Bundesversammlung (Deutscher Bund)
Aus Historisches Lexikon Bayerns

Die Bundesversammlung, auch Bundestag genannt, war das zentrale Beratungs- und Beschlussfassungsorgan des 1815 gegründeten und 1866 aufgelösten Deutschen Bundes. Der Deutsche Bund war ein Staatenbund aus 41 Mitgliedern (Stand vom 1. September 1815). Nach Österreich und Preußen war Bayern der drittgrößte Mitgliedstaat im Deutschen Bund. Zweck des Bundes war es, die äußere und innere Sicherheit Deutschlands sowie die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten zu wahren. Die Bundesversammlung bestand aus Bevollmächtigten der Bundesstaaten, die an die Instruktionen ihrer Regierungen gebunden waren und in erster Linie deren Interessen vertreten sollten. Dennoch wurde die Bundesversammlung durch ihre Organisation und Arbeitsweise auch zu einem Gremium, in dem unterschiedliche Interessen vermittelt und Ansätze für eine gemeinsame Politik gefunden werden konnten. Für Bayern kam es in der Bundesversammlung besonders darauf an, die eigene Unabhängigkeit gegenüber dem Bund und dessen Vormächten Österreich und Preußen zu bewahren, aber auch, den Deutschen Bund als Garant der inneren und äußeren Sicherheit zu erhalten.
Entstehung und Wirkungszeitraum
Die Bundesversammlung entstand mit der Gründung des Deutschen Bundes durch die Verhandlungen der Monarchen und der Minister der deutschen Staaten auf dem Wiener Kongress von 1814/15. Die Wünsche vieler Anhänger der während der Befreiungskriege gegen Napoleon I. (1769–1821) entstandenen deutschen Nationalbewegung nach mehr nationaler Einheit und politischer Freiheit blieben dabei weitgehend unberücksichtigt. Das Grundgesetz des Deutschen Bundes war die aus 20 Artikeln bestehende Deutsche Bundesakte (DBA) vom 8. Juni 1815.
Durch die Verhandlungen zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes auf den Wiener Ministerkonferenzen von 1819/20 entstand die aus 65 Artikeln bestehende Wiener Schlussakte (WSA) vom 15. Mai 1820. Diese trat als Grundgesetz des Deutschen Bundes gleichwertig neben die DBA. Sowohl die DBA als auch die WSA enthielten Bestimmungen über den Aufbau und die Arbeitsweise der Bundesversammlung als einzigem gemeinsamem Organ des Deutschen Bundes.
Die Bundesversammlung tagte permanent. Jedoch durfte sie sich nach Erledigung ihrer Beratungsgegenstände für bis zu vier Monate vertagen (Art. 7 DBA). Nach Ausbruch der Revolution im März 1848 arbeitete die Bundesversammlung zunächst weiter. Am 12. Juli 1848 übergab sie ihre Aufgaben an den von der Frankfurter Nationalversammlung bestellten Reichsverweser. Nach der Revolution wurde die Bundesversammlung wieder eingesetzt. Zunächst versammelten sich ab September 1850 die Vertreter Österreichs und seiner Verbündeten, darunter auch Bayern. Preußen und seine Verbündeten beteiligten sich erst nach dem Ende der Unionspolitik ab 1851 wieder an der Bundesversammlung.
"Deutschlands Hoffnung oder der Bundestag in Frankfurt", Allegorische Darstellung des Bundestags von Friedrich Campe (1777-1846), 1816/17. (Historisches Museum Frankfurt, Foto: Horst Ziegenfusz lizenziert durch CC-BY-SA 4.0)
Karte des Deutschen Bundes nach dem Frankfurter Territorialrezess um 1820. (© IEG / A. Kunz 2004 lizenziert durch CC BY-NC 4.0)
Tagungsort
Sitz der Bundesversammlung war die freie Stadt Frankfurt am Main. Am 5. November 1816 wurde sie durch eine schlichte Zeremonie feierlich eröffnet. Allerdings hatte sie kein eigenes Tagungsgebäude, sondern trat am Sitz der österreichischen Bundestagsgesandtschaft, dem Palais Thurn und Taxis in der Großen Eschenheimer Gasse, zusammen. Während des Deutschen Krieges von 1866 wich die Bundesversammlung am 14. Juli nach Augsburg aus. Am 24. August 1866 erklärte die Bundesversammlung in ihrer letzten Sitzung in Stuttgart, dass der Deutsche Bund als erloschen anzusehen sei und beendete ihre Tätigkeit.
