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Hitler und Bayern

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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von Walter Ziegler

Es ist für die Geschichte Bayerns im 20. Jahrhundert von erheblicher Bedeutung, dass der Österreicher Adolf Hitler (1889-1945) nach 1918 in München seine Ideologie formulierte, seine Partei aufbaute und hier lange seinen ständigen Wohnsitz hatte. Doch auch nach seiner Ernennung zum Reichskanzler 1933 verblieb nicht nur der Hauptsitz der NSDAP in München, auch Hitlers Besuche hier, in anderen bayerischen Städten und vor allem auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden waren noch lange Teil seines politischen und privaten Lebens. Mit der historischen Hinterlassenschaft von Hitlers Herrschaft hat sich gerade auch Bayern bis heute auseinanderzusetzen.

Herkunft

Aquarell mit Darstellung des Alten Hofes in München, gemalt 1914 von Adolf Hitler. Abb. aus: Adolf Hitler. Bilder aus dem Leben des Führer, Altona 1936, 71. (Bayerische Staatsbibliothek, BA/4 L.sel.I 727)

Hitlers Vorfahren stammten aus dem österreichisch-böhmischen Grenzgebiet um Weitra (Waldviertel in Niederösterreich). Sein Vater Alois Hitler (Zollbeamter, 1837-1903) lebte seit 1871 in Braunau (Oberösterreich, Innviertel), wo der Sohn Adolf 1889 geboren wurde, wechselte dann nach Passau (1892-1895) und schließlich in die Umgebung von Wels und Linz. So wuchs Adolf Hitler dann in Oberösterreich auf und empfing dort seine ersten persönlichen und politischen Eindrücke. Hitlers später nicht seltene Anspielungen und Hinweise, dass er Bayern besonders liebe, dass er in Passau glücklicherweise den bayerischen und nicht den ihm unangenehmen Wiener Dialekt gelernt habe, ja dass er eigentlich Bayer sei (1933: "erster bayerischer Reichskanzler"), sind offensichtlich der Propaganda und der Politik geschuldet und in der Sache unhaltbar (wenn man nicht auf den frühmittelalterlichen Bayernstamm rekurriert, was Hitler aber ganz fern lag). Er war vielmehr nach Herkunft und Sozialisation ein österreichischer Grenzlanddeutscher mit den damals dort virulenten national bestimmten Denkweisen.

Übersiedlung nach München

Hitler, der seit 1906 vergeblich eine Malerausbildung an der Akademie der bildenden Künste in Wien angestrebt hatte, dann dort in die unterste Schicht der Obdachlosen abgeglitten war, zuletzt in einem Männerheim lebte und sich als Aquarellist von Stadtansichten durchbrachte, verließ die Kaiserstadt am 25. Mai 1913 und ging zusammen mit Rudolf Häusler (1893-1973), einem Wiener Bekannten, nach München, wo sie ein Zimmer in der Schleißheimerstraße 34 nördlich der Altstadt mieteten; auch hier war er beruflich nur als Ansichtskartenmaler tätig.

Bei Kriegsausbruch 1914 meldete er sich freiwillig für die bayerische Armee und war bis Kriegsende an der Westfront eingesetzt, unterbrochen von einigen Urlaubswochen, die er vor allem in Berlin, manchmal auch in München und anderswo in Bayern verbrachte. Nach Kriegsende und Revolution, die er, verwundet, im Lazarett Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) erlebte, meldete er sich am 21. November 1918 wieder bei seiner Münchner Militäreinheit und verblieb dort in verschiedenen Stellungen, im Rahmen des im Abbau befindlichen Alten Heeres, bis zu seinem freiwilligen Ausscheiden am 31. März 1920.

Adolf Hitler (vorne links) mit den Kameraden seiner Meldegänger-Einheit im Garten des Regimentshauptquartiers in Fournes 1915. Abb. aus: Balthasar Brandmayer, Mit Hitler, Meldegänger 1914-18, Überlingen a. Bodensee 1940, n. 16. (Bayerische Staatsbibliothek, 41.5057)

Die Gründe für seinen Ortswechsel 1913 von Wien nach München sind nicht ohne weiteres auszumachen. Hitler selbst behauptete in "Mein Kampf" (1926: Band 1, Ende des 3. und Anfang des 4. Kapitels), er habe damals endlich das "Rassenkonglomerat" Wien verlassen und in eine deutsche Stadt gehen können; München als Kunststadt, über die er bereits im Selbststudium viel gewusst habe, habe für ihn vor dem Krieg die glücklichste Zeit seines Lebens bedeutet, und an dieser Stadt hänge er mehr als an jedem anderen Flecken Erde – schon in der Formulierung zeigt sich die in seinem Buch durchgehende Selbststilisierung von dem, was er sein wollte, ohne Rücksicht auf die Wirklichkeit. Zu fragen ist nämlich, wieso ein deutschnational geprägter Österreicher, als welcher er sich damals darbot, nicht nach Berlin ging, was seinen politischen Ideen von zentralistischer deutscher Größe weitaus besser entsprochen hätte als das konservativ regierte und auf seine Eigenständigkeit gegenüber Berlin bedachte Bayern – bei seinen Kriegsurlauben begeisterte er sich dementsprechend für Berlin und lehnte das "schwarze" München ab (so 1941: Jochmann, Monologe, 80). Und auch das Kunstargument überzeugt nicht, da er wie in Wien auch in München mit der Kunstszene überhaupt nichts zu tun hatte; und dass hier die klassizistischen Kunstbauten des 19. Jahrhunderts der entscheidende Anziehungspunkt gewesen seien, ist ebenfalls fragwürdig, da sein Ideal nicht die Münchner Architekten dieser Zeit, sondern der Berliner Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) gewesen ist (Schwarz, Geniewahn). Man muss also sagen, dass ein überzeugender Grund für den Ortswechsel nach München bisher nicht gefunden ist.

Politisierung und Ideologie in München 1919/20

Die im Abbau befindliche Alte Armee bot Hitler – der erstaunlicherweise immer wieder der Entlassung entging – in verschiedenen Stellungen Lebensunterhalt, soldatische Heimat und vor allem den Weg zum ideologisch klar definierten Parteiführer. Wie er dabei die umstürzenden Münchner Ereignisse 1918/19 (Regierung und Tod Eisners, Räterepubliken, Eroberung Münchens) unbeschadet überstand und welche Stellung er zur politischen Linken einnahm, ist vielfach erörtert. Hier ist nur wichtig, welche Bedeutung sein Münchner Umfeld für sein politisches Werden hatte. Von erheblichem Einfluss für seine weitere Entwicklung war der aus Mindelheim (Lkr. Unterallgäu) stammende Hauptmann Karl Mayr (1883-1945, seit 1925 Gegner der NSDAP), der Hitler zu Aufklärungskursen an der Universität München (ab 10. Juli 1919), kurz darauf zu einem antibolschewistischen Einsatz im Lager Lechfeld (Lkr. Augsburg) abordnete, wo dieser im Auftrag der Vorgesetzten erstmals erfolgreich Vorträge hielt und antisemitische Schriften verfasste. Später wurde er auch zur Beobachtung der politischen Szene in München herangezogen, so am 12. September 1919 für eine Versammlung der neu gegründeten "Deutschen Arbeiterpartei", der er kurz darauf selbst beitrat. Über die Einflüsse auf Hitler in der Münchner Kaserne und in der Stadt wurde festgestellt, dass sich seine Anschauungen in jenem Rahmen völkisch-antisemitischer Überzeugungen bewegte, die damals in und außerhalb der Armee üblich waren (Plöckinger, Soldaten), wobei allerdings der dort zeitweilig starke Antibolschewismus bei ihm zurücktritt; Zugang zu diesem Gedankengut hatte er besonders auch als Betreuer der Kasernenbibliothek. Schließlich ist zurecht mehrfach betont worden, dass ohne die chaotischen Verhältnisse in München, besonders ohne die Kämpfe um die Räterepublik seit April 1919, Hitlers Aufstieg nicht denkbar gewesen sei.

