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Böhmische Söldner

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Die Schlacht von Wenzenbach, 1504. Illustration zu Kaier Maximilians I. autobiographischer Schrift "Weisskunig". Holzschnitt von Hans Burgkmair (1473-1531). (aus: Weiß-Kunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten, Wien 1775)
Die Schlacht von Wenzenbach in einem Flugblatt von ca. 1504. Die großen Schilde der böhmischen Söldner (Bildmitte) sind deutlich zu erkennen. Holzschnitt von Hans Burgkmair (1473-1531). (BSB Einbl. I,13 [Ausschnitt])
Bemalte große Pavese (Setztartsche) aus Holz, Schweinsleder und Leinwand. Süddeutsch, um 1500. Die Pavese ist 122 cm hoch. (Bayerisches Nationalmuseum München W 398)

von Reinhard Baumann

Söldner aus dem Königreich Böhmen, die in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts von zahlreichen Territorien verpflichtet wurden. Ihren Ruf als erfolgreiche Kriegsleute verdankten sie der speziellen Kriegstechnik der hussitischen Heere. Charakteristisch waren die Wagenburg und der Einsatz großer Schilde zur Deckung. Böhmische und mährische Adelige organisierten einen regelrechten Söldnermarkt. Die ursprüngliche religiöse Dimension spielte in der Praxis bald keine Rolle mehr, blieb in der Außenwahrnehmung aber von Bedeutung. Die Niederlage eines Heeres böhmischer Fußknechte im Landshuter Erbfolgekrieg (1504/1505) läutete das Ende des böhmischen Söldnerwesens ein.

Entstehung, Charakteristika und Bedeutung

Die hussitische Revolution am Anfang des 15. Jahrhunderts wirkte sich in vielfacher Weise gesellschaftlich auf ganz Mitteleuropa aus, auch militärisch. Die Bedrohung durch die königlichen und adeligen Ritterheere Böhmens ließ die Hussiten defensive Taktiken entwickeln, die zusammen mit straff organisierten und gut ausgebildeten Elitekampfeinheiten die militärischen Erfolge der hussitischen Heere in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts bewirkten. Dabei spielten die Feldheere der Taboriten und die "Waisen" des charismatischen Anführers Jan Žižka von Trocnov (um 1360-1424) die entscheidende Rolle.

Charakteristisch für die hussitische Kampfesweise waren die Wagenburg aus gepanzerten Kampfwagen mit montierten Geschützen, die großen Setzschilde (Pavesen), die sowohl die Lücken in der Wagenburg verschlossen als auch außerhalb der Wagenburg zum Schutz der Fußknechte eingesetzt werden konnten, und die Kriegsordnung des Jan Žižka, in der auf der Grundlage hussitischer Glaubensgrundsätze straffe Disziplin und harte Strafen festgelegt waren.

Die zahlreichen Siege und Erfolge der Hussiten innerhalb und außerhalb Böhmens ließen sie zu gefürchteten Kriegsleuten in Mitteleuropa werden, auch dann noch, als die hussitische Revolution schon beendet und die Feldheere der radikalen durch die gemäßigten Hussiten besiegt waren. Aus den hussitischen Gottesstreitern wurden Söldner. Böhmen wurde unter König Georg von Podiebrad (reg. 1458-1471) ein europäischer Hauptsöldnermarkt. Angeworben wurden sowohl Fußknechte (Trabanten) als auch schwerbewaffnete Reiter und leichte, berittene Armbrustschützen. In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts verpflichteten unter anderem Ungarn und Österreich, der Deutschordensstaat Preußen und Sachsen, die Reichsstadt Nürnberg und immer wieder auch Bayern - vor allem die niederbayerischen Herzöge - böhmische Söldner. Auch in Adelsfehden wurden Söldner aus Böhmen unter Vertrag genommen, so z. B. im sog. Löwlerkrieg 1491 und in der Fehde des Anarch von Wildenfels (ca. 1490-1539) mit Herzog Albrecht IV. von Bayern-München (reg. 1465-1508) im Jahr 1497.

