Kabinettssekretariat
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Das Kabinettssekretariat war im Königreich Bayern eine Behörde zur Führung der Korrespondenz des Monarchen und zur Kommunikation zwischen dem Regenten und den Ministern. Je nach Monarch konnte die Rolle des häufig als Juristen ausgebildeten Kabinettssekretärs zwischen einem einflussreichen politischen Berater, der einen exklusiven Zugang zum Monarchen hatte, und einem einfachen Sekretär, der die aufgetragenen Schriftstücke ausfertigte, wechseln. Immer wieder stand die Behörde daher in der Kritik der Öffentlichkeit und des Landtages, dessen Kontrolle sie weitgehend entzogen war. Sie wurde mehrmals umbenannt, ohne jedoch ihre Rolle einschneidend zu ändern. Mit dem Ende der Monarchie wurde die Behörde abgeschafft.
König und Verfassungsrolle
Seit dem 26. Mai 1818 besaß Bayern eine moderne, gewaltenteilige Verfassung. Damit war die Periode des "Staatsabsolutismus" (Heinrich Held) abgeschlossen. Die Rechte des Königs wurden durch die Konstitution eingeschränkt, die der Ständeversammlung gestärkt. Dennoch sollte es eine ganze Weile dauern, bis sich das konstitutionelle System in Bayern eingespielt hatte. Die Dreiecksbeziehung zwischen Monarch, Ministern und dem Parlament war dynamisch; erst nach Jahrzehnten stellte sich so etwas wie ein "Gleichgewicht zwischen den Rechten der Krone und denen des Volkes" (Max Spindler) ein.
Das lag vor allem an der unterschiedlichen Interpretation des in der Verfassung verankerten "Monarchischen Prinzips" (Tit. II § 1). Gemäß diesem war der König souveräner Träger der Staatsgewalt und hatte seine Rechte aus freien Stücken an die Verfassungsorgane übertragen. Das Mittel, um seiner Prärogative Ausdruck zu verleihen, war das Kabinett, dessen Stellung unter den ersten beiden Königen gestärkt wurde. Dies ist umso bemerkenswerter, als eine solche Behörde in der Verfassungsurkunde von 1818 überhaupt nicht vorgesehen war. Vertreter des Konstitutionalismus und des Liberalismus hielten sie deshalb für verfassungswidrig. Sie galt ihnen als Ausdruck des absolutistischen Despotismus.
Vorgeschichte
Die Ausbildung des Kabinettssekretariats als Mittlerstelle zwischen dem Monarchen und den Spitzen der landesherrlichen Verwaltung ist eng verknüpft mit der Entstehung des frühmodernen Fürstenstaates im 16. Jahrhundert und dem seinerzeit gegründeten Geheimen Rat als politisch maßgeblicher Zentralbehörde.
Seit der Etablierung einer Geheimen Konferenz im Jahr 1726 hatten die Geheimen Sekretäre die Aufgabe, die Informationsflut der Behörden für den Kurfürsten zu kanalisieren. Einige von ihnen, wie der Italiener Johann Askanius von Triva (ca. 1677-1749), der Großvater des späteren Kriegsministers Johann Nepomuk von Triva (1755-1827), bekleideten zudem Ämter in der Hofverwaltung: Triva vereinigte im Rang eines Hofrats in sich die Funktionen eines Kabinettssekretärs sowie des "Staabs-Commissarius" beim Obersthofmeisterstab.
Seit der Herrschaft Kurfürst Karl Theodors (reg. 1777-1799) wurde im gedruckten Hof- und Staatskalender begrifflich zwischen dem Geheimen Kabinetts- und dem Geheimen Konferenzsekretär unterschieden. Mit dem Eintritt Bayerns in die Koalitionskriege schuf der Kurfürst zusätzlich das Amt des Geheimen Kriegskonferenzsekretärs. 1797 ersetzte er seinen langjährigen Kabinettssekretär und Vertrauten, Stephan Freiherrn von Stengel (1750-1822), der in seinen politischen Ansichten als liberal und den Ideen der Aufklärung zugeneigt galt, durch den konservativen Jesuitenfreund Johann Kaspar von Lippert (1729-1800). Seine Berufung bedeutete eine Politisierung des Kabinettssekretariats, nicht zuletzt deshalb, weil Lippert zusammen mit dem Beichtvater des Kurfürsten die Regierungsübernahme durch die wittelsbachische Linie Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld zu verhindern suchte. Nach dem Tod seines Herrn wurde Lippert vom neuen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph (reg. 1799-1825; seit 1806 als König Maximilian I. Joseph) unmittelbar nach dessen Regierungsantritt im Februar 1799 von allen seinen Ämtern abberufen und in den Ruhestand versetzt.
