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Kirchentage in Bayern

Aus Historisches Lexikon Bayerns

9. Deutscher Evangelischer Kirchentag, 1959, München. (Deutscher Evangelischer Kirchentag)
9. Deutscher Evangelischer Kirchentag, 1959, München. (Deutscher Evangelischer Kirchentag)
Ökumenisches Pfingsttreffen, 1971, Augsburg. (Deutscher Evangelischer Kirchentag)
18. Deutscher Evangelischer Kirchentag, 1979, Nürnberg. (Deutscher Evangelischer Kirchentag)
18. Deutscher Evangelischer Kirchentag, 1979, Nürnberg. (Deutscher Evangelischer Kirchentag)
18. Deutscher Evangelischer Kirchentag, 1979, Nürnberg. (Deutscher Evangelischer Kirchentag)
18. Deutscher Evangelischer Kirchentag, 1979, Nürnberg. (Deutscher Evangelischer Kirchentag)
25. Deutscher Evangelischer Kirchentag, 1993, München. (Deutscher Evangelischer Kirchentag)
25. Deutscher Evangelischer Kirchentag, 1993, München. (Deutscher Evangelischer Kirchentag)
2. Ökumenischer Kirchentag, 2010, München. (Deutscher Evangelischer Kirchentag)

von Jürgen König

Der Deutsche Evangelische Kirchentag ist eine 1949 begründete, heute im Rhythmus von zwei Jahren an wechselnden Orten stattfindende Großveranstaltung. Deren Träger ist nicht die Amtskirche, sondern der Verein "Deutscher Evangelischer Kirchentag", an dessen Spitze stets ein Laie steht. Ihr wichtigstes Ziel ist die Begegnung von Menschen und die Förderung christlicher Frömmigkeit auch außerhalb kirchlicher Strukturen. Besondere Bedeutung hat sie als Diskussionsforum für gesellschaftliche und politische Fragen. Die Zahl der Dauerteilnehmer schwankt zwischen 3.000 und 150.000; an den Schlussveranstaltungen zählte man teilweise sogar mehrere Hunderttausend. Im Gegensatz zum Deutschen Evangelischen Kirchentag sind die Kirchentage auf dem Hesselberg eine Veranstaltung, die ausschließlich im bayerischen Rahmen und immer am gleichen Ort stattfindet. Da diese von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern selbst getragen wird, steht die Vermittlung von geistlichen Impulsen an erster Stelle.

Der 9. Deutsche Evangelische Kirchentag (München 1959)

Der Münchner Kirchentag von 1959 war der erste, der in Bayern stattfand. Er stand unter dem Motto "Ihr sollt mein Volk sein". Er war gleichzeitig auch der letzte, an dem eine Anzahl von Christen aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) mit Genehmigung ihrer Behörden teilnehmen konnte. Da deren Genehmigungspraxis jedoch sehr restriktiv war (was auch zahlreiche Referenten betraf), nahm die Funktion dieser Veranstaltung als – neben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) – gesamtdeutsche Klammer rapide ab. Folgerichtig betrafen die meisten Fragestellungen und Diskussionen, vor dem Hintergrund der seit der Mitte der 1950er Jahre beginnenden Wohlstandsgesellschaft, westdeutsche Themen. Die Anzahl der thematisch ausgerichteten Arbeitsgruppen stieg von sechs auf zehn. Durch die Wahl eines Tagungsortes in einer mehrheitlich katholischen Stadt trat das Thema Ökumene erstmals verstärkt in den Blickpunkt. Aber auch das Verhältnis zum Judentum und die Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit kamen ansatzweise zur Sprache. Insgesamt zählten die Veranstalter 48.500 Dauerteilnehmer.

Ökumenisches Pfingsttreffen Augsburg 1971

In die Zeit des ökumenischen Aufbruchs gehört das Ökumenische Pfingsttreffen, das 1971 in Augsburg, also wiederum in Bayern, stattfand. Da es sich um eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken handelte, wird es nicht in die Reihe der Deutschen Evangelischen Kirchentage gezählt. Von dieser Veranstaltung gingen entscheidende Impulse für die Zukunft aus, da erstmals in größerem Rahmen, mit dem Segen der Amtskirchen, ökumenische Gottesdienste veranstaltet wurden.

