Beziehungen zu Italien (19. Jahrhundert)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Die bayerisch-italienischen Beziehungen des 19. Jahrhunderts waren vielfältig und bewegten sich keineswegs nur auf der staatspolitischen Ebene; vielmehr standen handels- und kulturpolitische Interessen im Fokus. Zugleich prägten dynastische sowie – in größerem Stil gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende - touristische Beziehungen das Verhältnis. Bewundert wurden in Bayern italienische Kunst und Geschichte, die zeitgenössischen Zustände wurden hingegen als politisch überholt und gesellschaftlich verkommen abgelehnt. Die schon in der Frühen Neuzeit existierende transalpine Arbeitsmigration nahm im 19. Jahrhundert – praktisch ausschließlich von Süd nach Nord – neue Dimensionen an. Umgekehrt zog es immer mehr Reisende aus Bayern auf die Apenninhalbinsel, wobei nach dem vormodernen Grand Tour und neben der bürgerlichen Bildungsreise, wie sie vor allem im 18. Jahrhundert aufgekommen war, der Massentourismus langsam am Horizont erkennbar wurde.
Ausgangslage
Die politische Landkarte Italiens ähnelte in ihrer Struktur der des Alten Reiches, hier wie dort fanden an der Wende zum 19. Jahrhundert große Umwälzungen statt: Bayern wurde 1806 ein souveränes Königreich und löste sich aus dem Reich, das im selben Jahr zerfiel. Die neu erlangte Souveränität wurde auch vom Wiener Kongress und der Gründung des Deutschen Bundes nicht angetastet. Wie andernorts, wurden auch auf der Apenninhalbinsel die von Napoleon (1769-1821, Kaiser der Franzosen 1799-1814) beherrschten Gebiete befreit und 1815 restrukturiert. Wenngleich die vorrevolutionäre Ordnung nicht wiederhergestellt wurde, blieben zahlreiche Partikularfürstentümer bestehen. Erst 1859/61 gelang es unter der (nolens volens übernommenen) Führung Sardinien-Piemonts, ein italienisches Königreich zu gründen, dessen Einheit mit der Einnahme des Kirchenstaates 1870 ihre vorläufig endgültige Form fand. Zur selben Zeit (1870/71) verlor Bayern seine staatliche Souveränität an das neu entstandene Deutsche Kaiserreich.
Politische Beziehungen
Die institutionalisierten politischen Beziehungen Bayerns zu den Herrschaftsgebieten jenseits der Alpen reichen in die Frühe Neuzeit zurück: In Rom befand sich die erste ständige Vertretung der Wittelsbacher überhaupt (seit 1605), im 17. und 18. Jahrhundert folgten pfalz-neuburgische und kurbayerische Gesandtschaften in Mailand, Neapel-Sizilien, Venedig und der Toskana. Das Recht, eigene Vertretungen bei auswärtigen Staaten zu unterhalten, blieb Bayern, wie allen deutschen Einzelstaaten, nach der Gründung des Deutschen Bundes 1815 bzw. des Deutschen Reiches 1871 erhalten. Zwischenzeitliche Zentralisierungsversuche (z.B. in Art. 11 der Rheinbundakte, in den §§ 6f. der Paulskirchenverfassung) blieben folgenlos, und auch die Reichsverfassung von 1871 kannte das einzelstaatliche Gesandtschaftsrecht, wenngleich es sowohl de jure (Art. 11 Reichsverfassung) als auch de facto politisch rasch entwertet wurde. Tatsächlich erloschen ist es indes erst mit dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung 1919; eine Ausnahme bildeten lediglich die diplomatischen Beziehungen Bayerns zum Heiligen Stuhl, die bis 1934 bestehen blieben.
