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Feldherrnhalle: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Die am Vorbild der Florentiner Loggia dei Lanzi orientierte Feldherrnhalle am Münchner Odeonsplatz wurde 1841-1844 durch Friedrich von Gärtner (1791-1847) errichtet. Dem Andenken militärisch herausragender Persönlichkeiten gewidmet, sollte sie nach den Plänen Ludwigs I. (reg. 1825-1848) in städtebaulicher Hinsicht vor allem als repräsentativer Zielpunkt der Ludwigstraße dienen. Die Nationalsozialisten deuteten die Feldherrnhalle nach 1933 grundsätzlich um: sie wurde zum zentralen Erinnerungsort des gescheiterten Hitlerputsches 1923 und zum permanenten Ort der Selbstinszenierung. Im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben teilweise zerstört, entfernten Münchner Bürger bald nach dem Krieg die NS-Überreste. Seitdem wird die Feldherrnhnalle verschieden gedeutet und als Ort der Auseinandersetzung mit der bayerischen und deutschen Geschichte wahrgenommen.
Die am Vorbild der Florentiner Loggia dei Lanzi orientierte Feldherrnhalle am Münchner Odeonsplatz wurde 1841-1844 durch Friedrich von Gärtner (1791-1847) errichtet. Dem Andenken militärisch herausragender Persönlichkeiten gewidmet, sollte sie nach den Plänen Ludwigs I. (reg. 1825-1848) in städtebaulicher Hinsicht vor allem als repräsentativer Zielpunkt der Ludwigstraße dienen. Die Nationalsozialisten deuteten die Feldherrnhalle nach 1933 grundsätzlich um: sie wurde zum zentralen Erinnerungsort des gescheiterten Hitlerputsches 1923 und zum permanenten Ort der Selbstinszenierung. Im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben teilweise zerstört, entfernten Münchner Bürger bald nach dem Krieg die NS-Überreste. Seitdem wird die Feldherrnhnalle verschieden gedeutet und als Ort der Auseinandersetzung mit der bayerischen und deutschen Geschichte wahrgenommen.
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== Von der Idee zum ausgeführten Denkmal ==
== Von der Idee zum ausgeführten Denkmal ==
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Version vom 5. November 2020, 19:31 Uhr

Ansicht der Feldherrnhalle. Fotografie von Joachim Kankel, 1970/1980. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv kank-001250)

von Hannelore Putz

Die am Vorbild der Florentiner Loggia dei Lanzi orientierte Feldherrnhalle am Münchner Odeonsplatz wurde 1841-1844 durch Friedrich von Gärtner (1791-1847) errichtet. Dem Andenken militärisch herausragender Persönlichkeiten gewidmet, sollte sie nach den Plänen Ludwigs I. (reg. 1825-1848) in städtebaulicher Hinsicht vor allem als repräsentativer Zielpunkt der Ludwigstraße dienen. Die Nationalsozialisten deuteten die Feldherrnhalle nach 1933 grundsätzlich um: sie wurde zum zentralen Erinnerungsort des gescheiterten Hitlerputsches 1923 und zum permanenten Ort der Selbstinszenierung. Im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben teilweise zerstört, entfernten Münchner Bürger bald nach dem Krieg die NS-Überreste. Seitdem wird die Feldherrnhnalle verschieden gedeutet und als Ort der Auseinandersetzung mit der bayerischen und deutschen Geschichte wahrgenommen.

Schwabinger Tor mit Theatinerkirche. Die nördliche Einfahrt Münchens entsprach in keiner Weise den repräsentativen Erfordernissen einer königlichen Haupt- und Residenzstadt. Gemälde von Joseph Carl Cogels von 1814. (Gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Friedrich von Gärtners endgültiger Entwurf der Feldherrnhalle. Tuschefederzeichnung mit Bleistift. (Architektursammlung der Technischen Universität München, gaer_f-357-3 lizenziert durch CC BY-NC-ND 4.0)

Von der Idee zum ausgeführten Denkmal

Mit der Niederlegung der Festungsanlagen in München ab 1791 verlor das Schwabinger Tor mit dem vorgelagerten Erdwall und dem Befestigungsgraben seine Funktion. In der Folge stellte sich die drängende Frage der städtebaulichen Umgestaltung gerade im Umfeld der Residenz, die topographisch im Nordosten und in direkter Nähe zu diesen wenig repräsentativen Befestigungsanlagen des alten München gelegen war. Im direkten Umgriff der Residenz ragte zudem der massige Baukörper der Gastwirtschaft "Zum Bauerngirgl" störend in die Platzanlage zwischen Residenz und Theatinerkirche hinein. Schon in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts hatten Architekten, beispielsweise François Cuvilliés d. J. (1731-1777), nach stimmigen Lösungen gesucht.