Im Zuge der Reform der Staatsfinanzen, die am 20. Oktober 1804 im Erlass der Domanialfideikommißpragmatik gipfelte, wurden die Etats von Hof- und Staatsverwaltung getrennt und das Kabinettssekretariat als solches aufgelöst. Die Verwaltung der kurfürstlichen Schatullgelder lag fortan bei der Kurfürstlichen Privat-Dispositions-Kasse, die bis zum Ende der Regierung Max Josephs dem Obersthofmeisterstab unterstand. Die Verwaltung dieser Kasse oblag zwischen 1799 und 1803 Johann Ludwig Rheinwald (1763-1811), später Johann Nepomuk Käser (1747-1827). Für die politischen Angelegenheiten des Königs war der Geheime Legationsrat Karl August von Ringel (1771-1831) verantwortlich, der jedoch nicht dem Hofstaat des Königs, sondern dem Außenministerium zugeordnet war. Der Erlass der Verfassung 1818 machte auf lange Sicht eine Neuregelung des Verhältnisses zwischen Monarch, Verwaltung und Parlament notwendig. Strittig war vor allem die Frage nach der Sicherung der königlichen Prärogative.
Aufgaben
In der Kabinettsordre vom 9. März 1821 stattete Max I. Joseph Kabinettsrat von Ringel mit weitreichenden Befugnissen aus. Die Aufgaben des königlichen Kabinetts blieben bis 1918 im Kern dieselben: Der Kabinettsrat (ab 1825 wieder "Kabinettssekretär") war das unmittelbare Organ des Monarchen zur Kommunikation mit den Ministern. Heinrich Ritter von Lang (1764-1835) schildert in seinen Memoiren eindrücklich den morgendlichen Rapport Ringels im Privatappartement des Königs. Der Kabinettssekretär legte seinem Herrn bei dieser Gelegenheit die Protokolle der Ministerkonferenz zur Unterschrift vor und entwarf mit diesem gemeinsam entsprechende Befehle und Handschreiben. Die Ausfertigung der Korrespondenz fand in den Räumen des Kabinettssekretariats am Kapellenhof der Münchener Stadtresidenz statt.
Der Handlungsspielraum des Kabinettssekretärs lag damit in der Vorbereitung seiner Sitzungen mit dem König. Allgemein lässt sich konstatieren: Je weniger der jeweilige Monarch sich persönlich bei den Spitzen der zivilen und militärischen Verwaltung informierte, desto größer waren die Einflussmöglichkeiten des Kabinettssekretärs. Wenn der König vor allem seinem Kabinettssekretär Vertrauen schenkte, dann glich dessen Position einem Nadelöhr, im entgegengesetzten Fall war er ein besser bezahlter Schreiber. Prinzipielle Aussagen lassen sich dahingehend noch nicht treffen. Vielmehr sollte die Beziehung jedes einzelnen Kabinettssekretärs zu seinem Monarchen ins Auge gefasst werden.
König Ludwig I. entließ anlässlich seines Regierungsantritts 1825 den Kabinettsrat seines Vaters und ersetzte ihn durch Joseph von Martin (1775-1828). 1828 folgte diesem der Würzburger Jurist Bernhard von Grandauer (1776-1838), der das Amt bis 1838 bekleidete. In Abgrenzung zu seinem Vater baute Ludwig I. das Kabinettssekretariat kontinuierlich aus und stärkte dessen Befugnisse. Grandauer vertrat eine streng monarchistische Gesinnung und verteidigte publizistisch das Legitimitätsprinzip der bayerischen Krone, unter anderem in der von Johann Baptist von Pfeilschifter (1792-1874) herausgegebenen Zeitschrift "Der Staatsmann". Die Ernennung Grandauers markierte nicht zuletzt Ludwigs Abkehr von seiner bis dahin oftmals liberalen Politik hin zu religiös begründeten, traditionalistischen Ordnungsvorstellungen von Herrschaft.
