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Friedensbewegung (Von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg): Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Version vom 17. Oktober 2019, 09:39 Uhr

Anordnung des Obermilitärbefehlshabers von Stein zur Überwachung der Friedensbewegung während des Ersten Weltkriegs. (aus: Sabine Hering/Cornelia Wenzel [Hg.], Frauen riefen, aber man hörte sie nicht. Die Rolle der deutschen Frauen in der internationalen Frauenfriedensbewegung zwischen 1892 und 1933, Kassel 1986, 12)
Ludwig Quidde (aus: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. 2. Band, Berlin 1931, S. 1459)

von Dieter Riesenberger

Seit der Gründung der "Deutschen Friedensgesellschaft" 1892 gab es in Deutschland eine organisierte Friedensbewegung, die aber weder im Kaiserreich noch während der Weimarer Republik größere Erfolge verbuchen konnte. 1933 verboten die Nationalsozialisten alle pazifistischen Organisationen, deren Mitglieder sie systematisch verfolgten. - München war zweimal Veranstaltungsort wichtiger internationaler Friedenskongresse (1907, 1932) sowie Wohnort eines der wichtigsten deutschen Pazifisten, des Historikers Ludwig Quidde (1858-1941).

Fremdkörper im Kaiserreich

Die Geschichte der organisierten Friedensbewegung in Deutschland beginnt mit der Gründung der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG) im Jahr 1892, im Vergleich mit anderen Ländern recht spät. Diese trat für die Solidarität der Völker, für Abrüstung und obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit ein, weshalb sie von den mächtigen nationalistischen und militaristischen Verbänden heftig bekämpft wurde. Die Sozialdemokraten lehnten sie als "bürgerlich" ab. Größere Aufmerksamkeit erreichte sie mit ihrer Kampagne für die Erste Haager Friedenskonferenz (1899).

Mit 10.000 Mitgliedern war die DFG ein Fremdkörper im Kaiserreich. Pazifisten galten als "undeutsch", weil "internationalistisch", und "weibisch", weil kriegsverneinend. Gründer der DFG waren die Österreicherin Bertha von Suttner (1843-1914), Autorin des Romans "Die Waffen nieder!" (1889) und Gründerin der österreichischen "Gesellschaft der Friedensfreunde" (1891), sowie der jüdische Journalist Alfred Hermann Fried (1864-1921), Begründer des modernen Völkerrechts. Beide wurden mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet (1905 bzw. 1911). Von 1892 bis 1898 gab Suttner die Zeitschrift "Die Waffen nieder!" heraus, die Fried seit 1899 bis zu seinem Tod unter dem Namen "Die Friedens-Warte" fortführte. Die - heute noch bestehende - Zeitschrift wurde das wichtigste Organ der deutschsprachigen Friedensbewegung.

Ab 1912 war der in München lebende Historiker Ludwig Quidde (1858-1941), Autor der Satire "Caligula" (1894) über Kaiser Wilhelm II. (1859-1941, reg. 1888-1918), Vorsitzender der DFG. Ihm war es zu verdanken, dass der Weltfriedenskongress 1907 in München stattfand.

Im Visier der Militärbehörden 1914-1918

Während des Ersten Weltkriegs wurden die Mitglieder pazifistischer Organisationen überwacht; ihre Publikationen wurden zensiert und verboten, so dass Fried und andere Pazifisten, wie die Münchnerin Annette Kolb (1870-1967), in die Schweiz emigrierten. In Deutschland entstanden neue Organisationen wie der "Bund Neues Vaterland" (November 1914) oder die "Zentralstelle Völkerrecht" (Juli 1916), die eine Demokratisierung des Reiches und einen Verständigungsfrieden forderten. Die Pazifisten begrüßten das 17-Punkte-Programm von US-Präsident Woodrow Wilson (1856-1924). Die Militärbehörden reagierten mit verschärften Repressionen bis hin zu Verhaftungen wegen Landes- und Hochverrats. Verhaftet, angeklagt und verurteilt wegen Landesverrats bzw. wegen Aufforderung zum Hochverrat wurden die Geschäftsführerin der Friedensgesellschaft Elsbeth Bruck (1874-1970) und der Pazifist Hans Paasche (1881-1920); letzterer wurde im Juli 1920 ermordet.

Partielle Zustimmung während der Weimarer Republik

Nach Kriegsende durfte die Friedensbewegung für kurze Zeit hoffen, Einfluss auf die Politik ausüben zu können. So wurde Quidde auf Vorschlag Kurt Eisners (USPD, 1867-1919) Vizepräsident des Provisorischen Bayerischen Nationalrats. Als Gründungsmitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) wurde er Mitglied der Weimarer Nationalversammlung.

Die harten Bedingungen des Versailler Vertrages (28. Juni 1919) zerstörten die Hoffnungen der Pazifisten. Es gelang auch nicht, Teilnehmer der "Nie-wieder-Krieg-Bewegung" (1921-1925) für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen.

In der Weimarer Republik bestanden bis zu 22 pazifistische Organisationen, darunter auch der deutsche Zweig der "Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit" (IFFF), die 1932 ihren Kongress in München abhielt. Die meisten Organisationen zählten nur wenige hundert Mitglieder; mit 30.000 Mitgliedern war die DFG die stärkste Gruppierung. Das "Deutsche Friedenskartell" (1922-1930) war die Plattform der pazifistischen Organisationen, die insgesamt etwa 90.000 Mitglieder hatten.