Erst seit dem Wiener Kongress war das moderne Bayern jenseits seines Gesandten am Heiligen Stuhl auf der italienischen Halbinsel vertreten. Ein Diplomat war zunächst am sardischen Hof in Turin beglaubigt, zog nach der Einigung Italiens in die neue Hauptstadt Florenz (1865), dann, nach der Inkorporierung Roms, 1870 in die Ewige Stadt. Nur zwischen 1851 und 1865 wurden die Gesandtschaftsgeschäfte vom bayerischen Vertreter am Heiligen Stuhl mitgeführt. Die offizielle Aufhebung der Münchner Vertretung am Quirinal, der Residenz des italienischen Königs in Rom, erfolgte am 24. Oktober 1919, nachdem der letzte Vertreter, Rudolph Freiherr von und zu der Tann-Rathsamhausen (1855–1942), schon mit Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg ausgewiesen worden war (23. Mai 1915).
Name | Lebensdaten | Amtszeit | Bemerkung |
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Willibald Hyazinth Gf. v. Rechberg und Rothenlöwen | 1780-1849 | 1816-1817 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Max Emanuel Gf. v. Freyen-Seyboldtsdorff | 1777-1832 | 1817-1821 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Konrad Adolf Frhr. v. Malsen | 1792-1867 | 1821-1827 | Geschäftsträger |
Johann Franz, Ritter v. Olry | 1769-1863 | 1827-1841 | Ministerresident |
vakant | 1841-1843 | ||
Maximilian Gf. v. Marogna | 1797-1874 | 1843-1847 | Ministerresident |
Karl August Ritter v. Abel | 1788-1859 | 1847-1850 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Karl Christian Gf. zu Spaur und Flavon | 1794-1854 | 1850-1854 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister; gleichzeitig Gesandter am Heiligen Stuhl |
Ferdinand Johann Frhr. v. Verger | 1806-1867 | 1854-1860 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister; gleichzeitig Gesandter am Heiligen Stuhl |
Gesandtschaft 1860 aufgehoben |
Name | Lebensdaten | Amtszeit | Bemerkung |
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Kasimir Frhr. von Haeffelin | 1737-1827 | 1810-1815 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister; 1803-1810 u. 1815-1827 Gesandter am Heiligen Stuhl |
Franz Oliver Gf. von Jenison-Walworth | 1787-1867 | 1816-1821 | Geschäftsträger |
vakant | 1821-1850 | Gesandtschaft nicht besetzt, nur Vertretung durch Handelsagenten im Land | |
Karl Christian Gf. zu Spaur und Flavon | 1794-1854 | 1850-1854 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister; gleichzeitig Gesandter am Heiligen Stuhl u. bei Piemont- Sardinien |
Ferdinand Johann Frhr. v. Verger | 1806-1867 | 1854-1867 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister; gleichzeitig Gesandter am Heiligen Stuhl u. (bis 1860) bei Piemont- Sardinien |
1867 Gesandtschaft aufgehoben |
Name | Lebensdaten | Amtszeit | Bemerkung |
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Ferdinand Gf. von Hompesch-Bollheim | 1824-1913 | 1865-1868 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Ludwig Karl Gf. von Paumgarten-Frauenstein | 1821-1883 | 1868-1870 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Wilhelm Ritter von Dönniges | 1814-1872 | 1870-1872 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Alfred Ludwig Frhr. von Bibra | 1827-1880 | 1872-1880 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Karl Ritter von Rumpler | 1842-1898 | 1880 | Geschäftsträger |
Rudolf Edgeworth Frhr. von Tautphoeus | 1838-1885 | 1880-1885 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Karl Joseph Gf. von Moy | 1827-1894 | 1886-1887 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Klemens Hans Gf. von Podewils-Dürniz | 1850-1922 | 1887-1896 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister; ab 1902 bay. Minister des Äußern |
Heinrich Frhr. Tucher zu Simmelsdorf | 1853-1925 | 1896-1903 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Rudolf Friedrich Frhr. von und zu der Tann-Rathsamhausen | 1855-1942 | 1903-1915 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister; 1915 wegen Kriegseintritt Italiens ausgewiesen |
1919 Gesandtschaft aufgehoben |
Umgekehrt waren mit Piemont-Sardinien (seit 1816) und Neapel-Sizilien (1811-1820/23; Wiederaufnahme der unterbrochenen diplomatischen Beziehungen 1852) zwei italienische Staaten in München vertreten, die ab 1866 in der neu errichteten diplomatischen Vertretung des Königreichs Italien aufgingen; daran änderte auch die Gründung des Deutschen Reiches 1871 nichts. Anders als die Akkreditierung von Diplomaten bei weiteren deutschen Einzelstaaten wurde diese Gesandtschaft nicht von Berlin aus mitbetrieben, sondern blieb – zwischenzeitlichen Überlegungen zu ihrer Einziehung ungeachtet – bis zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen am 27. August 1916, also am Vorabend der Kriegserklärung Italiens an Deutschland (28. August 1916) selbständig besetzt. Damit endeten auch die völkerrechtlichen Beziehungen zwischen Bayern und Italien, wohingegen diejenigen zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl mit je eigenen diplomatischen Vertretungen in Rom (bayerische Gesandtschaft) bzw. München (päpstliche Nuntiatur) bis 1934 bestehen blieben.
