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Freie evangelische Gemeinden

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Hartmut Hövelmann

Aus der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts entstandene freikirchliche Bewegung, deren Kennzeichen unter anderem die Ablehnung des Staatskirchentums und der Säuglingstaufe sind. In Bayern entstand die erste Gemeinde 1930 in Nürnberg, die nächste 1967 in München. Seitdem folgten im Rahmen eines bis jetzt anhaltenden Gründungsprogramms zahlreiche weitere Gemeinden, vorwiegend in den Städten von Oberbayern, Schwaben sowie Mittel- und Unterfranken, während sie in den strukturschwachen Regionen Ostbayerns fast völlig fehlen.

Geschichte

Herrmann Heinrich Grafe. (Bild: Freie evangelische Gemeinden Deutschland)

Die Freien evangelischen Gemeinden entstammen der evangelischen Erweckungsbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gründer der ersten Gemeinde (in Barmen – Elberfeld, heute Wuppertal) war der Kaufmann Hermann Heinrich Grafe (1818-1869).

In Bayern entstanden Freie evangelische Gemeinden erst spät. Älteste Niederlassung ist Nürnberg, wo sich auf Initiative von Willy Diezel (1895-1951) seit 1930 eine Gemeinde im Gefolge eines Notspeisungsprogramms unter Arbeitslosen bildete, das mit Evangelisation und Bibelstunden verbunden war. 1934 formell errichtet, erhielt die Gemeinde aber erst 1945 einen eigenen Prediger. Von Nürnberg aus entstand seit 1964 eine Gemeinde in München (1967 formelle Gründung). Demgegenüber ist die Errichtung einer Gemeinde in Augsburg 1968 auf die Missionstätigkeit von "The Evangelical Free Church of America" zurückzuführen.

Aufgrund einer bis heute anhaltenden aktiven Gründungspolitik bestanden 2005 in Bayern 45 Gemeinden. Die Zahl der registrierten Mitglieder in Bayern ist mit ca. 2.900 relativ klein. Ihren geographischen Schwerpunkt haben sie in den wirtschaftlich prosperierenden Großräumen München-Augsburg (inkl. des Allgäus) und Nürnberg-Fürth-Erlangen sowie den größeren Main-Städten Bamberg, Würzburg und Aschaffenburg. Auffällig ist demgegenüber das fast völlige Fehlen in den strukturschwachen Regionen Ostbayerns (Regierungsbezirke Niederbayern, Oberpfalz und Oberfranken).

Organisation

Logo Freie evangelische Gemeinden Deutschland (Bild: Freie evangelische Gemeinden Deutschland)

Der deutsche Bund Freier Evangelischer Gemeinden (BFeG), der sich als "geistliche Lebens- und Dienstgemeinschaft selbständiger Gemeinden" versteht, gliedert sich in 22 "Kreise" (Bezirke) mit über 400 Gemeinden. Der bayerische Kreis wurde neuerdings in einen nord- und einen südbayerischen aufgeteilt. Einen sehr hohen Stellenwert haben Hauskreise zur Vertiefung des Glaubens und zur Stärkung der Verbundenheit. Die bundesweite Aus- und Fortbildungsstätte für Prediger ist in Dietzhölztal-Ewersbach (Dillkreis). Für die publizistische und missionarische Arbeit ist der Bundes-Verlag in Witten zuständig. Witten ist auch der Sitz der Bundesgeschäftsstelle. Die Bundesleitung vertritt den Bund nach außen, ist aber keine Vorordnung gegenüber den Gemeinden.

Lehre

Die evangelischen Freikirchen gehören zu den aus der Reformation hervorgegangenen Glaubengemeinschaften. Als Glaubengrundlage gelten ihnen nur das Neue Testament, nicht jedoch die Bekenntnisschriften. Praktiziert wird die Mündigentaufe. Bei Übertritten wird die Säuglingstaufe aber akzeptiert und nur auf Verlangen "ergänzt". Das Abendmahl bewirkt nicht die Sündenvergebung, sondern setzt sie voraus. Die Gemeinden stimmen mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis überein. Jede Einzelgemeinde ist selbstständig und unabhängig (kongregationalistisches Kirchenverständnis) und als solche Trägerin des geistlichen Lebens.

Ökumene

Der Bund Freier evangelischer Gemeinden hält einen Bruch mit dem Staatskirchentum für erforderlich (Folge u. a. Ablehnung der Kirchensteuer). Darum ist das ökumenische Engagement der Freien evangelischen Gemeinden eher zurückhaltend. Sie nehmen an der bayerischen AcK (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen) nur als Gäste teil. Dagegen arbeitet man in der Evangelischen Allianz und in der Vereinigung evangelischer Freikirchen mit. Mit dem Diakonischen Werk der EKD wie auch mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag arbeitet der Bund Freier evangelischer Gemeinden ebenfalls zusammen.

Literatur

  • Heinz Jürgen Aubeck/Dora Braun, Die freikirchlich-christlichen Gemeinden und überkonfessionellen christlichen Werke in Süd- und Mittelbayern, Friedberg 1991. (Guter Überblick des Standes Anfang der 1990er Jahre)
  • Wolfgang Dietrich (Hg.), Ein Act des Gewissens. Geschichte und Theologie der Freien evangelischen Gemeinden. 2 Bände, Witten 1988.
  • Ernst-Wilhelm Erdlenbruch/Heinz-Adolf Ritter, Freie evangelische Gemeinden, Witten 1995.
  • Erich Geldbach, Freikirchen. Erbe, Gestalt und Wirkung (Bensheimer Hefte 70), Göttingen 1989, 146-153.
  • Karl Eduard Haas, Die kleinen christlichen Kirchen und freien Gemeinden in Bayern, Nürnberg 1976, 146-153.
  • Horst Reller/Hans Krech/Matthias Kleiminger (Hg.), Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, Gütersloh 5. Auflage 2000, 60-77.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Hartmut Hövelmann, Freie evangelische Gemeinden, publiziert am 15.11.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Freie_evangelische_Gemeinden> (29.03.2024)