelintribüne auf dem Reichsparteitagsgelände, April 1945. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Altbayern nördlich der Donau
Während die 7. US-Armee nach dem Fall Nürnbergs auch das übrige Mittelfranken besetzte, nahm die 3. US-Armee die Oberpfalz ein. Sie stieß dabei kaum mehr auf reguläre Wehrmachtstruppen. Wenn es noch zu Gefechten kam (z.B. Waldsassen 21., Sulzbach-Rosenberg 22., Waldmünchen 26. April), so gingen diese vor allem von deutschen und ungarischen SS-Einheiten aus. Zu länger anhaltenden Kämpfen kam es um Neumarkt (18. bis 23. April), das nach erfolgter Eroberung weitgehend zerstört war. Ferner trugen sich im Bayerischen Wald noch vereinzelt Geplänkel zu, oft unter Beteiligung von HJ-Angehörigen. Binnen einer Woche hatte die 3. US-Armee die Donau erreicht, die an verschiedenen Stellen auf Booten oder über Pontonbrücken ohne größere Verluste überquert wurde. Ingolstadt und Regensburg konnten am 27. April nach Abzug der deutschen Truppen kampflos eingenommen werden. Donauabwärts wurde Straubing am 28. April besetzt, Passau in der Nacht vom 2. auf dem 3. Mai nach einzelnen Kampfhandlungen.
Schwaben

Einer amerikanischen Vorhut war es bereits am 22. April gelungen, die Donaubrücke bei Dillingen in intaktem Zustand zu nehmen. Weitere Überquerungen der Donau in Schwaben erfolgten am 25. April bei Donauwörth, Günzburg und Neu-Ulm. Von Norden und Westen her wurde Schwaben schnell besetzt, geordnete Verteidigungslinien konnten durch die zersplitterten deutschen Armeen nicht mehr gebildet werden. Nur vereinzelt kam es in Schwaben zu kleineren Gefechten (z.B. Illertissen, Kellmünz, Krumbach). Die meisten Städte wurden kampflos den US-Amerikanern, am Bodensee und im Oberallgäu auch Einheiten der 1. französischen Armee übergeben, die bis Ende April die Allgäuer Alpen erreicht hatten. Augsburg fiel am 28. April kampflos in die Hände der Alliierten
Ober- und Niederbayern südlich der Donau
Das übrige Bayern wurde nach der Überquerung der Donau im Norden und des Lechs im Westen binnen einer Woche vollständig besetzt: Die 3. US-Armee rückte auf breiter Front zunächst zur Isar (Besetzung von Freising und Moosburg am 29. April, von Landshut, Dingolfing und Plattling am 1. Mai) vor, dann weiter bis zum Inn und diesen entlang bis nach Österreich (Besetzung von Mühldorf, Burghausen und Braunau am 2. Mai). Die verbliebenen deutschen Truppen konnten dem amerikanischen Vormarsch kaum noch Widerstand entgegensetzen und zogen sich weiter zurück, sofern sie nicht vollständig aufgerieben wurden oder in Kriegsgefangenschaft gerieten. Wenn noch geschlossene Linien zwischen den deutschen Verbänden bestanden, wurden diese überall durch den schnellen Vorstoß der Amerikaner zerrissen.
Die 7. US-Armee war im Süden bis zum 29. April ins Werdenfelser Land vorgestoßen, München wurde einen Tag später von Westen und Norden her eingekreist. Ungeachtet entsprechender Parolen von Gauleiter Paul Giesler (1895-1945), die Denkmäler der NS-Geschichte in der 'Hauptstadt der Bewegung' bis zuletzt zu verteidigen, blieb München das Schicksal Nürnbergs erspart: Es kam lediglich im Umfeld der SS-Kasernen im Nordosten der Stadt zu Gefechten, ansonsten wurde die bayerische Landeshauptstadt weitgehend kampflos besetzt. Im Oberland kam es noch bis zum 3. Mai zu vereinzelten Kämpfen mit SS-Einheiten, der US-amerikanische Vormarsch über den Inn in den Chiemgau wurde im Weiteren vor allem durch Umgruppierungsmaßnahmen und die zunehmend schlechteren Wetterbedingungen verzögert. Mit Erreichen von Salzburg und des Berchtesgadener Landes am 4. Mai beschlossen die Alliierten ihre Kampagne in Bayern de facto.
