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Katholische Caritasverbände in Bayern

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Titelblatt der Bayerischen Caritas-Blätter.
Plakat der Caritassammlung 1950. (Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Hoffmann)
Die Caritas im Bistum Augsburg. (Karte aus: Josef Deml [Hg.], Regierungsbezirk Schwaben, Berlin-Wilmersdorf, 41)

von Manfred Eder

Nach Gründung mehrerer bayerischer Ortsverbände seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert folgte 1917 der zunächst unabhängige Caritasverband für Bayern, der jedoch bereits 1921 als Landesverband Bayern und Hauptvertretung München in den Deutschen Caritasverband eingegliedert wurde. Zu den in den Jahren 1918-1922 ins Leben gerufenen Diözesanverbänden kamen nach dem Zweiten Weltkrieg als Zwischenebene die Kreisverbände. Die Verbandscaritas (lat. caritas = Nächstenliebe) koordiniert die vielfältigen karitativen Aktivitäten in Bayern (z. T. in Kooperation mit der Evangelischen Diakonie).

Vom ersten Orts-Caritasverband zum Caritasverband für Bayern

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren aufgrund der Säkularisation die traditionellen Fürsorgeeinrichtungen der katholischen Kirche weithin niedergebrochen, durch die Industrialisierung und Bevölkerungsvermehrung aber andererseits neue, sich in den folgenden Jahrzehnten immer weiter verbreitende Nöte entstanden. Der darauf reagierende "Caritasfrühling" brachte nicht nur eine Fülle neuer Frauenkongregationen hervor, sondern auch zahlreiche, oft von Laien getragene Vereine und Organisationen, die der Koordination bedurften. Daher hatte Dr. Lorenz Werthmann (1858-1921) 1897 in Freiburg i. Br. den "Caritasverband für das Katholische Deutschland" gegründet, dem sich Bayern jedoch nicht anschloss.

Die beiden wichtigsten Gründe hierfür waren: Zum einen die seit 1873 bestehende, völlig eigenständige Bayerische Bischofskonferenz, die sich zu wenig in die Angelegenheiten des Freiburger Verbandes eingebunden erachtete. Hinzu kam die Überzeugung, durch eine eigene Caritasorganisation für das Königreich (ältester Ortsverband: München 1899, weitere in Nürnberg 1905, Regensburg 1910 und Augsburg 1915) die spezifisch bayerischen Interessen wesentlich wirkungsvoller vertreten und die Gründung von in Bayern noch nicht existierenden Diözesan-Caritasverbänden energischer vorantreiben zu können – zumal in der schweren Zeit des Ersten Weltkrieges. Mit dem Caritasverband für das Katholische Deutschland ging der 1917 gegründete "Katholische Caritasverband für das Königreich Bayern" ein Kartellverhältnis ein und entsandte insgesamt zehn Vertreter in dessen Zentralrat.

Anschluss an den Deutschen Caritasverband und Gründung von Diözesan-Caritasverbänden

Getragen von einer Welle patriotisch-karitativer Begeisterung schien sich die gewählte Unabhängigkeit des Verbandes, der im Herbst 1918 bereits 1.600 Mitglieder zählte und ab 1919 öffentlich tätig wurde, anfänglich zu bewähren. Die schon bald auftretenden Finanzprobleme suchte man mit einer jährlichen Caritas-Kollekte aufzufangen. Weitere Konsequenzen zeitigte die angespannte Lage zunächst nicht, da man bei einem so raschen Ende des bayerischen Verbandes Schaden für das Ansehen der Kirche befürchtete und sich vor Werthmann keine Blöße geben wollte.

Nach dessen Tod 1921 erklärte der bayerische Episkopat aber noch im selben Jahr sein Einverständnis mit der - förmlich erst 1924 erfolgten - Auflösung als e.V. und der Angliederung als "Landesverband Bayern" an den Hauptverband. Dies ermöglichte den unmittelbaren Anschluss der bis Juli 1922 in allen bayerischen Bistümern ins Leben gerufenen Diözesan-Caritasverbände (Eichstätt 1918, Würzburg, Speyer, Passau 1920, Augsburg, Bamberg 1921, München und Freising, Regensburg 1922) an die Freiburger Organisation, die ab jetzt mit Recht den schon seit 1918 verwendeten Namen "Deutscher Caritasverband" (DCV) führen konnte.

Als Gegenleistung richtete der DCV in München ein Landessekretariat ein, aus dem 1922 die bis heute bestehende Hauptvertretung des DCV "als verbindende Brücke und Klammer des Gesamtverbandes" hervorging. Ein weiteres Zugeständnis war, dass Bayern jeweils den ersten unter den Stellvertretern des deutschen Caritaspräsidenten stellt, falls der Präsident nicht ohnehin – wie seit 2003 Msgr. Dr. Peter Neher (Augsburg) – aus Bayern kommt.

Zur Tätigkeit der Caritasverbände von 1922 bis zur Gegenwart

Die Arbeitsschwerpunkte des Landesverbandes unter seinem ersten Direktor Constantin Noppel SJ (bis 1932) waren die Trinkerfürsorge, die Strafentlassenenhilfe und der Ausbau des karitativen Anstaltswesens. Maßgeblichen Einfluss nahm der Verband auch auf die soziale Hilfe für die Bevölkerung in den östlichen Grenzgebieten des Freistaates, auf die Intensivierung der Kinder- und Volksspeisungen und auf die Ausgestaltung des Landesjugendamtes.

In der drangvollen Zeit des "Dritten Reiches" unter dem unbeirrbaren Georg Rudolf Fritz (1932-1947) konnte es nur um die Verteidigung der bayerischen Caritas gegenüber den Übergriffen des Regimes und der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) gehen. Dabei war insbesondere die Behindertenfürsorge durch Zwangssterilisation und "Euthanasie" bedroht. Ferner entbrannten Auseinandersetzungen um die Kinder- und Jugendfürsorge, wollten die Machthaber doch schon vom Kindergarten an ideologischen Einfluss nehmen.

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg spielten – auch in den Diözesanverbänden – zunächst Flüchtlingshilfe, Suchdienst, Bahnhofsmission und Wohnungsbau und sodann Kinder- und Müttererholung sowie (psycho)soziale Beratungsdienste eine wichtige Rolle. Der bayerischen Caritas, die mit derzeit (2004) 86.000 haupt- und zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter(inne)n auf allen Feldern sozialer Arbeit tätig ist, sind 7 Diözesanverbände, 74 Kreis- und Ortsverbände, 7 Fachverbände, 6.300 Facheinrichtungen sowie 500 Selbsthilfegruppen der Gesundheits-, Behinderten- und Familienhilfe angeschlossen.

Literatur

  • Manfred Eder, "Helfen macht nicht ärmer". Von der kirchlichen Armenfürsorge zur modernen Caritas in Bayern, Altötting 1997.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

Katholischer Caritasverband Bayern, Verbandlich organisierte Caritas in Bayern

Empfohlene Zitierweise

Manfred Eder, Katholische Caritasverbände in Bayern, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Katholische Caritasverbände in Bayern> (29.03.2024)