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Katholischer Jungmännerverband (KJMV), 1896-1938/39

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Aufstellung der Teilnehmer des Lagers der katholischen Verbände am "Tag der deutschen Jugend", 7. Mai 1933, in den alten Wallanlagen von Augsburg. Links vom Kreuz Pfadfinder des KJMV, gegenüber Kolpinggesellen, in der Mitte Sturmschar. (Privatbesitz Ulrich Stoll)
Generalpräses Ludwig Wolker (aus: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. 2. Band, Berlin 1931, S. 2069)

von Ulrich Stoll

Reichsverband der katholischen Jugend- und Jungmännervereine, entstanden durch den schrittweisen Zusammenschluss der Diözesanverbände ab 1896, abgeschlossen 1926 mit dem Beitritt der bayerischen Diözesen. Die sich als "junge Kirche" verstehenden Vereine waren auf lokaler Ebene den Pfarreien zugeordnet und bekannten sich zur demokratischen Staatsform. Ab 1933 in seiner Tätigkeit mehr und mehr beeinträchtigt, wurde der KJMV 1938 in Bayern und 1939 reichsweit verboten.

Überblick

Der Katholische Jungmännerverband (KJMV) war der größte Jugendverband Deutschlands in der Weimarer Republik. Anfang 1933 bestanden 6.110 Vereine mit 365.000 Vollmitgliedern und 10.000 Jungschärlern. In den acht bayerischen Diözesen war die Organisationsdichte wegen der überwiegend ländlichen Stuktur unterdurchschnittlich. Hier gab es 776 Vereine mit 32.340 Mitgliedern und 17.800 Jungschärlern (davon je ein Drittel im Bistum Speyer). Geistlicher Leiter mit dem Titel "Generalpräses" war von 1926 bis 1939 der aus München stammende Priester Ludwig Wolker (1887-1955).

Geschichte von den Anfängen bis 1933

In Bayern liegen die Wurzeln des KJMV in den Lehrlingsvereinen des späten 19. Jahrhunderts (Bamberg St. Heinrich 1883, München "Lehrlingsschutzverein" 1885, Augsburg St. Georg 1886). Die Leitung hatte jeweils ein Geistlicher, der Präses, der von erwachsenen Laien unterstützt wurde (=Jugendpflege). Ab etwa 1900 bildeten sich locker organisierte Diözesanverbände. 1907 wurde ein süddeutscher Verband mit einem Sekretariat in München gegründet, dem die Diözesen Bayerns (inkl. Speyer), Württembergs und Badens angeschlossen waren. Kontakte bestanden zu dem bereits 1896 gegründeten "Verband der katholischen Jugend- und Jungmännervereine Deutschlands", dem Dachverband für die west- und norddeutschen Diözesen, geleitet von Dr. Joseph Drammer (1851-1929). Dessen Nachfolger Carl Mosterts (1874-1926, Generalpräses ab 1907) begann mit dem Ausbau des Sekretariats in Düsseldorf als Verbandszentrale sowie als Verlagsort für die Präsides- und die altersbezogenen Mitgliederzeitschriften.

Eine allmähliche Schwerpunktverlagerung wurde nach dem Ersten Weltkrieg eingeleitet, als ältere Jugendliche, teilweise Kriegsheimkehrer, die so genannten Jungmänner, in den Vereinen blieben. Sie nahmen auf die Gestaltung des Vereinslebens Einfluss und beteiligten sich an der Vereinsführung. 1920 reagierte man auf die zunehmende Bedeutung des Sports und gründete zusammen mit den "Katholischen Gesellenvereinen" die "Deutsche Jugendkraft" (DJK) als gesonderte katholische Sportorganisation. 1924 beschlossen Vertreter aller Diözesen das von Wolker formulierte "Fuldaer Bekenntnis" als gemeinsames Programm.

