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Klostersturm (1940-1942): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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[[Datei:Reichsleistungsgesetz 1939 Inhalt.jpg|thumb|Mit dem Reichsleistungsgesetz vom 1. September 1939 war die Grundlage für die Beschlagnahme von Gebäuden für kriegswichtige Zwecke geschaffen worden. Abb. aus: Reichsleistungsgesetz: Gesetz über Sachleistungen für Reichsaufgaben vom 1. September 1939, München 1940. (Bayerische Staatsbibliothek, J.publ.g. 637 rc-213)]]

Version vom 22. Dezember 2022, 14:19 Uhr

von Annette Mertens

Mit dem Reichsleistungsgesetz vom 1. September 1939 war die Grundlage für die Beschlagnahme von Gebäuden für kriegswichtige Zwecke geschaffen worden. Abb. aus: Reichsleistungsgesetz: Gesetz über Sachleistungen für Reichsaufgaben vom 1. September 1939, München 1940. (Bayerische Staatsbibliothek, J.publ.g. 637 rc-213)

Zwischen 1940 und 1942 wurden im Deutschen Reich unter der nationalsozialistischen Regierung mehr als 300 katholische Klöster und kirchliche Einrichtungen aufgehoben und enteignet. Die Gebäude wurden beschlagnahmt, ihre Bewohner zumeist vertrieben, der Klosterbetrieb eingestellt. Dieser sog. Klostersturm bildete einen Höhepunkt der Kirchenverfolgung durch die Nationalsozialisten. Bayern mit seiner reichen Klosterlandschaft blieb davon nicht verschont. Zahlreiche Klöster wurden hier zur Unterbringung deutscher Umsiedler aus Südosteuropa beschlagnahmt. Auch wenn dabei die bayerischen Klöster in der Regel nicht ganz aufgehoben wurden, bedeutete dies für die Bewohner eine große Belastung. Von einer zweiten, gegen die angebliche „volks- und staatsfeindliche“ Betätigung der Ordensgeistlichen gerichteten Verfolgungswelle waren 1941 nochmals mindestens acht Klöster in Bayern betroffen, bevor die Beschlagnahmen infolge des öffentlichen Protests eingestellt wurden.

Klöster im Feindbild der Nationalsozialisten

Mit der Bekämpfung des Ordenswesens hoffte das NS-Regime, den „Lebensnerv der katholischen Kirche“ zu treffen: „Wer die Klöster angreift, greift immer auch die Gesamtkirche an“ (Ausarbeitung der SS, ca. 1935, in: Bundesarchiv (BArch) Berlin, R 58/5764n, Bl. 1292–1294). Im totalitären Weltbild der Nationalsozialisten war für die katholische Kirche kein Platz. Zu groß war die Furcht vor dem gesellschaftlichen Einfluss, den sie über ihre Kindergärten und Schulen, Vereine und Verbände ausübte. Die Kirche wurde daher bis 1939 mehr und mehr aus diesen Positionen verdrängt und auf eine rein religiöse Betätigung („Sakristei-Christentum“) reduziert.

In dem Feindbild, das die katholische Kirche für das Regime darstellte, nahmen die Klöster einen zentralen Platz ein, da in ihnen „der militante Arm der katholischen Kirche“ (Boberach, Berichte, 912) gesehen wurde. Die ehelose Lebensweise galt als „undeutsch“, da sie nicht zur Fortpflanzung der „arischen Rasse“ beitrage. Den kontemplativ (beschaulich) lebenden Ordensgemeinschaften wurde vorgeworfen, dass sie „nur beten und nichts arbeiten“ würden (Neuhäusler, Kreuz und Hakenkreuz, 158). Noch gefährlicher schienen jene Orden, die durch Unterricht, Exerzitien und Predigten öffentlich tätig waren und dadurch die Möglichkeit zu regierungsfeindlicher Propaganda hatten. So gehörte die Bekämpfung der Orden von Anfang an zu den zentralen Zielen der NS-Kirchenpolitik.