Kapitulation
Am 2. Mai leitete Feldmarschall Kesselring nach Rücksprache mit dem tags zuvor in das Amt des Reichspräsidenten gelangten Karl Dönitz (1891-1980) Verhandlungen über eine bedingungslose Teilkapitulation der Heeresgruppe G ein. Gespräche zwischen US-Amerikanern (General Jacob L. Devers, 1887-1979) und Deutschen (General Hermann Foertsch, 1895-1961) fanden am 5. Mai im Staatsatelier von Josef Thorak (1889-1952) in Baldham statt. Am Mittag des 6. Mai trat die Kapitulation in Kraft und beendete den Zweiten Weltkrieg in Bayern, zwei Tage vor der Gesamtkapitulation des Deutschen Reichs.
Endphasenverbrechen und Kriegsverbrechen
Die letzte Phase des Zweiten Weltkriegs wurde deutscherseits mitunter von Gräueltaten gegen die eigenen Soldaten und die Zivilbevölkerung begleitet: Fliegende Standgerichte machten 'kurzen Prozess' mit Deserteuren; Bürger, die die Zerstörung ihrer Heimat infolge von Abwehrkämpfen verhindern wollten, riskierten als Vaterlandsverräter umgebracht zu werden. Zahlreiche Verbrechen dieser Art lassen sich bis kurz vor Kriegsende auch in Bayern dokumentieren: vom Arzt Carl Brand (1893-1945), der am 2. April wegen des Vorhabens, Lohr am Main kampflos zu übergeben, von der Gestapo verhaftet und hingerichtet wurde, über die Erschießung der wegen Wehrkraftzersetzung verurteilten Amalie Nothaft (1884-1945) in Deggendorf am 27. April, bis zur Erhängung desertierender Flakhelfer bei Thierhaupten am gleichen Tag.
Auf Todesmärschen in Richtung Süden gingen noch kurz vor Kriegsende tausende KZ-Häftlinge zugrunde. Immer wieder wurden russische Kriegsgefangene ermordet, wobei die Tötung von mehr als 100 Rotarmisten durch die SS in Igling bei Passau am 26. April besonders herausragt.
Vor allem im Zuge der Konfrontation alliierter Soldaten mit derartigen Verbrechen gegen die Menschlichkeit kam es zur Tötung deutscher Kombattanten außerhalb regulärer Kampfhandlungen. So wurden etwa im Anschluss an die Befreiung eines Todesmarsches im Bayerischen Wald in der letzten Aprilwoche ungefähr 25 deutsche Kriegsgefangene getötet. Am 29. April wurden nach der Entdeckung tausender Leichen im KZ Dachau an die 50 SS-Wachen erschossen. Auch an Personen, die während des Kriegs abgeschossene Piloten ermordet hatten, wurde Rache geübt (z.B. am Ortsgruppenleiter von Pullach). Französische Soldaten liquidierten am 8. Mai elf ihrer Landsleute ohne weiteres Gerichtsverfahren, die der Waffen-SS angehörten und bei der Besetzung des Berchtesgadener Landes gefangen genommen wurden. Ebenfalls kam es im Zuge der Besetzung Bayerns immer wieder zu Plünderungen durch US-Soldaten und freigewordene Zwangsarbeiter sowie zu Vergewaltigungen.