Das Kabinettssekretariat wurde zu einem der wichtigsten Instrumente seines persönlichen Regiments. Seit 1833 unterstanden sowohl das Kabinettssekretariat als auch die Kabinettskasse dem königlichen Obersthofmeisterstab. Damit waren die Einflussmöglichkeiten staatlicher Organe und des Landtags auf die Privatangelegenheiten des Königs und dessen Entscheidungsfindungsprozess auf ein Minimum zurückgedrängt, ohne dass der verfassungsmäßige Rahmen verlassen worden war.
Kompetenzen und Organisation
Das Kabinettssekretariat gliederte sich unter Ludwig I. in zwei Abteilungen: eine für Staatsangelegenheiten und eine, die die königliche Kabinettskasse verwaltete und private Angelegenheiten des Königs regelte.
Die erste Abteilung wurde auch Büro für Staatsgeschäfte genannt. Sie trug einen stärker amtlichen Charakter. Im Kern vermittelte sie den Schriftverkehr mit den Behörden, informierte den König in das Staatsrecht betreffenden Fragen, fertigte entsprechende Gutachten an und entwarf Kabinettsreskripte.
Die zweite Abteilung war aus der "Privatdispositionskasse" hervorgegangen, die so seit der Reform des höfischen Finanzwesens bestanden hatte. Die Kabinettskasse verwaltete die Besitzungen und das Privatvermögen des Königs. Seit 1804 bezog sie eine feste Dotation aus dem Hofetat. Im Jahr 1815/16 betrug dieser Posten beispielsweise 600.000 Gulden. Er wurde Jahr für Jahr neu festgelegt. Erst seit dem Erlass der Verfassung 1818 sah der Hof eine längere Laufzeit als notwendig an, um den Einfluss des Landtages auf seine Gelder zu begrenzen. Das königliche Finanzgesetz vom 22. Juli 1819 verlängerte sie deshalb auf sechs Jahre. Mit der Etablierung der permanenten Zivilliste im Jahr 1834 waren die privaten Gelder des Königs noch stärker vor dem Einblick durch die anderen Verfassungsorgane abgeschirmt.
König Maximilian II. Joseph (reg. 1848-1864) schuf 1852 zusätzlich das Hofsekretariat. Es war zuständig für die Angelegenheiten des Hofes und der königlichen Familie. Ihm unterstellte er die Kabinettskasse, die die Finanzen der königlichen Familie verwaltete, und die Hofkasse, die als zentrale Rechnungsstelle der Hofbehörden diente. Damit waren die Gelder des Staates und des Hofes endgültig klar von denjenigen des Monarchen geschieden. Der Hofsekretär erfüllte gewissermaßen die Funktion eines "General-Intendanten der k[öniglichen] Civilliste" (Der Bayerische Landbote 270 (27.9.1865), 1088), ohne diesen Titel tatsächlich zu führen.
Personal
Das Personal des Kabinettssekretariats bestand 1833 aus zwei Kabinettssekretären, zwei Kanzleisekretären sowie Dienern und Boten in wechselnder Anzahl. Hinzu kamen bei der Kabinettskasse ein Zahlmeister, ein Kontrolleur und ein Offiziant sowie ein weiterer Diener. Bei den Kabinettssekretären handelte es sich stets um erfahrene Juristen. Häufig hatten sie sich zuvor im Staatsdienst ausgezeichnet. Einige von ihnen hatten ihrem Herrn schon vor dessen Thronbesteigung gedient, immer wieder gab es solche, die persönliche Interessen und Neigungen mit dem Monarchen teilten. Die Kanzleisekretäre waren in der Regel ebenfalls juristisch gebildet oder zumindest im Kanzleidienst erfahrene Staatsdiener.
Der Elsässer Johann Ludwig Rheinwald kam zusammen mit Max I. Joseph an den Münchner Hof. Er verwaltete nicht nur die Korrespondenz des Königs, sondern war darüber hinaus Lehrer der königlichen Kinder und Stammgast bei den wöchentlichen Kartenspielabenden des Königs. Auch nachdem Rheinwald 1803 wegen mangelhafter Geschäftsführung entlassen worden war, behielt er das Vertrauen des Königs. Dieser bestellte ihn 1808 zum ersten Leiter des Statistisch-Topographischen Bureaus.