Der Bundespalast in der Eschenheimer Gasse in Frankfurt am Main. Darstellung aus der Illustrirten Zeitung vom 16.2.1850, 4. (NoC-NC via ANNO/Österreichische Nationalbibliothek)
Portal des Palais Thurn und Taxis an der Großen Eschenheimer Gasse zur Zeit der Nutzung als Bundespalais, 1845. Stahlstich von Wilhelm Lang nach Jakob Fürchtegott Dielmann (1809-1885). (Public domain via Wikimedia Commons)
Sitzungssaal des engeren Rats der Bundesversammlung im Palais Thurn und Taxis in Frankfurt am Main. Grafik: A. Hill, 1816. (Gemeinfrei via Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt a.M.)
Zusammensetzung, Beratungs- und Entscheidungsformen
Die Bundesversammlung bestand aus Bevollmächtigten der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes, die im Rang eines Gesandten standen. Die Bundestagsgesandten waren an die Instruktionen ihrer Regierungen gebunden. Allerdings ließen die Instruktionen den Gesandten mitunter auch einen beträchtlichen Handlungsspielraum.
Die Bundesversammlung tagte meist in Form der "Engeren Versammlung", auch "Engerer Rat" genannt, in der es 17 Stimmen gab. Hier führten die elf größten Mitgliedstaaten, darunter Österreich, Preußen und Bayern, jeweils eine Stimme. Die kleineren Staaten teilten sich sechs weitere Gesamtstimmen. In besonderen Fällen, z.B. bei der Abfassung oder der Abänderung von Grundgesetzen, bei Beschlüssen über organische Bundeseinrichtungen oder bei der Verabschiedung "gemeinnütziger Anordnungen" bildete sich die Bundesversammlung zu einem Plenum mit insgesamt 69 Stimmen. Im Plenum besaß jeder Bundesstaat mindestens eine Stimme. Nur die drei Fürstentümer Reuß jüngere Linie, die erst 1848 zu einem Gesamtstaat vereint wurden, besaßen eine gemeinsame Stimme. Die sechs größten Bundesstaaten, wie Österreich, Preußen und Bayern, besaßen jeweils vier Stimmen. Die Stimmenverteilung sowohl im Engeren Rat als auch im Plenum war so angelegt, dass die sechs größten Staaten zusammen die kleineren Staaten nicht überstimmen konnten (6 von 17 bzw. 24 von 69 Stimmen).
Das Plenum war ein reines Abstimmungsorgan. Die eigentlichen Beratungsgremien waren der Engere Rat und die von diesem gebildeten Ausschüsse. Beschlüsse wurden in der Engeren Versammlung durch die absolute Mehrheit der Stimmen gefasst. Im Plenum waren für einen Beschluss zwei Drittel der Stimmen nötig. Nur bei der Annahme oder der Abänderung der Grundgesetze, der Aufnahme eines neuen Mitgliedes, bei Beschlüssen über organische Bundeseinrichtungen, bei Religionsangelegenheiten oder bei gemeinnützigen Anordnungen war die Einstimmigkeit aller Bundesstaaten erforderlich. Bei "jura singulorum", also Fragen, die vor allem die Rechte eines einzelnen Bundesstaates betrafen, konnte ein Beschluss nur mit der Zustimmung des betreffenden Staates gefasst werden. Somit war es einzelnen Staaten leicht möglich, unerwünschte Beschlüsse zu blockieren.
Die elf größeren Staaten, die im Engeren Rat eine Einzelstimme führten, unterhielten jeweils einen eigenen Bevollmächtigten bei der Bundesversammlung. Die kleineren Staaten, die in Gesamtstimmen vereint waren, teilten sich meist einen gemeinsamen Gesandten. Dadurch war ihr Einfluss auf die Verhandlungen der Bundesversammlung eingeschränkt.
