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Kabarett "Die Pfeffermühle", 1933-1937

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Plakatankündigung des zweiten Münchner Programmes der Pfeffermühle, Februar 1933. (Monacensia. Literaturarchiv und Bibliothek München / Rowohlt Verlag)
Erika Mann, erstes Exil-Programm, Zürich 30. September 1933. (Monacensia. Literaturarchiv und Bibliothek München / Rowohlt Verlag)
Das dritte Exil-Programm, Basel, 3. Oktober 1934. (Monacensia. Literaturarchiv und Bibliothek München / Rowohlt Verlag)
Therese Giehse in der Garderobe der "Bonbonniere", 1933. (Monacensia. Literaturarchiv und Bibliothek München / Rowohlt Verlag)

von Helga Keiser-Hayne

Politisch-literarisches, gegen den Nationalsozialismus gerichtetes Kabarett in München. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Erika Mann (1905-1969), ihr Bruder Klaus Mann (1906-1949) sowie Therese Giehse (1898-1975). Die Premiere fand am 1. Januar 1933 statt. Das erfolgreiche Kabarett ging im Oktober 1933 ins Exil nach Zürich; die europaweiten Vorstellungen endeten im Sommer 1936. Eine Wiederbelebung der Pfeffermühle in den USA scheiterte 1937.

Vorspiel

Am 13. Januar 1932 nahm Erika Mann (1905–1969) als Schauspielerin an einer pazifistischen Frauenversammlung teil. Internationale Frauenverbände, die für Weltfrieden und Freiheit kämpften, hatten in den großen Saal des Hotels "Union" in der Münchner Barerstraße geladen. Das Thema des Abends: "Weltabrüstung oder Untergang". Hauptrednerin: eine international anerkannte französische Pazifistin. Der Auftritt Erika Manns bei dieser Friedensdemonstration gilt als Beginn ihres politischen Engagements. Die älteste Tochter von Katia Mann (1883-1980) und Thomas Mann (1875–1955) hatte neben ihrer Arbeit als Schauspielerin in zahlreichen Zeitungen amüsante Glossen, Feuilletons, Rezensionen, witzige und unterhaltende Alltagsgeschichten veröffentlicht - alles in allem, trotz des rasanten Aufstiegs der Nationalsozialisten, völlig unpolitische Texte. Ihr Entschluss, sich an einer politischen Veranstaltung zu beteiligen, sollte für sie entscheidende Folgen haben. Nach der Rede der französischen Pazifistin rezitierte Erika Mann einen Artikel aus einer pazifistischen Zeitschrift, der vehement zur totalen Abrüstung aufrief. Es gab Störversuche durch Anhänger der Nationalsozialisten, dennoch verlief der Abend relativ ruhig. Die nationalsozialistische Presse reagierte einige Tage später derart, dass Erika Mann und die Organisatorin der Veranstaltung sich veranlasst sahen, wegen Beleidigung und übler Nachrede vor Gericht zu gehen. Sie hatten Erfolg mit ihrer Klage.

Für den Sommer 1932 war Erika Mann als Schauspielerin an das Weißenburger Bergwaldtheater engagiert worden. Der "Kampfbund für deutsche Kultur" drohte den Weißenburgern mit Besucherboykott. Der bereits geschlossene Vertrag mit Erika Mann wurde gelöst. Sie zog abermals vor Gericht. Ein Vergleich gestand ihr die Zahlung einer Schadensersatzsumme und der vereinbarten Gage zu. Wegen Zahlungsunfähigkeit des Theaters kam es schließlich zur Pfändung des Weißenburger Theaterfundus. Ein wirklicher Prozesserfolg war Erika Mann jedoch nicht beschieden. Nach der Wahl im Juli 1932, die der NSDAP 230 Sitze im Reichstag brachte, schien der Aufstieg der Nationalsozialisten unaufhaltsam. Erika Mann, die als Schauspielerin sowohl an den Münchner Kammerspielen als auch am Bayerischen Nationaltheater engagiert war, wurde für den Rest des Jahres kaum noch beschäftigt. Nach den jüngsten Erlebnissen stand für sie fest: Es war zu wenig, was von Seiten der Intellektuellen, der bürgerlichen Kreise gegen den Aufstieg Adolf Hitlers (1889-1945) und der Nationalsozialisten getan wurde.

