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Kaiserliches Landgericht Hirschberg

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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In Gaimersheim fanden öfters die Sitzungen des Landgerichtes statt. Markt Gaimersheim, Stich von Michael Wening 1701. Abbildung aus: Wening, Michael: Historico-Topographica Descriptio. Das Renntambt München, München, 1701, S. 212. (Bayerische Staatsbibliothek Hbks/F 18 c-1)
Titelblatt der Gerichtsordnung von 1518 mit dem Hirschberger Wappen, Abbildung aus: Ettlich nottürfftig freihaitbrief vn[d] ordnung über das Landtgericht Hirsperg.[München ] 1518. (Bayerische Staatsbibliothek 2 Bavar. 314).
Titelblatt der Instruktion der Instruktion Herzog Maximilians I. von Bayern (reg. 1597-1651) für die kaiserlichen Landrichter oder Vizelandrichter zu Hirschberg (Bayerische Staatsbibliothek Cgm 2161).

von Hans-Georg Hofacker

Grundlagen des kaiserlichen Landgerichts Hirschberg (Gde. Beilngries, Lkr. Eichstätt) waren das Aussterben der Grafen von Hirschberg 1304, seine Eigenschaft als Reichslehen und die Befreiung der Grafschaft von fremden Gerichten. Anfänglich für Strafrecht (Blugerichtsbarkeit), Friedensschutz, Geleit und Baugenehmigungen zuständig, engte sich seine Zuständigkeit bereits im 15. Jahrhundert auf Zivilsachen ein. Das Gericht unterstand dem Einfluss der Münchener Herzöge, die damit auch eine vor allem gegen die Bischöfe von Eichstätt gerichtete Expansionspolitik anstrebten. Seit dem 16. Jahrhundert war es kaum mehr von Bedeutung. Nach dem Tod des Kurfürsten Karl Theodor 1799 wurde es dem Hochstift Eichstätt übertragen, bevor es 1802/05 schließlich an Bayern fiel.

Das hirschbergische Erbe

Mit Gebhard VII. starben 1304 die Grafen von Hirschberg aus, die auch Vögte des Hochstifts Eichstätt waren. Grundherrliche und niedergerichtliche Rechte der Hirschberger fielen kraft Testaments an den Bischof von Eichstätt und wurden Grundlage der Territorialbildung des Hochstifts. Die 'Grafschaft' mit dem 1302 erstmals genannten Landgericht sprach der Gaimersheimer Schied 1305 den Herzögen Rudolf I. (reg. 1294-1317) und Ludwig IV. (reg. 1294-1347, König seit 1314, Kaiser seit 1328) von Oberbayern zu. Das Gericht war Reichslehen, auf dessen Besitz die Herzöge von Bayern größten Wert legten.

Diese Bindung an das Reich und die Befreiung der Grafschaft von fremden Gerichten durch König Albrecht I. (reg. 1298-1308) wurden zur Grundlage des 'kaiserlichen Landgerichts der ehemaligen Grafschaft Hirschberg', wie die offizielle Bezeichnung des Gerichts seit dem 16. Jahrhundert lautete.

Sprengel, Kompetenzen und Organisation

Im Westen grenzte der Hirschberger Sprengel an das Landgericht Graisbach (Gde. Marxheim, Lkr. Donau-Ries). Grenze im Süden war die Donau von Neuburg a. d. Donau (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) bis zur Mündung der Schwarzen Laaber bei Sinzing (Lkr. Regensburg), von dort die Laaber entlang bis nach Trautmannshofen (Gde. Lauterhofen, Lkr. Neumarkt i.d.Oberpfalz). Dort verlief sie weiter nach Westen bis zur Mündung der Schwarzach in die Rednitz bei Schwabach.

Laut eines Weistums König Ludwigs des Bayern von 1320 urteilte das Gericht im Bereich des Strafrechts über Mord, Totschlag, Notzucht, Mordbrand, Raub und Diebstahl (seit 1416 auch über Ketzerei). Ferner war es zuständig für Friedensschutz und Geleit und hatte das Genehmigungsrecht für den Bau von Brücken, Mühlen und Tavernen.

Die Entstehung exemter Blutgerichtssprengel und das Bestreben der Stände, ihre im Hirschberger Sprengel liegenden Herrschaften von der Jurisdiktion des Landgerichts befreien zu lassen, schränkten seine Kompetenzen ein. Auch bayerische Herrschaften (Ingolstadt, Neustadt a. d. Donau, Kösching [Lkr. Eichstätt], Vohburg [Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm]) wurden dem Gericht weitgehend entzogen. Im 15. Jahrhundert war es nur noch im zivilrechtlichen Bereich tätig. Schwerpunkte waren Liegenschaftsprozesse, freiwillige Gerichtsbarkeit, Abhilfe bei Rechtsverweigerung und die Entscheidung von Schadensersatzansprüchen, die aus Verbrechen herrührten. Zwangsmittel waren Acht und Anleite (Exekution des Urteils durch Einzug des mobilen und immobilen Vermögens des Geächteten). Als Lehensgericht blieb es für den Adel von einiger Bedeutung. Im 15. Jahrhundert tagte das Gericht an 17 Landschrannen (Gerichtsstätten), die in die vier Schrannenbezirke Hilpoltstein (Lkr. Roth), Freystadt (Lkr. Neumarkt i.d.Oberpfalz), Riedenburg (Lkr. Kelheim) und Gaimersheim (Lkr. Eichstätt) eingeteilt waren.

