• Versionsgeschichte

Die Neue Zeitung

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Version vom 21. April 2021, 13:15 Uhr von imported>Zechkleberb (→‎Eine amerikanische Zeitung für Deutschland)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Titelblatt der Erstausgabe der Neuen Zeitung (NZ) vom 18. Oktober 1945. Das Titelblatt der ersten Ausgabe prägten drei Artikel, von denen sich einer mit dem Thema Schwarzmarkt befasst und ein zweiter mit der Reeducation. Ein dritter war eine Art Proklamation General Dwight D. Eisenhowers (1890-1969, Militärgouverneur der US-Besatzungszone 1945, US-Präsident 1953-1961) an die deutsche Bevölkerung. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-64507)

von Bernhard von Zech-Kleber

Die Neue Zeitung (NZ) zählte zu den wichtigsten Zeitungen der deutschen Nachkriegszeit. Sie erschien erstmals am 18. Oktober 1945 im Verlag der US-Armee und ersetzte die sog. Heeresgruppenblätter in der US-Besatzungszone. Das Blatt hatte seinen Sitz in der Münchner Schellingstraße 39, der ehemaligen Druckerei des „Völkischen Beobachters“. Prägende Persönlichkeiten waren die beiden ersten Chefredakteure Hans Habe (eigtl. János Békessy, 1911–1972) und Hans Wallenberg (1907–1977). Anfang der 1950er Jahre geriet die Zeitung finanziell unter Druck, da u. a. die Subventionierung durch die US-Regierung zurückgefahren wurde. Am 30. Januar 1955 musste die NZ ihr Erscheinen schließlich einstellen.

Einführung

Nach dem Einmarsch in Deutschland gaben die USA in den besetzten Gebieten sog. Heeresgruppenblätter heraus. Eine deutsche Presse war nach einem Verbot vom 24. November 1944 in den besetzen Gebieten nicht vorhanden. In Bayern gab es in den Städten Augsburg (Augsburger Anzeiger, 13.7.–23.10.1945), Bamberg (Bayrischer Tag, 19.5.–13.11.1945), Regensburg (Regensburger Post, 29.6.-16.10.1945) und München (Münchener Zeitung, 9.6.–6.10.1945) jeweils eine Heeresgruppenzeitung. Diese Zeitungen dienten der Reeducation und Information der deutschen Bevölkerung in den von der US-Armee besetzten Gebieten. Ihr Herausgeber war die „Psychological Warfare Division“ der US-Armee. Mit dem Übergang zur Lizenzierung regulärer Zeitungen im Spätherbst 1945 stellten die US-Amerikaner ihre Heeresgruppenblätter bis November 1945 ein. Ab 28. Juni 1945 regelte die Direktive Nr. 3 die Zulassung regulär lizenzierter Zeitungen. Die Lizenzvergabe war dabei an strenge Voraussetzungen im Hinblick auf die politische Vergangenheit der Herausgeber geknüpft.

Die Zonenzeitungen der Alliierten

Neben den neu lizenzierten Zeitungen traten auch die Besatzungsmächte weiterhin als Herausgeber eigener Blätter auf. Das Verbreitungsgebiet dieser sog. Zonenzeitungen war auf die jeweilige Besatzungszone beschränkt. Das vorrangige Ziel dabei war die Reeducation im Sinne der jeweiligen Besatzungsmacht. Die erste dieser Zeitungen wurde ab dem 15. Mai 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) herausgegeben (Tägliche Rundschau). Es folgten am 26. September 1945 die Franzosen (Nouvelles de France) und am 2. April 1946 die Briten (Die Welt). Überlegungen zur Herausgabe einer offiziellen Zeitung der US-Militärregierung existierten schon seit Juli 1945. Am 18. Oktober 1945 erschien in München schließlich unter dem Namen „Die Neue Zeitung“ (NZ) erstmals die offizielle Zeitung der US-Militärregierung in Deutschland (Startauflage: 500.000).