Den Vorsitz in der Bundesversammlung führte der Gesandte Österreichs. Er wurde daher als Präsidialgesandter bezeichnet. In dieser Eigenschaft konnte er bei Stimmengleichheit in der Engeren Versammlung die Entscheidung treffen. Darüber hinaus war jedes Bundesmitglied berechtigt, eigene Vorschläge in die Bundesversammlung einzubringen. Der österreichische Präsidialgesandte übte durch seine Befugnisse in der Geschäftsführung großen Einfluss auf die Verhandlungen der Bundesversammlung aus.
Aufgaben und Befugnisse
Aus dem Zweck des Deutschen Bundes, der Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der deutschen Bundesstaaten, ergaben sich die Aufgaben der Bundesversammlung. Dazu zählte die Schaffung einer Bundeskriegsverfassung, die 1821/22 eingeführt worden ist und ein Kontingentsheer unter einem gemeinsamen Oberbefehl schuf. Von den zehn Bundesarmeekorps stellten Österreich und Preußen jeweils drei, Bayern eins und die kleineren Staaten zusammen drei gemischte Korps. Die Militärangelegenheiten (Aufsicht über die Kontingente des Bundesheeres und die Bundesfestungen, darunter Landau in der bayerischen Pfalz, sowie die Leitung des Festungsbaus) wurden in einem eigenen Bundestagsausschuss und in einer Militärkommission, die aus Offizieren der Bundesstaaten bestand, beraten. In der Militärkommission stellte Bayern neben Preußen und Österreich einen ständigen Bevollmächtigten, während sich die anderen Bundesstaaten bei der Entsendung der weiteren Bevollmächtigten untereinander abwechselten.
Für die Wahrung der inneren Sicherheit beschloss die Bundesversammlung angesichts einer wachsenden inneren Opposition und des Attentats des Burschenschafters Karl Ludwig Sand (1795–1820) auf den Schriftsteller August von Kotzebue (1761–1819) im September 1819 umfangreiche Gesetze, welche die Überwachung der Universitäten, das Verbot der Burschenschaften, die Zensur der Presse, eine Bundesexekutionsordnung sowie eine "Zentraluntersuchungskommission" in Mainz zur Verfolgung der politischen Opposition einführten. Die Mainzer Kommission wurde vom Bundestag geleitet. Dafür richtete die Bundesversammlung eigens einen Ausschuss ein, ebenso für die Zensur der Presse und andere Repressionsmaßnahmen. Bayern führte diese Gesetze nur unter dem Vorbehalt der Wahrung seiner 1818 erlassenen Verfassung ein. Es handhabte die Ausführung dieser Bundesgesetze in den folgenden Jahren sehr unterschiedlich.
Zur Erhaltung der inneren Sicherheit gehörte aber auch die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander. Diese hatten sich in der DBA verpflichtet, ihre Konflikte nicht gewaltsam zu lösen, sondern diese der Bundesversammlung zur Vermittlung oder zur Entscheidung vorzulegen. Der Bundesversammlung kam somit die Aufgabe der Wahrung des Friedens zwischen den Bundesstaaten zu.
Die Bundesversammlung befasste sich auch mit zahlreichen Angelegenheiten von privaten Personen und Korporationen. Hierbei ging es vor allem um die Regelung von Schulden, Pensionsansprüchen und rechtlichen Angelegenheiten, die sich aus dem Ende des Alten Reiches ergaben. Hierzu und zu anderen Anliegen, bis hin zu allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Fragen, erreichte die Bundesversammlung eine Vielzahl von Eingaben bzw., soweit es sich um Beschwerden in Rechtssachen handelte, Reklamationen. Damit befasste sich ein eigener Bundestagsausschuss. Allein von 1816 bis 1848 wurden rund 2.600 Eingaben und Reklamationen an die Bundesversammlung gerichtet.