NS-Kirchenpolitik im Zweiten Weltkrieg

Doch erst unter den Bedingungen des Krieges wurde dieses Ziel in großem Stil verwirklicht: Durch den Krieg änderten sich die Rahmenbedingungen der NS-Kirchenpolitik. Ein „Burgfrieden“ mit den inneren Gegnern und verfolgten Minderheiten nach dem Vorbild des Ersten Weltkriegs blieb aus. Stattdessen verschärften sich die Terror- und Verfolgungsmaßnahmen und gipfelten in dem millionenfachen Mord an den europäischen Juden. Auch die Kirchenverfolgung erreichte im Krieg ihren Höhepunkt.

Adolf Hitler (NSDAP, 1889–1945, Reichskanzler 1933–1945), der vor dem Krieg eine moderatere Kirchenpolitik angemahnt hatte, konzentrierte seine Aufmerksamkeit zunehmend auf das Kriegsgeschehen und hielt sich in der Kirchenpolitik zurück. Davon profitierten radikale Kirchengegner wie der sog. Reichsführer-SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler (NSDAP, 1900–1945). Himmler verfügte über den Oberbefehl über die „Schutzstaffel“ (SS) und die Geheime Staatspolizei (Gestapo) und damit auch über das 1939 errichtete Reichssicherheitshauptamt (RSHA).

„Reichsaufgaben“ als Vorwand

Der Krieg lieferte willkommene Vorwände, um gegen die Klöster vorzugehen. Das Druckmittel lag im Begriff der „Reichsaufgaben“. Die nationalen Pflichten, die der Krieg auch für die Katholiken mit sich brachte und zu denen diese sich in der Regel selbstverständlich bekannten, bestanden nicht nur im Militärdienst an der Front, sondern auch im Dienst an der „Heimatfront“. Dazu gehörten traditionell der Betrieb von Lazaretten und die Aufnahme von Flüchtlingen.

Die Beanspruchung von Gebäuden für kriegswichtige Aufgaben war im Reichsleistungsgesetz vom 1. September 1939 geregelt. Es berechtigte die Wehrmacht und andere „staatliche oder mit staatlichen Aufgaben betraute Bedarfsstellen“, Räume und Gebäude für militärische Zwecke zu beschlagnahmen. Die SS nutzte dieses Gesetz als eine Art Blankovollmacht für Übergriffe auf fremdes, insbesondere kirchliches Eigentum.

Beschlagnahmen durch die „Volksdeutsche Mittelstelle“

Unter der Parole „Heim ins Reich“ begann die NS-Regierung 1939, deutsche Minderheiten aus ost- und südosteuropäischen Ländern ins Deutsche Reich umzusiedeln. Bis 1942 wurden mehr als eine halbe Million „Volksdeutsche“ umgesiedelt und zunächst in Lagern untergebracht, die oftmals jahrelang die Heimat der Volksdeutschen blieben. Mit der Durchführung der Umsiedlungsaktion war die „Volksdeutsche Mittelstelle“ (VoMi) beauftragt, die eng mit der SS verflochten war. Den Oberbefehl führte Himmler in seiner Funktion als „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums“ (RKFDV).

Zur Einrichtung der Lager benötigte die VoMi eine Vielzahl an Gebäuden und berief sich dabei auf das Reichsleistungsgesetz. Die Einsatzführer hatten die klare Anweisung, gezielt Klöster und andere kircheneigene Gebäude dafür in Anspruch zu nehmen. Die Unterbringung der Umsiedler in den Ordenshäusern sollte der erste Schritt zur dauerhaften Beschlagnahme der Gebäude sein. Die Rückgabe der Häuser nach Abschluss der Umsiedlungsaktion, obwohl im Gesetz vorgesehen, war ausdrücklich nicht geplant.

Inwiefern diese Strategie verwirklicht wurde, hing stark von den jeweiligen regionalen Gegebenheiten und den persönlichen Ambitionen einzelner Verantwortlicher ab. Die meisten Umsiedlerlager, deren Gesamtzahl auf rund 1.500 geschätzt wird, wurden im Süden und Osten des Reiches eingerichtet; auf Bayern entfiel rund ein Drittel. Die überlieferten zeitgenössischen Unterlagen hierzu sind teilweise unvollständig, zweideutig oder in sich widersprüchlich. Dennoch kann es als sicher gelten, dass von rund 450 Umsiedlerlagern in Bayern, die namentlich nachweisbar sind, mindestens 115 in in den Räumlichkeiten katholischer, zumeist ordenseigener Einrichtungen untergebracht waren. Daneben wurden vor allem Gasthöfe und Pensionen als Unterkünfte genutzt.