Dagegen ist eine noch offene Frage, ob Hitlers radikaler rassistischer Antisemitismus, den er schon im sog. Gemlich-Brief (Antwort im Auftrag Mayrs an Adolf Gemlich bezüglich dessen Frage nach dem Verhältnis von Judentum und Sozialdemokratie) am 16. September 1919 proklamiert hat, tatsächlich allein in München entwickelt worden ist. Dies wird heute vielfach daraus gefolgert, dass er in Wien einige gute Kontakte zu Juden gehabt hatte (Hamann, Wien) und sich dort und auch im Weltkrieg nicht dezidiert antisemitisch geäußert hat – die gegenteiligen Ausführungen in "Mein Kampf" über seine Begegnung mit der "Judenfrage" in Wien seien nur eine nachträgliche Konstruktion. Das erscheint aber nicht haltbar. Denn die Zeit vom Juli 1919 (Beginn der Münchner Vorträge) bis September 1919 (Gemlich-Brief) wäre bei einer erstmaligen Bekanntschaft mit dem Antisemitismus für die intensive Übernahme dieser Ideologie durch einen ungebildeten Soldaten viel zu kurz gewesen. Eine solche war nur möglich, wenn er seit langem, eben auch schon in Österreich, antisemitisches Gedankengut aufgenommen hatte; Hinweise auf völkische Einstellungen gibt es auch mehrfach, schon seit der Zeit in Linz (so dezidiert auch Leidinger/Rapp). Man hat überdies festgestellt (Töppel, Volk und Rasse), dass Hitler für die Ausformulierung seiner antisemitischen Ideologie viele Quellen heranzog, von den großen Werken des 19. Jahrhunderts bis zu den Schriftstellern um 1920, die er dann zu seinem Kapitel "Volk und Rasse" in „Mein Kampf“ verdichtet hat (Band 1 Kapitel 11, erstellt seit 1922). Auch das wird nur bei einer langen Bekanntschaft mit dieser Ideologie erklärbar. Man wird also zumindest von einer deutlichen antisemitischen Prädisposition in Wien sprechen müssen, die Hitler dann in München umfassend vertiefte.

Der Parteiführer 1920/23: Anhänger und Förderer

Der zuerst mühsame, dann schnell erfolgreiche Aufbau der von Hitler bald in "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" umbenannten Partei gelang nur durch die Unterstützung unterschiedlicher Personen, durch den Zulauf aus bestimmten Szenen und Gruppen und durch die Förderung von Institutionen, zuerst in München und Bayern, bald auch in ganz Deutschland. Beobachtungen dazu gab es bereits bei den Zeitgenossen, die Diskussion darüber hält bis heute an (z. B. Unterstützung aus Mittelstand oder Arbeiterschaft).

Was die Mitstreiter des nächsten Umfeldes betrifft (spezifische Freunde hatte der Parteiführer nicht), so war nur ein Teil aus der Münchner und altbayerischen Szene. In München geboren waren etwa der bald ausgeschaltete Parteigründer Anton Drexler (1884-1942), der Generalstabsoffizier Ernst Röhm (1887-1934) oder der Student Heinrich Himmler (1900-1945); der radikale Journalist Hermann Esser (1900-1981) stammte aus der Gegend von Dachau, der Hitler tief beeinflussende Schriftsteller Dietrich Eckart (1868-1923) aus Neumarkt in der Oberpfalz. Nicht aus Altbayern kamen etwa der Franke Christian Weber, seit 1926 Mitglied des Münchner Stadtrates (1883-1945) und der Schwabe Ulrich Graf (1878-1950), ein enger Begleiter Hitlers, von außerhalb Bayerns der Münchner SA-Führer Wilhelm Brückner (1884-1954, aus Baden-Baden, Baden-Württemberg) oder der Freikorpsführer Martin Bormann (1900-1945, aus Halberstadt, Sachsen-Anhalt). Aufgefallen ist bald eine starke auslandsdeutsche Komponente, etwa mit dem Rechtsextremisten Alfred Rosenberg aus dem damals russischen Estland (1893-1946) oder dem in Ägypten geborenen Studenten Rudolf Hess (1894-1987), desgleichen ein Übergewicht der Protestanten (so Weber, Hitler 219). Dass Hitler auch enge Kontakte zum alltäglichen Umfeld seiner Wohnungen (bis 1929 in Untermiete Thierschstr. 41 nahe der Isar, dann als Mieter in einer Villa Prinzregentenplatz 16) gehabt habe, hat er später behauptet, doch beschränkte sich das offenbar auf begeisterte Anhänger (etwa das "Hitler-Mutterl" Hermine Hoffmann, 1857-1945). Insgesamt war also Hitlers frühes Personalumfeld nicht spezifisch altbayerisch (so keine Kontakte zum Bauernland) und nur zum Teil münchnerisch. Das betrifft auch die Förderung seiner "Salonfähigkeit", die vor allem Vertreter der Kulturszene (z.B. Kunsthändlerfamilie Hanfstaengl; Verleger Elsa und Hugo Bruckmann, 1865-1946 bzw. 1863-1941; Berliner Klavierfabrikantensgattin Helene Bechstein, 1876-1951; in Bayreuth die aus England stammende Winifred Williams, verheiratete Wagner, 1897-1980) unternahmen.

Die erste Anhängerschaft fand Hitler in der antisemitischen Szene, bei Rechtsradikalen und Rechtskonservativen, dann beim verunsicherten Bürgertum. Hier ist auch der Ort der frühen aufsehenerregenden Massenversammlungen, wo sein Talent der geradezu bühnenmäßig eindrucksvollen Agitation sich voll auswirken konnte. Deren Wirkung vor allem mit bajuwarischer Bierseligkeit in den Münchner Großgaststätten zu erklären, wie es häufig geschieht und bereits 1923 behauptet wurde (Simplicissimus 1923, Heft 36, Karl Arnold: "Mei‘ Ruah möcht‘ i hamm und a Revalution…"), greift zu kurz und unterschätzt die Radikalität Hitlers und seiner Anhänger.

Eine interessante Überlegung wurde angestellt über den Einfluss katholischer Kreise auf die NS-Bewegung bis 1923 (Hastings, Catholicism), was wegen der stark katholischen Prägung Oberbayerns nahe lag. Es lässt sich auch eine Anzahl angesehener Unterstützer finden, bei liberalen Theologen der Universität oder bei Schriftstellern, und an feierlichen Gottesdiensten bei nationalen Feiern (etwa mit dem in München lebenden exilierten Prager Abt Alban Schachleiter, 1861-1937) fehlte es nicht. Auch auf das Schlagwort vom "positiven Christentum", das diesen Kräften entsprach und ins Parteiprogramm (Punkt 24) einging, ist zu verweisen. Die katholische Kirchenleitung hielt sich aber fern, und ob die Einflüsse wirklich so groß waren, muss man bezweifeln. Jedenfalls kamen auch zahlreiche Gegner Hitlers in München aus dem katholischen Bereich.

Von Bedeutung ist, inwieweit seine Bewegung von der bayerischen Regierung und Verwaltung gefördert oder positiv geduldet wurde. Bei Gustav von Kahr (BVP, 1863-1934, Ministerpräsident 1920/21, Generalstaatskommissar 1923/24) ist dies klar auszumachen. Dieser glaubte, für die Selbständigkeit der "Ordnungszelle Bayern" und gegen Bolschewismus und Sozialdemokratie die rechtsstehenden Kräfte sammeln zu können; Hitlers "Trommler"-Fähigkeit, weniger sein Programm, war dabei intendiert. Noch deutlicher unterstützte ihn der 1919/21 amtierende Münchner Polizeipräsident Ernst Pöhner (1870-1925). Aber auch den "Beamtenregierungen" Hugo von Lerchenfelds (1871-1944, Ministerpräsident 1921/22) und Eugen von Knillings (1865-1927, Ministerpräsident 1922/24) lassen sich Versäumnisse gegenüber den aufsteigenden Radikalen vorwerfen. Allerdings war die damals überall in Deutschland national aufgeheizte Stimmung (Anti-Versailles; Ruhrkampf, Inflation) auch in Bayern in der bürgerlichen und der rechtskonservativen (z.B. Einwohnerwehren) Szene sehr wirksam. Immerhin gab es seit 1922, vor allem aber nach dem Hitlerprozess, Überlegungen in der Regierung, besonders bei Minister Franz Schweyer (1868-1935, Innenminister 1921/24), Hitler als straffällig gewordenen Ausländer (erste Strafe wegen Landfriedensbruch 1922) in seine Heimat Österreich abzuschieben. Dies gelang jedoch wegen der öffentlichen Stimmung nicht, und als Hitler 1925 die Entlassung aus der österreichischen Staatsbürgerschaft erreichte, war es überhaupt nicht mehr möglich.