Eine amerikanische Zeitung für Deutschland

Hans Habe (eigtl. János Békessy, 1911–1972) wurde erster Chefredakteur der Neuen Zeitung (NZ). Nach Differenzen mit den Herausgebern verließ er die Zeitung bereits wenige Monate später. Ab 1949 gab er die Zeitschrift "Münchner Illustrierte" heraus. Foto: Heinz Hering, um 1950. (Hans Habe Stiftung)

Die Neue Zeitung sollte nicht in Konkurrenz zu den neu lizenzierten Zeitungen treten, sondern diese ergänzen. Dabei war sie nicht als eine der Indoktrination dienende Zeitung angelegt, sondern sollte die deutsche Bevölkerung in der amerikanischen Besatzungszone auf hohem Niveau durch eine objektive Berichterstattung informieren. Gleichwohl wird in ihrem Untertitel „eine amerikanische Zeitung für die deutsche Bevölkerung“ die Ausrichtung deutlich. Auf Seite vier (später sechs) fand sich das Impressum, das den Leser zusätzlich darüber in Kenntnis setzte, dass sie im Verlag der US-Armee erscheint und es sich um die „einzige deutschsprachige Zeitung [handelt], die in allen Teilen des von USA.-Truppen besetzen Gebietes verbreitet wird“. Herausgeber war die „Information Control Division“ (ICD; ab November 1948: „Information Services Division“, ISD), die direkt der US-Militärregierung unterstand.

Erster Chefredakteur der NZ wurde am 18. Oktober 1945 der österreichische Journalist und Schriftsteller Hans Habe (eigtl. János Békessy, 1911–1972), der 1938 vor den Nationalsozialisten zunächst nach Frankreich und 1940 schließlich in die USA emigriert war. Als Leiter des "Publicity & Psychological Warfare Detachment" (P&PW Det.) kam er mit der US-Armee nach Deutschland und verantwortete die Herausgabe aller Heeresgruppenzeitungen der US-Armee in Deutschland. Seit dem 11. November 1945 teilte sich Habe den Posten des Chefredakteurs mit Hans Wallenberg (1907–1977), der auf Stefan Heym (eigtl. Helmut Flieg, 1913–2001) folgte. Wallenberg hatte bis dahin die "Allgemeine Zeitung" in Berlin als Chefredakteur verantwortet, die die US-Militärregierung nach Protesten der sowjetischen Verbündeten einstellen musste. Vorausgegangen war der gescheiterte Versuch, in Berlin eine von allen vier Alliierten gemeinsam herausgegebene Zeitung zu initiieren.

Die Zeitung fand großen Zuspruch und die Auflage stieg von 500.000 im Oktober 1945 auf 1,6 Mio. im Januar 1946 (im ersten Quartal 1946 betrug die Gesamtauflage aller lizenzierten Zeitungen in der US-Zone monatlich rund vier Millionen). Später wurde das Blatt auch außerhalb der amerikanischen Besatzungszone vertrieben. Trotz des Erfolgs der Zeitung geriet Habe bereits um den Jahreswechsel 1945/46 u. a. wegen seiner Kritik an den sowjetischen Verbündeten und an den Nürnberger Prozessen in Konflikt mit den Herausgebern. Längst hatte er sich von der Rolle des bloßen Sprachrohrs, die ihm die US-Militärregierung intern zugemessen hatte, emanzipiert. Nach einer Verschärfung des Konflikts Anfang März 1946 verließ er die NZ am 11. März 1946.