Kronprinz Ludwig (1786-1868, König 1825-1848) bemühte sich seit 1812 darum, die nördliche Stadterweiterung und die Stadteinfahrt in seinem Sinne gestalten zu lassen. Die Anlage der Ludwigstraße, des Odeonsplatzes, der Brienner Straße, dann die Überformung der Residenz und des Hofgartens sollten die Hauptstadt zum "Denkmal des Königreichs" (Glaser) werden lassen.

In diesen Zusammenhang gehört auch die Feldherrnhalle, die als repräsentativer Zielpunkt der Ludwigstraße errichtet wurde. Beginnend mit dem Siegestor sollten Reisende über die prachtvolle Ludwigstraße zur Feldherrnhalle und damit zum eigentlichen Höhepunkt, der Residenz, geleitet werden. Bis in das Jahr 1827 sind Ludwigs erste Überlegungen zurückzuverfolgen. Zunächst war Georg Friedrich Ziebland (1800-1873) als Architekt für die Errichtung eines Wachthauses vorgesehen. Seine Überlegungen konnten den König allerdings nicht überzeugen. Vorschläge des Architekten Leo von Klenze (1784-1864) brachten immerhin die später verwirklichte "poetische Idee" des Denkmals ein: das neu zu errichtende Gebäude sollte militärisch herausragende Persönlichkeiten ehren, konkret: Johannes T’Serclaes von Tilly (1559-1632), der siegreiche bayerischer Feldherr des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) und Fürst Carl Philipp von Wrede (1767-1838) für seine Erfolge in den sog. Befreiungskriegen (1813-1815).

Seit 1833 sprach Ludwig I. mit Friedrich von Gärtner (1791-1847) über das Projekt, 1835 erhielt dieser den Auftrag, den südlichen Abschluss der Ludwigstraße nach dem Vorbild der Fontana di Trevi in Rom zu gestalten. 1836 legte sich der König dem Vorschlag Gärtners gemäß auf das Vorbild der Loggia dei Lanzi in Florenz (Italien) fest. Seit Mai 1841 ist zu belegen, dass Ludwig darüber nachdachte, das Denkmal als "Feldherrnhalle" zu bezeichnen. Am 18. Juni 1841, dem Gedenktag des Sieges der Alliierten über Napoleon bei Waterloo 1815, legte der König den Grundstein. 1844 wurde der Bau eingeweiht. Finanziert wurde er aus persönlichen Mitteln Ludwigs; er kostete gut 245.000 Gulden. Der König vermachte die Feldherrnhalle dem Staatsgut unter dem besonderen Nutzungsvorbehalt der Krone.

Architektonische Beschreibung

Die im 14. Jahrhundert von Benci di Cione (gest. 1388) und Simone di Francesco Talenti (gest. 1369) errichtete "Loggia dei Lanzi" an der Piazza della Signoria in Florenz stellt unübersehbar das architektonische Vorbild für die Münchner Feldherrnhalle dar. König Ludwig I. wollte die in Florenz städtebaulich ähnlich platzierte Loggia auf München übertragen wissen. An zentraler Stelle der Stadt und in der Nähe des Palazzo Vecchio diente sie zunächst als Ort wichtiger öffentlicher Ereignisse, später als Unterkunft der Landsknechte Cosimos I. (reg. 1537-1574 als Herzog von Florenz). Gärtner griff das Florentiner Vorbild auf, passte es aber absichtsvoll den Münchner Verhältnissen an. Die Loggia mit ihren dreiseitig offenen Rundbogenarkaden wirkt im Vergleich gewaltiger. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Sockel des Kalksteinquaderbaus erhöht worden ist, was eine monumentalere Gestaltung der Freitreppe im Norden bedingte. An der Fassade weisen die angebrachten Wappen auf König Ludwig I. von Bayern und dessen Gattin Therese von Sachsen-Hildburghausen (1792-1854) als Auftraggeber hin. Der reichhaltige bauplastische Schmuck am oberen Abschluss der Fassade wirkt strenger als jener in Florenz, was durch wirkungsvolle leere Flächen an der Fassade verstärkt wird.

