• Versionsgeschichte

Gaibacher Fest (1832)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Version vom 13. Mai 2020, 10:20 Uhr von imported>Rittenauerd

von Rainer Leng

Das Gaibacher Fest fand am 27. Mai 1832 auf Schloss Gaibach statt. Das Schloss der Grafen Schönborn hatte sich seit der Grundsteinlegung der Konstitutionssäule im Jahr 1821 zu einem Zentrum jährlicher Feiern zu Ehren der Bayerischen Konstitution von 1818 entwickelt. Unter dem Eindruck zunehmender Verfassungskritik liberaler Kreise und der deutlicher zutage tretenden restaurativen Haltung König Ludwig I. (1786-1868, König 1825-1848) äußerten mehrere Redner Forderungen nach einer Weiterentwicklung der Verfassung, die Königtum und Regierung zu einem harten Vorgehen gegen einzelne Protagonisten veranlassten. Dies führte zum Ende der noch von einer Aufbruchsstimmung getragenen Phase des Frühkonstitutionalismus in Bayern.

Gaibach als Veranstaltungsort von Verfassungsfeiern

Ansicht von Gaibach Richtung Vogelsburg, im Vordergrund die Konstitutionssäule. Lithographie von Johann Baptist Scheiner um 1828-1854. Fotografie: Andreas Bestle. (Leihgabe Privatbesitz im Museum für Franken - Staatliches Museum für Kunst- und Kulturgeschichte in Würzburg, Lg. 75435)
Lithographie von M. Baumann mit dem Portrait des Grafen Franz Erwein von Schönborn (1776-1840) nach einem Ölgemälde Joseph Karl Stielers (1781-1858) von 1816. (Stadt Würzburg, Leihgabe im Museum für Franken)
Ludwig I König von Bayern (1786-1868). Kolorierte Lithographie. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-016823)

Mit der Grundsteinlegung der Konstitutionssäule in Gaibach (Gde. Volkach, Lkr. Kitzingen) am 26. Mai 1821 begann ein von Franz Erwein Graf von Schönborn (1776-1840) initiierter Ausbau seines Besitzes zu einem Zentrum des bayerischen Frühkonstitutionalismus in Franken. Spätestens ab der Einweihung der Säule im Jahr 1828 in Gegenwart des mit Schönborn freundschaftlich und im Geiste des liberalen Konstitutionalismus eng verbundenen König Ludwig I. (1786-1868, König 1825-1848) fanden an Säule und im Konstitutionssaal des Schlosses an den Jahrestagen der Verfassung Verfassungsfeiern (Konstitutionsfeste) statt. Dabei wurde regelmäßig im Kandelaber der Säule ein weithin sichtbares Feuer entzündet. Nach ersten Feiern 1829 und 1830 fand noch 1831 eine Feier in vermutlich kleinerem Rahmen statt. Ähnliche Verfassungsfeiern wie in Gaibach hatten sich in einem breiten Spektrum zwischen bürgerlicher Initiative und monarchischer Steuerung u. a. auch in Baden und in Württemberg etabliert.

Die Verfassungsfeier des Jahres 1832 im Spannungsfeld monarchischer Restauration und liberaler Kritik

Das Bekenntnis zum liberalen Konstitutionalismus war bei Ludwig I. spätestens seit der Pariser Julirevolution von 1830 erschüttert, die zum Sturz des französischen Karls X. (1757-1836, König 1824-1830) und zur Einsetzung von Louis-Philippe I. (1773-1850, König 1830-1848) als Bürgerkönig geführt hatte. Der polnische Aufstand gegen die russische Herrschaft und revolutionäre Unruhen in zahlreichen Staaten des deutschen Bundes ließen sein Misstrauen gegen die Partizipation seiner Untertanen wachsen.