1874 wohnte der Gesandte Italiens, Giuseppe Conte di Greppi im Palais Portia in der Münchener Promenadenstraße (heute Kardinal-Faulhaber-Straße). Holzschnitt von 1863. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-003997)
1880 befand sich das Quartier des italienischen Gesandten Luigi Conte di Rati-Opizzoni im Hotel Vier Jahreszeiten in der Münchener Maximilianstraße. Kolorierter Druck nach einem Stahlstich, um 1865. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-031450)
1905 wohnte der Gesandte Cavaliere Emanuele Berti in der Villa Scheuer in der Münchener Königinstraße 23. Im gleichen Haus war auch die Gesandtschaft untergebracht. Fotografie der Villa Scheuer (später Ziegler) um 1880. (Stadtarchiv München (Sammlung Valentin) DE-1992-FS-NL-K1V-0195, lizenziert durch CC BY-ND 4.0)
Name | Lebensdaten | Amtszeit | Bemerkung |
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Wilhelm Gf. von Ludolf | 1819-1907 | 1852-1856 | 1852-1856 auch Geschäftsträger für Kgr. beider Sizilien |
Name | Lebensdaten | Amtszeit | Bemerkung |
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Filippo Arborio Conte di Sartirana dei Marchesi di Brena | 1776-1819 | 1816-1819 | Ministerresident |
vakant | 1819-1823 | ||
Luigi Cavaliere di Simonetti | 1823-1829 | Geschäftsträger | |
Augusto Conte Avogadro di Collobiano | 1781-1858 | 1829-1832 | Ministerresident |
Vittorio Balbo Conte di Sambuy | 1793-1846 | 1832-1835 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Hermolas Asinari Cavaliere de Saint Marsan | 1800-1864 | 1835-1838 | Geschäftsträger, Ministerresident |
Fabio Marchese di Pallavicini | 1795-1872 | 1838-1848 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Manfredo Balbo Chevalier de Sambuy | 1806-1874 | 1848-1851 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Adriano Conte Thaon de Revel | 1813-1854 | 1851-1854 | Geschäftsträger |
vakant | 1854-1857 | ||
Giovanni Marchese di Cantono Ceva | 1824-1911 | 1857-1860 | Geschäftsträger |
Luigi Conte di Rati-Opizzoni | 1829-1902 | 1860 | Geschäftsträger |
Rodrigo Conte di Cirié | 1828-1869 | 1860-1861 | Geschäftsträger |
1861 Gesandtschaft aufgehoben |
Name | Lebensdaten | Amtszeit | Bemerkung |
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Francesco Saverio Caraffa Principe di Colubrano | 1759-1813 | 1811-1813 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Francesco Conte Caracciolo di Melissano | 1777-1846 | 1813-1815 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
1815 in Gesandtschaft des Kgr. beider Sizilien umgewandelt |
Name | Lebensdaten | Amtszeit | Bemerkung |
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Longo Domenico Marchese di Gagliati | 1787-1860 | 1817-1823 | Geschäftsträger; ab 1820 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister und zugleich Gesandter in Preußen |
vakant | 1823-1852 | ||
Wilhelm Gf. von Ludolf | 1819-1907 | 1852-1859 | Geschäftsträger, ab 1857 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1852-1856 auch Geschäftsträger für Parma |
Salvatore Principe di Partanna Conte di Grifeo | geb. 1816 | 1859-1861 | Geschäftsträger, ab 1861 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Luigi Conte Cito de Torrecusa | 1820-1890 | 1861-1865 | Geschäftsträger, ab 1862 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister (Vertretung des Exilkönigs) |
1865 Gesandtschaft aufgehoben |