Verhalten der Bevölkerung, Widerstandsbewegung, Verhalten von deutschen Hoheitsträgern
Mit Ausnahme von wenigen fanatischen Nationalsozialisten war der größte Teil der bayerischen Bevölkerung im letzten Kriegsjahr weitgehend fatalistisch. Angesichts der offensichtlichen Luftüberlegenheit und des steten Vormarschs der Alliierten wurde der nationalsozialistischen Propaganda über eine militärische Wende des Kriegsgeschehens, herbeigeführt durch angebliche 'Wunderwaffen' (z.B. Düsenjäger, V-Raketen) oder einen Bruch des Bündnisses zwischen Alliierten und Sowjets, kein Glauben mehr geschenkt. Nicht ohne Furcht vor den ungewissen Folgen der Niederlage herrschte die Sehnsucht nach einem baldigen Kriegsende vor. Zwar entstanden in der letzten Kriegsphase einige Widerstandsgruppen wie die 'Organisation Bauernhaus' in Regensburg oder die 'O7' und besonders die groß angelegte 'Freiheitsaktion Bayern' in München; diese konnten insgesamt aber nur eine geringe Wirkung entfalten. Immerhin erreichte in Augsburg eine lokale Freiheitsbewegung die kampflose Übergabe der Stadt, in Oberstdorf besetzte ein 'Heimatschutz' am 30. April öffentliche Gebäude und stellte die friedliche Einnahme des Ortes durch die französische Armee sicher. Zur offenen Auflehnungen gegen das wankende NS-Regime kam es aber nur selten, zumeist erst, wenn der Einmarsch der Alliierten kurz bevorstand. In diesen Fällen wurden die Beseitigung provisorischer Panzersperren in die Wege geleitet, weiße Flaggen gehisst und Parlamentäre zu Übergabeverhandlungen entsandt, was allerdings das Risiko von Vergeltungsmaßnahmen durch fanatische Nationalsozialisten in sich barg und zu zahlreichen Todesopfern führte (z.B. in Bad Windsheim Fabrikantenfrau Christine Schmotzer, geb. 1906, am 13. April, in Kaltenbrunn Bürgermeister Josef Hörl, geb. 1897, am 20. April, in Götting Pfarrer Josef Grimm, geb. 1900, und Hauptlehrer Georg Hangl, geb. 1889, am 28. April).
Ungeachtet diverser Durchhalteparolen und Aufrufe, die Stellung bis zuletzt zu halten, verhielten sich die Repräsentanten des Dritten Reichs im Angesicht des Untergangs unterschiedlich: Während Gauleiter Karl Holz bei den Kämpfen in Nürnberg starb, setzte sich sein mainfränkischer Amtskollege Otto Hellmuth (1896-1968) kurz vor dem Fall Würzburgs in Richtung Oberbayern ab und geriet dort in Kriegsgefangenschaft. Fritz Wächtler (1891-1945), Gauleiter Bayreuths, hatte seine Gauhauptstadt einen Tag vor dem amerikanischen Einmarsch verlassen, was seine Exekution durch ein SS-Kommando nach sich zog, das ihn am 19. April in Waldmünchen im Bayerischen Wald aufgespürt hatte. Ebenso war Paul Giesler, Gauleiter von München-Oberbayern, kurz vor der Besetzung Münchens, zusammen mit seinen engsten Mitarbeitern und Familienangehörigen geflohen; wie viele andere fanatische Nationalsozialisten beendeten er und seine Frau ihr Leben selbst. Dies traf auch auf den stellvertretenden Gauleiter von Schwaben, Anton Mündler (1896-1945), zu, der sich bei der Einnahme Augsburgs selbst tötete. Sein Vorgesetzter, Gauleiter Karl Wahl (1892-1981), ließ sich dagegen widerstandslos gefangen nehmen.
Quellen und Forschung
Zum Kriegsende in Bayern stehen vor allem von amerikanischer Seite die Afteraction Reports sowie militärgeschichtliche Darstellungen der bei der Eroberung Süddeutschlands beteiligten Einheiten zur Verfügung, die eine detaillierte Rekonstruktion des amerikanischen Vormarsches erlauben. Analoge Quellen liegen seitens des deutschen Militärs kaum vor und sind für die letzte Kriegszeit auch nur wenig ergiebig (z.B. Kriegstagebuch des OKW). Die Forschung muss sich hauptsächlich auf in der Nachkriegszeit entstandene Berichte und Erinnerungen militärischer Verantwortlicher stützen. Wertvoll sind die 1945 von katholischen Pfarrern verfassten Kriegs- und Einmarschberichte, die für das Erzbistum München und Freising flächendeckend vorliegen; vereinzelt finden sich solche auch aus der Feder evangelischer Geistlicher.