Die Trabanten aus Böhmen wurden als nachahmenswertes Modell betrachtet. Herzog Ludwig IX. der Reiche (reg. 1450-1479) führte 1467 in Niederbayern, Franken und der Oberpfalz geworbene Fußknechte, die man als Trabanten bezeichnete, nach Tirol. In Ausrüstung und Organisationsstruktur ähnelten sie dem böhmischen Fußvolk.

Begrifflichkeiten

Die gegenwärtige Forschung verwendet die Begriffe "Söldner aus Böhmen" oder "böhmische Söldner". In den zeitgenössischen Quellen werden die Reiter als "Reisige", die Kriegsknechte zu Fuß als "Fußknechte" oder einfach "Knechte" bezeichnet. Es wird auch der böhmische Begriff "Trabanten" (von drab = Fußknecht) gebraucht, doch nimmt der Begriff Trabant im Landsknechtwesen die Bedeutung Leibwächter eines Anführers an.

Ausrüstung, Bekleidung, Kampfesweise

Typisch für die böhmischen Söldner war die meist fehlende Schutzpanzerung. Nur wenige trugen Helme und Brustharnische, gelegentlich Lederkoller. Hauptwaffe war die Armbrust, dazu Messer, Schwert oder der säbelähnliche Dussak und das Wurfbeil. Selten waren Stangenwaffen wie Ahlspieß und die Sudlice als böhmische Form der Hellebarde. Wenig verbreitet waren auch Handbüchsen.

Standardmäßig mit Brustharnisch und Eisenhut oder einer Beckenhaube (Lebka) ausgestattet war der Pavesner, der Träger eines großen Schildes. Er wurde von einem Pavesenbuben unterstützt und erhielt deshalb Doppelsold. Die Pavesen waren solide handwerklich gefertigt, mit Wappen, Heiligenbildern, Bibelszenen oder hussitischen Symbolen kunstvoll bemalt. Weder Armbrustpfeil noch Handbüchsenkugel durchschlugen sie. Man konnte sie mit Ketten zu einer Schildmauer aneinanderhängen; in ihrem Schutz konnten Fußknechte an belagerte Mauern heranrücken und Armbrustschützen geschützt an das feindliche Heer gebracht werden.

Das böhmische Fußvolk wurde vor allem für Belagerungen und Erstürmungen verwendet. In der Feldschlacht unterstützte es die Reiterei auf den Flügeln. Die stets mitgeführte Wagenburg war die letzte Rückzugsmöglichkeit.

Besoldung

Allgemeine und genaue Aussagen zur Besoldung für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts sind kaum möglich, da die Soldhöhe im Bestallungsvertrag jeweils aktuell festgelegt war, in unterschiedlichen Währungen erfolgte und Inflation und Wechselkurse Soldhöhen sogar innerhalb eines Feldzugs verändern konnten. Böhmische Söldner wurden üblicherweise für zwei Wochen bezahlt: In den Kriegen Herzog Ludwigs IX. des Reichen gegen Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg (reg. 1440-1486) von 1459 bis 1462 erhielt ein Reisiger (berittener Kriegsmann) einen rheinischen Gulden pro Woche, Trabanten bekamen einen halben Gulden; im Landshuter Erbfolgekrieg (1504/05) erhielt ein Reisiger zwei rheinische Gulden, ein Trabant einen Gulden pro Woche. Der Sold eines böhmischen Fußknechts war damit nicht geringer als der eines Landsknechts. Beuteansprüche gehörten bei beiden zum Selbstverständnis.

Zu der an und für sich für den Kriegsherrn günstigen Besoldung kamen jedoch erhebliche zusätzliche Kosten: Ausgaben für Kampfwägen, Sonderzahlungen für Werbung, Spesen der Unterhändler und besondere Zahlungen an böhmische Söldnerunternehmer. Vor allem aber hatte jeder böhmische Söldner Anspruch auf Schadenersatz für im Dienst erlittene Schäden an Pferden, Waffen und Ausrüstung.

Organisation

Die Verwaltungs- und die taktische Einheit der Trabanten war die Rotte. Sie bestand gewöhnlich aus zehn bis 15 Mann und wurde von einem Rottmeister, der meist der Pavesner war, angeführt. Diese Rotten wurden zu größeren Trabanteneinheiten von etwa 100 Mann vereinigt, die ein Hauptmann zu Pferd anführte.