Die DBA enthielt daneben aber auch Artikel, welche Ansatzpunkte für eine Ausgestaltung der Verfassung des Deutschen Bundes und dessen Gesetzgebung in Richtung von mehr nationaler Einheit und politischer Freiheit boten. Dazu gehörten v.a. die "Besonderen Bestimmungen" im zweiten Teil der DBA (u.a. oberste Gerichtsorganisation, Einführung landständischer Verfassungen, Gleichheit der christlichen Konfessionen, Verbesserung der Rechtsstellung der Juden, gemeinsame Regelungen für Handel, Verkehr und Schifffahrt in den Bundesstaaten).
Für die Umsetzung ihrer Aufgaben besaß die Bundesversammlung weitreichende Befugnisse. Die von ihr gefassten Beschlüsse waren für die Regierungen bindend. Ihre Verkündung in den Mitgliedstaaten band auch deren Einwohner. Zur Durchsetzung ihrer Beschlüsse besaß die Bundesversammlung zwei Mittel: Bundesintervention und Bundesexekution.
- Die Bundesintervention (Art. 26 WSA) gab der Bundesversammlung die Möglichkeit, mit oder ohne Aufforderung der Regierung eines Bundesstaates zu Hilfe zu kommen, wenn dort die innere Ruhe und Ordnung gefährdet war.
- Die Bundesexekution (Art. 31 WSA) bestimmte, dass es das Recht und die Pflicht der Bundesversammlung sei, gegen einen Bundesstaat vorzugehen, wenn dieser die Vollziehung der Grundgesetze oder Beschlüsse des Bundes verweigerte.
Arbeitsweise

Die Arbeitsweise der Bundesversammlung wurde durch die "Vorläufige Geschäftsordnung" vom 14. November 1816 festgelegt. Diese wurde erst am 16. Juni 1854 durch eine revidierte Geschäftsordnung ersetzt. Für die Beratungen in der Engeren Versammlung gab es zwei Arten von Sitzungen: erstens förmliche Sitzungen und zweitens vertrauliche Sitzungen.
- Die vertraulichen Sitzungen dienten der vorläufigen Erörterung eines Gegenstandes und dem unverbindlichen Austausch von Ansichten. Sie waren ohne amtliche Form und bindende Wirkung und wurden nicht protokolliert.
- Die förmlichen Sitzungen dienten offiziellen Mitteilungen, Anträgen und Abstimmungen sowie der Fassung verbindlicher Beschlüsse. Über diese Sitzungen wurden Protokolle geführt.
Innerhalb einer Sitzung konnte zwischen diesen Formen gewechselt werden. Die Protokolle der förmlichen Sitzungen wurden in wenigen Exemplaren nur für den amtlichen Gebrauch gedruckt. Von 1816 bis 1828 und von 1860 bis 1866 wurde auch eine gekürzte Fassung für die Öffentlichkeit herausgegeben. Außerdem wurden die Inhalte der Beratungen in Auszügen in den Zeitungen veröffentlicht.
Die Bundesversammlung bildete auch Ausschüsse und Kommissionen für die Vorbereitung und Durchführung ihrer Beschlüsse. Allein von 1816 bis 1848 wurden 185 Ausschüsse und 16 Kommissionen gebildet. "Ausschüsse" wurden von der Bundesversammlung durch Wahl einiger Gesandter geschaffen. Dagegen wurden die "Kommissionen" durch die Abordnung externer Fachleute gebildet. Die Begriffe "Ausschuss" und "Kommission" wurden jedoch oft als Synonyme verwendet.
Besonders wichtig für die Arbeit der Bundesversammlung waren die Ausschüsse. In den Ausschüssen konnten die Gesandten unabhängiger von ihren Regierungen agieren als im Engeren Rat oder im Plenum. Die meisten Ausschüsse wurden für einen bestimmten Zweck eingesetzt und danach wieder aufgelöst. Für dauerhafte Aufgaben, wie die Militärverhältnisse, entwickelten sich jedoch permanente Ausschüsse. Diese ständigen Ausschüsse stärkten die institutionelle Struktur der Bundesversammlung, indem sie eigene Fachbereiche abgrenzten und sich auf deren Bearbeitung spezialisierten.