Wegweisend war eine gemeinsame Bibelauslegung in der Schlussveranstaltung durch Willem A. Visser t' Hooft (1900-1985), den früheren Generalsekretär (1948-1966) und späteren Ehrenpräsidenten (seit 1968) des Ökumenischen Rates der Kirchen, Julius Kardinal Döpfner (1913-1976, Erzbischof von München und Freising 1961-1976, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz 1965-1976) sowie Hermann Dietzfelbinger (1908-1984, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 1955-1975, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland 1967-1973).

Der 18. Deutsche Evangelische Kirchentag (Nürnberg 1979)

Der nächste ordentliche Kirchentag in Bayern fand 1979 in Nürnberg statt. Er stand unter dem Motto "Zur Hoffnung berufen". Die überwiegend jungen Tagungsteilnehmer beschäftigten sich wie bei den früheren Kirchentagen mit dem Thema Abendmahl, der Aufarbeitung der NS-Zeit und Europa. Neue Formen des Abendmahls wie das "Feierabendmahl" gehen auf diesen Kirchentag zurück. Das Bestreben, aus der NS-Vergangenheit zu lernen, erhielt durch die damaligen Diskussionen einen starken Auftrieb. Heftige Kontroversen gab es um die Rolle von Homosexuellen in der Kirche und um die Beteiligung der Theologin Dorothee Sölle (1929-2003), die u. a. wegen ihres Eintretens für den Feminismus umstritten war. Insgesamt zeigte sich, in Fortsetzung der Entwicklung der vorangegangenen Kirchentage, eine starke Tendenz zur Politisierung und zum Pluralismus, dem Nebeneinander verschiedener Weltanschauungen.

Der 25. Deutsche Evangelische Kirchentag (München 1993)

14 Jahre später tagte 1993 in München der Kirchentag wiederum auf bayerischem Boden. Er stand unter der Losung "Nehmt einander an" und war bestimmt von dem Bestreben, nach der mittlerweile erfolgten politischen Wiedervereinigung die Fremdheit und Sprachlosigkeit zwischen Ost- und Westdeutschen zu überwinden. So kamen 15.000 der 125.000 Dauerteilnehmer aus Ostdeutschland. Gleichzeitig war, bedingt durch aktuelle Ereignisse, die Überwindung der seit 1990 wieder aufgekommenen Fremdenfeindlichkeit in Deutschland ein wichtiges Thema. Aber auch auf dem Gebiet der Ökumene setzte dieser Kirchentag den Dialog der Konfessionen fort. Neue Akzente gab es durch symbolische Gesten und gemeinsame Andachten. Ebenso fand ein Dialog mit Vertretern verschiedener nichtchristlicher Religionen wie Juden und Moslems statt.

Ökumenischer Kirchentag München 2010

In Fortsetzung der Tradition des ersten Ökumenischen Kirchentages in Berlin 2003 beschlossen das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und der Deutsche Evangelische Kirchentag, für 2010 einen solchen Kirchentag in München zu veranstalten. Der Münchner Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter (geb. 1928, Erzbischof 1982-2007) und Landesbischof Johannes Friedrich (geb. 1948, Landesbischof 1999-2011) gaben dazu ihre Zustimmung. Ebenso beteiligten sich die in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen zusammengeschlossenen Kirchen (u. a. orthodoxe). Themen waren unter anderem die Verantwortung der Christen für die Welt, das Miteinander in einer pluralistischen Gesellschaft und die Gemeinsamkeiten der verschiedenen christlichen Konfessionen, aber auch die Möglichkeiten, die die Verschiedenheit bietet. Bestrebungen zu einem gemeinsamen Abendmahl von Katholiken und Protestanten hatten die Kirchenleitungen bereits im Vorfeld als für die Ökumene schädlich abgelehnt. Die kurz zuvor bekannt gewordenen Missbrauchsfälle vor allem in Einrichtungen der katholischen Kirche überschatteten die Veranstaltung.