Die Friedensbewegung kämpfte gegen die geheime Rüstung der Reichswehr wie gegen eine Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht und erwog den politischen Generalstreik als Mittel der Kriegsverhinderung. Sie setzte sich für die Erhaltung der Republik, für Völkerbund und Völkerrecht sowie für die Aussöhnung mit Frankreich und Polen ein. Quidde erhielt zusammen mit dem französischen Pazifisten Ferdinand Buisson (1841-1932) im Jahre 1927 den Friedensnobelpreis.

Erfolg und Verfolgung

Nur zeitweise fand die organisierte Friedensbewegung größere Resonanz bei den demokratischen Parteien. Die Wirkung pazifistischer Positionen und Ideen ging weit über den Bereich der pazifistischen Organisationen hinaus; sie fanden Niederschlag vor allem in der Literatur (Arnold Zweig [1887-1968], Heinrich Mann [1871-1950]), in der Malerei (Käthe Kollwitz, [1867-1945], Otto Dix [1891-1969]) und bei Wissenschaftlern (Albert Einstein [1879-1955]).

Am 9. März 1933 wurde das Büro der Deutschen Friedensgesellschaft von den Nationalsozialisten gewaltsam aufgelöst; die offizielle Auflösung erfolgte erst am 5. September 1935 gemäß der Verordnung "Zum Schutze von Volk und Staat" (28. Februar 1933). Mitglieder der pazifistischen Organisationen wurden von den Nationalsozialisten systematisch verfolgt. Sie wurden ermordet, wie Berthold Jakob (1898-1944), oder in Konzentrationslager verbracht, wie der Friedensnobelpreisträger von 1935, Carl von Ossietzky (1889-1938).

Auf der ersten Ausbürgerungsliste vom 23. August 1933 standen bekannte Pazifisten wie Friedrich Wilhelm Foerster (1869-1966), Ernst Julius Gumbel (1891-1966) und Kurt Tucholsky (1890-1935). Viele Mitglieder flüchteten ins Ausland und bekämpften von dort aus den Nationalsozialismus, wie Ernst Friedrich (1894-1967).

Leitung der Deutschen Friedensgesellschaft

1892-1899 "Berliner Vorstand": Geschäftsführer Richard Grelling (1853-1929); veröffentlichte in der Schweiz die Schrift "J'accuse" (1915), die in Deutschland verboten wurde.
1900-1914 Adolf Richter (1839-1914), Mitbegründer des Internationalen Friedensbüros in Bern (1892) und der Friedensgesellschaft; war vor allem auf übernationaler Ebene tätig. - Vizepräsident: Otto Umfrid (1857-1920), evangelischer Pfarrer in Stuttgart; verfasste Schriften gegen den deutschen Militarismus.
1914-1929 Ludwig Quidde (1858-1941), Historiker, Verfasser u. a. von "Der Militarismus im heutigen Deutschen Reich" (1893) und "Caligula" (1894); deutscher Vertreter im Internationalen Friedensbüro in Bern. Gilt als Repräsentant des gemäßigten völkerrechtlichen Pazifismus.
1929-1933 Friedrich Küster (1889-1966), Journalist, Vertreter eines radikalen antimilitaristischen Pazifismus, Herausgeber des 1921 gegründeten Monatsblattes "Der Pazifist" und des Nachfolgeblattes "Das Andere Deutschland" (seit April 1925); warnte frühzeitig vor Faschismus und Krieg. Gab von 1947 bis 1969 erneut "Das Andere Deutschland" heraus, trat gegen Wiederbewaffnung und für Neutralisierung Deutschlands sowie für die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie ein.

Literatur

  • Helmut Donat/Karl Holl (Hg.), Die Friedensbewegung. Organisierter Pazifismus in Deutschland, Österreich und in der Schweiz (Hermes Handlexikon), Düsseldorf 1983.
  • Dieter Riesenberger, Geschichte der Friedensbewegung in Deutschland. Von den Anfängen bis 1933, Göttingen 1985.
  • Hiltrud Häntzschel, „Nur wer feige ist, nimmt die Waffe in die Hand“: München – Zentrum der Frauenfriedensbewegung 1899-1933, in: Sybille Krafft (Hg.), Zwischen den Fronten. Münchner Frauen in Krieg und Frieden 1900-1950, München 1995, 18-40.
  • Karl Holl, Ludwig Quidde und die deutsche Friedensbewegung in der Weimarer Republik, in: Jost Dülffer/Gerd Krumeich (Hg.), Der verlorene Frieden. Politik und Kriegskultur nach 1918 (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte N.F. 15), Essen 2002, 273-285.
  • Karl Holl, Ludwig Quidde (1858-1941). Eine Biografie, Düsseldorf 2007.

Quellen

  • Wolfgang Benz, Pazifismus in Deutschland. Dokumente zur Friedensbewegung 1890-1939, Frankfurt am Main 1988.
  • Ludwig Quidde, Der deutsche Pazifismus während des Weltkrieges 1914-1918. Aus dem Nachlaß Ludwig Quiddes hg. v. Karl Holl unter Mitwirkung von Helmut Donat (Schriften des Bundesarchivs 23), Boppard am Rhein 1979.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

Pazifisten, Pazifismus

Empfohlene Zitierweise

Dieter Riesenberger, Friedensbewegung (Von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg), publiziert am 12.06.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Friedensbewegung (Von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg)> (28.03.2024)