Der Münchner Bildhauer Ludwig von Schwanthaler (1802-1848) schuf die Entwürfe zu den Plastiken der Feldherren Graf Tilly und Fürst Wrede. Ferdinand von Miller (1813-1887) goss sie in Erz. Prinzregent Luitpold (reg. 1886-1912) gab 1892 das "Armeedenkmal" in der Mitte der Halle in Auftrag, das von Millers gleichnamigen Sohn (1842-1929) geschaffen wurde. Die Figurengruppe – ein Krieger, der sein Schild schützend über die Allegorie des "Friedens" hält und zu dessen Füßen der bayerische Löwe lagert – sollte an die Gefallenen des sog. Deutsch-Französischen Kriegs (1870/71) erinnern. Schließlich kamen die schon von Gärtner vorgesehenen Marmorlöwen zu Füßen der Feldherrnhalle erst durch Wilhelm Ruemann (1850-1906) 1905 an ihren heutigen Platz. Eine 1924 auf Initiative des Bundes "Bayern und Reich" errichtete Gedenktafel erinnerte an die nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg verloren gegangenen Gebiete des Deutschen Reichs; sie wurde 1938 entfernt.

Die Feldherrnhalle diente von Beginn an als Ort von Kundgebungen und als Ziel von Fackelzügen und militärischen Aufmärschen – sei es das große Schillerfest 1859 oder seien es die Feiern zu Krieg und Sieg 1870/1871 oder das Deutsche Bundesschiessen 1881. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie weiter als politischer Ort genutzt. Darüber hinaus aber war sie bis zur NS-Zeit geselliger Ort und beliebter Treffpunkt gewesen.

Hitlerputsch 1923 und Nationalsozialistische Zeit

Adolf Hitler vor der Feldherrnhalle bei der Gedenkfeier am 8./9. November 1934. Fotografie von Heinrich Hoffmann. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-9720)
Vereidigung von Rekruten am 7. November 1935 vor der Feldherrnhalle. Fotografie von Heinrich Hoffmann. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-11871)

Am 8./9. November 1923 versuchte der Parteiführer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), Adolf Hitler (NSDAP, 1889-1945, Reichskanzler 1933-1945), sich an die Macht zu putschen. Etwa 2.000 bewaffnete Aufständische, die vom Bürgerbräu am Gasteig über den Marienplatz in Richtung Kriegsministerium in der Ludwigstraße zogen, wurden am Odeonsplatz von der bayerischen Landespolizei mit Waffengewalt aufgehalten. Dabei starben ein unbeteiligter Zivilist, vier Polizisten und 15 Putschisten. Hitler wurde 1924 wegen Hochverrats zur Mindeststrafe von fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Bereits am 20. Dezember 1924 kam er auf Bewährung wieder frei.

Der niedergeschlagene Putschversuch ging in den nationalsozialistischen Parteikult ein. Innerhalb der NS-eigenen Zeitrhythmisierung gehörten die Feiern mit dem Marsch zur Feldherrnhalle, Reden und Kranzniederlegungen zu den zentralen Ereignissen des Jahres. Auch andere große Propagandaveranstaltungen von Staat und Partei fanden vor der Feldherrnhalle statt. Die Feldherrnhalle als "Weiheort" verschaffte der Stadt München unter den deutschen Städten auch eine Ausnahmestellung: der Titel "Hauptstadt der Bewegung" nimmt vor allem Bezug auf München als Gründungs- und Aufstiegsort der Partei, wobei in diesem Kontext der Putschversuch eine herausragende Rolle spielte. So stiftete Hitler in Erinnerung an die Münchner Ereignisse das "Ehrenzeichen 9. November" mit schließlich 4.000 besonders ausgezeichneten Parteimitgliedern. Die sog. "Blutfahne" avancierte zu einer der Hauptreliquien der Nationalsozialisten. Die NS-Propaganda verherrlichte den Putschversuch als "Heroentat". Viele der in dieser Zeit dazu entstandenen Gedichte und Geschichten gehörten zum politischen Grundlagenunterricht der Jugend.