Kirchentage auf dem Hesselberg

Der Kirchentag auf dem mittelfränkischen Hesselberg ist bis heute die wichtigste Großveranstaltung, die im Rahmen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern stattfindet. Sie wird alljährlich am Pfingstmontag auf dem Abhang des gleichnamigen Berges unter freiem Himmel bei Ehingen (Lkr. Ansbach) abgehalten. Die Teilnehmerzahlen schwanken zwischen 5.000 und 25.000. Im Gegensatz zum Deutschen Evangelischen Kirchentag ist diese Veranstaltung nicht in erster Linie ein Diskussionsforum, was natürlich auch durch den gegebenen räumlichen und zeitlichen Rahmen bedingt ist. Stattdessen stehen die Vergewisserung des Glaubens und die Vermittlung von geistlichen Impulsen im Mittelpunkt. Träger der Veranstaltung ist die Landeskirche. Die Organisation liegt in den Händen eines Ausschusses im Dekanat Wassertrüdingen (Lkr. Ansbach). Das Programm folgt seit Jahrzehnten der gleichen Grundstruktur. Diese besteht aus einem Gottesdienst am Vormittag und einem Vortrag zu einem aktuellen Thema bei der Hauptversammlung am Nachmittag. Dazu gibt es heutzutage ein Rahmenprogramm, innerhalb dessen auch Diskussionen stattfinden. Regelmäßiger Teilnehmer ist der jeweilige Landesbischof. Für Kinder findet seit 1975 als Begleitprogramm ein Kinderkirchentag statt.

Jedes Jahr steht der Kirchentag unter einem anderen Motto. Zunächst waren dies ausschließlich Bibelworte, wie 1951 "Der Weltkreis ist voll Geistes des Herrn". Später kamen gesellschaftliche Themen hinzu, wie 1958 "Die Freiheit recht gebrauchen", dann die Kirche selbst und deren Zukunft, z. B. "Kirche heute und morgen" (1969), und ethische Themen wie "Kann der Mensch alles machen?" (1974). Die ursprüngliche Zielrichtung der Veranstaltung kommt im Motto des Jahres 2010 "Einfach vom Glauben reden" wieder gut zum Ausdruck. Als Prediger und Referenten traten regelmäßig namhafte protestantische Kirchenvertreter von außerhalb Bayerns auf, wie die hannoverischen Landesbischöfe Hans Lilje (1899-1977, Landesbischof 1947-1971) im Jahr 1958 und Margot Käßmann (geb. 1955, Landesbischöfin 1999-2010) im Jahr 2008, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands Wolfgang Huber (geb. 1942, Ratsvorsitzender 2003-2009) im Jahr 2007, zu Zeiten der deutschen Teilung die Bischöfe Moritz Mitzenheim (1891-1977, Landesbischof 1945-1970) aus Thüringen und Niklot Beste (1901-1987, Landesbischof 1946-1971) aus Mecklenburg, oder gar aus dem Ausland, wie der finnische Erzbischof Martti Simojoki (1908-1999, Erzbischof von Turku 1964-1978) oder der US-amerikanische Bischof Donald Main (2006). Andere Gäste kamen sogar aus Partnerkirchen wie Brasilien, Tansania und Neuguinea.

Der Veranstaltungsort war seit dem 19. Jahrhundert ein beliebtes Ausflugsziel. Von 1928 bis zum Kriegsbeginn nutzte ihn Julius Streicher (1885-1946, Gauleiter von Franken 1925-1940) für seine als "Frankentage" bezeichneten alljährlichen Propagandaveranstaltungen, bei denen er vor teilweise über 100.000 Zuhörern seine antisemitischen Hetzparolen verbreitete. 1951 errichtete die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern auf einem Teil des Geländes eine Volkshochschule, das heutige "Evangelische Bildungszentrum Hesselberg". Durch die Wahl des Ortes wollte man auch dem nationalsozialistischen Geist entgegenwirken. Aus der Einweihungsveranstaltung gingen die heutigen Kirchentage hervor.

Literatur

  • Daniel Bormuth, Die Deutschen Evangelischen Kirchentage in der Weimarer Republik (Konfession und Gesellschaft 41), Diss. Stuttgart 2007.
  • Evangelisch-Lutherische Volkshochschule Hesselberg/Evangelisch-Lutherisches Dekanat Wassertrüdingen (Hg.), Der Zeit weit voraus. 25 Jahre Hesselberg, o. O. 1976.
  • Thomas Greif, Frankens braune Wallfahrt. Der Hesselberg im Dritten Reich (Mittelfränkische Studien 18), Ansbach 2007.
  • Rüdiger Runge/Margot Käßmann (Hg.), Kirche in Bewegung. 50 Jahre Deutscher Evangelischer Kirchentag, Gütersloh 1999.
  • Harald Schroeter, Kirchentag als vorläufige Kirche. Der Kirchentag als besondere Gestalt des Christseins zwischen Kirche und Welt (Praktische Theologie heute 13), Stuttgart 1993.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Deutscher evangelischer Kirchentag in Bayern, Kirchentage auf dem Hesselberg

Empfohlene Zitierweise

Jürgen König, Kirchentage in Bayern, publiziert am 11.06.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kirchentage in Bayern> (28.03.2024)