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Freikorps Roßbach, 1919-1923

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Feldübung des Freikorps Roßbach im Frühjahr 1923. (Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Hoffmann)
Postkarte von Edmund Heine aus der Festungshaft in Landsberg an Gerhard Roßbach, den Gründer des gleichnamigen Freikorps, 26.8.1924. Mitunterzeichnet wurde sie von Adolf Hitler (NSDAP, 1889-1945), Hermann Kriebel (NSFP, 1878-1941) und Dr. Friedrich Weber (1892-1955). (Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Hoffmann)
Hitler-Putsch am 9. November 1923; Mitglieder des Stoßtrupps Hitler, mit Hakenkreuzarmbinde und Stahlhelm, vor dem Abmarsch. (Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Hoffmann)

von Christoph Hübner

Bewaffneter Freiwilligenverband, benannt nach dem Gründer Gerhard Roßbach (1893-1967). Das Freikorps wurde im Sommer 1919 zunächst als Jäger-Bataillon 37 in die vorläufige Reichswehr übernommen, dann nach dem spektakulären Abmarsch ins Baltikum wieder daraus entfernt. Es war beteiligt an den Vorbereitungen des Kapp-Putsches 1920 und des Hitlerputsches 1923. Nach dem endgültigen Verbot 1923 wanderten seine Mitglieder in verschiedene paramilitärische Netzwerke ab.

Die Anfänge des Freikorps Roßbach im Grenzschutz Ost und Baltikumkampf 1919/20

Im Winter 1918/19 bildete der königlich-preußische Oberleutnant Gerhard Roßbach (1893-1967) aus den Resten seiner Maschinengewehr-Lehreinheit in Graudenz südlich von Danzig die Freiwillige Sturmabteilung Roßbach mit dem Zweck, die gefährdeten Grenzen Westpreußens zu schützen. Auch nach dem Verlust der betreffenden Gebiete im Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 wollte sich das inzwischen kampfbewährte Freikorps nicht auflösen. Vielmehr zog Roßbach mit seinen 1.200 Mann im Oktober des Jahres nach Lettland, um dort die Rückzugskämpfe der deutschen Baltikum-Freikorps zu decken - offiziell als eine auf den Zaren vereidigte Truppe.

Beteiligung an Kapp-Putsch und "Ruhrkampf" 1920

Trotz der offiziellen Auflösung der Formation durch die preußischen Behörden am 28. Januar 1920 blieben die Mitglieder weiterhin über die so genannten Roßbach-Arbeitsgemeinschaften in enger Verbindung. Während des Kapp-Putsches im März 1920 tauchten sie allenthalben auf der Seite der Putschisten wieder auf. Die putschenden Teile der Reichswehr um die Generale Walther von Lüttwitz (1859-1942) und Paul von Lettow-Vorbeck (1870-1964) gliederten nun die ehemaligen "Roßbacher" wieder offiziell als Jägerbataillon Nr. 37 in "ihre" Reichswehr ein.

Im unmittelbaren Anschluss an die Kapp-Unruhen wurden die Roßbacher - nunmehr von der legitimen Reichsregierung - gegen die Rote Armee der aufständischen Bergarbeiter im Ruhrgebiet eingesetzt. Nach der blutigen Niederschlagung der Ruhr-Räterepublik Anfang April wurde die Abteilung Roßbach zum zweiten Mal offiziell aufgelöst. Die Männer kamen wie schon vorher größtenteils bei ostelbischen Gutsbesitzern unter und hielten ihr altes Netzwerk weiterhin aufrecht.

Teilnahme an den Kämpfen in Oberschlesien im April/Mai 1921

Den letzten großen geschlossenen Auftritt als Freikorps hatten die Roßbacher im Frühjahr 1921 beim Abstimmungskampf in Oberschlesien. Gerade die oberschlesischen Kämpfe brachten auch bei den Roßbachern eine ideologische Radikalisierung mit sich. Gleichzeitig nahm die Praxis der Fememorde an angeblichen Verrätern deutlich zu. Der Chef der Heeresleitung, General Hans von Seeckt (1866-1936), forderte daher nach der durch die Entente erzwungenen Aufgabe des östlichen Oberschlesien von der Reichsregierung, die Freikorps aufzulösen. So erklärte am 21. November 1921 die Reichsregierung neben anderen Freikorps auch die Organisation Roßbach für "endgültig aufgelöst". Die Roßbacher zogen sich jedoch wieder in ihre bewährten "Arbeitsgemeinschaften" zurück und versteckten ihre Waffen.

Roßbachs Tätigkeit beim Aufbau der NSDAP in Norddeutschland 1922/23

Roßbach selbst schloss sich bald Adolf Hitlers (1889-1945) NSDAP an und wollte sich deren Aufbau außerhalb Bayerns widmen. Im August 1922 erhielt er von Hitler in München hierzu ein offizielles Mandat. Die preußische Regierung war jedoch, anders als die bayerische, nicht mehr gewillt, ein derartiges Treiben zu dulden. Am 15. November 1922 verbot sie die NSDAP in ganz Preußen - vier Tage vor der von Roßbach geplanten Gründung einer Berliner Ortsgruppe. Roßbach wich aus und schloss sich am 10. Februar 1923 der Deutschvölkischen Freiheitspartei (DVFP) der ehemaligen deutschnationalen Abgeordneten Albrecht von Graefe-Goldebee (1868-1933) und Reinhold Wulle (1882-1950) an.