München als Bedingung des Aufstiegs?

Man hat Hitler in den Jahren bis 1923 angesichts seiner Massenveranstaltungen ironisch “König von München“ genannt (Ullrich, Hitler 137), also die Stadt und seine Agitation in engste Verbindung gebracht. Eine entscheidende Frage ist deshalb, ob München tatsächlich für Hitlers Aufstieg unabdingbare Grundbedingung war oder ob er eher zufällig, weil er eben in München lebte, hier seine Agitation verbreitete, die er vielleicht auch in anderen Städten hätte erfolgreich betreiben können. Fast durchgehend nehmen die modernen Darstellungen den ersten Fall für gegeben, sehen also Hitlers Aufstieg durch München durchaus bedingt, durch Entwicklungen der kulturellen und politischen Szene schon seit Ende des 19. Jahrhunderts, durch Revolution und Räterepublik, durch rechtskonservative Förderer, virulenten Antisemitismus und anderes mehr (so etwa Hockerts, Warum München?). Besonders pointiert wurde die Radikalisierung Hitlers in München im Sinn einer funktionalistischen Betrachtungsweise herausgestellt. Hitler wäre 1919, nachdem der ursprüngliche Künstlerwunsch unerfüllbar war, nun als absoluter Versager bar jeder eigenen Überzeugung gewesen, aber eben deshalb, um zu überleben, für die Übernahme jeder nur denkbaren Tätigkeit und Ideologie bereit. Hier erscheint der Politiker und Ideologe Hitler als ein reines Geschöpf der Münchner Umgebung, freilich mit beliebiger Zielrichtung (Wirsching, Authentizität). Allerdings ist die Frage der Prägung durch München bisher kaum je vergleichend untersucht worden. Denn auch andere Städte, etwa Nürnberg, Stuttgart, Berlin oder das Ruhrgebiet, dann auch Wien, zeigten ganz ähnliche Phänomene der Kulturszene vor und nach 1900, von Zusammenbruch, linksradikalen Republiken und Rechtsradikalismus. Auch war Hitler damals schon weit über München hinaus mobil, angefangen von einem Flug nach Berlin in den Tagen des Kapp-Putsches im März 1920 über Reden in Stuttgart, Salzburg und Wien ebenfalls in diesem Jahr, dann 1921 und 1922 mehrfache Aufenthalte in Berlin, z.T. einen Monat lang; auch in Bayern, besonders in Franken, war er vielfach unterwegs. Die Verbindung Hitlers mit München ist also weiter zu untersuchen. Auch die spezifischen Umstände beim Aufstieg eines Parteiführers nicht in der Metropole (wie Lenin in St. Petersburg), sondern in der Provinz wären zu bedenken, wie bei Mussolini in Mailand oder Franco in Nordafrika.

Hitlerputsch 1923 und Folgen

Der Putschversuch Hitlers am 8. November 1923 im Bürgerbräukeller, bei dem er mit seinen Gefolgsleuten in eine große bürgerlich-patriotische Versammlung mit Waffengewalt eindrang und maßgebliche Führer der bayerischen Politik kurzzeitig zur Mitarbeit zwang (Kahr, die Generäle Otto von Lossow, 1868-1938, und Hans von Seißer, 1874-1973), der aber am nächsten Tag beim Zusammenstoß des Demonstrationszuges mit der Polizei am Odeonsplatz scheiterte (20 Tote, darunter 4 Polizisten), wurde in München vorbereitet und  überwiegend mit südbayerischen Parteigängern durchgeführt; er zielte aber nicht auf Bayern, sondern auf das Reich, wofür besonders der Weltkriegsheros Erich von Ludendorff (1865-1937) stand, auf den Hitler dabei setzte. Wenig mit Bayern zu tun hatten auch Vorbild (Mussolinis Marsch auf Rom 1922), Ursachen (Inflation; aufgeheizte Stimmung durch Abbruch des Ruhrkampfes im September 1923) und von außen kommender Anlass (Moskauer Beschluss vom 4. Oktober zum Aufstand der KPD im "Deutschen Oktober"). Entscheidend war, dass die bayerische Regierung als solche fest blieb (Kultusminister Franz Matt, 1860-1929, wich nach Regensburg aus; Kahr, Lossow und Seißer wandten sich noch in der Nacht ab) und dass, nachdem eine Einbeziehung des Heeres nicht gelungen war, der Putsch durch eigene bayerische Kräfte, ohne Hilfe von außen, beendet werden konnte (anders als bei der Überwältigung der Räterepublik im Mai 1919). Ein Trauerspiel stellte dann allerdings der Prozess vor dem Bayerischen Volksgericht dar (Februar bis April 1924), und zwar auf Grund der Sympathien der Richter für die Angeklagten. Der zu 5 Jahren Festungshaft verurteilte Hitler saß diese nur bis 20. Dezember 1924 in Landsberg ab (Freilassung auf Bewährung), in welcher Zeit er seine autobiographische Agitationsschrift "Mein Kampf" begann, und wohnte dann wieder in München.

Wichtig ist die Frage nach der Bedeutung der Vorgänge für Bayern. Während Hitler das Ereignis zu einem entscheidenden Grundstein auf seinem Weg zur Macht stilisierte und später durch jährliche Feiern kultisch hervorhob, waren die Folgen für Bayern und seine Regierung zwar deutlich spürbar, aber weit weniger wichtig als Revolution und Rätepublik. Obwohl es  nach dem Putsch anfangs große Sympathien in der Öffentlichkeit für Hitler gab, nahmen diese parallel zur allgemeinen Beruhigung der Lage in Bayern und im Reich schnell deutlich ab (Stimmen in Bayern für den "Völkischen Block" 1924: Landtagswahl im April 17,1%; Reichstagwahlen im Mai 16%, im Dezember 5,1%). Entscheidend war aber die klare Absetzung der bayerischen Politik von rechts, was nach der Wiedergründung der NSDAP am 27. Februar 1925 durch ein Redeverbot für Hitler in Bayern (bis 1927) deutlich wurde, besonders aber dann durch die allen völkischen Tendenzen grundsätzlich abgeneigte Regierung des katholischen Publizisten Heinrich Held (BVP, 1868-1938, Ministerpräsident 1924-1933). Demgemäß war die Hitlerpartei in den nächsten Jahren in der bayerischen politischen Szene ohne Bedeutung.

Bis 1933: Aufbau der Partei und Gegnerschaft

Hitlers Anhängerschaft war bisher überwiegend in Bayern ansässig. Das änderte sich nach 1923 deutlich: der Aufstieg der Partei vollzog sich jetzt weitgehend in anderen Teilen des Reiches (z.B. in Berlin durch Joseph Goebbels, 1897-1945), vor allem in Norddeutschland und in den protestantisch geprägten Gebieten. Da dies auch zeitgenössisch beobachtet wurde, lag der Vorschlag aus der Anhängerschaft nahe, die Parteizentrale aus dem nun schwierig gewordenen Bayern weg zu verlegen. Hitler hielt jedoch eisern an München fest, was er schon 1925 mit dem "magischen Zauber" eines Orts wie etwa Mekka oder Rom, den seine Partei brauche, begründet hat. So blieb die Parteizentrale für ständig in München ("Braunes Haus": Palais Barlow erworben 1930). Auch bei der Parteiorganisation spielte die Ortsgruppe München lange eine große Rolle. Bei den bald eingerichteten Parteigauen schien Hitler sich zuerst "Bayern" als eigenen Gau zu reservieren; nach deren allgemeinen Organisation (seit 1928) nahm er ständig großen Einfluss auf sie, besonders auf den wichtigen "Traditionsgau München-Oberbayern", den Hitlers enger Gefolgsmann Adolf Wagner (1890-1944) seit 1930 leitete.