Der für Bayern zuständige Oberabschnitt Süd des „Sicherheitsdienstes“ (SD) mit Sitz in München erhielt den ausdrücklichen Befehl, „möglichst zahlreiche und auch besonders große Klöster, wie die des Jesuitenordens und der Benediktiner“ in Anspruch zu nehmen (in: BArch Berlin, R 58/5335, Bl. 252). Tatsächlich wurden auffallend viele Benediktinerklöster beschlagnahmt, darunter die Klöster in Ettal (Lkr. Garmisch-Partenkirchen), Ottobeuren (Lkr. Unterallgäu), Schäftlarn (Lkr. München), Scheyern (Lkr. Pfaffenhofen a.d.Ilm), Weltenburg (Lkr. Kelheim) und Wessobrunn (Lkr. Weilheim-Schongau). Besonders betroffen war die Kongregation der Missionsbenediktiner von Sankt Ottilien (Lkr. Landsberg a.Lech) mit Zweigniederlassungen in St. Ludwig in Wipfeld (Lkr. Schweinfurt), Münsterschwarzach (Lkr. Kitzingen), Schweiklberg (Lkr. Passau) und – außerhalb von Bayern – Königsmünster (Nordrhein-Westfalen). Alle vier bayerischen Niederlassungen der Kongregation wurden für Umsiedler in Anspruch genommen, ebenso ihr Studienkolleg in Dillingen a.d.Donau. In Münsterschwarzach z. B., wo zuvor schon verschiedene Einquartierungen stattgefunden hatten, wurden 1940 rund 350 Umsiedler aus Bessarabien untergebracht.

Zu den als Umsiedlerlager beschlagnahmten Klöstern gehörten auch das Jesuitenkloster auf der Rottmannshöhe in Berg (Lkr. Starnberg), verschiedene Franziskaner-Niederlassungen in Volkersberg (Lkr. Bad Kissingen), Freystadt (Lkr. Neumarkt i.d.OPf.), Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) und Schwarzenberg (Lkr. Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim), die Pallottinerklöster in Untermerzbach (Lkr. Haßberge) und Freising, die Klöster der Redemptoristen in Forchheim und Gars a.Inn (Lkr. Mühldorf a.Inn), weiterhin Klöster der Barmherzigen Brüder in Algasing (Lkr. Erding), der Kapuziner in Altötting, der Salesianer in Benediktbeuern (Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen), das Zisterzienserkloster Bildhausen (Lkr. Bad Kissingen), die Augustinerklöster Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) und Fährbrück (Lkr. Würzburg), das Kloster der Mariannhiller Missionare in Zaitzkofen (Lkr. Regensburg) und das der Passionisten in Miesberg (Lkr. Schwandorf), das Minoritenkloster Reisbach (Lkr. Dingolfing-Landau) und die Prämonstratenserabtei Speinshart (Lkr. Neustadt a.d.Waldnaab), das Karmeliterkloster Straubing und vermutlich viele weitere mehr. Unter den weiblichen Orden waren insbesondere die Armen Schulschwestern mit drei Niederlassungen in Mettenheim (Lkr. Mühldorf a.Inn), Weichs (Lkr. Dachau) und Heidingsfeld (Stadt Würzburg) sowie die Englischen Fräulein (auch bekannt als Maria-Ward-Schwestern) mit mindestens neun Einrichtungen betroffen. Auch die Schwestern des Erlösers mit Niederlassungen in Eichelsdorf (Lkr. Haßberge) und Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt), die Barmherzigen Schwestern in Berg am Laim (Stadt München), die Franziskanerinnen in Berg bei Schnaitsee (Lkr. Traunstein) und Oberzell (Lkr. Würzburg), die Dominikanerinnen in Bad Wörishofen (Lkr. Unterallgäu) und Schlehdorf (Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen) und mehrere andere Frauenklöster waren von Beschlagnahmen für die Umsiedlungsaktion betroffen.

Eine umfassende historische Untersuchung zum Klostersturm in Bayern steht noch aus. Bekannt ist jedoch, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der in Bayern von der VoMi beschlagnahmten Klöster in der Regel nicht vertrieben wurden. So bedeutete die Unterbringung der Umsiedler zwar erhebliche Belastungen und Herausforderungen, allerdings ist in Bayern kein Fall bekannt, in dem sie zur Aufhebung des Klosters geführt hätte.