Darstellungen zum Endes des Zweiten Weltkriegs in bayerischen Städten und Dörfern gibt es zahlreiche, sie gehören zum Standardrepertoire von Ortsgeschichten. Besonders ausführliche Studien liegen für Aschaffenburg, Schweinfurt, Nürnberg und Regensburg vor, ferner existieren überregionale Darstellungen unterschiedlicher Qualität zum Kriegsende in den verschiedenen Landesteilen. Eine kritische Reflexion der oft tendenziösen Quellenaussagen findet nicht immer statt. Dies hat zuweilen zur Folge, dass die auf 'zähen Widerstand' zurückzuführenden Verluste auf amerikanischer Seite unverhältnismäßig hoch angesetzt werden. Inwieweit das vorherrschende Bild zutrifft, wonach die Schrecken der letzten Kriegstage vornehmlich auf die SS und ihre fanatische Haltung zurückzuführen seien, während die reguläre Wehrmacht kaum damit in Verbindung gebracht wird, bedarf noch näherer Untersuchungen.
Literatur
- Wilhelm Böhm, Schweinfurt soll solange wie möglich gehalten werden, Schweinfurt 1996.
- Horst Boog/Gerhard Krebs/Detlef Vogel, Das Deutsche Reich in der Defensive. Strategischer Luftkrieg in Europa, Krieg im Westen und in Ostasien 1943-1944/45 (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 7), Stuttgart, München 2001.
- Joachim Brückner, Kriegsende in Bayern 1945. Der Wehrkreis VII und die Kämpfe zwischen Donau und Alpen (Einzelschriften zur militärischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges 30), Freiburg 1987.
- Rainer Ehm/Roman Smolorz, April 1945. Das Kriegsende im Raum Regensburg, Regensburg 2019.
- Peter Engelbrecht, Frieden im Frühling. Kriegsende 1945 in Oberfranken, Weißenstadt 2020.
- Peter Fassl (Hg.), Das Kriegsende in Bayerisch-Schwaben 1945. Wissenschaftliche Tagung der Heimatpflege des Bezirks Schwaben in Zusammenarbeit mit der Schwabenakademie Irsee am 8./9. April 2005, Augsburg 2006.
- Georg Haberl/Walburga Fricke, Anfang und Ende des Tausendjährigen Reiches in Ostbayern, Bd. 2, Neckenmarkt 2009.
- Klaus-Dietmar Henke, Die amerikanische Besetzung Deutschlands, München 1995.
- Karl Kunze, Kriegsende in Franken und der Kampf um Nürnberg im April 1945 (Nürnberger Forschungen 28), Neustadt an der Aisch 1995.
- Rolf-Dieter Müller (Hg.), Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945. Erster Halbband: Die militärische Niederwerfung der Wehrmacht (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 10,1), München 2008.
- Rainer Ostermann, Kriegsende in der Oberpfalz. EIn historisches Tagebuch, Regenstauf 3. Auflage 2023.
- Alois Stadtmüller, Aschaffenburg im Zweiten Weltkrieg (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e.V. 12), Aschaffenburg 1970.
- Alois Stadtmüller, Maingebiet und Spessart im Zweiten Weltkrieg: Überblick, Luftkrieg, Eroberung (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e.V. 19), Aschaffenburg 1982.
Quellen
- After action report: Third US Army, 1 August 1944 - 9 May 1945, 1945.
- G-2 History: Seventh Army operations in Europe, 15 August 1944 - 8 May 1945, 1945.
- Peter Pfister (Hg.), Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Erzbistum München und Freising. Die Kriegs- und Einmarschberichte im Archiv des Erzbistums München und Freising (Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising 8/Teilband 1 und 2), Regensburg 2005.
- Report of Operations: The Seventh United States Army in France and Germany 1944-1945, Band 3, 1946.
- Percy Ernst Schramm (Hg.), Die Niederlage 1945. Aus dem Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (dtv dokumente), Nördlingen 1962.
- Verena von Wiczlinski (Hg.), Kirche in Trümmern? Krieg und Zusammenbruch 1945 in der Berichterstattung von Pfarrern des Bistums Würzburg, Würzburg 2005.
Weiterführende Recherche
Externe Links
- Haus der Bayerischen Geschichte: Zerstört und (wieder-)aufgebaut: Bayern nach 1945
- Ike Skelton Combined Arms Research Library Digital Library
Stunde Null, Kapitulation
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Empfohlene Zitierweise
Daniel Rittenauer, Kriegsende (1945), publiziert am 05.05.2025 in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kriegsende (1945)> (18.05.2025)