Auch diesmal reagierten die preußischen Behörden. Nach mehreren Haus- und Bürodurchsuchungen wurden am 23. März 1923 unter dem Vorwurf der Putschvorbereitung mehrere Führer der DVFP verhaftet, darunter Roßbach. Vor dem Leipziger Staatsgerichtshof wurde ein Verfahren wegen "Hochverrats und der Bildung militärischer Banden" eingeleitet. Am 15. Oktober 1923 entließen ihn die Leipziger Justizbehörden jedoch aus der Untersuchungshaft mit der Begründung, es bestehe keine Fluchtgefahr. Das Reichswehrministerium und die sächsische Staatsregierung erließen sofort neue Haftbefehle - Roßbach aber hatte sich auf dem schnellsten Weg nach München abgesetzt. Dort konnte er sich auf Grund des speziellen bayerischen Ausnahmezustandes und des Konfliktes zwischen Bayern und Reich sicher fühlen vor der Strafverfolgung des Reiches.

Roßbachs Beteiliung am Hitlerputsch

Im national aufgeheizten München empfingen ihn die dortigen Roßbacher begeistert. Unter dem Kommando des Leutnants a.D. Edmund Heines (1897-1934) hatten sie inzwischen ein Bataillon Roßbach innerhalb der Münchner SA gebildet. Dementsprechend stellte sich Roßbach sofort den Putschplänen Adolf Hitlers zur Verfügung und übernahm die Aufgabe, die Offiziersschüler der Münchner Infanterieschule für das Unternehmen zu gewinnen. Dies gelang ihm offenbar mit dem Argument, Teile der Reichswehr stünden hinter ihm. Am Abend des 8. November begab sich Roßbach daher in die Infanterieschule und stellte dort persönlich eine Sturmabteilung Ludendorff auf. Mit dieser marschierte er zum Bürgerbräukeller. Am frühen Morgen des 9. November erhielt er von Hitler den Auftrag, mit seinen Kadetten das Generalstaatskommissariat in der Maximilianstraße zu besetzen. Dort jedoch hinderte die Bayerische Landespolizei die Putschisten am Vorrücken. Roßbach zeigte sich in dieser Situation unentschlossen und ordnete schließlich den Rückzug an. Am "Marsch auf die Feldherrnhalle" am Vormittag des 9. November war er noch beteiligt. Nach dem dortigen Debakel ergriff er jedoch die Flucht und setzte sich nach Österreich ab. Generalstaatskommissar Gustav von Kahr (BVP, 1862-1934) verfügte am 20. November 1923 das Verbot der "Organisation Roßbach" auch für Bayern.

Das Ende der "Karriere" Roßbachs

Roßbachs persönlicher Mythos als unermüdlicher und unerbittlicher Landsknechtsführer der "nationalen Revolution" war damit zerbrochen. Er kehrte zwar 1926 nach der Einstellung seines Hochverratsverfahrens nach Deutschland zurück und versuchte, mit dem Aufbau der Schill-Jugend und des Ekkehard-Bundes die Jugend wieder für seine eigenwillige Mischung aus soldatischem und "geistigem" Aktivismus zu begeistern. Er erreichte aber nie wieder die Stellung in der nationalen Bewegung, die er - allein durch seinen Namen - von 1919 bis 1923 innegehabt hatte.

Die Bedeutung des Freikorps Roßbach als Kaderschmiede des Nationalsozialismus

Roßbachs alte Organisation indes sollte sich als eine der bedeutendsten Kaderschmieden des Nationalsozialismus erweisen. Zahlreiche spätere NS-Spitzenfunktionäre begannen ihre "Karriere" als Kämpfer im Freikorps Roßbach, unter ihnen Martin Bormann (1900-1945), Kurt Daluege (1897-1946) sowie der spätere Kommandant von Auschwitz, Rudolf Höß (1900-1947).

Literatur

  • Harold J. Gordon Jr., Hitlerputsch 1923. Machtkampf in Bayern 1923-1924, München 1978.
  • Bernhard Sauer, Gerhard Roßbach - Hitlers Vertreter für Berlin. Zur Frühgeschichte des Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 50 (2002), 5-21.

Quellen

  • Arnolt Bronnen, Roßbach, Berlin 1930. (Roßbach-Apologie des "nationalrevolutionär" angehauchten Nietzscheaners A. Bronnen)
  • Gerhard Roßbach, Mein Weg durch die Zeit. Erinnerungen und Bekenntnisse, Weilburg-Lahn 1950. (Autobiographie)

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Christoph Hübner, Freikorps Roßbach, 1919-1923, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Freikorps_Roßbach,_1919-1923 (28.03.2024)