Name | Lebensdaten | Amtszeit | Bemerkung |
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Filippo Marchese di Oldoini | 1817-1889 | 1866-1867 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Giovanni Antonio Marchese di Migliorati | 1825-1898 | 1867-1871 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Giuseppe Conte di Greppi | 1819-1925 | 1871-1875 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Alessandro Conte Zannini | 1839-1900 | 1875-1876 | Geschäftsträger |
Luigi Conte di Rati-Opizzoni | 1829-1902 | 1876-1880 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, bereits 1860 als Geschäftsträger für Piemont-Sardinien in München |
Albert Baron Blanc | 1835-1904 | 1880-1881 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Raffael Conte di Ulisse-Barbolani di Cesapiana | 1818-1900 | 1881-1888 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Enrico Cavaliere di Cova | 1832-1915 | 1888-1894 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Cavaliere Salvatore Tugini | 1842-1906 | 1894-1896 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Alberto Conte di Foresta | 1829-1906 | 1897-1904 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Cavaliere Emanuele Berti | 1859-1928 | 1904-1907 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Alexander Marchese Guasco di Bisio | 1848-1935 | 1907-1910 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Aldo Nobili della Scala | 1854-1932 | 1910-1913 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
Pietro Tomasi della Torretta Marchese di Principi di Lampedusa | 1873-1962 | 1913-1916 | Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister |
1916 Abbruch der Beziehungen wegen Kriegserklärung Italiens an das Deutsche Reich |
Die Aufgaben der bayerischen Gesandtschaft umfassten Handelspolitisches genauso wie konsularische, kulturelle und höfische Angelegenheiten; insbesondere Kronprinz bzw. König Ludwig I. (1786-1868, reg. 1825-1848) nutzte sie auch für den Ankauf und die Ausfuhr seiner zahlreichen Kunsterwerbungen. Politische Aufgaben im engeren Sinn fielen zwar in ihre Zuständigkeit; da das Königreich jedoch auf eine aktive Außenpolitik jenseits des Deutschen Bundes weitgehend verzichtete und seine Diplomaten nach 1871 überdies im Schatten der Reichsbotschafter standen, beschränkten sich die diesbezüglichen Aufgaben auf das Beobachten und Referieren der innen- und außenpolitischen Verhältnisse Italiens. Hauptsächlich sollte die schiere Existenz der bayerischen Gesandtschaft unter den Bedingungen der Reichseinheit Bayerns völkerrechtliche Handlungsfähigkeit dokumentieren, ohne dass dieser symbolischen Geste eine reale Handlungshoheit entsprach.
Camillo Benso Graf von Cavour (1810-1861). (Abb. aus: Constantin Bulle, Geschichte des Zweiten Kaiserreiches und des Königreiches Italien, Berlin 1890, n. 282.)
Vittorio Emanuele II. (1820-1878), König von Italien. (Abb. aus: Constantin Bulle, Geschichte des Zweiten Kaiserreiches und des Königreiches Italien, Berlin 1890, n. 280.)
Giuseppe Garibaldi (1807-1882). (Abb. aus: Constantin Bulle, Geschichte des Zweiten Kaiserreiches und des Königreiches Italien, Berlin 1890, n. 314.)
Vittorio Emanueles II. Einzug in Florenz. (Abb. nach einem Gemälde von Enrico Fanfani aus: Constantin Bulle, Geschichte des Zweiten Kaiserreiches und des Königreiches Italien, Berlin 1890, n. 408.)