In einigen Fällen übernahm ein König aber auch den Kabinettssekretär seines Vorgängers, so etwa Maximilian II. von seinem Vater August Schilcher (1794-1872; im Amt 1838-1856). Im Herbst 1848 empfahl der erfahrene Jurist seinem Monarchen die Auflösung des Kabinettssekretariats, weil viele Revolutionäre im Bestehen dieser Stelle einen Verstoß gegen die Verfassung zu erkennen glaubten. Denn anders als die anderen Hofbehörden nahm das Kabinettssekretariat eine Zwitterstellung ein: Formal unterstand es der Hofverwaltung, in der Realität nahmen die Kabinettssekretäre aber durchaus Einfluss auf die Politik, jedoch ohne dafür die direkte Verantwortung übernehmen zu müssen. Dies widersprach jedoch dem, auf Druck der Märzrevolutionäre durchgesetzten Prinzip der Ministerverantwortlichkeit, das seit 1850 gesetzlich verankert war. Der König folgte dem Rat Schilchers. Dieser verblieb als Ministerialrat und Chef der Kabinettskanzlei im unmittelbaren Dienst des Monarchen. Die politische Abteilung des Kabinettssekretariats wurde damit zumindest formal aufgelöst, die private blieb aber weiterhin bestehen.
Nachdem sich die Revolutionswirren gelegt hatten, stellte Maximilian II. das Sekretariat wieder her, diesmal allerdings unter dem Namen "Sekretariat Seiner Majestät des Königs von Bayern". Wie schon sein Vater versuchte auch Maximilian II., den Geschäftsgang seiner Minister zu umgehen. Dies gelang jedoch nur bedingt, da seit dem Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit die Möglichkeit zur Ministeranklage bei Verfassungs- und Gesetzesverstößen königlicher Verordnungen bestand, was Alleingänge des Königs juristisch unmöglich machte. Statt zur Stärkung der Rechte des Parlaments, wie von den Abgeordneten erhofft, führte das Gesetz allerdings zu einer Verbesserung der Position der Minister gegenüber dem Monarchen, da sich jene nun stärker auf die Verfassung als zentralem Bezugspunkt ihres Regierungshandelns berufen konnten.
Als Ludwig II. 1864 mit 18 Jahren den bayerischen Thron bestieg, war ihm der langjährige Kabinettssekretär seines Vaters, Franz Seraph von Pfistermeister (1820-1912), zunächst eine wichtige Stütze. Weil sich der 25 Jahre ältere Sekretär aber bald gegen Richard Wagner (1813-1883), das Idol und den Freund des Monarchen, aussprach und die großspurigen Pläne des Königs kritisierte, entließ Ludwig II. den Kabinettssekretär 1866 und ersetzte ihn durch den gefügigeren Johann von Lutz (1826-1890). Von da an wechselten die Amtsinhaber im Abstand von wenigen Jahren, was sich zum einen aus dem Herrschaftsverständnis des Monarchen, zum anderen aus der Arbeitsbelastung ergab, welche dieser seinen Sekretären aufbürdete.
Arbeitsalltag
Der Arbeitsalltag eines Kabinettssekretärs richtete sich nach demjenigen seines Monarchen. Wenn es der König bevorzugte, in den frühen Morgenstunden vorgetragen zu bekommen, dann musste er genauso parat stehen wie im umgekehrten Fall in den späten Abend- oder Nachtstunden. Ebenso war es die Pflicht des Kabinettssekretärs, seinen Herrn auf dessen Reisen zu begleiten. Ein Extrembeispiel war dahingehend Ludwig II.: In einer Frequenz wie kein Monarch vor ihm hielt er sich fernab der Münchner Stadtresidenz auf. Darüber hinaus war der ungewöhnliche Rhythmus des Königs, bei dem sich im Laufe der Jahre Tag und Nacht verkehrten, eine Herausforderung für jeden, der in seiner Nähe arbeiten musste.
Die Anforderungen an die Persönlichkeit eines Kabinettssekretärs waren hoch. Er musste nicht nur ungewöhnlich belastbar, sondern zudem unbedingt treu und verschwiegen sein. Jeden Auftrag, den er erhielt, musste er schnell, verlässlich und diskret erledigen. Dies erforderte eine ungemeine Geschäftsgewandtheit, sowohl im Umgang mit dem Monarchen als auch mit Vertretern von Staat, Hof und Militär. Bei Audienzen und auf Reisen war er es, der die Anträge von Bittstellern entgegennahm und diese verzeichnete.