Hans Wallenberg (1907–1977) war bereits enger Mitarbeiter von Hans Habe (eigtl. Hans Bekessy, 1911–1972) bevor er im März 1946 dessen Nachfolger als Chefredakteur wurde. (SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Fritz Eschen)

Habes Nachfolger wurde auf seine Empfehlung hin am 15. März 1946 Hans Wallenberg, der ebenfalls vor den Nationalsozialisten geflohen und 1938 aus Prag (Tschechien) in die USA emigriert war. Im September 1947 musste auch er aufgrund heftiger Differenzen mit der ICD um die politische Ausrichtung und Einflussnahme der Neuen Zeitung seinen Posten räumen. Verstärkt wurden die Differenzen zwischen Wallenberg und der ICD seit Mai 1946 durch den Weggang einiger Redakteure sowie eine weniger generöse Bereitstellung von Mitteln durch die ICD, was zu Schwierigkeiten in der Redaktionsarbeit führte (bspw. Zuweisung von Papier, Benzin oder Fahrzeugen). Die verkleinerte Redaktion und die vorgenannten Schwierigkeiten führten letztlich auch zu einem Rückgang der Auflage von 1,5 Mio. im März 1946 auf 1,1 Mio. im November 1946. Der zunehmend von der ICD in seiner Position eingeengte Wallenberg kehrte in die USA zurück. Interimsweise übernahm der bisherige Chef vom Dienst, Max W. Kraus (1920-1998), Wallenbergs Posten. Auf ihn folgte im Februar 1948 Jack M. Fleischer, der Europakorrespondent eines amerikanischen Magazins (im Impressum schon seit 10. Oktober 1947 als Chefredakteur geführt).

Fleischer änderte die Linie radikal und schwenkte um auf eine ausgesprochen pro-amerikanische Berichterstattung. Als Kontrollmechanismus führte Fleischer das sog. Copy-Desk ein. In der Folge wurde kein Beitrag mehr gedruckt, der nicht von Fleischer zuvor abgesegnet worden war. Leitartikel wurden erst gedruckt, nachdem vom Office of Military Government for Germany U.S. (OMGUS) aus Berlin das O.K. dazu gegeben wurde. Neben einer Veränderung der Führungskultur führten diese starken Eingriffe in die bis dato gegebene journalistische Freiheit der Redakteure zu großen Differenzen zwischen Fleischer und den Redakteuren einerseits sowie zum Unmut der Redakteure mit ihren Herausgebern. Das Vorgehen Fleischers, der zunächst die Rückendeckung der Herausgeber besaß, provozierte sowohl das Lager der linksliberalen wie auch der konservativen Redakteure. Gleichzeitig sank die Auflage der Zeitung seit dem Kurswechsel auf 900.000. Eine Gruppe um den Journalisten Hans Lehmann, der im NS-Staat in den Leipziger Neuesten Nachrichten zu den regimetreuen Journalisten gezählt hatte, erzwang schließlich die Absetzung Fleischers Ende September 1948. Enno Hobbing, Chef des Berliner Büros der NZ, übernahm vorübergehend bis November 1948.

Mit der Änderung der inhaltlichen Ausrichtung seit Währungsreform und beginnendem Kalten Krieg war die Neue Zeitung nicht mehr „Ein Forum für deutsche Meinungen“, sondern zum „Hausorgan der Militärregierung“ (Wittmann, Straßen, 32) geworden. Die starke liberale Prägung ging verloren. Aus Protest verließen zum 31. März 1949 zahlreiche Redakteure wie Robert Lembke (1913–1989), Peter Boenisch (1927–2005), Hildegard Brücher (verh. Hamm-Brücher, FDP, 1921–2016), Else zu Reventlow (geb. Reimann, SPD, 1897–1984) und Max W. Kraus die Neue Zeitung.

Auf Hobbing folgte Kendall Foss (1904–1964), der in den 1920er Jahren zunächst in Berlin Korrespondent der Londoner Times, ab den 1930er Jahren bis kurz vor Kriegsende Moskau-Korrespondent für den International News Service war. Die Ambitionen von Foss, das Blatt auf eine deutschnationale Linie zu bringen, stießen im ISD auf Widerstand. Foss musste schon nach kurzer Zeit seinen Hut nehmen. Es gelang den Herausgebern schließlich im November 1949 Hans Wallenberg zur erneuten Übernahme der Chefredaktion zu überreden. Die Querelen innerhalb der Neuen Zeitung führten zu einem gewaltigen Imageschaden, der die Auflage auf nur mehr 250.000 Exemplare sinken ließ.