Für die Wahl in einen Ausschuss waren sowohl das politische Gewicht des Bundesstaates, den der Gesandte vertrat, als auch die fachliche Kompetenz und das persönliche Ansehen, das sich der Gesandte unter den anderen Bevollmächtigten erworben hatte, von großer Bedeutung. Neben den beiden Großmächten stellten die Mittel- und Kleinstaaten zahlreiche Ausschussmitglieder, und hierbei v.a. Sachsen und Bayern.
So wurde der bayerische Gesandte Johann Adam von Aretin (1769–1822) in fünf Jahren 36-mal in einen Ausschuss gewählt. Der Gesandte Maximilian von Lerchenfeld (1778–1843) in neun Jahren 32-mal. In den Jahren 1816 bis 1848, für welche die Ausschusswahlen detailliert untersucht worden sind, wurden die Gesandten Bayerns 127-mal, die Gesandten Sachsens 132-mal in Ausschüsse gewählt und waren dabei insgesamt in 87 (Bayern) bzw. 101 (Sachsen) Ausschüssen vertreten. Im wichtigen Militärausschuss war Bayern fast durchgängig vertreten.
Neben den Ausschüssen bestanden die Kommissionen, von denen vor allem die militär- und sicherheitspolitischen Kommissionen eine wichtige Rolle spielten und bereits gut erforscht sind. Nach 1850 kamen zahlreiche Sachverständigenkommissionen hinzu, die sich v.a. mit Fragen der Rechtsvereinheitlichung befassten.
Name, Rang und Lebensdaten | von | bis |
---|---|---|
Maillot de la Treille, Nikolaus Freiherr von, Generalmajor (1774–1834) | 19.3.1819 | 5.12.1822 |
Thurn und Taxis, Fürst August Maria Maximilian von, Oberst (1794–1862) | 5.12.1822 | 13.5.1824 |
Freien-Seiboltsdorf, Ludwig Graf von, Oberst (1780–1827) | 13.5.1824 | 13.6.1827 |
Lessel, Tobias, Major (1776–1834) (interimistisch) | 13.6.1827 | 13.7.1827 |
Thurn und Taxis, Fürst August Maria Maximilian von, Oberst (1794–1862) | 13.7.1827 | 5.2.1830 |
Völderndorff-Waradein, Eduard Freiherr von, Oberstleutnant bzw. Generalmajor (1783–1847) | 5.2.1830 | 12.9.1847 |
Xylander, Karl August Joseph Ritter von, Major (1794–1854) | 16.11.1847 | 12.7.1848 |
Liel, Karl Friedrich von, Oberstleutnant (1799–1863) | 18.10.1850 | 27.12.1851 |
Xylander, Karl August Joseph Ritter von, Generalmajor (1794–1854) | 27.12.1851 | 30.11.1854 |
Liel, Karl Friedrich von, Oberst bzw. Generalmajor (1799–1863) | 30.11.1854 | 7.3.1863 |
Lessel, Philipp, Oberstleutnant (1812–1876) | 1.5.1863 | 24.8.1866 |
Bayerns Politik in der Bundesversammlung
Die Politik Bayerns in der Bundesversammlung wurde anfangs vor allem durch den Kurs des leitenden Staatsministers Maximilian Graf von Montgelas (1759–1838) geprägt, dem es vor allem um die Wahrung der Souveränität Bayerns gegenüber dem Deutschen Bund ging. Diese Politik vertraten in der Bundesversammlung die zwischen 1816 und 1817 dort abwechselnd tätigen bayerischen Gesandten Aloys Graf von Rechberg (1766–1849) und Friedrich von Gruben (1736–1823). Die Politik der strikten Wahrung der eigenen Souveränität führte jedoch zu einer Isolierung Bayerns im Deutschen Bund. Nach dem Sturz des Ministers Montgelas 1817 wurde Johann Adam von Aretin neuer bayerischer Gesandter bei der Bundesversammlung, während Rechberg von 1817 bis 1825 Außenminister war. Rechberg trat nun für eine stärkere Zusammenarbeit Bayerns mit den übrigen Mittel- und den Kleinstaaten ein, während Aretin im Bundestag für eine konstruktivere Politik Bayerns plädierte und damit zugleich eine Führungsrolle Bayerns unter den Mittel- und Kleinstaaten im Deutschen Bund anstrebte. Letztere sollten unter Führung Bayerns als dritte Macht im Bunde neben Österreich und Preußen etabliert werden ("Triaspolitik").