Umgekehrt führte die Wiedereinführung der Pressezensur für periodische Blätter in Bayern Ende 1831 zu verschärfter Kritik liberaler Kreise, die sich bei den ersten Landtagssitzungen 1831 nach der Ausschließung fünf oppositioneller Abgeordneter sogar in einer für den König besonders schmerzlichen Budgetkürzung für seine Kunstprojekte durch die liberale Opposition äußerte. Zwar hielt Ludwig I. offiziell noch an der Verfassung fest. Er betrachtete sie allerdings eindeutig als einseitig dem Volk gewährte Gnade und reagierte zunehmend empfindlich, wenn die in ihr gewährten Freiheitsrechte tatsächlich eingefordert wurden.

Unter den zahlreichen Verfassungsfeiern des Jahres 1832 (z. B. in Augsburg und Regensburg oder in kleinerem Rahmen in Winterhausen [Lkr. Würzburg], Dinkelsbühl [Lkr. Ansbach], Königshofen [Lkr. Rhön-Grabfeld] und Vach bei Nürnberg [Lkr. Fürth]) ragt besonders das am gleichen Tag wie das Fest in Gaibach anberaumte Hambacher Fest in der Pfalz heraus, an dem neben Verfassungskritik auch Forderungen nach weitergehenden Freiheitsrechten und dem deutschen Nationalstaat laut wurden. Wie in den Vorjahren, war auch 1832 am 27. Mai eine Verfassungsfeier in Gaibach geplant. Bereits im Vorfeld wurde diese jedoch von den revolutionären Ereignissen in Europa sowie liberaler Kritik gegenüber dem bayerischen Monarchen überschattet, der sich deutlich von den verfassungsrechtlich gewährten Freiheiten distanziert hatte.

Vorbereitung und Veranstalter

Die Verfassungsfeiern der Vorjahre waren von Graf Schönborn persönlich ausgerichtet worden. 1832 beschränkte er sich jedoch auf eine Gastgeberrolle. Er lud Teilnehmer ein und richtete Mittagessen und Festlichkeiten aus, während er Ablauf und öffentliche Kommunikation einem Festausschuss überließ. Dessen Mitglieder bestanden unter der Federführung des Würzburger Oberamtmanns Andreas Bernhard Quante (1799-1874) aus Mitgliedern Würzburger politischer Zirkel, insbesondere der auch von politisch aktiven Studenten frequentierten Bünde "Reichsstadt", den "Rittern zum eisernen Helm" und den "Rittern des Grünen Bundes".

In der Forschung wird überwiegend angenommen, dass Schönborn Verlauf und Folgen der Verfassungsfeier 1832 unterschätzt hat. Tatsächlich zeigt ein Schreiben Ludwigs I. an Schönborn vom 12. Juli 1831, mit dem er ihm ein erstes Exemplar des Geschichtsthalers mit der Konstitutionssäule übersandte, ein noch gutes Einvernehmen. Er schrieb: "ein inniger Verfassungsfreund schickt ihn einem anderen", was Schönborn in seiner Antwort dankbar aufgriff. Dennoch können Schönborn, der als erblicher Reichsrat in der ersten Kammer des Landtags saß, die zunehmend schärferen Auseinandersetzungen zwischen liberaler Opposition und Monarch nicht entgangen sein. Dass er den Ablauf einem Festausschuss aus Mitgliedern überließ, deren politische Positionen ihm wohl bekannt sein mussten, lässt durchaus den Schluss zu, dass er die Verfassungsfeier gezielt zu einem Testfall für das Bekenntnis der Monarchie zur Verfassung werden ließ, ohne sich dabei selbst allzu sehr zu exponieren.

Der Festausschuss erarbeitete - offenbar in Abstimmung mit Schönborn - ein Programm, das sich in mehreren Punkten mit Gottesdienst, Festmahl, Reden, Salutschüssen und Feuerwerk am etablierten Ablauf vorangehender Verfassungsfeiern orientierte und vordergründig Ansätze zur Verfassungskritik nicht erkennen ließ. Das Programm wurde als gedrucktes Einzelblatt verbreitet und an verschiedene Zeitungen versandt, die den geplanten Ablauf ab Mitte Mai bayernweit verbreiteten.

