• Versionsgeschichte

Kirchenpräsident, 1920-1933

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Version vom 23. September 2021, 14:48 Uhr von imported>Twolf (VGWort-Link auf https umgestellt)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Friedrich Veit, Kirchenpräsident von 1920 bis 1933. (Landeskirchliches Archiv der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Fotosammlung Personen [Veit, Friedrich] P 6)

von Helmut Baier

Oberhaupt der evanglisch-lutherischen Landeskirche Bayerns zwischen 1920 und 1933. Der Kirchenpräsident trat an die Stelle des bayerischen Königs, der bis 1918 als "summus episcopus" der Landeskirche vorgestanden hatte. 1933 wurde das Amt in "Landesbischof" umbenannt.

Verfassungsgeschichtlicher Hintergrund

Mit dem Sturz der deutschen Fürsten 1918 fiel der Summepiskopat, der seit der Reformationszeit bestanden hatte und die tragende Säule des evangelischen Kirchentums gewesen war. In Bayern war der katholische Monarch zugleich nominelles Oberhaupt der Protestanten gewesen.

Eine Woche nach der Flucht König Ludwigs III. am 7. November 1918 und dem Ausbruch der Revolution begannen die kirchlichen Überlegungen über das zukünftige Verhältnis von Staat und Kirche und die Art der Trennung bei finanzieller Absicherung. Am 1. Januar 1921 trat die von der Generalsynode 1920 erarbeitete und beschlossene Kirchenverfassung mit ihren 70 Artikeln, nach der Präambel gebunden an Bibel und Bekenntnis, in Kraft.

Kontroverse: Landesbischof oder Kirchenpräsident?

Die Synode war der Ansicht gewesen, dass für den Bischofstitel in Bayern die Zeit nicht reif sei. Die einen verbanden mit der Einführung des bischöflichen Amtes den entscheidenden Faktor für den geistlichen Charakter der Landeskirche, andere befürchteten das Ende protestantischer Identität und eine Assimilation an die katholische Kirche mit allen Folgen der Hierarchisierung und Klerikalisierung.

Diese Frage wurde in allen 28 Landeskirchen während der Weimarer Zeit in der Presse kontrovers und anhaltend diskutiert. Eine Reihe von Landeskirchen führte bereits während der Weimarer Republik Landesbischöfe ein (z. B. Sachsen oder Hannover). Andere Landeskirchen schufen anfänglich das Amt des Kirchenpräsidenten, um dieses nach einiger Zeit in das des Landesbischofs umzuwandeln (z. B. 1933 in Bayern und Württemberg). Einige Landeskirchen (Pfalz, Hessen-Nassau) besitzen noch heute Kirchenpräsidenten, wobei es in der pfälzischen Landeskirche von 1933 bis 1945 einen Landesbischof gab. Die Reformierten hielten am Titel Präses fest.

Aufgaben des Kirchenpräsidenten in Bayern

Das episkopale Element vertrat der mit Zweidrittelmehrheit von der Landessynode gewählte geistliche Kirchenpräsident. Er stand an der Spitze der Landeskirche (Art. 46). In oberhirtlichen Angelegenheiten hatte er als Inhaber eines kirchenleitenden Amtes (neben Synode, Landeskirchenrat, Landessynodalausschuss) eigene Zuständigkeiten, so u. a.:

  • Vorsitz im Landeskirchenrat,
  • Vertretung der Landeskirche nach außen,
  • Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen und Verordnungen,
  • Vollzug der Ernennung von Geistlichen und Kirchenbeamten.

In Fragen der Verwaltung fungierte er als Kollegialmitglied des Landeskirchenrates als primus inter pares.

Der einzige Kirchenpräsident der Landeskirche: Friedrich Veit

Den Vorstellungen der Zeit entsprechend wurde eine kraftvolle Persönlichkeit gefordert. In dieses Amt wählte die Synode am 10. September 1920 Friedrich Veit (1861-1948). Veit war bereits seit 1917 als Präsident des Oberkonsistoriums Leiter der obersten Verwaltungsbehörde der evanglischen Kirche Bayerns gewesen.

In die Amtszeit Veits fiel der Abschluss des Kirchenvertrages mit dem bayerischen Staat vom 15. November 1924, nachdem am 29. März 1924 bereits das Konkordat mit Rom unterzeichnet worden war. Der Kirchenvertrag war der erste umfassende Vertrag als Ausdruck einer Partnerschaft zwischen einer freien Kirche und einem freien Staat. Er wurde zum Vorbild für die in anderen deutschen Ländern abgeschlossenen Kirchenverträge (Preußen 1931, Baden 1932).

Veits Rücktritt 1933

Veit, der aus seinem Widerwillen gegen den Nationalsozialismus nie ein Hehl gemacht hatte, trat als Kirchenpräsident am 11. April 1933 auf Druck des Pfarrervereins und des Nationalsozialistischen Evangelischen Pfarrerbundes (NSEP) enttäuscht zurück. Zum Nachfolger wählte die Landessynode am 4. Mai 1933 den Oberkirchenrat Hans Meiser (1881-1956), der die Amtsbezeichnung "Landesbischof" annahm.

6. Abschnitt der Verfassung der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern r. d. Rhs.: "Kirchenpräsident, Landeskirchenrat, Kreisdekane" (aus: Protestantisches Oberkonsistorium (Hg.), Amtsblatt für die prostestantische Landeskirche in Bayern rechts des Rheins. 7. Jahrgang, München 1920, 422-424).

Literatur

  • Hans-Peter Hübner, Neuordnung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche und ihres Verhältnisses zum Staat, in: Gerhard Müller (Hg.), Handbuch der Geschichte der evangelischen Kirche in Bayern. Band 2, Sankt Ottilien 2000, 211-232.
  • Arne Manzeschke, Persönlichkeit und Führung. Zur Entwicklung des evangelischen Bischofsamtes in Bayern zwischen Novemberrevolution und Machtergreifung, Nürnberg 2000.
  • Hugo Maser, Die Evang.-Luth. Kirche in Bayern rechts des Rheins zur Zeit der Weimarer Republik 1918-1933. Ein geschichtlicher Überblick, München 1990.
  • Hugo Maser, Evangelische Kirche im demokratischen Staat. Der bayerische Kirchenvertrag von 1924 als Modell für das Verhältnis von Staat und Kirche, München 1983.
  • Wolfgang Sommer, Friedrich Veit. Ein konservativer Kirchenpräsident in der Weimarer Republik und seine Abwehr des Nationalsozialismus, in: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 76 (2007), 233-269.

Weiterführende Recherche

Verwandte Artikel

Empfohlene Zitierweise

Helmut Baier, Kirchenpräsident, 1920-1933, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kirchenpräsident,_1920-1933> (28.03.2024)