Nach Feldzügen entstanden oft demokratisch organisierte Bruderschaften (Bratřici) zur Interessendurchsetzung gegenüber dem Kriegsherrn, etwa beim Streit um Zahlungsverpflichtungen. Auch blieben böhmische Söldner mit anderen Kriegsknechten als längerfristige Söldnergesellschaften unter adeligen Hauptleuten beieinander (Žebráci, Zebracken) und konnten von Kriegsherrn verpflichtet werden, wie jene, die 1459 bis 1462 im Dienst Herzog Ludwigs des Reichen standen.

Söldnerunternehmer und Söldner

Der böhmische Söldnermarkt war fest in der Hand hoher böhmischer und mährischer Adeliger. Sie betätigten sich meist nicht als Anführer der von ihnen aufgestellten Söldnerkontingente, anders als im Landsknechtwesen oder bei den Schweizer Söldnern. In ihrem Auftrag stellte ein weitverzweigter Kader von Anwerbern und Befehlsleuten die Söldnerkontingente auf. Niederadelige Hauptleute führten die Soldtruppen auf den Kriegsschauplatz.

Das Söldnergeschäft war in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts längst losgelöst von religiösen Zugehörigkeiten. Der katholische Adel Böhmens betätigte sich sogar noch mehr als der hussitische im Soldgeschäft. Angeworben wurden katholische Trabanten und Reiter ebenso wie hussitische. Dennoch wurden böhmische Söldner weiterhin als Hussiten bezeichnet. Im Landshuter Erbfolgekrieg schmähte die Münchner Partei die in pfälzischem Sold kämpfenden Böhmer als Ketzer und ließ zum Kreuzzug predigen.

Die bayerischen Werbegebiete lagen vor allem in West- und Südwestböhmen. Hier bestanden enge Beziehungen zum katholischen und hussitisch-utraquistischen Adel (Sternberg, Weitmühl, Guttenstein u. a.), der sich söldnerunternehmerisch betätigte und seine Trabanten vor allem aus den ländlichen und städtischen Unterschichten anwerben ließ.

Niedergang

Im Landshuter Erbfolgekrieg konkurrierten beide Seiten in der Anwerbung von Landsknechten und böhmischen Söldnern. Dabei war die schon herkömmlicherweise sehr ostorientierte Landshuter Partei vor allem durch ihre gute finanzielle Lage in Böhmen erfolgreicher. Die Niederlage eines böhmischen Trabantenheeres bei Wenzenbach bzw. Schönberg (Lkr. Regensburg) ("Böhmenschlacht") am 12. September 1504 gegen das Heer der Münchner Partei unter Führung König Maximilians I. (reg. 1486-1519, Kaiser ab 1508) war für das böhmische Söldnerwesen der Anfang des Niedergangs und zerstörte seinen Ruf. Nun zeigte sich, dass Ausrüstung und Kampfesweise des böhmischen Fußvolks veraltet waren und es ohne Reiterunterstützung und den Schutz der Wagenburg Landsknechten unterlegen war. Landsknechte erwiesen sich als kampfstärker und preiswerter, vor allem wegen des fehlenden Schadensersatzanspruchs. Ihre Anwerbung war einfacher und billiger.

Obwohl böhmische Söldner nach dem Landshuter Erbfolgekrieg noch auf europäischen Kriegsschauplätzen wie den Venezianerkriegen (1508-1516) eingesetzt wurden, verloren sie nun an Bedeutung. Das böhmische Söldnerwesen legte im Laufe des 16. Jahrhunderts alle Charakteristika ab, die es zu einer besonderen Erscheinung in Europa gemacht hatten. Böhmische Fußknechtregimenter, wie sie am Ende des 16. Jahrhunderts und zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges aufgestellt wurden, weisen keine Unterscheidungsmerkmale zu anderem im Reich geworbenen Fußvolk auf.