Ein guter Kabinettssekretär war mit den Vorlieben seines Monarchen vertraut, kannte dessen Werte und politische Zielvorstellungen, und war insbesondere dazu in der Lage, diese in passende Worte zu fassen. Letzteres konnte eine echte Herausforderung sein, wenn der Auftraggeber selbständig in die Formulierungen eingriff oder zahlreiche Änderungswünsche artikulierte. König Ludwig I. war beispielsweise bekannt für seine als Signate bezeichneten Ergänzungen und Kommentare, die sich zuhauf in Schreiben aus seiner Regierungszeit finden.
Brief Johann von Lutz' an den Minister des königlichen Hauses und Vorsitzenden im Ministerrat, Ludwig von der Pfordten (1811-1880), 8.12.1865. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, NL Pfordten Ludwig 79, gemeinfrei via bavarikon)
Brief des Kabinettssekretärs Felix Friedrich Ritter von Lipowsky (1824-1900) an den Autoren und Offizials bei den kgl. Verkehrsanstalten Münchens Eugen Hartmann, Hohenschwangau 21.11.1869. Im Namen König Ludwigs II bedankt sich Lipowsky für die Übersendung eines Exemplares seines Buch "Geschichte der Posten" und richtet ein Lob für das Werk aus. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Die Auflösung des Kabinettssekretariats durch Prinzregent Luitpold
Die Überstrapazierung der Kabinettskasse durch die Bauprojekte Ludwigs II. gab Anlass zum Umbau des Kabinettssekretariats. Im Jahr 1877 wandte sich der Hofsekretär Lorenz von Düfflipp (1821-1886) mit einem Memorandum an Ludwig II. und schlug diesem vor, seine Bautätigkeit einzuschränken. Nachdem er damit keinen Erfolg hatte, trat Düfflipp von seinem Amt zurück. Obwohl sie durch das Finanzgesetz vom 29. Juli 1876 auf einen Betrag von 4.231.044 Mark erhöht worden war, reichten die Gelder der königlichen Zivilliste nicht mehr zur Deckung der laufenden Kosten aus. Im Winter 1883/84 beliefen sich die Schulden der Kabinettskasse schließlich auf 8 ¼ Millionen Mark. Seit 1885 drohten ausländische Banken deshalb mit der Pfändung. Da die Nichtbereinigung des königlichen Schuldenwesens die Gültigkeit des monarchischen Prinzips zunehmend gefährdete, entschloss man sich seitens der Regierung, den Monarchen für regierungsunfähig zu erklären und die Regierungsgeschäfte an dessen Onkel Luitpold (reg. 1886-1912) zu übertragen.
Prinzregent Luitpold löste das Kabinettssekretariat mit einem Handschreiben vom 29. Juli 1886 in seiner bisherigen Form auf und schuf stattdessen die Geheimkanzlei. Nach außen hin fand damit die "allseits befehdete Einrichtung" (Bernhard Zittel) ihr Ende. De facto blieb der direkte und indirekte Einfluss, wie ihn die Kabinettssekretäre ausgeübt hatten, nur unter dem Namen des Vorstandes der Geheimkanzlei bestehen. Deren Leitung hatte fortan jeweils einer der General- oder Flügeladjutanten des Prinzregenten inne. Mit der Errichtung der Geheimkanzlei ging eine spürbare Eindämmung der ministeriellen Handlungsspielräume einher, da sämtliche Minister ihre schriftlichen Berichte künftig an den Chef der Geheimkanzlei schicken mussten. Dieser hatte es dann in der Hand, worüber und in welchem Umfang er den Regenten informierte. Vor allem der ehrgeizige Flügeladjutant Ignaz Freiherr Freyschlag von Freyenstein (1827-1891) war es, der die von ihm geleitete Stelle schrittweise zu einer Art Militärkanzlei nach preußischem Vorbild erweiterte und damit hinsichtlich seiner Kompetenzen mit dem Kriegsministerium konkurrierte.
Ludwig III. (reg. 1912/13-1918) kehrte schon 1912, während seiner Zeit als Prinzregent, zur alten Bezeichnung "Kabinett" zurück. Der Machtzuwachs der Behörde zeigte sich auch 1917, als der Chef des Zivilkabinetts, Otto von Dandl (1868-1942), zum Minister des Königlichen Hauses und des Äußern ernannt wurde. In seiner Funktion als Vorsitzender des Ministerrats musste Dandl am 8. Novemeber 1918 sein Amt an den ersten Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern, Kurt Eisner (USPD, 1867-1919), übergeben.