In diese Zeit fällt auch die Etablierung bestimmter später besonders wichtig werdender NS-Stätten, so der erstmalige Bezug einer Wohnung am Obersalzberg (Lkr. Berchtesgadener Land) 1923 (nach einem Besuch des dorthin vor Strafverfolgung ausgewichenen Dietrich Eckart), die Festlegung der Reichsparteitage für Nürnberg (ab dem dritten 1927, nachdem der deutschsozialistische "Frankenführer" Julius Streicher, 1886-1946, sich ihm unterstellt hatte), oder die Verbindung mit dem Haus Wagner in Bayreuth seit 1923.

Die Agitation Hitlers und auch seine Person fanden von Anfang an politischen, ideologischen und persönlichen Widerspruch; gerade die frühen Gegner in München, die den Parteiführer dauernd vor Augen hatten, sind dabei von Bedeutung. Genannt seien in der Politik die SPD-Landtagsabgeordneten Wilhelm Hoegner (1887-1980), der nach dem Hitlerputsch Dokumente dazu herausgab ("Hitler und Kahr. Die bayerischen Napoleonsgrößen von 1923", 1928), und Albert Roßhaupter (1878-1949), der am 29. April 1933 im Landtag den Widerspruch gegen das bayerische "Ermächtigungsgesetz" formulierte, dann der BVP-Abgeordnete Franz Schweyer (1868-1935), Innenminister zur Zeit des Hitlerputsches (In: „Politische Geheimverbände“, 1925: Verwerfung der Ideologie). In der Münchner Publizistik sind wichtig der SPD-nahe Journalist Konrad Heiden (1901-1966), der auf Grund seiner Beobachtungen hier seine berühmte Hitlerbiographie verfasste ("Adolf Hitler. Eine Biographie", 2 Bde., Zürich 1936/37), der christlich-konservative Edgar Alexander (1902-1970), der aus Saarbrücken stammte ("Der Mythus Hitler", Zürich 1937), dann aber besonders der Hitler in seiner Zeitschrift "Der Gerade Weg" aufs heftigste angreifende bekannte Journalist Fritz Gerlich (1883-1934), der dies dann im KZ Dachau mit dem Tod bezahlen musste. Im Bereich der Bildung setzte sich der Bauernführer Alois Hundhammer (BVP, 1900-1974) intensiv mit den Zeitströmungen auseinander ("Die Staatsbürgerliche Vorträge" 1930/31, hg. von Oliver Braun, 2005). Wichtig waren auch die Auseinandersetzungen in der Presse, wo gegen den "Völkischen Beobachter" vor allem die "Münchener Post" (SPD) und der "Bayerische Kurier" (BVP) Stellung nahmen. Zu nennen ist, nicht zuletzt, der aus München stammende, seit 1925 in Berlin lebende jüdische Schriftsteller Lion Feuchtwanger (1884-1958), der in seinem Roman "Erfolg" (1930) Hitler in der Gestalt des "Rupert Kutzner" lächerlich machte und der bayerischen Gesellschaft die Verantwortung für ihn zuschob. Wenig untersucht ist, inwieweit Gegnerschaft aus spezifisch bayerischer Heimattreue erfolgte (z. B. beim konservativen Journalisten Erwein von Aretin, 1887-1952, oder bei Kronprinz Rupprecht von Bayern, 1865-1955). Bayerisch-traditionelle, kirchliche oder auch monarchistische Hitlergegner hatten dabei das Problem, dass die NS-Propagandisten vorerst weniger Ideologie als Schlagworte vortrugen (Volksgemeinschaft; Christentum gegen Judentum; Blut und Boden; Antikommunismus, Antiparlamentarismus), was nicht selten erst einmal beeindruckte.

In der bayerischen Politik spielte die Hitlerpartei erst nach der Reichstagswahl vom 14. September 1930 (in Bayern: NSDAP 17,9%, BVP 31,1%) wieder eine Rolle – aber eine negative, da die Regierung Held ganz auf den Reichskanzler Heinrich Brüning (1885-1970, Reichskanzler 1930/32) setzte und bald gegen die NSDAP vorging. So war Held etwa Vorreiter beim Verbot von NS-Uniformen und dann sogar der SA 1932, und, anders als die Regierungschefs anderer deutschen Länder, war er trotz auch in Bayern beachtlicher Wahlerfolge der NSDAP (Landtag 1932: 42 NSDAP-Abgeordnete gegen 43 von der BVP und 20 von der SPD) niemals bereit, die Hitlerpartei an der (seit 1930 geschäftsführenden) Staatsregierung zu beteiligen.

Die Machtübernahme in Bayern erfolgte demgemäß, nach starkem Widerstand, als letzte in den deutschen Ländern (9. März 1933). Sie wurde durch ein Zusammenspiel von SA-Chef Röhm in München mit Reichsinnenminister Wilhelm Frick (1877-1946) in Berlin erzwungen, wobei Hitler selbst, mit Überlegungen für eine Koalition mit der BVP lockend, eher im Hintergrund agierte. Die unter dem eingesetzten Reichskommissar (ab 10. April1933: Reichsstatthalter) Franz Xaver von Epp (1868-1947) dann etablierte Regierung bezog, ähnlich wie in Berlin, neben radikalen (z.B. Innenminister/Gauleiter Adolf Wagner) auch gemäßigte Kräfte der NSDAP ein (z.B. Ministerpräsident Ludwig Siebert, 1874-1942), zu denen auch Epp selbst gehörte.

Im Regime bis 1939

Zuerst ist festzustellen, dass es bei Hitler keine Überlegungen gab, den Staat Bayern aufzulösen. Zwar wurde auf Grund der zentralistischen Änderungen im Reich auch Bayern rechtlich und politisch entmachtet (Wegfall des Landtags und der Ländervertretung im Reichsrat, Aufhebung des Justizministeriums, Schließung der Vertretung beim Vatikan, usw.), aber zu einer Verreichlichung, wie sie schrittweise in Preußen erfolgte, kam es nicht – nicht einmal die Pfalz wurde, trotz heftiger Bemühungen des dortigen Gauleiters Joseph Bürckel (1895-1944), staatsrechtlich von Bayern abgetrennt. Ob der Grund dafür die Gleichgültigkeit des Diktators für die institutionelle Reichsreform, die Sorge um Behinderung vorrangiger Pläne (z.B. Aufrüstung) durch Veränderungen der Verwaltung oder doch eine freundlichere Sicht auf das Land Bayern war, muss bedacht werden. Jedenfalls wurde Bayern und vor allem München, eingefügt in die zentralistische Struktur des Dritten Reiches, auf Dauer als Symbol der NS-Kulturpolitik gesehen und in diesem Sinne propagiert.