Unter Wallenberg, der nun bis zum Ende der Frankfurter Redaktion der Neuen Zeitung im September 1953 Chefredakteur blieb, entwickelte sich die NZ zu einer der qualitativ hochwertigsten Zeitungen in Deutschland. Seit 1947 war die Neue Zeitung mit einer eigenen Ausgabe in Berlin vertreten und seit Juni 1949 auch in Frankfurt a.M. Der Wegfall des Lizenzzwangs im August 1949 und die Gründung weiterer Zeitungen führte zu einem erhöhten Wettbewerbsdruck auf dem Zeitungsmarkt. Die Auflage der Neuen Zeitung sank in der Folge weiter. Zwar konnte sie sich zunächst auf die finanzielle Unterstützung durch die US-Regierung verlassen – allein 1949 umfasste diese rd. 2,5 Mio. US-Dollar – doch musste sich die Zeitung zunehmend im Markt gegen die Konkurrenz behaupten.

Niedergang der Neuen Zeitung

Die nach dem Wegfall des Lizenzzwangs zunehmende Konkurrenz auf dem deutschen Zeitungsmarkt machte der Neuen Zeitung nachhaltig zu schaffen. War die Zeitung anfangs noch ohne die Schaltung von Inseraten oder Anzeigen ausgekommen, fanden sich solche seit November 1949 auch hier. Hinzu kam, dass die Finanzierung durch die US-Regierung aus innenpolitischen Gründen seit 1950 heruntergefahren und schließlich 1952 eingestellt wurde. Umstritten ist in der Forschung, inwieweit der deutsche Steuerzahler die auflaufenden Defizite hat tragen müssen. Die Münchner Ausgabe wurde 1951 aufgelöst (die Verkaufsauflage im ersten Quartal 1951 betrug nur mehr 176.706). Wallenberg und der Großteil der Münchner Redaktion wechselten nach Frankfurt, das nun Erscheinungsort wurde. Die Neue Zeitung verlor trotz größter Anstrengungen weiter an Bedeutung und erreichte wochentags nur mehr eine Auflage von rd. 160.000, an Wochenenden rd. 250.000 Stück. Als im September 1953 schließlich auch die Frankfurter Ausgabe eingestellt werden musste, verließ Wallenberg die Neue Zeitung erneut. Lediglich die Berliner Ausgabe der NZ blieb bestehen, musste am 30. Januar 1955 allerdings ebenfalls ihr Erscheinen aus finanziellen Gründen einstellen (im ersten Quartal 1954 betrug die Verkaufsauflage lediglich 43.080 Stück).

Aufmachung, Inhalte und Redaktion

Die Neue Zeitung erschien anfangs zweimal pro Woche (ab 4. September 1948 dreimal pro Woche, später von Dienstag bis Sonntag sechsmal pro Woche und damit als erste Zeitung in Deutschland auch sonntags) und kostete 20 Pfennige (ab 1. Juli 1949 15 Pfennige). Technisch bedingt erschien sie im gleichen Format wie der Völkische Beobachter, da dessen Rotationsdruckmaschinen zu ihrer Herstellung genutzt wurden. Den Großteil des Inhalts machten Berichte über internationale und nationale Politik aus (rund drei bis vier Seiten von insgesamt sechs), wobei der Fokus auf auf Deutschland bezogenen Ereignis- und Hintergrundberichten lag. Wesentlich geringeren Umfang besaßen sowohl der Wirtschafts- wie auch der Sportteil. Eine Domäne der Neuen Zeitung war von Anfang an die „Feuilleton- und Kunst-Beilage“, die in jeder Ausgabe enthalten war und das Ziel der Reeducation und Reorientation über den kulturellen Zugang verfolgte – letztlich ganz im Sinne der US-amerikanischen Herausgeber. Die Beilage umfasste ein Drittel des Gesamtumfangs der Zeitung, der anfänglich sechs Seiten betrug (der Umfang wuchs mit den Jahren), und widmete sich sowohl der amerikanischen (und europäischen) wie auch der deutschen Kunst, Kultur und Literatur. Besondere Aufmerksamkeit wurde hier beispielsweise auf die Besprechung von Literatur gelegt, die in NS-Deutschland verboten gewesen war. Ein weiterer wichtiger Baustein war zudem die Rubrik „Jeder lernt Englisch“ (später. „Englisch, wie es nicht im Wörterbuch steht“), die als Sprachkurs für die Leser angelegt war. Bereits ab der zweiten Ausgabe erschien in unregelmäßigen Abständen die Rubrik „Bayerisches Mosaik“, in der dezidiert über Ereignisse unterschiedlichster Art aus Bayern berichtet wurde. Weitere wichtige Rubriken waren „Aus allen Zonen“ (Nachrichten aus ganz Deutschland) und „Der Spiegel der Weltpresse“ (internationale Meldungen).