In anderen Teilen des Reiches, z. B. in Württemberg, ging die Einrichtung der Lager dagegen oftmals mit der Beschlagnahme der kompletten Gebäude und der Vertreibung der Bewohner einher. Reichsweit fielen mehr als 100 Klöster und andere katholische Einrichtungen ab 1940 der Aufhebung im Rahmen dieser ersten Beschlagnahmewelle zum Opfer.

Verschärfung des Klostersturms 1940/41

Gegen Ende des Jahres 1940 ging der Klostersturm in eine zweite, radikalere Phase über, an der statt der VoMi die Gestapo entscheidend beteiligt war. Als Vorwand für den Raub der Klöster dienten nicht länger vermeintliche „Reichsaufgaben“, sondern die angeblich „volks- und staatsfeindliche“ Betätigung der Ordensleute. Dabei wurden reihenweise Klöster beschlagnahmt, auch ohne dass den Bewohnern Gesetzesverstöße nachgewiesen werden konnten.

Von dieser Beschlagnahmewelle waren das Rheinland und Westfalen am stärksten betroffen. In Bayern fielen ihr im April und Mai 1941 mindestens acht Häuser zum Opfer, darunter die drei Abteien der Missionsbenediktiner in St. Ottilien, Schweiklberg und Münsterschwarzach, die zuvor schon für die Umsiedlungsaktion beansprucht worden waren, das Studentenwohnheim Ottilienkolleg in München sowie das Studienkolleg in Dillingen. Ebenfalls betroffen waren das Kloster der Missionsbenediktinerinnen in Tutzing (Lkr. Starnberg), das Franziskanerinnenkloster in Lohr a.Main (Lkr. Main-Spessart) (Filiale der Dillinger Franziskanerinnen) und das Canisiushaus der Jesuiten in München.

Ein ausführlicher Bericht über die Aufhebung der Abtei Münsterschwarzach vermittelt ein Bild vom Ablauf des Klostersturms (Düring, Wir weichen nur der Gewalt): Am 8. Mai 1941 erschien ein Kommando von rund 30 Angehörigen von SD und Gestapo und durchsuchte die Abtei, ohne auf einen Beweis für die erhobene Behauptung einer angeblich volks- und staatsfeindlichen Betätigung der Benediktiner zu stoßen. Rund 175 Mönche aus Münsterschwarzach standen zu diesem Zeitpunkt als Soldaten an der Front. Nichtsdestotrotz wurde die Abtei am folgenden Tag von einem starken Polizeikommando regelrecht gestürmt. Nur einige wenige Patres und Brüder durften vor Ort bleiben, um den Betrieb des Umsiedlerlagers weiterzuführen, die anderen wurden dienstverpflichtet bzw. in das Franziskanerkloster Kreuzberg (Lkr. Röhn-Grabenfeld) ausgewiesen. Ihre Zukunft war ungewiss, noch mehr die der mehr als 120 Münsterschwarzacher Missionare, die zu diesem Zeitpunkt im Ausland tätig waren. Abt Burkhard Utz (1892–1960, Abt seit 1937) und ein Mitbruder wurden für mehrere Tage inhaftiert.

Die Benediktiner von Münsterschwarzach verstanden sich selbst als unpolitisch und keineswegs als Widerstandszelle. Auch andernorts richteten sich die Angriffe nicht gezielt gegen solche Klöster, die sich etwa durch besondere Aktivitäten im Widerstand hervorgetan hätten. Es wurden auch nicht immer konsequent alle Niederlassungen bestimmter Orden aufgelöst. Der Klostersturm verlief vielmehr unsystematisch. In Einzelfällen konnten persönliche Kontakte oder Proteste aus der Bevölkerung dazu beitragen, ein Kloster zu schützen, doch oftmals ist nicht nachzuvollziehen, warum ein bestimmtes Kloster verschont blieb oder auch nicht. Im Fall der Benediktiner, die in Bayern gezielt bekämpft worden zu sein scheinen, dürfte ihre internationale Tätigkeit eine Rolle gespielt haben.