Der Tod Aretins 1822 ging jedoch mit einer schon 1819 eingeleiteten konservativen Wende im Deutschen Bund einher, in deren Zuge auf Druck des österreichischen Staatskanzlers Clemens Wenzel Fürst von Metternich (1773-1859) die eigenständigen Spielräume der Bundesversammlung eingeschränkt und jene Gesandten abberufen wurden, welche diese Politik nicht mittragen wollten. Die Tätigkeit der Bundesversammlung verminderte sich in den folgenden Jahren stark. Unter diesen Bedingungen blieb den bayerischen Gesandten dieser Jahre, Christian Hubert Freiherr Pfeffel von Kriegelstein (1765–1834), Maximilian von Lerchenfeld (1778–1843) und Arnold von Mieg (1778–1842) kaum eigener Gestaltungsspielraum, zumal sich Lerchenfeld und Mieg bei Metternich verdächtig gemacht hatten: Lerchenfeld, der seit 1817 bayerischer Finanzminister gewesen war, war für den Schutz der bayerischen Verfassung gegen Eingriffe des Deutschen Bundes eingetreten und Mieg hatte in seiner Zeit als Verweser des bayerischen Finanzministeriums 1833 den Beitritt Bayerns zum preußisch-deutschen Zollverein ausgehandelt.
Auch in den 1840er Jahren, als durch eine neue Politik Preußens unter dessen König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861, reg. 1840–1858) allmählich neue Dynamik in die Bundesversammlung kam, verhielt sich der bayerische Gesandte Carl August von Oberkamp (1788–1850) entsprechend dem Kurs seiner Regierung noch zurückhaltend. Freilich war Bayern nun durch seinen Beitritt zum preußisch-deutschen Zollverein stärker an Preußen gebunden. In der Phase der Revolution ab März 1848 konnten die rasch wechselnden Gesandten Karl von Gasser (1783–1855), Friedrich Justus Willich (1789–1853) und Karl Freiherr von Closen (1786–1856) keine entscheidenden Akzente mehr setzen.
Die bayerische Politik in der Bundesversammlung der 1850er und 1860er Jahre war zum einen geprägt durch die Erfahrung der preußischen Unionspolitik der Jahre 1849/50. Es galt, einen neuen Versuch der nationalen Einigung Deutschlands durch Preußen durch eine engere Anlehnung an Österreich und eine Reform des Deutschen Bundes zu verhindern. Auf der anderen Seite sollte aber auch die Eigenständigkeit Bayerns gewahrt bleiben. In diesem Zusammenhang kam es zu einer Neuauflage der "Triaspolitik" Bayerns aus den ersten Jahren des Deutschen Bundes, die nun aber noch stärker das Eigeninteresse und den Führungsanspruch Bayerns gegenüber den anderen Mittel- und den Kleinstaaten betonte. Diese Politik vertraten neben den nur kurzzeitig als Gesandte tätigen Karl von Xylander (1794–1854) und Wolfgang von Thüngen (1814–1888) vor allem die für längere Zeit als Bundestagsgesandte abwechselnd tätigen Karl Freiherr von Schrenck (1806–1884) und Ludwig Freiherr von der Pfordten (1811–1880). In ihrer Zeit als Außenminister bestimmten sowohl von der Pfordten (von 1849 bis 1859 sowie von 1864 bis 1866) als auch Schrenck (von 1859 bis 1864) maßgeblich die Politik Bayerns im Deutschen Bund. Am Ende gelang es jedoch nicht, den Deutschen Bund als Garant der Souveränität Bayerns zu bewahren.