Der Schriftsteller Erich Kästner (1899–1974) war lange Jahre eine der zentralen Figuren der Neuen Zeitung (NZ) und leitete von 1945 bis 1948 das Feuilleton. Foto: Heinrich Binder, 1949. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-008035)

Die Neue Zeitung hatte von Anfang an ein gut funktionierendes Korrespondentennetz, das die Redaktion mit Informationen aus aller Welt versorgte. Darüber hinaus nutzte sie auch die üblichen Presseagenturen für ihre Berichterstattung. Das Blatt hatte seinen Sitz in der Münchner Schellingstraße 39, der ehemaligen Druckerei des Völkischen Beobachters (Anfang Oktober 1945 waren Hans Habe und die Redaktion aus dem hessischen Bad Nauheim hierher umgezogen). Die Redaktion setzte sich sowohl aus amerikanischen wie auch deutschen Journalisten zusammen – eine Neuerung gegenüber den Heeresgruppenzeitungen. Deutsche arbeiteten nicht nur als reguläre Redakteure, sondern hatten sogar Führungspositionen inne. Nach Habe stellten sie 16 Chefredakteure und 30 leitende Redakteure.

Dabei achteten die Chefredakteure, allen voran Hans Habe, offenbar zunächst kaum auf die politische Vergangenheit der Angestellten in NS-Deutschland. Nicht anders ist es zu erklären, wie offensichtlich regimetreue oder zumindest opportunistische Journalisten wie Hans Lehmann nicht nur eine Anstellung in der Neuen Zeitung fanden, sondern sogar Ressortleiter werden konnten. Lehmann, der vor 1945 bei den Leipziger Neuesten Nachrichten tätig war, verantwortete von November 1945 bis zu seiner Entlassung 1949 das Ressort Außenpolitik. Als Chefredakteur Kendall Foss jedoch mehrere ehemalige ausgesprochen NS-treue Journalisten, darunter einen engen Mitarbeiter von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels (NSDAP, 1897–1945, Reichspropagandaminister 1933–1945) einstellte, kam es zum Eklat. Die US-Militärregierung sah sich nun gezwungen, die Vergangenheit der NZ-Mitarbeiter zu überprüfen. Dies geschah nun ohne Rücksicht auf die journalistische Qualifikation der Person, auf die Habe und die Herausgeber zuvor mehr Wert gelegt hatten als auf deren politischen Leumund. Insgesamt wurden im Februar 1949 deshalb elf Mitarbeiter entlassen, darunter auch Lehmann.

Robert Lembke (1913–1989) zählt zu den Journalisten der Neuen Zeitung (NZ), die auch nach ihrem Ausscheiden aus der Redaktion die kulturelle Entwicklung Deutschlands nach dem Krieg prägten. Foto von Georg Fruhstorfer, 28.1.1969. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-14622)