1926 schlossen sich die bayerischen Diözesanverbände endgültig dem allgemeinen KJMV an. Gleichzeitig wählten die Diözesanpräsides Wolker zum "Generalpräses" und Leiter des Jugendhauses in Düsseldorf. Offiziell gleichberechtigt stand neben dem Generalpräses der "Reichsobmann" als oberster Laienführer, der von den "Diözesanleitern" gewählt wurde. Unter die Mitarbeiter des Jugendhauses berief Wolker mehrere Jungmänner aus München, z. B. Georg Thurmair (1909-1984), den Dichter zahlreicher Kirchenlieder, sowie Franz Steber (1904-1983), den ersten "Reichsführer" der "Sturmschar" und nach dem Zweiten Weltkrieg Mitbegründer von CSU und JU. Neben der Mitbestimmung im Verband wurde auch die politische Ausrichtung auf den so genannten Volksstaat (dt. Bezeichnung für Demokratie) gefördert.

Seit der Reichstagung in Neiße (Schlesien) 1928 lehnte sich der KJMV beszüglich der Vereinsstruktur und der Gestaltung des Verbandslebens verstärkt an die (katholische) Jugendbewegung ("Quickborn", "Bund Neudeutschland") an. Man bemühte sich darum, höhere Schüler ("Studenten") und sämtliche Berufsgruppen ("Stände") als Mitglieder zu gewinnen, doch die überwiegende Mehrheit kam weiterhin aus den gewerblichen Berufen. Höhepunkt der Verbandsgeschichte war die Reichstagung in Trier 1931 mit 15.000 jugendlichen Teilnehmern.

Verbands- und Vereinsstruktur um 1930

Die Vereine waren im Regelfall einer Pfarrei zugeordnet. Die Mitgliedschaft umfasste die Altersstufen "Jungmänner" (über 18 Jahre), "Jungenschaft" (14-18 J.) und "Jungschar" (=Vorstufe, 13-14 J.). Spätestens mit der Verheiratung schieden die Jungmänner aus. Die Leitung teilten sich ein Priester der Pfarrei als "Präses" und ein "Jungmann" als "Präfekt". Die Präsides mussten vom bischöflichen Ordinariat der jeweiligen Diözese bestätigt werden. Die "Präfekten", "Diözesanleiter" sowie der "Reichsobmann" wurden von den Mitgliedern bzw. deren Delegierten gewählt.

Seit 1928 gliederten sich die Vereine in Kleingruppen unter Leitung von "Jungführern", die einvernehmlich aus den Reihen der "Jungmänner" bestellt wurden. Das Vereinsleben mit den traditionellen religiösen Elementen (Messbesuch, Vereinskommunion, Einkehrtage u. ä.) sowie der für Standesvereine typischen Geselligkeit (Vereinsversammlungen, Vereinsfeste mit Theater und Musik) wurde nun durch jugendbewegte Züge (Gruppenstunden, jugendbewegtes Liedgut, Wandern, Zelten, Tragen einer Wanderkluft, von Wimpeln u. a.) und neuen Gottesdienstformen ("Gemeinschaftsmesse" mit deutschen Texten und Liedern) belebt.

Die Vereine innerhalb einer Region oder einer größeren Stadt pflegten als "Bezirk" oder "Gau" engere Kontakte. Die wesentliche Gebietseinheit war der "Diözesanverband". Vereinsdelegierte trafen sich regelmäßig zu "Diözesantagen", die gelegentlich als "Parlament" bezeichnet wurden. Große Mitgliedertreffen waren die "Diözesanfeste", gesonderte Veranstaltungen bei Katholikentagen usw. Dort sowie bei der Fronleichnamsprozession oder örtlichen Festen trug man gerne die "Wanderkittel" oder die "Kluft" (ab 1930), d.h. Hose und Hemd in einheitlichem Schnitt, wobei die einzelnen Vereine jedoch unterschiedliche Farben trugen. Gleichzeitig ersetzte man die traditionellen Vereinsfahnen durch das "Christusbanner". Innerhalb des Verbands bzw. einzelner Vereine entstanden ab 1929 - jeweils nach dem Wunsch der Jugendlichen - als Unterorganisationen Gruppen der "Sturmschar" und "Stämme" der "Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg" (=DPSG).