Die Feldherrnhalle selbst wurde zentrale Kultstätte. Das den toten Putschisten gewidmete Denkmal von Paul Ludwig Troost (1878-1934) an der Ostseite der Feldherrnhalle und die angebrachten NS-Embleme überformten markant das ludovicianische Denkmal. Die zu "Märtyrern der Bewegung" stilisierten Putschisten erhielten durch das Denkmal eine besondere "Weihe". Eine "Ehrenwache der SS" hob den Ort und die Putschisten besonders heraus, die Passanten mussten ihnen mit dem Hitlergruß die Ehre erweisen.

Dementsprechend erlebte der als Epitheton verstandene Begriff "Feldherrnhalle" Konjunktur. So ließen sich beispielsweise militärische Einheiten der Wehrmacht wie der Partei mit diesem Zusatz als besonders parteitreu ausweisen.

Vielfach gedeuteter Symbolort in bundesrepublikanischer Zeit

Das "Ehrenmal" von Troost wurde Anfang Juni 1945 gestürzt, die Embleme der NS-Ideologie beseitigt. Die über Jahre eingebrannte NS-Aufladung des Ortes aber blieb.

So bot sich die Feldherrnhalle nachgerade an, zu einem Ort der Auseinandersetzung mit dem Geschehenen zu werden. Während am 20. Mai 1945 der Schriftzug zu lesen war – "KZ Dachau – Velden – Buchenwald / Ich schäme mich, daß ich ein Deutscher bin" –, fand sich nur wenig später auf der Ostseite der Text "Goethe Diesel Haydn, Rob. Koch Ich bin stolz Deutscher zu sein". Die Bundespräsidenten Theodor Heuss (reg. 1949-1959) und Heinrich Lübke (reg. 1959-1969) vermieden es ganz bewusst, vor der Feldherrnhalle zu sprechen; zu bekannt dürften ihnen die Bilder nationalsozialistischer Inszenierung gewesen sein. Der Französische Präsident Charles de Gaulle (reg. 1959-1969) hingegen sprach während seines Besuches der Stadt München 1962 an der Feldherrnhalle.

Großer Zapfenstreich des Bundesgrenzschutzes vor der Münchner Feldherrnhalle, 11.6.1961. (Stadtarchiv München: RD2010A01, Foto Rudi Dix)

In den Jahrzehnten nach 1945 glaubte man allerdings auch, mit der Beseitigung der NS-Zeichen gleichsam die NS-Geschichte der Feldherrnhalle getilgt zu haben. Das Denkmal sollte rückinterpretiert werden als militärisches Denkmal und Erinnerungsdenkmal der bayerischen Armee. So nutzten, wie schon zuvor die bayerische Landespolizei, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr seit den 1960er Jahren die Feldherrnhalle für besondere militärische Zeremonien. Nur langsam wuchs hier ein kritisches Bewusstsein für eine unhinterfragte Nutzung in demokratischen Zeiten. Heute finden dort keine militärischen Feiern mehr statt.

Auch rechtsextreme Gruppen entdeckten die Feldherrnhalle für sich. So hielten am 18. August 1987 13 Neonazis eine sog. "Mahnwache" für den am Tag zuvor im Gefängnis verstorbenen früheren Führerstellvertreter Rudolf Heß (NSDAP, 1894-1987).

Zu beobachten ist aber auch, dass die Feldherrnhalle - sicherlich auch wegen ihrer Platzierung an Ludwigstraße und Odeonsplatz - vor allem seit den 1990er Jahren zu einem Ort demokratischer Kundgebungen und Demonstrationen geworden ist. Die Kunstaktion von Rudolf Herz (geb. 1954) und Thomas Lehnerer (1955-1995) beispielsweise erregte 1990 viel Aufmerksamkeit. Die Künstler baten auf einer temporär installierten Gedenkplatte an der Feldherrnhalle die jüdischen Bürger, die ab 1933 aus Deutschland hatten fliehen müssen, in das Land zurückzukehren.

1994 bzw. 2010 erhielten die Polizisten, die 1923 beim Hitlerputsch getötet worden waren, ein eigenes Gedenken. Zudem erinnert seit 1995 die Bodeninstallation "Argumente" von Bruno Wank (geb. 1961) an diejenigen, die während des Nationalsozialismus die hinter der Feldherrnhalle gelegene Viscardigasse nutzten, um den befohlenen Hitlergruß am NS-Denkmal für die Putschisten 1923 zu umgehen.