Bilanz
Die Bundesversammlung konnte die an sie gerichteten hohen gesellschaftlichen Erwartungen im Hinblick auf einen Ausbau des Deutschen Bundes, die Entwicklung einer nationalen Gesetzgebung oder die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit trotz mancher Ansätze und einzelner Erfolge (z.B. Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861), letztlich nicht erfüllen. Vielmehr galt sie in der Öffentlichkeit vor allem als Instrument der Repressionspolitik. Die Auflösung des Deutschen Bundes 1866 war somit nicht nur das Resultat preußischer Machtpolitik, sondern auch des inneren Versagens der Ordnung des Deutschen Bundes. Für Mittelstaaten wie Bayern war der Deutsche Bund in seiner lockeren staatenbündischen Form von 1815 bis 1866 der Garant ihrer Souveränität. Der politische Kurs der Mittelstaaten, den inneren Ausbau des Deutschen Bundes zu verhindern und dennoch den Deutschen Bund als Garant der eigenen Unabhängigkeit zu bewahren, war 1866 gescheitert. Einige von ihnen verloren ihre Selbstständigkeit ganz und wurden von Preußen annektiert. Andere wie Bayern konnten zumindest einen Teil ihrer Eigenständigkeit ins Kaiserreich von 1871 retten.
"Der Denker-Club". Karikatur auf die Karlsbader Beschlüsse vom 20. September 1819. (© Germanisches Nationalmuseum, Foto: Georg Janßen lizenziert durch CC BY-NC-ND 4.0)
Titelblatt: Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch. Entwurf nach den Beschlüssen der dritten Lesung. Erstes Heft, Würzburg 1861. (Bayerische Staatsbibliothek, Merc. 93 rs-1)
Archivquellen
Die zentrale Quellenüberlieferung zur Bundesversammlung befindet sich im Bundesarchiv, Standort Berlin-Lichterfelde (Bestand DB 1-7). Hier gibt es u.a. Unterlagen zu den Bundestagsverhandlungen, zur Arbeit der Ausschüsse und Kommissionen sowie zu den an die Bundesversammlung gerichteten Eingaben. In den Staatsarchiven der ehemaligen Bundesstaaten befinden sich ebenfalls Akten zu den genannten Themen, welche die Politik der Einzelstaaten abbilden. Diese sind meist im Bestand der Außenministerien sowie der Bundestagsgesandtschaften der früheren Mitgliedstaaten enthalten. Für Bayern befinden sich die einschlägigen Quellen v.a. im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, Abteilung II: Neuere Bestände, Gesandtschaft Deutscher Bund sowie MA – Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren.
Dokumente
Literatur
- Jürgen Angelow, Der Deutsche Bund, Darmstadt 2003.
- Peter Burg, Der Wiener Kongress: Der Deutsche Bund im europäischen Staatensystem, München 2. Auflage 1989.
- Andreas Fahrmeir, Revolutionen und Reformen. Europa 1789–1850, München 2010.
- Karl Fischer, Die Nation und der Bundestag. Ein Beitrag zur deutschen Geschichte, Leipzig 1880.
- Lothar Gall, Der Deutsche Bund als Institution und Epoche der deutschen Geschichte, in: Dieter Albrecht/Karl Otmar von Aretin/Winfried Schulze (Hg.), Europa im Umbruch 1750–1850, München 1995, 257–266.
- Wolf D. Gruner, Der Deutsche Bund 1815–1866, München 2012.
- Hans-Werner Hahn, Föderative Traditionen und nationale Hoffnungen: Deutscher Bund, in: Andreas Fickers/Norbert Franz/Stephan Laux (Hg.), Repression, Reform und Neuordnung im Zeitalter der Revolutionen. Die Folgen des Wiener Kongresses für Westeuropa, Berlin 2019, 219–238.
- Leopold Friedrich Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, insbesondere ihres Verhaltens zu den deutschen National-Interessen, 3 Bde., Marburg 1861/62 (Neudruck Hildesheim 1971/72).
- Michael Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Alten Reich bis Weimar (1495–1934), Berlin 2008.
- Marko Kreutzmann, Föderative Ordnung und nationale Integration im Deutschen Bund 1816–1848. Die Ausschüsse und Kommissionen der Deutschen Bundesversammlung als politische Gremien, Göttingen 2022.