Das Ressort Innenpolitik leitete seit Ende 1945 Robert Lembke, nachdem der deutschstämmige Stefan Heym wegen seiner russlandfreundlichen Haltung von der US-Militärregierung entlassen worden war (Heym kehrte zunächst in die USA zurück, bevor er 1951 in die DDR emigrierte). Lembke wechselte 1949 zum Bayerischen Rundfunk (BR). Bereits Ende Mai 1945 war Erich Kästner (1899–1974) von der US-Militärregierung auf ein mögliches Engagement für eine neue Zeitung angefragt worden und wurde schließlich im September 1945 „leitender Redakteur des Feuilletons“ (Görtz/Sarkowicz, Kästner, 294). Bis April 1948, als er aufgrund der Restriktionen durch den damaligen Chefredakteur Fleischer entnervt seinen Hut nahm, verantwortete und prägte er das Feuilleton, schrieb allerdings bis 1953 für die Neue Zeitung Beiträge in diesem Bereich. Seine Lebensgefährtin Luiselotte Enderle (1908-1991) wurde zunächst seine Stellvertreterin und nach seinem Ausscheiden seine Nachfolgerin.

Bewertung

Die Neue Zeitung gilt als erfolgreicher Versuch der US-Militärregierung, mithilfe einer Zeitung die Reeducation und Reorientation der deutschen Bevölkerung in der US-Besatzungszone voranzubringen. Sie gilt in der Forschung als „das nach Rang und Umfang bedeutendste Presseerzeugnis der Nachkriegszeit“ (Görtemaker, Geschichte, 224-226). Viele der Journalisten, die die Inhalte der Neuen Zeitung in den ersten Jahren bestimmt hatten, prägten nach ihrem Ausscheiden beziehungsweise nach dem Ende der Neuen Zeitung sowohl die politische wie auch die gesellschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik auf Jahrzehnte. Als Beispiele seien genannt: Egon Bahr (SPD, 1922–2015), Hildegard Hamm-Brücher, Peter Boenisch, Robert Lembke, Walter Kolbenhoff (eigtl. Walter Hoffmann, 1908–1993) oder Fritz Steppat (1923–2006).