Teilnehmer

Die von Schönborn geladenen Teilnehmer entsprachen dem Spektrum früherer Verfassungsfeiern. Eingeladen waren die Abgeordneten der Ständeversammlung aus dem Untermainkreis, die Präsidenten des Würzburger Appellationsgerichts und der Regierung sowie weitere Amtsträger. Der Regierungspräsident soll seine Teilnahme zugesagt und noch am Vortag den Wunsch geäußert haben, dass die Staatsbeamten dem Fest in großer Zahl beiwohnen mögen. Lediglich das Würzburger Militär verweigerte sich der Einladung. Daneben dürfte auch der Festausschuss weitere Einladungen ausgesprochen haben. Die Veröffentlichungen in der Presse sorgten für weiteren Zustrom. Nach unterschiedlichen Zeitungsmeldungen sollen sich wenigstens 1.000 Teilnehmer eingefunden haben. In den meisten Berichten ist von 5.000 bis 6.000 Teilnehmern die Rede. Abordnungen kamen aus Bamberg, Bayreuth, Kronach, Lichtenfels und Nürnberg. Vor allem aus Würzburg dürften ca. 200 Studenten teilgenommen haben. Erwähnt werden auch Offiziere aus Polen.

Festprogramm für das Gaibacher Fest 1832. (Staatsarchiv Würzburg)

Ablauf und Redner am Vormittag

Franz Ludwig von Hornthal (1763-1833, Bürgermeister von Bamberg 1818-1821). (Foto von Olaf Kosinsky lizensiert durch CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)

Die Verfassungsfeierwurde mit Kanonendonner und einem Gottesdienst eröffnet. Danach begab sich ein von Abgeordneten und Amtsträgern angeführter Festzug mit Fahnen und Musik zur Säule. Dabei wurden "patriotische Lieder" gesungen, vermutlich die von Gerd Hammer eigens gedichteten Festlieder. Sie sind oberflächlich politisch unverdächtig, geben jedoch mit einer Überpräsenz des Freiheitsbegriffs einschließlich der Warnungen vor der Tyrannis ein treffendes Stimmungsbild der politischen Begleitumstände des Festaktes.

Als erster Redner trat Andreas Bernhard Quante, der Vorsitzende des Festausschusses auf. Er erinnerte an den Anlass der Konstitutionsfeier, mahnte zur Bewahrung der Konstitution gegen alle Angriffe von innen und außen und lud dann weitere Teilnehmer ein, ihre Wünsche kundzutun. Nun meldete sich zunächst der ehemalige Bamberger Bürgermeister, Abgeordnete und Justizrat Franz Ludwig von Hornthal (1763-1833, Bürgermeister von Bamberg 1818-1821, Abgeordneter 1819-1825) zu Wort. Er zählte zu den Führern der liberalen Opposition in der Ständeversammlung. Seine Rede würdigte die Errungenschaften der Verfassung, gestand Bedrohungen ein, forderte jedoch lediglich ein gemeinsam von Volk und Regent getragenes umso stärkeres Beharren auf der Verfassung. Die Rede endete mit einem demonstrativen Bekenntnis zur Verfassung, das von den Anwesenden lautstark bekräftigt wurde.