Quellen und Forschungsstand
König Ludwig I. verfügte noch zu Lebzeiten die Verwahrung seiner Kabinettsakten im Wittelsbacher Hausarchiv. Deshalb sind die beim Kabinettssekretariat sowie der Kabinettskasse erwachsenen Schriftwechsel, Akten und Rechnungen, auch diejenigen seiner Thronnachfolger, in den Besitz des Hausarchives gelangt. Bei Max I. Joseph gestaltet sich die Situation komplexer: Die Arbeit der Privatdispositionskasse lässt sich mithilfe der Überlieferung des Finanzministeriums sowie des Obersthofmeisterstabes nachvollziehen, diejenige des Kabinettsrats Ringel anhand der Überlieferung der verschiedenen Ministerien sowie im Nachlass des Königs.
In der Forschung wurde die Arbeit des Kabinettssekretariats bisher nicht systematisch untersucht. Grundlegend sind die Aufsätze von Max Spindler (1894-1986) zum Kabinett Ludwigs I. bzw. dessen Biografie des Sekretärs Bernhard Grandauer. 2004 hat sich Christof Botzenhart (geb. 1969) mit der Regierungstätigkeit Ludwigs II. beschäftigt. Dabei konnte er die zentrale Rolle des Kabinetts aufzeigen, welches der König als ein Instrument zur Durchsetzung seines Herrscherwillens nutzte. Abgesehen von den genannten Forschungen, die das Kabinett als solches ins Auge nahmen, gibt es eine Anzahl biografischer Untersuchungen zu einzelnen Kabinettssekretären.
Liste der Kabinettssekretäre und Vorsteher der Geheimkanzlei
Name | Lebensdaten | Amtszeit | Bemerkung | Porträt |
---|---|---|---|---|
Max I. Joseph | ||||
Johann Ludwig Rheinwald | 1763-1811 | 1799-1803 | Kabinettssekretär;
ab 1808 Direktor des Statistisch- |
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Johann Nepomuk Käser | 1749-1827 | 1803-1820 | Kabinettssekretär; 1787-1799 Agent des Herzogs von |
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Karl August von Ringel | 1771-1831 | 1821-1825 | Kabinettsrat. | |
Ludwig I. | ||||
Joseph von Martin | 1775-1828 | 1825-1828 | Kabinettsrat. | |
Bernhard von Grandauer | 1776-1838 | 1828-1838 | zugleich Mitglied des obersten Kirchen- und Schulrates. |
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Max August von Schilcher | 1794-1872 | 1838-1848 | ||
Maximilian II. | ||||
Max August von Schilcher | 1848-1856 | übernommen vom Vorgänger; Chef der Kabinettskanzlei, |
||
Franz Seraph von Pfistermeister | 1820-1912 | 1856-1864 | 1864-1895 Staatsrat. | |
Ludwig II. | ||||
Franz Seraph von Pfistermeister | 1864-1866 | übernommen vom Vorgänger. | ||
Max von Neumayr | 1808-1881 | Oktober-Dezember 1866 | 1848-1849 Mitglied der Nationalversammlung in Frankfurt; |
|
Johann von Lutz | 1826-1890 | 1866-1869 | 1863 Mitarbeiter im Kabinett; 1866 Führt bereits vor der |
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Felix Friedrich von Lipowsky | 1824-1900 | 1867-1869 | 1871-1895 Regierungspräsident von Niederbayern. |
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August von Eisenhart | 1826-1905 | 1869/70-1876 | 1866 Mitarbeiter im Kabinett; 1869 Führt bereits vor der offiziellen |
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Friedrich von Ziegler | 1839-1897 | 1876/77-1879 | 1872 Mitarbeiter im Kabinett; 1876 Führt bereits vor der offizielle |
|
Ludwig August von Müller | 1846-1895 | 1879-1880 | 1880-1886 Leiter des Statistischen Büros im Innenministerium; |
|
Friedrich von Ziegler | 1880-1883 | Zweite Amtszeit;
1888-1894 Regierungspräsident |
||
Alexander von Schneider | 1845-1909 | 1883-1886 | 1876-1883 bereits Mitarbeiter des Kabinettssekretariats; |
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Prinzregent Luitpold | ||||
Ignaz Freyschlag von Freyenstein | 1827-1891 | 1886-1891 | seit 1868 Adjutant von Prinz Luitpold; des Prinzregenten. |
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Friedrich von Zoller | 1843-1900 | 1892-1900 | Vorstand des Geheimkanzlei;
zugleich Flügeladjutant des Prinzregenten. |
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Peter von Wiedenmann | 1847-1917 | 1900-1912 | Vorstand des Geheimkanzlei; zugleich Generaladjutant |
|
Ludwig III. | ||||
Otto von Dandl | 1868-1942 | 1912-1917 | Staatsrat und Chef des Zivilkabinetts; ab 1917 Minister des Äußern und |
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Heinrich Graf von Spreti | 1868-1944 | 1917-1918 | Chef des Zivilkabinetts; 1918-1923 Ministerialdirektor |
Literatur
- Christof Botzenhart, "Ein Schattenkönig ohne Macht will ich nicht sein". Die Regierungstätigkeit König Ludwigs II. von Bayern (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 142), München 2004.