Hitler auf dem Nürnberger Hauptmarkt während eines Aufmarsches beim Reichsparteitag 1934. Foto von Heinrich Hoffmann (1885-1957). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-9579)

Bei den spektakulären Einwirkungen Hitlers auf Bayern und München ist nicht immer leicht zu klären, ob sie Ausfluss allgemeiner Politik waren oder spezifisch Bayern betrafen. So gab es Ehrennamen wie "Hauptstadt der deutschen Kunst" (1934) und "Hauptstadt der Bewegung" (1935) für München keineswegs nur hier oder in Bayern (z. B. Nürnberg 1933: "Stadt der Reichsparteitage"; Landsberg 1937: "Stadt der Jugend"), sondern auch sonst vielfach im Reich (z.B. "Reichbauernstadt" Goslar 1936; später "Führerstadt" Linz). Die großen Neubauten und die Planungen für Reichs- und Gauforen finden sich nicht nur in München (Haus der Kunst; Führerbauten am Königsplatz) und in Nürnberg (Reichsparteitagsgelände), sondern ebenso in Berlin, Weimar und anderswo. Ähnliches gilt für die bekannten Feiern, wobei allerdings München mit dem Bezug auf die "Kampfzeit" im Vordergrund stand (z.B. Parteigründungsfeier am 24. Februar, Kultfeiern am 9. November); doch gab es Feste der Partei, manchmal unter Teilnahme Hitlers, auch an anderen Orten (z. B. Reichserntedankfest Anfang Oktober auf dem Bückeberg bei Hameln). Ebenso waren Ehrenbürgerschaften deutscher Städte für den "Führer" und seine Paladine allgemein üblich, in Bayern aber mit fast einem Drittel (46 der insgesamt 155) wohl überdurchschnittlich zahlreich; sie wären im einzelnen nach Personen, Zeit und Umständen zu würdigen. Ungewöhnlich ist aber, dass nicht nur Kommunen, sondern auch der Staat Bayern selbst Hitler (gemeinsam mit Hindenburg, Epp und Röhm) zum Ehrenbürger ernannte (GVBl. 1933, S. 129, 8. Mai). Übrigens untersagte Hitler in München eine Benennung von Straßen und Plätzen nach seiner Person.

Auch bekannte "Großereignisse" müssen nach ihrem spezifischen Bezug zu Bayern befragt werden. Einen relativ nahen hat die gewaltsame Ausschaltung Röhms im Juni 1934 in Bad Wiessee und München, wobei Hitler eigenhändig die Mordbefehle für die im Gefängnis Stadelheim Inhaftierten sanktionierte; zwar war Bayern die Szene, weil eben die SA hier ihren Sitz hatte, doch betrafen die Morde auch viele Persönlichkeiten in Bayern, darunter den früheren Ministerpräsidenten Kahr (Privatrache Hitlers?). Wenig Bayernbezug hatte der Erlass der antijüdischen "Nürnberger Gesetze" auf der Reichstagssitzung am 15. September 1935 in Nürnberg anlässlich des Reichsparteitags; das war wohl einfach diesem Datum geschuldet, doch mag es auch mit dem Judenhasser Streicher zusammenhängen. Dasselbe betrifft den Entschluss zur Reichspogromnacht gegen die Juden 1938, da das auslösende Attentat in Paris eben zufällig kurz vor dem alljährlichen Zusammentreffen am 9. November in München geschah. Ebenso kann man bei der "Münchner Konferenz" am 29. September 1938, bei der das Sudetenland durch die Großmächte ans Reich gegeben wurde, außer der Nähe zu Italien (Teilnahme Mussolinis) keinen besonderen Grund für den Tagungsort finden.

Hitlers Eingriffe in Bayern

Es gibt aber auf anderen Gebieten durchaus bayernspezifische Einwirkungen Hitlers. Zuerst institutionelle. Seit 1933 erfolgten bei den Ministern und Spitzenbeamten der bayerischen Regierung keine Veränderungen, die nicht von Hitler selbst sanktioniert waren (so etwa als er Paul Giesler, 1895-1945, zum Nachfolger des 1942 verstorbenen Ministerpräsidenten Ludwig Siebert ernannte). Sodann war wichtig, dass die NS-Partei mit allen ihren Gliederungen in München verblieb (auch wenn allmählich Partei-Dienststellen teilweise oder ganz in Berlin ansässig wurden), wo dafür bald ein sehr großes Areal zwischen Königsplatz und Pinakotheken ausgebaut wurde. Auch Bayern, besonders Oberbayern, war davon betroffen (z. B. "Reichsschule Feldafing" der SA seit 1934; ab 1939 geplante und in manchen Instituten schon begonnene "Hohe Schule" der Partei am Chiemsee); im staatlichen Bereich baute der Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Fritz Reinhardt (1895-1969, 1928-1930 Gauleiter von Oberbayern ) in Herrsching (Lkr. Starnberg) die erste Reichsfinanzschule auf. Sodann gab es immer wieder Eingriffe Hitlers, etwa als er in München ein städtisches Kulturamt begründete und laufend beeinflusste oder später die weitere Führung der Münchner Kammerspiele durch Otto Falckenberg (1873-1947) durchsetzte; dass er für München das in der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 geschaffene Amt des Parteibeauftragten selbst übernahm (sonst Kreis-oder Gauleiter), unterstreicht das ebenso wie, dass er später keinen eigenen Beauftragten zum Stadtausbau ernannte (Berlin: Generalbauinspektor Albert Speer, 1905-1981), sondern sich auch dieses Amt selbst vorbehielt (auszuüben hatte es seit 1938 unter dem minderen Titel eines Generalbaurates Hermann Giesler, 1898-1987, der Bruder des seit 1942 amtierenden Ministerpräsidenten und Gauleiters).

Hitler bei der Betrachung des Modells der großen Ost-West-Achse von München. Foto von Heinrich Hoffmann (1885-1957), 1940. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-32735)

Man kann überhaupt davon ausgehen, dass Hitler, der ja die Münchner Szene, Einrichtungen und Personen und auch Bayern sehr gut kannte, stets im Hintergrund "mitregierte", natürlich in der Partei, aber auch in Staat und Kommunen: so etwa, wenn er das Ansuchen der Stadt München auf Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe 1937, gegen die Stellungnahme der zuständigen Behörden, persönlich genehmigte (Rabe, Geld) oder, ebenfalls in München, plötzlich den Bau des Prestigeobjektes "Nordbad" stoppte, da die Pläne ihm zu kleinkariert schienen – die demütige Hinnahme von solchen Eingriffen bzw. die Versuche, seine Autorität für eigene Ziele zu instrumentalisieren, sind ein düsteres Kapitel der damaligen Münchner Stadtverwaltung (Irlinger, Versorgung). Besonders deutlich ist das auf Gebieten, die ihn besonders interessierten, so dem des Verkehrs (Planungen einer großen Ost-West-Prachtstraße, eines Autobahnrings um München, einer U-Bahn statt der Straßenbahnen, der Verlegung des Hauptbahnhofs nach München-Laim), dann vor allem dem der Kultur. Dies reichte von der Errichtung des Hauses der Deutschen Kunst in München (1933/37) und den jährlichen großen Kunstausstellungen über die Aufstellung einer Bruckner-Büste in der Walhalla 1937 bei Regensburg und über große Zuwendungen für die Sanierung von Denkmälern (z.B. Kaiserburg Nürnberg, Burg Trifels/Pfalz) bis zu Bemühungen um eine landschaftsgerechte Einfügung der neuen Queralpenstraße und der Autobahnen (z.B. beim Anstieg zum Irschenberg). Selbst in der Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche führte er lieber ein Gespräch mit dem Münchner Kardinal Michael von Faulhaber (1869-1952) als mit dem an sich zuständigen Kardinal Adolf Bertram (1859-1945), dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz (Obersalzberg 1936; es blieb ergebnislos). Von daher wird man annehmen dürfen, dass auch der Abriss der Münchner Hauptsynagoge am Lenbachplatz und der evangelischen St. Matthäuskirche in der Sonnenstraße im Juni 1938, den Gauleiter Wagner im Eiltempo erzwang, nicht ohne Hitlers Anregung oder Befehl möglich war (auch wenn eine unmittelbare Anweisung bisher nicht nachweisbar ist); die Maßnahmenstanden wohl im Zusammenhang mit der baulichen Umgestaltung Münchens und konkret mit den Feiern am 8./9. Juli 1938 (Renovierung des Künstlerhauses, Kunstausstellung, Festzug), wo beide Objekte verschwunden sein sollten. Natürlich war diese "Mitregierung" an das Konzept des Reichszentralismus gebunden und in den Einzelheiten ganz sprunghaft und selektiv. Einsichten in weitere direkte Eingriffe sind zu erwarten, wenn die Protokolle und Akten der bayerischen Landesregierung zu dieser Zeit ediert sind und Untersuchungen zur Geschichte der einzelnen Gaue und der Parteigliederungen in Bayern vorliegen werden.