Michael Wilhelm Joseph Behr (1775-1851). Kupferstich. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-016823)

Offenbar durch das zurückhaltende Auftreten Hornthals herausgefordert, meldete sich nun sein oppositioneller Mitstreiter Wilhelm Joseph Behr (1775-1851, Bürgermeister von Würzburg 1821-1832) zu Wort. Der Staatsrechtler war 1819 Abgeordneter der Ständeversammlung. König und Regierung hatten ihm jedoch seit 1822 teilweise unter fadenscheinigen Argumenten regelmäßig den Zutritt verweigert. Behr benannte deutlicher die Defizite der Verfassung und kritisierte Willkürhandlungen von Gerichten und Polizei sowie die herrschende Pressezensur und rief zu einer Fortentwicklung der Verfassung im Sinne des Vertragsgedankens zwischen Monarchie und Bevölkerung auf. In ähnlichem Sinne soll sich auch der nächste Redner, der Würzburger Abgeordnete Adalbert Ziegler (Abgeordneter 1825-1834), geäußert haben, der sich noch dagegen verwahrte, dass bloßes Festhalten an der Verfassung als revolutionäres Verhalten diffamiert werde.

Als letzter Redner des Vormittages sprach der dichterische Freiheitskämpfer Thomas Lovell Beddoes (1803-1849), der nach seiner Ausweisung aus Göttingen (Niedersachsen) in Würzburg Medizin studierte. Es handelte sich um eine satirische Rede auf die Aristokratie, die auch den Gastgeber Schönborn nicht verschonte.

Ablauf und Redner am Nachmittag

Die während des Vormittags eingetroffenen Abordnungen aus den Umlandgemeinden begaben sich mit den Festteilnehmern in den Ort. Die hochrangigen Teilnehmer nahmen das Mittagessen im Schloss ein, die anderen im Gasthof und die rund 200 Studenten lagerten unter Bäumen. Während des Essens wurde bereits eine Adresse an den König beraten. Behr sprach sich dabei gegen eine bereits kursierende Version aus, die in scharfer Form die Rücknahme des Verbots von Pressverein, Closenverein und die Aufhebung des Druckverbotes des in Würzburg erscheinenden "Volkstribuns" forderte.

Die von den Teilnehmern im Gasthof ausgebrachten Toasts zeigen deutlich, wie weit sich das Fest bereits von den bisherigen bloßen Jubelfeiern auf die Verfassung gelöst hatte. Ein Toast galt nicht nur der gegenwärtigen, sondern auch einer künftigen Verfassung. Man trank auch auf die zur selben Zeit versammelten Gesinnungsgenossen in Hambach und auf das Freiheitsstreben des polnischen Volkes. Im Schloss brachte der Abgeordnete und zweite Kammerpräsident Johann Adam von Seuffert (1794-1857) einen Toast auf "die künftige Reformbill Baierns" aus.

Gegen 17 Uhr versammelten sich die Teilnehmer erneut an der Konstitutionssäule. Dabei wurde die inzwischen von Behr entworfene Adresse an den König verteilt und laut Presseberichten von 2.000 Teilnehmern unterzeichnet. Als Protestreaktion gegen einige von der Kapelle gespielte französische Weisen, darunter die Marseillaise, ergriff Behr erneut das Wort. Er erläuterte dabei noch einmal seine Verfassungskritik vom Vormittag, betonte das Recht des Volkes, vom Souverän eine Verbesserung der Verfassung verlangen zu dürften, mahnte aber auch eindringlich zum unbedingten Einhalten der Verfassung, bis es in den verfassungskonformen Wegen zu Änderungen kommen könne. Sollte die Adresse Wirkung zeigen, müsste sie jedoch nicht nur von einigen Tausend, sondern von Hunderttausenden unterzeichnet werden. Dabei sollen einige Rufe "Republik" aus der Menge von sehr viel lautstärkeren Rufen "Reform" übertönt worden sein. Dass bei dieser Gelegenheit begeisterte Teilnehmer Behr mit den Worten "Diess ist unser Frankenkönig" um die Säule getragen haben sollen, wurde von Behr selbst stets bestritten.

Das Fest klang am selben Abend friedlich und durchaus fröhlich aus, begleitet von Musik, dem Entzünden des Feuers im Kandelaber der Konstitutionssäule und einem Feuerwerk.