Resümee

Die Feldherrnhalle hat im Lauf ihrer Geschichte Umdeutungen erfahren und ist heute in mehrfacher Weise ein Erinnerungsmal. Sie wird widersprüchlich wahrgenommen, weil in sie unterschiedliche Sinnstiftungen eingegraben sind. Die im Lauf ihrer Geschichte immer wieder widerstreitenden "Verkündigungsaufträge" der Feldherrnhalle bedürfen einer lebendigen und offenen Erinnerungskultur, um an ihrem Beispiel zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der bayerischen und deutschen Geschichte zu finden.

Literatur

  • Burckhard Dücker, Politische Rituale als Bewegungen im öffentlichen Raum. "Der Marsch auf die Feldherrnhalle" (1923) - "Der Marsch durch Moskau" (1944), in: Jörg Gengnagel/Monika Horstmann/Gerald Schwedler (Hg.), Prozessionen, Wallfahrten, Aufmärsche. Bewegung zwischen Religion und Politik in Europa und Asien seit dem Mittelalter (Menschen und Kulturen 4), Köln u. a. 2008, 361-376.
  • Hubert Glaser, Die Hauptstadt als Denkmal des Königreichs, in: Alois Schmid (Hg.), 1806. Bayern wird Königreich. Vorgeschichte – Inszenierung – europäischer Rahmen, Regensburg 2006, 229–257.
  • Bernhard Grau, Die Feldherrnhalle, in: Marita Krauss (Hg.), Die Zeichen der Zeit. Alltag in München 1933-1945, Berlin 1991, 105-114.
  • Rudolf Herz/Thomas Lehnerer, Schild an der Feldherrnhalle, in: Detlef Hoffmann/Karl Ermert (Hg.), Deutschlandbilder – oder doch nur Bilder von Deutschland? (Loccumer Protokolle 65/1990), Stolzenau 1991, 211-241.
  • Birgit-Verena Karnapp, Feldherrnhalle am Odeonsplatz, München, in: Winfried Nerdinger (Hg.), Friedrich von Gärtner. Ein Architektenleben (1791–1847). Mit den Briefen an Johann Martin von Wagner, München 1992, Nr. 36, S. 243f.
  • Hannelore Kunz-Ott/Andrea Kluge (Hg.), 150 Jahre Feldherrnhalle. Lebensraum einer Großstadt. Materialien zu einem Baudenkmal, München 1994.
  • Ulrike Laufer, Bayerisch Schwarz-Rot-Gold oder die Schönwetterfahne auf der Feldherrnhalle, in: Hans Ottomeyer/Ulrike Laufer (Hg.), Biedermeiers Glück und Ende … die gestörte Idylle 1815-1848, München 1987, 255-257.
  • Hans Lehmbruch, Ein neues München. Stadtplanung und Stadtentwicklung um 1800. Forschungen und Dokumente, Buchendorf 1987.
  • Hans Lehmbruch, Die Feldherrnhalle am Odeonsplatz in München, 1841-1844, in: Winfried Nerdinger (Hg.), Romantik und Restauration. Architektur in Bayern zur Zeit Ludwigs I. 1825–1848 (Ausstellungskataloge der Architektursammlung der Technischen Universität München und des Münchner Stadtmuseums 6), München 1987, Nr. 39, 234-238.
  • Winfried Nerdinger (Hg.), Klassizismus in Bayern, Schwaben und Franken. Architekturzeichnungen 1775–1825 (Ausstellungskataloge der Architektursammlung der Technischen Universität München und des Münchner Stadtmuseums 3), München 1980.
  • Winfried Nerdinger (Hg.), Leo von Klenze – Architekt zwischen Kunst und Hof 1784–1864 (Ausstellungskataloge des Architekturmuseums der Technischen Universität München und des Münchner Stadtmuseums 11), München 2000.
  • Winfried Nerdinger u. a. (Hg.), München und der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentationszentrums München, München 2015.

Quellen

  • Hubert Glaser (Hg.), König Ludwig I. von Bayern und Leo von Klenze. Der Briefwechsel, 3 Bände (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns V), München 2004-2011.


Weiterführende Recherche

Empfohlene Zitierweise

Hannelore Putz, Feldherrnhalle, publiziert am 30.10.2020; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Feldherrnhalle> (16.04.2024)