Premiere

Am 1. Januar 1933 – 29 Tage vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler – fand in der Münchner "Bonbonniere", einem renommierten Revuetheater in der Münchner Altstadt, Neuturmstraße 5, die Premiere eines neuen "literarischen Cabaretts" statt: "Die Pfeffermühle". Gegründet von Erika Mann und einer Hand voll Gleichgesinnter, war das Unternehmen von Anfang an als politisches - und das heißt als dezidiert antifaschistisches - Kabarett gedacht. Die Idee stammte von dem baltischen Komponisten und Pianisten Magnus Henning (1904–1995). Erika Manns Bruder Klaus (1906–1949) gehörte zu den Gründungsmitgliedern. Vor allem aber konnte die gemeinsame Freundin Therese Giehse (1898–1975) gewonnen werden. Seit 1926 gehörte sie zum Ensemble der Münchner Kammerspiele und zählte zu den beliebtesten Schauspielerinnen der Stadt. Auf der Bühne eines politischen Kabaretts zu stehen bedeutete für sie, endlich "dem Theaterspielen ohne innere Notwendigkeit zu entrinnen" (aus der holländischen Zeitung "Het Vaderland", 16. März 1935: Menno ter Braak: "Interview mit einer großen Schauspielerin"). Weitere Mitglieder des etwa achtköpfigen Ensembles kamen ebenfalls von den großen Münchner Bühnen. So Max Schreck (1897–1936) und die 22-jährige Sybille Schloss (1910-2007), Tochter des Münchner Jugendstildichters Karl Schloß (1876–1944). "Der Name, den wir uns gaben, stammte von Thomas Mann. Es war ein kühnes Unterfangen. Denn von Anfang an war die Mühle militant antinazistisch" (zitiert nach: Erika Mann: "Die Pfeffermühle" – Versuch einer "Outline" – April 1966).

"Gepfefferter Charme"

Die Pfeffermühle wurde ein überzeugender Erfolg, von Publikum und Presse gleichermaßen gefeiert. Erika Mann, von der die meisten Texte stammten, trat als Conférencier auf. Sie wurde als "das charmante Aushängeschild des Pfeffermühlebetriebs" gelobt. "Pfeffer streuen auf das Glatteis der Sprüche, das ist doch besser als Sand in den Augen und Watte in den Ohren." So hieß es beispielsweise in den Münchner Neuesten Nachrichten vom 3. Februar 1933. Im Völkischen Beobachter jedoch las man am 26. Januar 1933, es handle sich "mehr um eine Streusandbüchse" und "nur um ein seichtes Plätschern in Konjunktursongs, wobei beinahe alles unter den Tisch fällt und nie wieder gefunden wird."

Den Januar und den Februar hindurch spielte man jeden Abend vor ausverkauftem Haus in der "Bonbonnière". Am 1. April 1933 sollte die Pfeffermühle in einem größeren Theater mit einem im Laufe des März entstehenden neuen Programm wieder eröffnet werden. Am 5. März erhielt die NSDAP bei den letzten Reichstagswahlen fast 44 % der Stimmen. Auch 2 Millionen bayerische Wähler hatten für die Partei Hitlers votiert. "Es war undenkbar, Die Pfeffermühle weiter zu betreiben. Die wichtigsten Mitglieder, Magnus Henning, Therese Giehse, Sybille Schloss, gingen mit in die Emigration, kurz nachdem Klaus und ich Mitte März gegangen waren. Wir hatten beschlossen: Wir machen draußen weiter..." (zitiert nach einem Gespräch, das Erika Mann etwa 1965 mit dem ihr befreundeten Filmcutter Caspar von den Berg führte, der einen Film über die Pfeffermühle plante).

Exil

Unfreiwillig wurde dieses Münchner Kabarett zum ersten deutschsprachigen Exiltheater. Nach dem Neubeginn im Oktober 1933 in Zürich zog die Pfeffermühle mit ständig wechselnden Ensemblemitgliedern bis zum Spätsommer 1936 durch halb Europa. Dabeigeblieben waren Therese Giehse, die auch Regie führte, Magnus Henning, der beinahe alle Texte vertonte und jeden Abend am Klavier saß, und für einen längeren Zeitraum auch Sybille Schloß. In der Schweiz, in Holland, Belgien, Luxemburg und der Tschechoslowakei trat man mit großem Erfolg vor weitgehend deutschsprachigem Publikum und den vielen Emigranten aus Deutschland auf. Die Presse reagierte überwiegend positiv. Von der Fremdenpolizei in diesen Ländern wurde dieses Emigrantentheater jedoch mit Argwohn beobachtet. Alle europäischen Staaten waren bedacht darauf, es sich mit dem starken Nachbarn nicht zu verderben. Zudem arbeitete das Auswärtige Amt des Deutschen Reiches fieberhaft an einem Verbot der Pfeffermühle im Einvernehmen mit den ausländischen Regierungen.

Das Ende

Die Texte, die Abend für Abend über die Bühne gingen, kamen überraschend deutlich auf den Punkt. Eingebettet in unterhaltende Sketche, Musik- und Tanzeinlagen ging es, neben den üblichen leichten Brett'l-Texten, um ganz aktuelle Themen wie Aufrüstung und Arbeitslosigkeit, die diktatorische Allmacht Hitlers und die Nachsicht, die ganz Europa mit ihm hatte, Antisemitismus, Lüge, Dummheit, Denunziation. "Immer indirekt" hieß Erika Manns Methode: "Kein Name – auch nicht der unseres verdorbenen Landes – ist je bei uns gefallen. Wir wirkten in der Parabel, im Gleichnis, im Märchen" (aus: Gespräch mit Caspar van den Berg).