- Caroline Gigl, Die Zentralbehörden Karl Theodors in München 1778-1799 (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 121), München 1999.
- Johann Georg Kruenitz, Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft. Fortgeführt von Friedrich Jacob Floerken, Heinrich Gustav Flörke, Johann Wilhelm Korth, Carl Otto Hoffmann und Ludwig Kossarski, 242 Bände, Berlin 1773-1858.
- Karl Möckl, Die Prinzregentenzeit. Gesellschaft und Politik während der Ära des Prinzregenten Luitpold in Bayern, München/Wien 1972.
- Walter Schärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft von 1806 bis 1918, Kallmünz 1955.
- Achim Sing, Die Wissenschaftspolitik Maximilians II. von Bayern (1848-1864). Nordlichterstreit und gelehrtes Leben in München, Berlin 1996.
- Max Spindler, Grandaur, Bernhard, Kabinetts-Sekretär König Ludwigs I., in: Lebensläufe aus Franken (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Reihe 7, Band 5), Würzburg 1936, 115-133.
- Max Spindler, Das Kabinett unter König Ludwig I., in: Ders., Erbe und Verpflichtung. Aufsätze und Vorträge zur bayerischen Geschichte, hg. von Andreas Kraus, München 1966, 252-263.
- Bernhard Zittel, Kabinettssekretariat und Kabinettskanzlei, in: Wilhelm Volkert (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, München 1983, 15-16.
Quellen
- Der Bayerische Landbote 270 (27.9.1865), 1087-1088.
- Hof und Staatskalender des Kufürstentums Bayern bzw. Hof und Staatshandbücher des Königreichs Bayern:
- Churbaierischer Hof- und Staats-Calender, München 1765-1778.
- Seiner Churfürstlichen Durchleucht zu Pfalz etc. Hof- und Staats-Kalender, München 1780-1790.
- Seiner Churfürstlichen Durchleucht zur Pfalzbaiern etc. Hof und Staatskalender, München , München 1791-1799.
- Churfürstlich-Pfalzbaierischer Hof- und Staatskalender, München 1800-1802.
- Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Baiern, München 1812-1918.
- Finanz-Gesetz für die Periode 1819/25, nebst dem dazu gehörigen Finanz-Etat über Ausgabe und Einnahme, erlassen Baden-Baden, 22. Juli 1819, abgedruckt in: Gesetzblatt für das Königreich Bayern Nr. 10 (7.8.1819), Sp. 227-240.
- Karl Heinrich Ritter von Lang, Memoiren des Karl Heinrich Ritters von Lang, Skizzen aus meinem Leben, Wirken, meinen Reisen und meiner Zeit, zwei Teile, Braunschweig 1842. (Band 1) (Band 2)
- Max Spindler u.a. (Hg.), Signate Ludwigs I., 7 Bde. (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte 1-6 u.12), München 1987-1997.
Weiterführende Recherche
Externe Links
- bavarikon: Ausstellung "König Ludwig II. von Bayern – Leben, Spuren, Mythos": Erste Regierungsjahre
- Haus der bayerischen Geschichte: Portal Königreich Bayern 1806-1918
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Empfohlene Zitierweise
Maximilian Vissers, Kabinettssekretariat, publiziert am 05.11.2024; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kabinettssekretariat> (10.12.2024)