Öffentlicher Protest gegen den Klostersturm

Der Klostersturm wird bisweilen als „Nacht-und-Nebel-Aktion“ beschrieben. Tatsächlich fand er aber am helllichten Tag in aller Öffentlichkeit statt. In der Bevölkerung sorgte er für erhebliche Aufregung, und es kam mehrfach zu öffentlichen Protesten. In Münsterschwarzach sollen es „fast 500 Personen“ gewesen sein, „die vor der Abtei ihren Protest lautstark bekundeten.“ Die Polizei habe sich „einer riesigen Menge gegenüber“ gesehen, „die gegen sie aufgebracht war“ (Düring, Wir weichen nur der Gewalt, 250f.).

In einigen Fällen hatten die Proteste Erfolg: So hatte bereits im Frühjahr 1940 der Zwangsverkauf des Klosters der Englischen Fräulein in Eichstätt an die Stadt durch die Initiative einer Gruppe von Frauen verhindert werden können. Das Kapuzinerkloster in Vilsbiburg (Lkr. Landshut), dessen Beschlagnahme offenbar bevorgestanden hatte, blieb von der Maßnahme verschont, nachdem mehrere Abordnungen von Bauern und Frauen aus dem Ort beim Landratsamt vorstellig geworden waren.

Reaktionen der Amtskirche

Clemens August von Galen (1878-1946), Bischof von Münster, prangerte die Verbrechen der Nationalsozialisten im Jahr 1941 in drei aufsehenerregenden Predigten an. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-1109)

Auch die Bischöfe blieben angesichts des Klostersturms nicht stumm. Neben zahlreichen schriftlichen Eingaben an die Behörden, die meist wirkungslos blieben, kam es auch zu öffentlichen Äußerungen: Die größte Wirkung erzielte dabei der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen (1878–1946, Bischof seit 1933), der in drei aufsehenerregenden Predigten im Juli und August 1941 die NS-Verbrechen in deutlichen Worten benannte und anprangerte (Löffler, Galen II, 843ff.). Sein Protest richtete sich vor allem gegen den Klostersturm und gegen den Mord an Behinderten und psychisch Kranken („Euthanasie“).

Zuvor hatte der Würzburger Bischof Matthias Ehrenfried (1871–1948, Bischof seit 1924) aus Anlass der Aufhebung der Abtei Münsterschwarzach in einem „Hirtenwort für unsere Orden“ am 18. Mai 1941 öffentlich gegen den Klostersturm Stellung bezogen (Kengel, Münsterschwarzach, 52f.). Auch ein gemeinsam formulierter Hirtenbrief der deutschen Bischöfe, der am 6. Juli 1941 verlesen wurde, ging auf den Klostersturm ein, fiel jedoch in seiner Wortwahl eher zurückhaltend aus (Akten deutscher Bischöfe V, 462ff.).

Ebenfalls im Sommer 1941 formierte sich kirchlicherseits der „Ausschuss für Ordensangelegenheiten“. Ihm gehörten u. a. der Berliner Bischof Konrad Graf von Preysing (1880–1950, seit 1935 Bischof von Berlin) sowie der Bischof von Passau, Simon Konrad Landersdorfer (1880–1971, seit 1936 Bischof von Passau), der selbst Benediktiner war, an. Hinzu kamen prominente Vertreter der Orden wie der Dominikanerpater Laurentius Siemer (1888–1956) und der Jesuitenpater Augustin Rösch (1893–1961) sowie als Laie der Justiziar der Diözese Würzburg, Georg Angermaier (1913–1945). Der Ausschuss bemühte sich zunächst vor allem um einen Überblick über das Ausmaß des Klostersturms in den verschiedenen Diözesen. Bei seinem Versuch, die Bischöfe zu einem energischeren Vorgehen gegen die kirchenfeindlichen Maßnahmen des Regimes zu bewegen, stieß er auf viel Skepsis und Zurückhaltung. Für die Klöster in Deutschland kamen die Bemühungen des Ausschusses zu spät: Zum Zeitpunkt seiner Konstituierung im August 1941 war die Beschlagnahmewelle bereits abgeflaut.

Das Ende der Beschlagnahmen

In ihrer Gesamtheit hatten die Proteste ihre Wirkung nämlich durchaus nicht verfehlt: Aus Sorge um die Stimmung in der Bevölkerung ordnete Hitler persönlich am 30. Juli 1941 an: „Ab sofort haben Beschlagnahmen von kirchlichem und klösterlichem Vermögen bis auf weiteres zu unterbleiben.“ („Stopp-Erlass“, Abdruck in: ADAP D XIII,2, S. 438.) Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehr als 300 Klöster und kirchliche Einrichtungen aufgehoben worden.