Die italienische Einigung der Jahre 1859-1861 wurde in Bayern kritisch verfolgt. Zum einen blickte man mit Geringschätzung auf die politisch-moralischen Zustände auf der Apenninhalbinsel, die man teils für rückständig, teils für verdorben und dekadent hielt – ein Bild, das merkwürdig mit der Glorifizierung der italischen Vergangenheit (Antike und Renaissance) kontrastierte, sich aus nationalistischem Überheblichkeitsgefühl speiste und dessen Wirkungsgeschichte das deutsch-italienische Verhältnis im 19. Jahrhundert belastete und z.T. bis in die Gegenwart reicht. Zum anderen stand man den Idealen des Risorgimento (d.h. jenem Jahrhundert, in dem die italienische Nationalstaatsgründung ab 1770 Dynamik gewann und 1870 vollendet wurde) in Bayern gleichgültig oder sogar ablehnend gegenüber, da man darin nichts anderes als den französischen Versuch sah, die Halbinsel zu dominieren und sich gegen Deutschland in Stellung zu bringen. Der sardische König Vittorio Emanuele II. (1820-1878, König von Sardinien-Piemont 1849-1861, König von Italien 1861-1878), sein Regierungschef Camillo Benso Cavour (1810-1861, Präsident des Ministerrats von Sardinien-Piemont 1852-1861; erster Präsident des Ministerrats von Italien 1861) und der Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi (1807-1882) galten dementsprechend lediglich als Helfer und Helfershelfer des französischen Kaisers Napoleon III. (1808-1873, Kaiser der Franzosen 1852-1870). Überdeutlich ist in dieser Einschätzung die Ablehnung legitimistischer, nationaler Bewegungen zu erkennen – eine Haltung, die nicht zuletzt aus der Sorge vor Parallelentwicklungen im Deutschen Bund resultierte, welche auf eine Mediatisierung Bayerns hinauslaufen mussten. Dieser Umstand erklärt, warum Bayern den 1859-1861 entstehenden Staat Italien erst Ende 1865 diplomatisch anerkannte, zumal München infolge der preußisch-österreichischen Konvention von Gastein (August 1865) zu diesem Zeitpunkt seine großdeutschen Hoffnungen begraben musste.
Dynastische Beziehungen
Hochzeiten zwischen Wittelsbachern und italienischen Fürstengeschlechtern waren noch in der Moderne häufig, wenngleich die politischen Implikationen, die ihnen im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit innegewohnt hatten, an Bedeutung verloren. Eine Ausnahme bildete die dynastische Verbindung Eugène de Beauharnaisʼ (1781-1824) mit Auguste (1788-1851), einer Tochter des ersten bayerischen Königs Maximilian I. Joseph (1756-1825, reg. 1799/1806-1825). Zum Zeitpunkt der Hochzeit (Januar 1806) war Eugène seit einem halben Jahr Vizekönig des – von seinem Adoptivvater Napoleon geschaffenen – kurzlebigen "Königreichs Italien".
Gleichwohl gab es noch im 19. Jahrhundert mehrere transalpine bayerisch-italienische Herrscherpaare, unter denen dasjenige von Herzogin Marie in Bayern (1841-1925) und dem bourbonischen Kronprinzen Franz (1836-1894, König beider Sizilien 1859-1861) wohl das bekannteste war. Ihre Verbindung 1859 und seine Regierungsübernahme im selben Jahr machten Marie zur letzten Königin beider Sizilien. Nachdem Garibaldis Truppen im Zuge des italienischen Einigungsprozesses auf Sizilien gelandet waren, zog sich das Paar im Herbst 1860 in die Seefestung Gaeta zurück. Die aktive Rolle, die die 19-jährige Marie im Gegensatz zu ihrem mutlosen Mann bei deren Verteidigung spielte, führte in der bayerischen Öffentlichkeit zu ihrer Glorifizierung als Muster an Mut, Tugend, Treue und Pflichterfüllung gegenüber dem angestammten Königshaus – das wahlweise als bourbonisch oder wittelsbachisch gelesen werden konnte. Die Darstellung ließ jedenfalls deutlich den Appellcharakter zur Verteidigung der bayerisch-wittelsbachischen Selbständigkeit gegenüber (deutsch-)nationalen Einheitsbestrebungen erkennen und verankerte Marie zugleich als "Heldin von Gaeta" im kollektiven Gedächtnis. Ihr weiterer Lebensweg war dann von öffentlichen Skandalen gepflastert. Die Zeit bis zu ihrem Tod (1925) verbrachte sie an verschiedenen europäischen Orten im Exil.