Hitlers Anwesenheit in Bayern

Zu bedenken ist als zweites Hitlers persönliche Präsenz, die (jetzt neben Berlin) in Bayern immer noch weitaus dichter war als in anderen Regionen. Das betrifft außer den schon genannten Kultfeiern seine (allmählich ritualisierten) Auftritte bei den Münchenreisen mit Besuchen bestimmter Gasthäuser und Theater, dann seine vielfachen Autoreisen entlang dem Chiemsee nach Berchtesgaden, wobei nicht selten öffentliche Auftritte (mit Volksjubel) eingeplant wurden, weiter die "Wallfahrten" der Bewunderer auf den Obersalzberg in den ersten Jahren nach 1933.

Adolf Hitler vor dem Haus Wachenfeld am Obersalzberg. Foto von Heinrich Hoffmann (1885-1957). Abb. aus: Adolf Hitler. Bilder aus dem Leben des Führers, Altona 1936, 42. (Bayerische Staatsbibliothek, BA/4 L.sel.I 727)

Überblickt man etwa für das Jahr 1937 seine Aufenthaltsorte, so zeigt sich, dass Hitler über die Hälfte des Jahres in Berlin war, ca. 130 Tage auf dem Obersalzberg (meist mindestens eine Woche) und nur zusammen etwa 14 Tage in München, vor allem bei Feiern und offiziellen Anlässen (wie Ausstellungseröffnungen); dazu kamen eine Woche bei den Festspielen in Bayreuth und eine Woche beim Parteitag in Nürnberg (Sandner, Bd. 3, 1419-1493).

Hier ist der Ort, auch auf das Privatleben des Diktators zu verweisen, auf das die Historiker lange Zeit kaum geachtet haben, das aber, wie bei anderen Tyrannen der Geschichte, gar nicht zu umgehen ist. Solches spielte sich vor allem auf dem Obersalzberg ab, wo er das Haus Wachenfeld über zwei Jahrzehnte ausgebaut hat, übrigens in sehr traditioneller Weise. Hier fanden Gespräche in vertrauter Runde statt, hier ging er seinen Passionen nach (etwa Filmvorführungen), hier gab es Empfänge und Feiern. Seine Lebensgefährtin Eva Braun aus München (1912-1945), die er 1929 kennengelernt hatte, war zwar offiziell der Öffentlichkeit verborgen, auf dem Berghof gewann sie jedoch allmählich, besonders dann im Krieg, eine Stellung als maßgebliche Dame des Hauses.

Eva Braun (1912-1945) auf dem Obersalzberg. Foto von Heinrich Hoffmann (1885-1957). (Bayerische Staatsbibliotek, Bildarchiv hoff-520)

Sekretärinnen, Adjutanten, Hausbedienstete und nicht zuletzt Hitlers jeweils bevorzugter Hund stellten ein persönliches Umfeld dar, wofür es mittlerweile auch genügend Quellen gibt (z. B. Schroeder, Chef). Man hat von einem "Hofstaat"  gesprochen, der nach den Phasen des öffentlichen Wirkens von Hitler stark wechselte, schließlich aber am Obersalzberg zu einer Art abgeschlossener Einheit wurde (Görtemaker). Inwieweit dessen Mitglieder jeweils etwas mit Bayern zu tun hatten, wäre zu untersuchen, ebenso welchen Eindruck insgesamt dieser private Sektor auf die Bevölkerung machte, etwa die Auftritte Hitlers bei den Berchtesgadener Weihnachtsschützen, die ihn 1933 zum Ehrenmitglied ernannt hatten.

Seit Errichtung des Regimes 1933 stand die Person des "Führers" unantastbar im Mittelpunkt von Lob und Verehrung. Solche wurden auch von bayerischen Autoren vorgetragen, etwa vom freikirchlichen Prediger Georg Schott aus Landshut (1882-1962: "Volksbuch vom Hitler", [1924] 14. Auflage 1942) oder durch die Bildbände des Photographen Heinrich Hoffmann aus Fürth (1885-1957, z. B. "Hitler wie ihn keiner kennt", 1932 und spätere Auflagen) – doch wurde dies bisher nicht systematisch betrachtet. Eine abwägende Würdigung oder gar Kritik an Hitlers Person und seinen Aktionen war dagegen in der Öffentlichkeit nur vom Ausland her möglich (z.B. Thomas Mann, seit 1933 im Exil: "Bruder Hitler", 1939; Ernest R. Pope, 1936/40 amerikanischer Journalist in München: "Munich Playground", 1941); die nicht wenigen diplomatischen Berichte aus München waren natürlich geheim. Inwieweit solche Darstellungen auch spezifisch von Bayern her dachten, wäre zu untersuchen. Daneben hatte die in Hitler verkörperte NS-Diktatur auch und gerade in Bayern mit erheblichem Widerstand zu tun, sowohl öffentlichem, wie ihn etwa die Kirchen mit Hirtenbriefen und Predigten boten (die Person des Staatschefs blieb freilich dabei unangetastet), wie auch mit häufigem Widerspruch der Bevölkerung, der öfters auch Hitler selbst angriff, aber schnell von Polizei und Gerichten unterdrückt werden konnte: vielfältige Berichte von Staat und Partei haben dies gezeigt (z.B. Broszat, Bd. 1).  

Kriegszeit

Naturgemäß dünnten sich die Besuche Hitlers in Bayern seit Kriegsbeginn 1939 stark aus, sein Interesse galt nun vorrangig den militärischen Vorgängen. In Bayern gab es kein Hauptquartier (der spätere Ausbau einer "Alpenfestung" um Berchtesgaden war bekanntlich eine Legende), doch nahm die politische und militärische Präsenz auf dem Obersalzberg und in der ganzen Region von Reichenhall bis Salzburg stark zu (z. B. Schloss Kleßheim, besonders bei ausländischen Gästen). Gewisse Bindungen sind aber auch für den nun oft fernen Machthaber deutlich, etwa die Einrichtung der Wohnstube in der "Wolfsschanze" in Ostpreußen nach bayerischem Muster oder dass mit Traudl Junge (1920-2002) eine Münchnerin als Privatsekretärin in den Hauptquartieren wirkte. Auch wird man bemerken, dass in der traditionell preußisch dominierten Armee eine ansehnliche Zahl maßgeblicher Generäle aus Bayern stammte (z. B. Franz Halder aus Würzburg, 1884-1972, Alfred Jodl aus Würzburg, 1890-1946; Albert Kesselring aus Marktsteft, Lkr. Kitzingen, 1885-1960; Ferdinand Schörner aus München, 1892-1973). Es gab auch weiterhin direkte Eingriffe des Diktators, so wenn er 1940 auf dem Obersalzberg den von der Stadt München geplanten Verkauf des Park-Hotels verbot, weil dieses für die Nachkriegszeit erhalten bleiben müsse oder von der Wolfsschanze aus ein Strafverfahren gegen Münchner Großmetzger wegen Fleisch-Schiebungen, das der Gauleiter wegen der Lebensmittelversorgung niederschlagen wollte, durchsetzte (Akten der Reichskanzlei, Bd. 7 und 8). Auch wurden manche Einschränkungen der Kriegszeit für München gemildert, etwa im Theaterbereich. Wie weit Hitler damals auch sonst in Bayern eingriff, sollte kritisch untersucht und zusammengestellt werden. Bekannt sind seine Intervention in der sog. Schulkreuzaffäre 1941, wo er den kirchenfeindlichen Gauleiter Wagner stoppte, aber auch seine Mordbefehle kurz vor Kriegsende (Georg Elser, geb. 1903; Admiral Wilhelm Canaris, geb. 1887; Gauleiter Fritz Wächtler, geb. 1891). In der Öffentlichkeit trat aber die persönliche Präsenz zurück, die berühmten Kultfeiern wurden stark eingeschränkt. Zum letzten Mal trat Hitler in München am 17. April 1944 auf (bei der Beerdigung von Gauleiter Wagner), den Berghof verließ er endgültig im Juli 1944 – die Tendenz, den Endkampf in Berlin, gewissermaßen als "Frontkämpfer", auszufechten und nicht bis zuletzt in Bayern auszuharren, wird hier ganz deutlich.