Presseberichte und Vorgehen gegen liberale Blätter

In den Tagen nach der Gaibacher Verfassungsfeier setzte eine lebhafte bayernweite Berichterstattung ein, in der auch auszugsweise die Reden der Teilnehmer wiedergegeben wurden. Oft wurden dabei Vergleiche mit den Verfassungsfeiern in Hambach, Regensburg und Augsburg gezogen. Trotz sofort einsetzender Zensurmaßnahmen wurde die in Gaibach verabschiedete Adresse an den König wenigstens im Münchener Conversations-Blatt und Augsburger Tagblatt im vollen Wortlaut gedruckt.

Politische Verfolgung von Festteilnehmern

Unmittelbar nach der Gaibacher Verfassungsfeier setzten von Regierungsseite und Gerichten unter tätigem Antrieb Ludwigs I. Verfolgungsmaßnahmen gegen Würzburger liberale Blätter und Teilnehmer der Feier ein. Die Anklagepunkte lauteten i.d.R. Majestätsbeleidigung und Hochverrat. Gottfried Widmann (1800-1874), der Herausgeber des in Würzburg erscheinenden Volkstribun wurde aus dem Staatsdienst entlassen, musste die Zeitung einstellen und wurde wegen seiner Rede auf dem Hambacher Fest zu fünf Jahren Festungshaft wegen Hochverrats verurteilt. Johann Gottfried Eisenmann (1795-1867), dessen in Würzburg herausgegebenes Bayerisches Volksblatt ausführlich über Gaibach berichtet hatte, musste das Blatt ebenfalls einstellen und wurde wegen seiner Teilnahme am Hambacher Fest auch wegen Hochverrats zu Festungshaft verurteilt.

Quante wurde aus dem Staatsdienst entlassen, nach Ullstadt (Lkr. Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim) verbannt und wegen Hochverrats und Majestätsbeleidung angeklagt. Nach längerer Untersuchungshaft kam er 1835 gegen Kaution frei. Johann Adam von Seuffert wurde die Würzburger Professur entzogen, abschließend wurde er wegen der Unruhen im Untermainkreis als Appellationsgerichtsassessor nach Straubing versetzt. Das Mandat des Abgeordneten Adalbert Ziegler wurde suspendiert. Thomas Lovell Beddoes wurde unter extrem kurzer Fristsetzung aus Würzburg und Bayern ausgewiesen.

Die härtesten Maßnahmen trafen den Würzburger Bürgermeister Wilhelm Joseph Behr. Auf ihn hatte die Regierung bereits seit längerer Zeit Spitzel angesetzt und belastendes Material gesammelt. Nachdem sich der Würzburger Magistrat zunächst hinter ihn gestellt hatte, sorgten der Entzug des Appellationsgerichts und die Drohung der Aufhebung der Universität für eine Distanzierung des Rates. Behr wurde zunächst vom Magistrat in den Ruhestand versetzt und am 24. Januar 1833 verhaftet. Der Prozess wurde mithilfe juristischer Winkelzüge von Würzburg an das Königliche Appellationsgericht für den Isarkreis in Landshut verlegt, das für seine scharfen Urteile bekannt war. Unter steter Beobachtung Ludwigs I. und nach zweijähriger Untersuchungshaft in der Münchener Fronfeste wurde Behr schließlich 1835 wegen Hochverrats zu unbestimmter Festungshaft verurteilt und zu einer demütigenden Abbitte vor einem Bild des Königs gezwungen (Juni 1836). Er kam erst 1847 wieder frei, wurde 1848 nach der Abdankung Ludwigs I. rehabilitiert und noch zum Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche gewählt. In der Folge des Festes distanzierte sich auch Graf Schönborn vom König, ließ sein Amt als erblicher Reichsrat ruhen und stellte die jährlichen Verfassungsfeiern ein. Deren Wiederbelebung erfolgte erst 1978 anlässlich des 150. Jahrestages der Einweihung der Konstitutionssäule von Gaibach.