Königin Marie von Neapel in Gaeta, Fotografie nach einem Gemälde von Ferdinand Piloty (Das Bayerland 6 (1895), 235.)
Oskar von Redwitz: Die Heldin von Gaeta. (Bayerischer Kurier Nr. 40 (10.02.1861))
Neben Ehen ist vor allem die Italienliebe König Ludwigs I. prägend für den dynastischen Blick über die Alpen. Nicht weniger als 27 Mal reiste dieser bayerische Monarch alleine nach Rom, überwiegend für mehrere Wochen oder Monate, 1827 kaufte er sich aus Mitteln der Kabinettskasse die Villa Malta auf dem Pincio als persönlichen Wohnsitz. Jenseits der Alpen entzündete sich seine Liebe zur Kunst, hier lernte er den (dann auch in München praktizierten) persönlichen Kontakt und Austausch mit Künstlern kennen wie schätzen, und hier erwarb er zahlreiche Stücke, die heute den Grundstock der Glyptothek und wichtige Beiträge zu den Pinakotheken bilden. Überdies holte Ludwig zuvor in Rom tätige Künstler nach München, sandte bayerische Künstler zur (Fort-)Bildung in die Ewige Stadt und leistete sich eigene Kunstagenten in der Stadt, um im internationalen Wettbewerb um die bedeutendsten Stücke konkurrenzfähig zu sein. Der bedeutendste unter den letztgenannten war Johann Martin von Wagner (1777-1858), für erstere wäre stellvertretend an einige Nazarener (etwa Peter von Cornelius (1783-1867), Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872) oder Heinrich Heß (1798-1863)) zu denken, für zweitere an die Phelloplastiker Carl (1747-1822) und Georg May (1790-1853), deren Korkmodelle von Pantheon, Titus- und Konstantinsbogen, verschiedener Tempel oder Kolosseum heute im Aschaffenburger Schloss ausgestellt sind. Die internationale Bedeutung Bayerns und v.a. Münchens als Kunstmetropole wäre ohne die Italienerlebnisse des zweiten bayerischen Königs ebenso undenkbar wie die architektonische Gestaltung wichtiger Räume in Bayern. Dies gilt für den Königsbau der Residenz (nach dem Vorbild des Palazzo Pitti/Florenz) und die Ludwigstraße in München (z.B. das Leuchtenbergpalais nach dem Vorbild des Palazzo Farnese/Rom, die Hof- und Staatsbibliothek nach dem des Palazzo Rucellai/Florenz oder die Feldherrnhalle nach dem der Loggia dei Lanzi/Florenz), ebenso wie für das Pompejanum oder die Villa Ludwigshöhe. Das eine ließ der von archäologischen Ausgrabungen inspirierte König als Idealbau eines römischen Wohnhauses in Aschaffenburg, das andere als Villa "Italienischer Art […] in des Königreichs mildestem Theile" (Ludwig I.), der Pfalz, errichten.