Staatsakt für Adolf Wagner (1890-1944) am 17. April 1944 in der Kongresshalle des Deutschen Museums in München. Hitler steht vor dem Sarg. Foto von Heinrich Hoffmann (1885-1957). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-50463)

Im Krieg beginnt die Zeit der direkten und indirekten Aktionen gegen die Person des Machthabers und sein Regime. Der gescheiterte Attentatsversuch des Württembergers Georg Elser am 9. November 1939 bei der Münchner Rede Hitlers im Bürgerbräu hatte allerdings mit Bayern nichts zu tun. Ebenso war Bayern auch an den Vorgängen vom 20. Juli 1944 in Vorbereitung und Durchführung wenig beteiligt, auch wenn Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944) im bayerischen Jettingen geboren war (Lkr. Günzburg; er wuchs aber in Württemberg auf) und der teilweise auch in Bayern ansässigen Adelsfamilie angehörte. Immerhin sicherte der (aus Franken stammende) Münchner Kaplan Hermann Joseph Wehrle (1899-1944) einem der Verschwörer in der Gewissensfrage, ob Mitwisserschaft Sünde sei, die theologische Erlaubtheit des Tyrannenmordes zu. Eng waren aber indirekte Aktionen gegen Hitler mit Bayern verbunden, etwa von Münchner Jesuiten mit dem Kreisauer Kreis und dessen Überlegungen über die Zeit nach Hitler oder der Widerstandskreis um den ehemaligen Gesandten in Berlin Franz Sperr (1878-1945). Von den Protagonisten des Kreises um die "Weiße Rose" war zwar nur Christoph Probst in Bayern geboren (in Murnau, 1919-1943), doch lebte der aus der Schweiz stammende Kurt Huber (1883-1943) seit Jahrzehnten in München, und auch sonst war der Kreis in München und Bayern gut vernetzt. Zu einer erfolgreichen politischen Aktion gegen das Regime und zur Kriegsbeendigung gegen den Willen Hitlers gelangten aber auch Initiativen der letzten Wochen nicht, so Überlegungen der NS-Gefolgsleute Reichsstatthalter Epp oder Gauleiter Karl Wahl/Augsburg (1892-1981) oder der erhebliche Kreise einbeziehende Aufstand der "Freiheitsaktion Bayern" im April 1945, der noch blutig niedergeworfen wurde.

Nach 1945

Auch nach der Katastrophe und dem Ende der Diktatur spielte Bayern eine Rolle in der Auseinandersetzung mit den Geschehnissen und dem Erbe. Darauf deuteten schon hin die Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg und deren Nachfolgeprozesse sowie Gefängnis und Exekutionen in Landsberg – Orte die auch bewusst gewählt waren, vor allem aber in der amerikanischen Zone lagen, wo man sich besonders intensiv mit der Entnazifizierung befasste (Befreiungsgesetz vom 5. März 1946 in der US-Zone). Auch deren Vorgehensweise und Ergebnisse, dann die Befragungen amerikanischer Publizisten über die Haltung der Menschen gegenüber Hitler nach 1945 sind in diesem Zusammenhang wichtig.

Richtet man das Augenmerk nicht allgemein auf die Hinterlassenschaft des Dritten Reiches, sondern spezifisch auf die Hitlers, so fallen zuerst die Monumente ins Auge, hinter deren Errichtung er ganz persönlich gestanden hatte, wie das Haus der Kunst oder die sog. Führerbauten in München, das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und der Berghof auf dem Obersalzberg. Soweit sie nicht, wie letzterer, zerstört waren, wurden sie, wie überall in Deutschland, einfach von anderen Dienststellen, amerikanischen oder deutschen, weiterbenutzt. Abgerissen wurde nur, was keinen Nutzwert hatte, wie die Ehrentempel am Königsplatz (nachdem die Leichen der Putschisten von 1923 entfernt waren) oder in den 60er und 70er Jahren ein Teil der Parteitagsbauten in Nürnberg. Erst Jahrzehnte später wurden Fragen nach Zerstörung (um die Menschen gegen die Ideologie immun zu machen) oder Erhaltung (als Mahnmale) diskutiert.

Der Freistaat Bayern war, nach einem Spruchkammerentscheid 1948, auch der Rechtsnachfolger des Vermögens von Hitler; das betraf langfristig vor allem die Rechte an seinem Buch "Mein Kampf", für das die Staatsregierung bis zum Ende der Schutzfrist 2015 keine Nachdrucke zuließ. Auch schriftlicher und sachlicher Nachlass (z.B. einige Gemälde) gelangte zum Teil an die bayerischen Staatlichen Archive. Dagegen fiel die Nutzung der NS-Liegenschaften am Obersalzberg erst 1996, nach Abzug der amerikanischen Streitkräfte, an Bayern, das dort ein Dokumentationszentrum errichtete.

Von Bedeutung war, dass 1949 auf bayerische Initiative hin in München das Institut für Zeitgeschichte von Bund und Ländern gegründet wurde, das zuerst die NS-Zeit erforschen sollte. Hier entstanden neben vielfachen Arbeiten zur Geschichte des Dritten Reiches auch große Editionen zu Hitler selbst, so seine "Reden, Schriften und Anordnungen 1925 bis 1933" und die große wissenschaftliche Edition von "Mein Kampf". Dagegen hat sich die klassische bayerische Landesgeschichte zuerst schwer getan mit der NS-Zeit in Bayern; noch bis zu den 1960er Jahren gab es sie als Thema gar nicht (Karl Bosl, Bayerische Geschichte, München 1971, 262: "Seit dem Jahr 1933 aber hatte Bayern aufgehört, eine eigene Staatspersönlichkeit zu sein, es hatte keine Geschichte mehr"). Doch gab es bald Quellensammlungen und Darstellungen zu Hitler von bayerischen Autoren, etwa von dem in Unterfranken wirkenden Archivar Max Domarus (1911-1992), der die Reden Hitlers sammelte, dann von dem aus Mittelfranken stammenden Beamten der Staatskanzlei und späteren Universitätslehrer Ernst Deuerlein (1918-1971), der vor allem zur Frühzeit Hitlers in Bayern forschte, sowie von dem sudetendeutschen Bahntechniker und Zeithistoriker Anton Joachimsthaler (geb. 1930), der Hitlers Umfeld in München durchleuchtete. Auch nicht wenige Dissertationen und Arbeiten am Lehrstuhl Bosl behandelten wichtige Themen der NS-Zeit (z. B. Jochen Klenner, Falk Wiesemann, Paul Hoser). Schließlich hat das Handbuch der bayerischen Geschichte (begründet von Max Spindler) 1974, dann ausführlich in der 2. Auflage 2003 (Bd. IV/1, S. 499-634) diese auch zu einem maßgeblichen Thema der bayerischen Geschichte gemacht.

Mittlerweile hat sich dies durch Ausstellungen (Stadtarchiv München 1993) und durch Dokumentationszentren (Reichsparteitagsgelände Nürnberg 2001; München 2015) erheblich intensiviert, wobei gerade beim NS-Dokuzentrum München auch die Person Hitlers in Bayern eine bedeutende Rolle spielt (Nerdinger). Von großer Bedeutung sind auch die KZ-Gedenkstätten (Dachau, Flossenbürg, dazu viele Außenlager), die die Erinnerung an die Verfolgung wachhalten und stets ein Korrektiv der "schönen Seite" des Hitlerregimes bilden. Vor allem aber ist auf die "Dokumentation Obersalzberg" zu verweisen, die sehr groß ausgebaut ist und sich intensiv mit den Geschehnissen auch in Bayern befasst (Dahm).