- Edgar Liebmann, Der Deutsche Bund, in: Werner Daum (Hg.), unter Mitwirkung von Peter Brandt/Martin Kirsch/Arthur Schlegelmilch, Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert. Institutionen und Rechtspraxis im gesellschaftlichen Wandel, Bd. 2: 1815–1847, Bonn 2012, 783–821.
- Jürgen Müller (Hg.), Deutscher Bund und innere Nationsbildung im Vormärz (1815–1848), Göttingen 2018.
- Jürgen Müller, Der Deutsche Bund 1815–1866, München 2006.
- Jürgen Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation 1848–1866, Göttingen 2005.
- Ina Ulrike Paul, Die bayerische Trias-Politik in der Regierungszeit König Maximilians II. Zu Vorgeschichte, Idee und Wirklichkeit, in: Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.), König Maximilian II. von Bayern 1848-1864, Rosenheim 1988, 115-129.
- Wolfram Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806–1871, München 1995.
- Reinhard Stauber, Der Wiener Kongress, Wien 2014.
Quellen
- Ernst Rudolf Huber (Hg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850, Stuttgart 3. Auflage 1978; Bd. 2: Deutsche Verfassungsdokumente 1851–1900, Stuttgart 3. Auflage 1986.
- Michael Kotulla (Hg.), Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918. Eine Dokumentensammlung nebst Einführungen, Bd. 1: Gesamtdeutschland, Anhaltische Staaten und Baden, Berlin 2006.
- Protokolle der Deutschen Bundesversammlung, Frankfurt a.M. 1816–1866 [Ausgabe für den amtlichen Gebrauch].
- Protokolle der Deutschen Bundesversammlung, Frankfurt a.M. 1817–1828; 1860–1866 [Teilausgabe für die Öffentlichkeit].
- Protokolle der Militärkommission der Deutschen Bundesversammlung, Frankfurt a.M. 1819–1866.
- Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes. Für die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hg. von Lothar Gall und (seit 2017) von Andreas Fahrmeir. Bislang 8 Bde. in 10 Teilbd. u. 3 Abteilungen, München 1996–2024:
- Abt. I: Quellen zur Entstehung und Frühgeschichte des Deutschen Bundes 1813–1830:
- Bd. 1: Die Entstehung des Deutschen Bundes 1813–1815, 2 Halbbände, bearb. v. Eckhardt Treichel, München 2000.
- Bd. 2: Organisation und innere Ausgestaltung des Deutschen Bundes 1815–1819, bearb. v. Eckhardt Treichel, München 2016.
- Bd. 4: „Demagogenverfolgung“, Militärpolitik und wirtschaftliche Fragen 1824–1830, 2 Halbbände, bearb. v. Jürgen Müller, Berlin/Boston 2024.
- Abt. II: Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes 1830–1848:
- Bd. 1: Reformpläne und Repressionspolitik 1830–1834, bearb. v. Ralf Zerback, München 2003.
- Abt. III: Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes 1850–1866:
- Bd. 1: Die Dresdener Konferenz und die Wiederherstellung des Deutschen Bundes 1850/51, bearb. v. Jürgen Müller, München 1996.
- Bd. 2: Der Deutsche Bund zwischen Reaktion und Reform 1851–1858, bearb. v. Jürgen Müller, München 1998.
- Bd. 3: Der Deutsche Bund in der nationalen Herausforderung 1859–1862, bearb. v. Jürgen Müller, München 2012.
- Bd. 4: Vom Frankfurter Fürstentag bis zur Auflösung des Deutschen Bundes 1863–1866, bearb. v. Jürgen Müller, München 2017.
- Abt. I: Quellen zur Entstehung und Frühgeschichte des Deutschen Bundes 1813–1830:
Weiterführende Recherche
Externe Links
- Haus der Bayerischen Geschichte: Königreich Bayern 1806-1918: Bayern unter König Max I. Joseph im Deutschen Bund 1815–1825
- DHM: LeMo: Der Deutsche Bund
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Empfohlene Zitierweise
Marko Kreutzmann, Bundesversammlung (Deutscher Bund), publiziert am 19.05.2025; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bundesversammlung_(Deutscher_Bund)> (12.06.2025)