Die seit 1316 nachweisbaren Landrichter wurden von den Münchener Herzögen eingesetzt, denen das Gericht 1329 und 1392 zugeteilt wurde. Seit 1339 konnte das Amt statt an Edelfreie auch an Ritter vergeben werden. Schöffen waren sieben Ritter oder auch "Reichserbbürger" aus Nürnberg oder Regensburg. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts konnten die Hirschberger Landrichter auch die Landrichterstelle in Graisbach versehen. Das Landgericht war zeitweise Bayern-Ingolstadt unterstellt, kehrte aber spätestens 1429/1430 zu München zurück.

Die Bedeutung des Landgerichts für die bayerische Herrschaftsexpansion

Die Herzöge leiteten aus dem Besitz dieses "kaiserlichen" Landgerichts einen Anspruch auf jurisdiktionelle Überordnung in einem Gebiet ab, in dem sie mit wenigen Ausnahmen nicht Landesherren waren. Dies führte bis 1492/93 zu Konflikten mit den fränkischen Zollern, die ihr Nürnberger Landgericht ebenfalls als Mittel der Herrschaftsexpansion einsetzten. Hauptgegner des Gerichts waren die Bischöfe von Eichstätt. Auf ihr Betreiben hob König Sigismund (reg. 1410-1437) 1420 das Gericht auf. Bereits 1422 wurde es wieder tätig. Auch spätere Kassationen (1481, 1517) waren nur von kurzer Dauer. Der Rechtszug vom Landgericht ging an das königliche Hofgericht, seit 1447 laut eines Privilegs König Friedrichs III. (reg. 1440-1493) an das herzogliche Hofgericht in München. Im 16. Jahrhundert wurden Appellationen vom Münchner Gericht an die Reichsgerichte durch die Heraufsetzung der Appellationssummen weiter eingeschränkt. Die Bischöfe von Eichstätt weigerten sich, das Münchner Hofgericht als Appellationsinstanz anzuerkennen und verboten ihren Untertanen, sich als Kläger an das Landgericht zu wenden.

Der Niedergang des Gerichts und bayerische Reformversuche

Der Niedergang des Gerichts setzte schon im 15. Jahrhundert ein. Im 16. Jahrhundert wurde die Zahl der Gerichtsstätten erheblich reduziert, im 17. Jahrhundert tagte das Gericht auch in Kelheim. Nicht nur die Konflikte mit Eichstätt schadeten ihm, auch sein Wirkungsbereich wurde reduziert, als 1505 ein Teil des Fürstentums Pfalz-Neuburg aus seiner Judikatur ausschied. Die bayerischen Herzöge bemühten sich aber, das Gericht zu erhalten und zu reformieren. Die Gerichtsordnung von 1518 führte die Schriftlichkeit des Verfahrens ein. Seit 1605 musste der für den Geschäftsgang verantwortliche Landschreiber Jurist sein. Nachdem das Gericht zeitweise seine Tätigkeit eingestellt hatte, wurde es von Herzog Albrecht V. (reg. 1550-1579) reaktiviert. Geistliche und Rechtsprofessoren aus Ingolstadt ersetzten die Ritter auf der Schöffenbank.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg behaupteten die Bischöfe von Eichstätt, dass das Gericht erloschen sei; im 18. Jahrhundert war es offenbar nur 1718, 1725, 1733 und 1739 tätig. Kurfürst Maximilian III. Joseph (reg. 1745-1777) versuchte, den Rang des Gerichts als einer vom Reich legitimierten und anderen Ständen übergeordneten Institution wieder herzustellen. Zur Fundierung dieses Anspruchs zogen seine Beamten sogar das Weistum Ludwigs des Bayern von 1320 heran. 1749 wurde Ingolstadt ständiger Sitz des Gerichts. Die zu Schöffen berufenen Geistlichen und Professoren erhielten den Rang von 'wirklichen Hofräten'. Nur noch an zwei Gerichtstagen im Jahr sollten Ritter als Schöffen herangezogen werden. Aus einem 'kaiserlichen' war faktisch ein bayerisches Gericht geworden. Deshalb erreichte der Konflikt mit Eichstätt jetzt den Höhepunkt. Die Bischöfe konnten sich durchsetzen: 1767 trat Bayern die Jurisdiktionsansprüche des Landgerichts auf Eichstätter Gebiet an das Hochstift ab. 1770 und 1773 wurde dies auch vom Reich bestätigt. Nach dem Tode des Kurfürsten Karl Theodor (reg. 1777-1799) fiel das Landgericht als erledigtes Mannlehen an das Reich zurück und wurde dem Hochstift Eichstätt verliehen, das seinerseits 1802/05 an Bayern fiel.

Dokumente

Literatur

  • Hans Kalisch, Die Grafschaft und das Landgericht Hirschberg, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 34 (1913), 141-193.
  • Fritz Kreh, Leben und Werk des Reichsfreiherrn Johann Adam von Ickstatt (1702-1776), Paderborn 1974.
  • Heinrich Otto Müller, Das 'kaiserliche Landgericht der ehemaligen Grafschaft Hirschberg'. Geschichte, Verfassung und Verfahren (Deutschrechtliche Beiträge VII/3), Heidelberg 1911.
  • Wilhelm Volkert, 'Bairn-vor zeitn ain Konigreich gewesen'. Das bayerische 'Evokationsprivileg' von 1362, in: Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica München. 16.-19. September 1986. Teil III: Diplomatische Fälschungen I (MGH Schriften 33/III), Hannover 1988, 501-533.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Hans-Georg Hofacker, Kaiserliches Landgericht Hirschberg, publiziert am 06.02.2014; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kaiserliches Landgericht Hirschberg> (16.04.2024)