Bayern in Hitlers Welt

Um zu einer Antwort für die Frage nach dem Verhältnis Hitlers zu Bayern zu gelangen, genügt es nicht, seine begeisterten Äußerungen für München und den Berghof einfach für bare Münze zu nehmen bzw. wenn teilweise glaubhaft, dabei stehen zu bleiben. Vielmehr muss man auch die historische und kulturelle Gestalt Bayerns selbst ins Auge fassen und Hitlers Anschauungen damit konfrontieren, wie sie vielfältigen Quellen zu entnehmen sind (leider nicht zusammengefasst, doch manches nachzulesen in Jochmann, Monologe). Da wird schnell klar, dass Hitler zwar Bayern gut kannte (von seinem politischen Kampf und vielen Reisen her), aber von Bayerns Geschichte, sowohl der früheren Zeit wie der bis 1918, fast nichts wusste, sich auch nicht dafür interessierte – allein das mächtige zu schaffende Großdeutsche Reich stand ihm vor Augen. Bayerns Brauchtum und Dialekt waren ihm fern (Karl Valentin, so meinte er, hätte hochdeutsch schreiben sollen, dann wäre etwas aus ihm geworden), die Passionsspiele in Oberammergau besuchte er 1933 aus Propagandagründen. Inwieweit seine maßgeblichen Mitarbeiter in Bayern, etwa Gauleiter, Minister und Militärs, stärker in der bayerischen Tradition verwurzelt waren, wäre untersuchenswert. Grundsätzliche Feindschaft erfüllte ihn gegen Religion und Kirche, die für Bayerns Selbstverständnis sehr wichtig waren. Ob ihn die persönlichen Beziehungen zu in Bayern Geborenen, etwa dem Duzfreund Ernst Röhm, dann zum Kreis der Bewunderer und vor allem die zu Eva Braun einer Geneigtheit zu Bayern näher gebracht haben, wäre im Einzelfall zu erwägen. Die Zerstörungen der bayerischen Kunstdenkmäler im Luftkrieg, übrigens auch seines Berghofs 1945, haben ihn zwar zu Wutausbrüchen veranlasst, doch ein besonderes Heimatgefühl ist dabei nicht ersichtlich. Seine Gedanken über sein eigenes Alter und seinen Tod waren zwiespältig: Zwar hatte er schon bald bestimmt, dass sein Leichnam in München in einem gewaltigen Mausoleum auf dem Areal der Türkenkaserne beigesetzt werden solle, doch wandte er später seine Begeisterung weitgehend Linz zu, wo er seit 1939 am Donauufer in einer Art Schloss seinen Alterssitz und eine riesige Kunstgalerie zu errichten begann; zuletzt suchte er seinen Tod in Berlin.

Dokumente

Literatur

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  • Michael Brenner, Der lange Schatten der Revolution. Juden und Antisemiten in Hitlers München 1918-1923, Berlin 2019.
  • Martin Broszat u.a. (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, 6 Bde., München 1977/83.
  • Volker Dahm u.a. (Hg.), Die tödliche Utopie. Bilder, Texte, Dokumente, Daten zum Dritten Reich, Berlin 7. Auflage 2016 [Katalog Dokumentation Obersalzberg].
  • Faszination und Gewalt. Dokumentationszentrum Nürnberg: Die Ausstellung, Nürnberg 2006.
  • Martin H. Geyer, Verkehrte Welt: Revolution, Inflation und Moderne, München 1914-1924, Göttingen 1998.
  • Heike Görtemaker, Hitlers Hofstaat. Der innere Kreis im Dritten Reich und danach, München 2019.
  • Ulrike Grammbitter/Iris Lauterbach, Das Parteizentrum der NSDAP in München, Berlin 2. Auflage 2015.
  • Brigitte Hamann, Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators, München 1996.
  • Elizabeth Harvey/Johannes Hürter (Hg.), Hitler – New Research (German Yearbook of Contemporary History 3), München 2018.
  • Derek Hastings, Catholicism and the Roots of Nazism. Religious Identity and National Socialism, Oxford 2010.
  • Michael Hermann, Kommunale Kulturpolitik in München von 1919 bis 1935, München 2003.
  • Andreas Heusler, Das Braune Haus. Wie München zur „Hauptstadt der Bewegung“ wurde, München 2008.
  • Hans Günter Hockerts, Warum München? Wie Bayerns Metropole zur "Hauptstadt der Bewegung" wurde, in: Winfried Nerdinger (Hg.), München und der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentationszentrums München, München 2015, 387-397.
  • Paul Hoser, Thierschstr. 41. Der Untermieter Hitler, sein jüdischer Hausherr und ein Restitutionsproblem, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 65 (2017), 131-161.
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  • Anton Joachimsthaler, Hitlers Weg begann in München 1913-1923, München 2000 [erweiterte Neuauflage von 1989: Korrektur einer Biographie. Adolf Hitler 1908-1920].
  • Anton Joachimsthaler, Hitlers Liste. Ein Dokument persönlicher Beziehungen, München 2003 [Frauen um Hitler].
  • Gertraud Junge/Melissa Müller, Bis zur letzten Stunde. Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben, München 2002.
  • Jochen Klenner, Verhältnis von Partei und Staat 1933-1945; dargestellt am Beispiel Bayerns (Miscellanea Bavarica Monacensia 54), München 1974.
  • David Clay Large, Hitlers München. Aufstieg und Fall der "Hauptstadt der Bewegung", München 1998 [erweiterte Neuauflage 2018].
  • Hannes Leidinger/Christian Rapp, Hitler. Prägende Jahre. Kindheit und Jugend 1889-1914, Salzburg 2020.
  • Manuel Limbach, Bürger gegen Hitler. Vorgeschichte, Aufbau und Wirken des bayerischen "Sperr-Kreises" (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 102), Göttingen 2019.
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  • Volker Ullrich, Adolf Hitler. Biographie, Band 1: Die Jahre des Aufstiegs 1889-1939, Frankfurt 2013.
  • Thomas Weber, Wie Adolf Hitler zum Nazi wurde. Vom unpolitischen Soldaten zum Autor von "Mein Kampf", Berlin 2016.
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Quellen

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  • Ernst Deuerlein (Hg.), Der Aufstieg der NSDAP in Augenzeugenberichten, München 1974.
  • Max Domarus (Hg.), Hitler. Reden und Proklamationen, 2 Bde., Würzburg 1962/63.
  • Hitler. Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933, hg. vom Institut für Zeitgeschichte, 13 Bde., München 1992-2003, dazu 4 Bände Hitler-Prozess 1997/99.
  • Peter Fleischmann (Hg.), Hitler als Häftling in Landsberg am Lech 1923/24. Der Gefangenen-Personalakt Hitler nebst weiteren Quellen aus der Schutzhaft-, Untersuchungshaft- und Festungshaftanstalt Landsberg am Lech, Neustadt an der Aisch 2015.
  • Christian Hartmann u.a. (Hg.), Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition, 2 Bde., München-Berlin 2016 [zur Zeit 9. Auflage, 2019].
  • Eberhard Jäckel/Axel Kuhn (Hg.), Hitler. Sämtliche Aufzeichnungen 1905-1924, Stuttgart 1980.
  • Werner Jochmann (Hg.) Adolf Hitler, Monologe im Führerhauptquartier 1941-1944. Die Aufzeichnungen Heinrich Heims, Hamburg 1980.
  • Harald Sandner, Hitler. Das Itinerar. Aufenthaltsorte und Reisen von 1889 bis 1945, 4 Bde., Berlin 2016
  • Harald Sandner, Hitler. Das letzte Jahr, Berlin 2018.

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Empfohlene Zitierweise

Walter Ziegler, Hitler und Bayern, publiziert am 13.05.2019; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hitler_und_Bayern> (29.03.2024)