Literatur

  • Jessica C. E. Gienow-Hecht, Transmission impossible. American Journalism as Cultural Diplomacy in Postwar Germany 1945–1955.
  • Manfred Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, München 1999.
  • Franz Josef Görtz/Hans Sarkowicz, Erich Kästner. Eine Biographie, München/Zürich 2003.
  • Daniel Herbet, Die Popularität der Neuen Zeitung (1945–1949). Zustimmung zu einer hegemonialen amerikanischen Kulturpolitik oder Wiedergeburt einer elitären deutschen Kultur?, in: Olivier Agard/Christian Helmreich/Hélène Vinckel-Roisin (Hg.), Das Populäre. Untersuchungen zu Interaktionen und Differenzierungsstrategien in Literatur, Kultur und Sprache, Göttingen 2011, 314–327.
  • Dominique Herbet, Die neue zeitung. Un journal américain pour la population allemande (1945–1949), Paris 1997.
  • Christina von Hodenberg, Die Journalisten und der Aufbruch zur kritischen Öffentlichkeit, in: Ulrich Herbert (Hg.), Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980, 2. Aufl. Göttingen 2003, 278–314.
  • Peter Uwe Hohendahl, Solitäre und Netzwerker. Akteure des kulturpolitischen Konservativismus nach 1945 in den Westzonen Deutschlands, Essen 2009.
  • Harold Hurwitz, Die Stunde Null der deutschen Presse. Die amerikanische Pressepolitik in Deutschland 1945–1949, Köln 1972.
  • Peter Kolakowski, „Welches Schweinderl hätten Sie denn gern?“ Vor 100 Jahren wurde der Moderator Robert Lembke geboren, in: Deutschlandfunk, 17.9.2013 (2.11.2020).
  • Peter Köpf, Schreiben nach jeder Richtung. Goebbels-Propagandisten in der westdeutschen Nachkriegspresse, Berlin 1995.
  • Kurt Koszyk, Das Exil und die Nachkriegspresse, in: Markus Behmer (Hg.), Deutsche Publizistik im Exil, 1933 bis 1945. Personen–Positionen–Perspektiven (Kommunikationsgeschichte, Bd. 11), Münster 2000, 318–330.
  • Kurt Koszyk, Pressepolitik für Deutsche 1945–1949, Berlin 1986.
  • Marita Krauss, Deutsch-amerikanische Kultur- und Presseoffiziere, in: Arnd Bauerkämper (Hg.), Demokratiewunder. Transatlantische Mittler und kulturelle Öffnung Westdeutschlands 1945–1970, Göttingen 2005.
  • Elisabeth Matz, Die Zeitungen der US-Armee für die deutsche Bevölkerung (1944–1946) (Studien zur Publizistik, Bremer Reihe, Bd. 12), Münster 1969.
  • Sabine Rollberg, Von der Wiederauferstehung des deutschen Geistes. Eine Analyse des Feuilletons der Neuen Zeitung 1945–1949, Diss. masch. Freiburg 1981.
  • Wilfried F. Schoeller (Hg.), Diese merkwürdige Zeit. Leben nach der Stunde Null. Ein Textbuch aus der „Neuen Zeitung“, Frankfurt a.M. 2005.
  • Wilfrid F. Schoeller, Journal der Demokratie. Nachrede auf eine Zeitung, in: Wilfried F. Schoeller (Hg.), Diese merkwürdige Zeit. Leben nach der Stunde Null. Ein Textbuch aus der „Neuen Zeitung“, Frankfurt a.M. 2005, 653–687.
  • Natalia Tsvetikova, Failure of American and Soviet Cultural Imperialism in German Universities, 1945–1990, Leiden/Boston 2013.
  • Irmtraud Ubbens, „Amerikanisches Leben als Erfahrung und Erlebnis“. Moritz Goldstein schreibt 1950–1954 als freier Mitarbeiter für ‚Die Neue Zeitung‘, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 14 (2012), 152–158.
  • Johannes Volmert, Politischer Kommentar und Ideologie. Ein inhaltsanalytischer Versuch an vier frühen Nachkriegszeitungen, Stuttgart 1979.
  • Benjamin Wagener, Inländische Perspektiven. Erich Kästner als Feuilletonist der Neuen Zeitung, in: Bernd Blöbaum/Stefan Neuhaus (Hg.), Literatur und Journalismus. Theorie, Kontexte, Fallstudien, Wiesbaden 2003, 195–226.
  • Reinhard Wittmann, Auf geflickten Straßen. Literarischer Neubeginn in München 1945 bis 1949, München 1995.
  • Reinhard K. Zachau, Hans Habe als Herausgeber der „Neuen Zeitung“, in: Wolfgang Benz/Marion Neiss (Hg.), Deutsch-jüdisches Exil. Das Ende der Assimilation, Berlin 1994, 151–164.
  • Harold Zink, The United States in Germany 1944–1955, New Jersey 1957.

Quellen

  • Bernd-Rainer Barth/Werner Schweizer (Hg.), Der Fall Noel Field. Schlüsselfigur der Schauprozesse in Osteuropa. Band 1, Berlin 2005.
  • Die Neue Zeitung.
  • Hans Habe, Ich stelle mich. Meine Lebensgeschichte, München 1996.
  • Hans Habe, Im Jahre Null, 3. rev. u. erw. Aufl. München 1981.
  • Reinhard Heydenreuther, Office of Military Government for Bavaria, in: Christoph Weisz (Hg.), OMGUS-Handbuch. Die amerikanische Militärregierung in Deutschland 1945–1949 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 35), München 1994, 143–317.
  • Stefan Heym, Nachruf, München 1988.
  • Erich Kästner, Notabene 45. Ein Tagebuch. 6. Aufl. München 1999.
  • Walter Kolbenhoff, Schellingstraße 48. Erfahrungen mit Deutschland, Frankfurt a.M. 1984.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

Empfohlene Zitierweise

Bernhard von Zech-Kleber, Die Neue Zeitung, publiziert am 2.11.2020; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Die_Neue_Zeitung> (28.03.2024)

Neue Zeitung, NZ