Trotz dieser "Strategie des Indirekten" wurde man in den Gastländern der Pfeffermühle zunehmend nervös, so zum Beispiel in Prag im August 1935. Erika Mann hatte die Texte vier Wochen vor der Aufführung bei der Zensurbehörde vorzulegen. Am Tag der Premiere um 11 Uhr wurde ihr bekanntgegeben, dass zwei Drittel der Texte gestrichen waren. Auf diese Weise machte die Pfeffermühle noch bis zum Frühsommer des nächsten Jahres weiter, aber das Ende war abzusehen. Am 16. 4. 1936 fand während der letzten Tournee durch Holland und Luxemburg die 1000. Vorstellung statt. Es folgten noch einige wenige Auftritte auf der Reise durch Luxemburg. Nach 1034 Vorstellungen war für Die Pfeffermühle ein Auftreten in Europa nur mehr unter Zensurauflagen möglich. Erika Mann: "Wir lehnten dankend ab, Europa musste abgeschrieben werden, die Dinge nahmen ihren Lauf" (aus: Gespräch mit Caspar van den Berg). Erika Mann hatte diese Entwicklung befürchtet und im Sommer 1936 begonnen, eine Tournee in die USA vorzubereiten. Im September wagte sie den Sprung über den Ozean.

Der Versuch, als "Erika Mann's Peppermill" in New York erneut ein Publikum zu überzeugen, scheiterte: "Kabarett ist dem amerikanischen Menschen nicht bekannt" (zitiert aus einem Brief Erika Manns an ihre Mutter vom 1. Februar 1937). Nach nur wenigen Vorstellungen im Januar 1937 fiel endgültig der Vorhang für dieses vier Jahre zuvor in München gegründete "erfolgreichste theatralische Unternehmen der deutschen Emigration", so Klaus Mann in seinem Lebensbericht "Der Wendepunkt". Mit dem Ende der Pfeffermühle begann für Erika Mann das Exil in den USA. Als "lecturer" reiste sie viele Jahre durch das Land. In ihren Vorträgen klärte sie die Amerikaner darüber auf, dass Hitler, nachdem er in alle europäischen Länder eingefallen war, auch für Amerika zur Gefahr werden könnte. "Die Pfeffermühle wäre glücklich, wenn sie ihr winziges Teilchen dürfte beigetragen haben zum Sieg der Besinnung und der Vernunft in Europa." Das hatte Erika Mann 1936 anlässlich eines Gastspieles in Prag gesagt. Ihre politische Arbeit in Amerika begriff sie nun als Fortsetzung der Pfeffermühle mit anderen Mitteln.

Literatur

  • Romana Becvova, Beteiligt Euch, es geht um eure Erde. Die Tourneen des politisch-satirischen Kabaretts "Die Pfeffermühle" in der Tschechoslowakei und Analyse ausgewählter Texte, Brünn 2007.
  • Hiltrud Häntzschel, "Pazifistische Friedenshyänen"? Die Friedensbewegung der Münchener Frauen in der Weimarer Republik und die Familie Mann, in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 36 (1992), 307-332.
  • Irma Hildebrandt, Pfeffer über Zürich. Die Schauspielerin Therese Giehse (1898-1975), Erika Mann (1905-1969) und die "Pfeffermühle", in: Dies. (Hg.), Frauen, die Geschichte schrieben. 30 Frauenporträts von Maria Sibylla Merian bis Sophie Scholl, Kreuzlingen/München 2002, 234-262.
  • Helga Keiser-Hayne, "Die Dinge sagen, die heute gesagt werden müssen". Erika Manns politisches Kabarett "Pfeffermühle" 1933-1937, in: die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, 40. Jahrgang, 1. Quartal, Bremerhaven 1995.
  • Helga Keiser-Hayne, Erika Mann und ihr politisches Kabarett "Die Pfeffermühle" 1933-1937. Texte, Bilder, Hintergründe, Reinbek 1995.
  • Irmela von der Lühe, Erika Mann. Eine Biographie, Frankfurt am Main 1993/1999.
  • Irmela von der Lühe, Kabarett gegen Hitler - Kabarett im Exil. Erika Manns Pfeffermühle 1933-1937, in: Sigrid Bauschinger (Hg.), Literarisches und politisches Kabarett von 1901 bis 1999: die freche Muse (Zwanzigstes Amherster Kolloquium zur Deutschen Literatur), Tübingen 2000, 131-143.
  • Erika Mann, "Blitze überm Ozean". Aufsätze, Reden, Reportagen, hg. von Irmela von der Lühe/Uwe Naumann, Reinbek 2000.
  • Armin Strohmeyr, Klaus und Erika Mann. Eine Biografie, Leipzig 2004.

Quellen

  • Münchner Stadtbibliothek, Monacensia, Handschriftenabteilung: Nachlass Erika Mann

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Helga Keiser-Hayne, Kabarett "Die Pfeffermühle", 1933-1937, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kabarett_"Die_Pfeffermühle",_1933-1937> (29.03.2024)