Ansprache des bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel (CSU, 1905-1991, Ministerpräsident 1962-1978) beim Festakt anlässlich der Einweihung der Konstitutionssäule in Gaibach 1978. Damit begann eine Wiederbelebung der Tradition der Verfassungsfeiern in Gaibach. Bei den in jüngerer Vergangenheit stattgefundenen Verfassungsfeiern wurde dabei am Rande auch hin und wieder das Fest von 1832 und seine Folgen thematisiert. Bild: Heer. (Bayerische Einigung, Bayernspiegel)

Beurteilung

In Gaibach kollidierten 1832 vor dem Hintergrund europäischer Revolutionen eine verschärft neoabsolutistische Staatsauffassung des Hauses Wittelsbach mit aus der Spätaufklärung gespeisten Positionen liberaler Vorkämpfer des Rechtsstaates und der Volkssouveränität. Die Verfassungsfeier an sich verlief in gemäßigten Bahnen und erhielt erst im Nachklang und in Analogie zu den Hambacher Ereignissen die Bezeichnung "Gaibacher Fest". Tatsächlich ist es insofern mit den Ereignissen in Hambach vergleichbar, als es Ausdruck eines bis dahin nicht gekannten Grades der Politisierung liberaler bürgerlicher Eliten darstellt.

Dennoch gibt es auch markante Unterschiede zu Hambach: Während dort revolutionäre und nationalstaatliche Forderungen sehr viel mehr Raum einnahmen, prägte die vorhandene lokale Tradition der Verfassungsfeiern die Konzentration der Diskussion in Gaibach auf die bayerische Verfassung, die es gegen die Angriffe der Monarchie zu bewahren oder weiterzuentwickeln galt. Forderungen nach Revolution oder dem Nationalstaat sind in Gaibach bestenfalls hintergründig spürbar, obgleich alleine die Diskussion über eine neue Rolle des Souveräns vom Hause Wittelsbach als Hochverrat und Majestätsbeleidigung aufgefasst wurde. Dies mag auch das im Vergleich zu Hambach, wo die bayerische Verfassung nur eine nachrangige Rolle spielte, härtere Vorgehen der Monarchie gegen die Festteilnehmer erklären. Bemerkenswert und ebenfalls aus der lokalen Tradition erklärbar ist der äußere Rahmen der Veranstaltung, die kein Massenereignis mit demonstrativer Aufhebung ständischer Schranken war, sondern eher dem Muster von Abgeordnetenempfängen unter Beibehaltung ständischer Differenzierungen folgte.

Forschung

In der wissenschaftlichen Literatur wird das Gaibacher Fest überwiegend als nachrangiges Parallelereignis des Hambacher Festes, im Rahmen des vormärzlichen Liberalismus, der Studentenbewegung oder in biographischen Arbeiten zu Wilhelm Joseph Behr und anderen Beteiligten behandelt. Eine mono-thematische Aufarbeitung bleibt Desiderat.

Die umfangreichsten Quellen einschließlich auszugsweise oder vollständig gedruckten Reden der Festteilnehmer liefern die zeitgenössischen Presseberichte. Sie entstanden jedoch unter Bedingungen der Zensur und sind entsprechend kritisch zu lesen.

Ungedruckte Quellenbestände überliefern meist im Zusammenhang mit Personal- oder Prozessakten der Beteiligten partielle Einblicke in das Gaibacher Fest, die jedoch nicht selten ebenfalls parteilich geprägt sind. Hinzuweisen ist auf: Staatsarchiv Würzburg, Schönborn, Franz Erwein, Korrespondenz Nr. 151; Regierung von Unterfranken, Präsidialakten 10 (Hofrath und Bürgermeister Behr, Berichtsanforderungen des Innenministeriums über Veröffentlichungen und Haltung Behrs, Verzeichnis der politischer Umtriebe verdächtiger Universitätsangehöriger, Prozessakten etc.); Regierung von Unterfranken, Präsidium 101 (alt: Präsidialakten 400, Presse und Zensur); Stadtarchiv Würzburg, Magistratsakten Nr. 105a (Untersuchung gegen Behr); Magistratsakten 105b (Qieszierung Behr); Biomappe Wilhelm Joseph Behr. Auszüge aus weiteren Quellen des Hauptstaatsarchivs München, des Staatsarchivs Bamberg, der Stadtarchive Bamberg und Frankfurt, der Staatsbibliothek Bamberg und der Universitätsarchivs Würzburg sind bei Wagner (1985) gedruckt.