Gemälde von Franz Ludwig Catel (1778-1856), Kronprinz Ludwig in der Spanischen Weinschänke zu Rom, 1824. (Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München: WAF 142 lizenziert durch CC BY-SA 4.0)
Gemälde mit Blick auf die Villa Malta in Rom von Domenico Quaglio (1787-1837) von 1830. (Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München: WAF 784 lizenziert durch CC BY-SA 4.0)
Bayern, Italien und der Erste Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg hat sich hier wie dort primär als nationale Auseinandersetzung ins kollektive Gedächtnis eingegraben, ist aber in Italien weit stärker präsent als in Bayern und wird überdies primär als ein Krieg gegen Österreich, weniger gegen Deutschland wahrgenommen. Während Italien als Dreibundpartner zunächst neutral blieb, zeichnete sich ab Jahresbeginn 1915 immer deutlicher dessen Kriegseintritt auf Seiten der Entente ab; auch die von dem deutschen Sonderbotschafter Bernhard von Bülow (1849-1929) sowie dem späteren Finanzminister Matthias Erzberger (Zentrum, 1875-1921) geführten und von Bayern tatkräftig unterstützten Neutralitätsverhandlungen (Februar bis Mai 1915) scheiterten. Am 23. Mai 1915 trat der langjährige Dreibundpartner Italien auf Seiten der Entente gegen Österreich (nicht gegen Deutschland) in den Krieg ein. Damit entstand eine Front, die von der Adria am Isonzo entlang über die Karnischen Alpen und die Dolomiten bis zum Stilfser Joch reichte und von der 90% im Gebirge verliefen.
Bereits am 20. Mai 1915 hatte das bayerische Kriegsministerium die Anweisung zur Aufstellung einer Gebirgstruppe erhalten. Auch wenn dieses Alpenkorps Teil der Reichstruppen war, zeigte es eine klare bayerische Prägung: Kommandeur wurde der frühere Generalstabschef der bayerischen Armee, Konrad Krafft von Dellmensingen (1862-1953), mehr als die Hälfte der Soldaten rekrutierte sich aus bayerischen Truppenteilen. Allerdings durften die Einheiten die Grenze bis zur Kriegserklärung Italiens an das Deutsche Reich (28. August 1916) nicht überschreiten und wurden schon ab 1916 auf anderen Kriegsschauplätzen eingesetzt. In jüngerer Zeit wird mit mehreren (Freilicht-)Museen und Ausstellungen an den verlustreichen Gebirgskrieg gedacht, der auf einer Höhe bis zu 3.500 Metern geführt wurde; mitunter werden Objekte und Gletscherleichen, wie sie in der Sonderausstellung "Frozen Stories" des Archäologiemuseums Bozen 2014–2016 zu sehen waren, erst gegenwärtig infolge des Klimawandels freigelegt. Weitgehend ausgeblendet hingegen ist das Schicksal der Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg – und das, obwohl unter den ca. 170.000 in Deutschland internierten italienischen Soldaten die Sterblichkeitsrate mit 5,46% mehr als doppelt so hoch war wie unter den westalliierten Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft (2,3%); die größten deutschen Lager befanden sich in Celle, Meschede, Ellwangen, Langensalza und Rastatt.
Tourismus
Die Italiensehnsucht der Deutschen, und mit ihnen der Bayern, ist sprichwörtlich und schon in der Vormoderne zu beobachten. Was sich im Lauf des 19. Jahrhunderts änderte, war die Art der Reise: War der frühneuzeitliche Grand Tour eine Auseinandersetzung mit dem Andersartigen, präsentiert sich die touristische Reise eher als Akt des Konsums. Die Bemerkung des Schriftstellers Rudolf Borchardt (1877-1945) von 1907 – "Das Italien unserer Ahnen ist, wie man weiß, seit die Eisenbahnen es für den Verkehr verschlossen haben [in späteren Ausgaben: erschlossen haben], eines der unbekanntesten Länder Europas geworden" – weist auf die Zäsur hin: Die Fertigstellung der Brennerbahn 1867 verkürzte die Reisezeit von Innsbruck nach Bozen von 16 auf sechs, die der Brennerexpressbahn (1899) auf dreieinhalb Stunden. Unterstützt vom ersten reinen Italienband des Baedeker (Oberitalien, 1861) wurden das damals noch zum Habsburgerreich gehörende Südtirol sowie Oberitalien bevorzugte Reiseziele: Die jährlichen Ankünfte in Meran explodierten förmlich, vergleicht man die Zahlen von vor dem Eisenbahnbau (1.300) mit denen von 1913/14 (40.000). Der kriegsbedingte Einbruch nach 1915 war rasch überwunden, 1931 verbuchte die nun italienische Stadt 1,267 Mio. Übernachtungen, wobei die noch 1826 vom "Handbuch für Reisende in Italien" empfohlene Aufenthaltsdauer in Italien von einem halben Jahr kontinuierlich sank. Der Weg von der Bildungsreise zum Massentourismus des 20. Jahrhunderts war betreten.