Vermögenseinziehungen

Für die Betroffenen war der Klostersturm mit dem sog. Stopp-Erlass jedoch nicht beendet: Zwar fanden nur noch vereinzelt Beschlagnahmen statt, doch die Enteignung der Eigentümer wurde fortgesetzt. Jeweils einige Monate nach der Beschlagnahme wurde das Vermögen eingezogen und der Staat als neuer Eigentümer der jeweiligen Grundstücke eingetragen. Als formale Grundlage für die Enteignungen diente das „Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ vom 14. Juli 1933. Anders als die Beschlagnahmen war die Enteignung ein reiner Verwaltungsakt, von dem die Öffentlichkeit nichts erfuhr.

Nachwirkungen des Klostersturms

Die meisten der 1940/41 aus ihren Häusern vertriebenen Ordensangehörigen konnten erst nach Kriegsende zurückkehren und fanden oftmals völlig zerstörte Gebäude vor. Dafür hatten nicht nur die alliierten Bombenangriffe gesorgt, sondern auch mutwillige Zerstörungsaktionen. Hinzu kamen immense Schäden durch die jahrelange Überbelegung der Häuser. Viele Lazarette, Flüchtlings- und Umsiedlerlager bestanden bei Kriegsende und teilweise mehrere Jahre darüber hinaus immer noch. Der Klosterbetrieb konnte nur nach und nach wiederaufgenommen werden.

Die Wiedergutmachungsprozesse um die Rückerstattung des geraubten Eigentums und die Entschädigung der Eigentümer gestalteten sich kompliziert und langwierig (Mertens, Klostersturm, 351-383). Sie zogen sich bis in die 1970er Jahre hin. Noch gravierender wirkte sich in den Nachkriegsjahrzehnten der Einbruch der Nachwuchszahlen aus, den die NS-Zeit mit sich gebracht hatte. Die Orden und Kongregationen haben sich von diesem Rückschlag nie wieder ganz erholt.

Literatur

  • Jonathan Düring, Wir weichen nur der Gewalt. Die Mönche von Münsterschwarzach im Dritten Reich, 2 Halbbände (Münsterschwarzacher Studien, Bd. 45), Münsterschwarzach 1997.
  • Rainer Kengel, Die Aufhebung der Abtei Münsterschwarzach, St. Ottilien 1948.
  • Markus Leniger, Nationalsozialistische "Volkstumsarbeit" und Umsiedlungspolitik 1933–1945. Von der Minderheitenbetreuung zur Siedlerauslese, Berlin 2006.
  • Antonia Leugers, Gegen eine Mauer bischöflichen Schweigens. Der Ausschuß für Ordensangelegenheiten und seine Widerstandskonzeption 1941–1945, Frankfurt a. M. 1996.
  • Antonia Leugers, Georg Angermaier 1913–1945. Katholischer Jurist zwischen nationalsozialistischem Regime und Kirche. Lebensbild und Tagebücher (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, 44), Mainz 1994.
  • Annette Mertens, Himmlers Klostersturm. Der Angriff auf katholische Einrichtungen im Zweiten Weltkrieg und die Wiedergutmachung nach 1945 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, 108), Paderborn u. a. 2006.
  • Friedrich Zipfel, Kirchenkampf in Deutschland 1933–1945 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 11), Berlin 1965.

Quellen

  • Heinz Boberach (Bearb.), Berichte des SD und der Gestapo über Kirchen und Kirchenvolk in Deutschland 1934–1944 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, 12), Mainz 1971.
  • Peter Löffler (Bearb.), Bischof Clemens August Graf von Galen. Akten, Briefe und Predigten 1933–1946, 2 Bde. (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, 42), Paderborn u. a. 2. Auflage 1996.
  • Ludwig Volk (Bearb.), Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933–1945, Bd. 5: 1940–1942 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, 34), Mainz 1983.

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Empfohlene Zitierweise

Annette Mertens, Klostersturm (1940-1942), publiziert am 22.12.2022; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Klostersturm_(1940-1942)> (29.03.2024)