Dokumente

Literatur

  • Richard Bartelsberger, Franz Erwein Graf von Schönborn-Wiesentheid. Ein Aristokrat als Verfassungs- und Staatspatriot im deutschen Vormärz, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 1991, 123-138.
  • Frederick Burwick, Beddoes, Bayern und die Burschenschaften, in: Comparative Literature 21, 4 (1969), 289-306.
  • Max Domarus, Bürgermeister Behr. Ein Kämpfer für den Rechtsstaat, Würzburg 1971.
  • Hans Fenske, Politischer und sozialer Protest in Süddeutschland nach 1830, in: Helmut Reinalter (Hg.), Demokratische und soziale Protestbewegungen in Mitteleuropa 1815-1848/49, Frankfurt a. M. 1986, 143-201, bes. 168-170.
  • Dirk Götschmann, Die Repräsentanten der Universität Würzburg in der bayerischen Ständeversammlung 1819 bis 1848, in: Konrad Ackermann/Alois Schmid (Hg.), Staat und Verwaltung in Bayern. Festschrift für Wilhelm Volkert zum 75. Geburtstag, München 2003, 477-504.
  • Leo Günther, Würzburger Chronik. Personen und Ereignisse von 1802–1848, 3. Band, Würzburg 1925, 628-642.
  • Die Grundsteinlegung der Gaibacher Konstitutionssäule 1821. Texte zum Leuchtturmobjekt von Rainer Leng, hg. vom Museum für Franken, Würzburg 2018.
  • Herbert Meyer, Die Konstitutionssäule und ihre Geschichte, in: Unsere Mainschleife 9 (1999), 15-18 (ND in: Volkacher Hefte 17, 2008, 181-186).
  • Eva Pfeiffer, Wilhelm Joseph Behr. Studie zum bayerischen Liberalismus der Metternichzeit, Emsdetten 1936.
  • Georg Polster, Politische Studentenbewegung und bürgerliche Gesellschaft. Die Würzburger Burschenschaft im Kräftefeld von Staat, Universität und Stadt 1814-1850 (Darstellungen und Quellen zur Geschichte der Deutschen Einheitsbewegung im 19. und 20. Jahrhundert 13), Heidelberg 1989, 199-207, bes. 199.
  • Ulrich Wagner, Bürgermeister Wilhelm Joseph Behr – Vorkämpfer der Demokratie, in: Ulrich Wagner (Hg.), Geschichte der Stadt Würzburg, Bd. 3: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert, Stuttgart 2007, 58-60.
  • Ulrich Wagner, Wilhelm Joseph Behr. Eine biographische Skizze, in: Wilhelm Joseph Behr - Dokumentation zu Leben und Werk eines Würzburger Demokraten. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 1), Würzburg 1985, 17-62.
  • Katharina Weigand, Gaibach. Eine Jubelfeier für die Bayerische Verfassung von 1818, in: Alois Schmid (Hg.), Schauplätze der Geschichte in Bayern, München 2003, 291-308.
  • Ludwig Zimmermann, Die Einheits- und Freiheitsbewegung und die Revolution von 1848 in Franken (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX,9), Würzburg 1951, bes. 138-147.

Quellen

Weiterführende Recherche

Verwandte Artikel

Hier alternative Titel für die Suchfunktion eintragen!

Empfohlene Zitierweise

Rainer Leng, Gaibacher Fest (1832), publiziert am 23.03.2020; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Gaibacher_Fest_(1832) (19.04.2024)