Selbstverständnis

Nach dem Verständnis der führenden Vertreter von Verband und Vereinen war der KJMV die "junge Kirche". Er diente der Vorbereitung auf die "Mannespflichten in Familie, Beruf und Volk" und erstrebte eine zeitgemäße, vertiefte Gläubigkeit. Die jüngeren Mitglieder verstanden sich zudem als "Jugendreich" mit vielfältigen Möglichkeiten selbstbestimmten Jugendlebens, wie es sie bis dahin für Jugendliche aus einfacheren Bevölkerungskreisen nicht gegeben hatte.

Politische Ausrichtung und Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, Auflösung 1938/39

Parteipolitisch war der KJMV offiziell neutral. In der Praxis stand er dem Zentrum und der BVP nahe und war klar antikommunistisch und gegen alle rechtsextremen Parteien. Im Wahlkampf 1933 bezog der KJVM in eigenen Kundgebungen gegen die NSDAP Stellung.

Trotz des Reichskonkordats von 1933 erzwangen NS-Regierung und Hitlerjugend ab Juni 1933 einen schrittweisen Rückzug auf den kirchlichen Bereich, dem sich zahlreiche Vereine widersetzten. In Bayern, wo Heinrich Himmler (1900-1945) und Reinhard Heydrich (1904-1942) im Frühjahr 1933 die Bayerische Politische Polizei aufgebaut hatten, waren die Repressalien schärfer als z. B. in Preußen. 1935/36 wurden die Verbandsführung unter Wolker sowie viele Mitglieder vorübergehend in "Schutzhaft" genommen, in Einzelfällen wurden Gefängnis- und KZ-Haft verhängt.

Am 25. Januar 1938 lösten die Nationalsozialisten den KJMV in Bayern auf, am 6. Februar 1939 auf Reichsebene.

Nachwirken

Als ab 1946 die katholischen Jugendorganisationen in veränderter Form und Struktur als "Bund der Deutschen Katholischen Jugend" (BDKJ) wieder entstanden, wurde Ludwig Wolker "Bundespräses". Ehemalige Mitglieder des KJMV halfen vielerorts beim Aufbau der Pfarrjugendgruppen und der Mitgliedsgemeinschaften. Bis weit in die Nachkriegszeit blieben viele Ehemalige in ihren Pfarrgemeinden aktiv. Viele beteiligten sich als Mitglieder der CDU/CSU am Aufbau der Bundesrepublik Deutschland.

Literatur

  • Paul Hastenteufel, Katholische Jugend in ihrer Zeit. 2. Band: 1919-1932, Bamberg 1989.
  • Arno Klönne, Jugend im Dritten Reich. Die Hitler-Jugend und ihre Gegner, München 1990.
  • Georg Pahlke, Trotz Verbot nicht tot. Katholische Jugend in ihrer Zeit. 3. Band: 1933-1945, Paderborn 1995.
  • Barbara Schellenberger, Katholische Jugend und Drittes Reich. Eine Geschichte des KJMV 1933-39 unter besonderer Berücksichtigung der Rheinprovinz, Mainz 1975.
  • Ulrich Stoll, Die Geschichte der männlichen Jugendvereine und des Katholischen Jungmännerverbands in der Diözese Augsburg von den Anfängen bis 1932/33, in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte, 31.-35. Jahrgang, Augsburg 1997-2001.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Ulrich Stoll, Katholischer Jungmännerverband (KJMV), 1896-1938/39, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Katholischer Jungmännerverband (KJMV), 1896-1938/39> (28.03.2024)