Forschungs- und Quellenlage

Die Existenz böhmischer Söldner war schon in der bayerischen Geschichtsforschung des 19. Jahrhunderts bekannt. Man hat sie allerdings immer unter der von Franz Palacky (1798-1876) vorgegebenen Perspektive gesehen, weshalb man sie ausschließlich auf ihren hussitischen Ursprung zurückführte und sie also als späte Hussiten verstand. Diese Sicht ist in allen älteren kriegs- und militärgeschichtlichen Darstellungen (stellvertretend: Joseph Würdinger, Kriegsgeschichte von Bayern, Franken, Pfalz und Schwaben von 1347 bis 1506; Hans Delbrück, Geschichte der Kriegskunst) zu finden und wirkt noch das ganze 20. Jahrhundert nach. Erst die Untersuchungen Uwe Tresps, vor allem sein Standardwerk "Söldner aus Böhmen", räumen den böhmischen Söldnern ihren eigenständigen Platz in der Kriegs- und der Gesellschaftsgeschichte des 15. Jahrhunderts ein. Tresp zeigt auch die Strukturen und die Bedeutung des böhmischen Söldnermarktes für die Kriegsschauplätze in Mittel- und Südosteuropa. Seine Ergebnisse beruhen einerseits auf einer intensiven Quellenauswertung einschlägiger deutscher, und hier besonders bayerischer Archivbestände (Bayerisches Hauptstaatsarchiv), andererseits auf der Erschließung tschechischer Archivalien und Quelleneditionen sowie tschechischer Sekundärliteratur.

Literatur

  • Reinhard Baumann, Söldnerische Kleinunternehmer im Baierischen Erbfolgekrieg 1504, Eine Studie zur Entwicklung des europäischen Kriegsunternehmertums in der frühen Neuzeit, in: Wolf D. Gruner/Paul Hoser (Hg.), Wissenschaft – Bildung – Politik. Von Bayern nach Europa. Festschrift für Ludwig Hammermayer zum 80. Geburtstag (Beiträge zur Deutschen und Europäischen Geschichte 38), Hamburg 2008, 19-31.
  • Gemeinde Wenzenbach (Hg.), Wenzenbach, Junge Gemeinde mit langer Vergangenheit, Regensburg 1982.
  • Armin Gugau, Die Schlacht bei Schönberg, in: Rudolf Ebneth/Peter Schmid (Hg.), Der Landshuter Erbfolgekrieg. An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Regensburg 2004, 123-157.
  • Uwe Tresp, Das böhmische Söldnerwesen im ausgehenden Mittelalter, in: Rudolf Ebneth/Peter Schmid (Hg.), Der Landshuter Erbfolgekrieg. An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Regensburg 2004, 99-122.
  • Uwe Tresp, Die "Quelle der Kriegsmacht". Böhmen als spätmittelalterlicher Söldnermarkt, in: Stig Förster/Christian Jansen/Günther Kronenbitter (Hg.), Rückkehr der Condottieri? Krieg und Militär zwischen staatlichem Monopol und Privatisierung. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2010, 43-61.

Quellen

  • Joseph von Beck/Johann Loserth (Bearb.), Urkundliche Beiträge zur Geschichte der hussitischen Bewegung und der Hussitenkriege mit besonderer Berücksichtigung Mährens und der mährisch-hussitischen Söldner, in: Notizenblatt des Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens, Brünn 1896, 115-120.
  • Heinz-Dieter Heimann/Uwe Tresp (Bearb.), Thüringische und böhmische Söldner in der Soester Fehde. Quellen zum landesherrlichen Militärwesen im 15. Jahrhundert aus thüringischen und sächsischen Archiven, Potsdam 2002.
  • Zug-, Schlacht- und Lager-Ordnung der Reiterei, des Fußvolkes und der Wagen des Herrn Wenzel Wlczek von Czenowa. Aus dem Böhmischen übersetzt von Thomas Burian, in: Oesterreichische militärische Zeitschrift 4 (1836), 82-99.

Weiterführende Recherche

Fußknechte aus Böhmen, böhmische Knechte, Trabanten, Böhmenknechte, Söldner aus Böhmen

Empfohlene Zitierweise

Reinhard Baumann, Böhmische Söldner, publiziert am 17.08.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Böhmische Söldner> (28.03.2024)