Galleria Vittorio Emanuele II., Mailand, Fotgrafie aus einem Reisealbum zwischen 1875 und 1903. (Bayerische Staatsbibliothek, Slg.Lorenz 7155)
Limone am Gardasee, kolorierte Fotografie aus einem Reisealbum zwischen 1875 und 1903. (Staatsbibliothek, Slg.Lorenz 7155)
Die Riva degli Schiavoni Richtung Arsenal, Fotografie aus einem Reisealbum zwischen 1875 und 1903. (Bayerische Staatsbibliothek, Slg.Lorenz 7155)
Badegäste am Strand von Grado, 1910. (Foto: FORTEPAN / Schmidt Albin — ID 86287 lizenziert duch CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)
Wirtschaftsbeziehungen
Transalpine Handelsbeziehungen weisen eine bis in die Antike zurückreichende Tradition auf. Von Wirtschaftsbeziehungen im modernen Sinn kann indes im 19. Jahrhundert noch keine Rede sein, weil die Industrialisierung Italiens im eigentlich Sinne erst mit erst mit Beginn des zweiten Drittels des 20. Jahrhunderts einsetzte. Bereits die Agrarrevolution war infolge natürlicher (z.B. Wasserknappheit, tektonische Dynamik) und anthropogener Faktoren (Überweidung, Abholzung, Monokultur, Subsistenzwirtschaft u.a.) auf dem italienischen Stiefel ausgefallen, und in Bezug auf den sekundären Sektor lehnten maßgebliche Akteure von Staat und Gesellschaft die Industrialisierung nach nordwesteuropäischem Vorbild wegen der Auswüchse auf Gesellschaft und Natur dezidiert ab. Es entwickelte sich ein national-korporatistisches System samt zolltechnischer wie mentaler Abschottung mit Folgen bis ins Bildungssystem: Es gab in Italien kaum Ingenieur- und anwendungsorientierte Naturwissenschaften, wohingegen Mathematik und Jurisprudenz Weltruhm besaßen.
Der wirtschaftliche Wandel des Landes vollzog sich entsprechend langsamer als in Westmitteleuropa, die Landwirtschaft stellte sich als schwach, der Textilsektor als nicht konkurrenzfähig dar, befestigte Straßen waren v.a. im Süden selten und das Eisenbahnnetz nur im Norden über den Ausbau grundlegender Hauptrouten hinausgekommen; ein landesweiter Markt entstand im 19. Jahrhundert nicht. Entsprechend waren bayerische Handelsinteressen auf der Halbinsel nur punktuell vertreten, etwa in Venedig und Triest, wo eigene Agenten – in napoleonischer Zeit wie anschließend unter direkter oder indirekter Herrschaft Habsburgs – sie wahrnahmen. Angesichts dieser engen Verbindungen verwundert es nicht, wenn der Augsburger Industrielle Friedrich Christian Oexle (1801–1864) Teil einer fünfköpfigen Kommission war, die in den 1830er Jahren für die venezianische Handelskammer die Gründung einer Kommanditgesellschaft zum Eisenbahnausbau Venedig–Mailand prüfte. Mit der Industrialisierung Deutschlands verlagerten sich die wirtschaftlichen Austauschbeziehungen Bayerns gen Norden: Baumwolle etwa wurde seit Erschließung des Eisenbahnnetzes nicht mehr über Venedig, sondern über Bremerhaven bezogen. Dabei war es mit Joseph Anton von Maffei (1790-1870) ein Bayer mit italienischen Wurzeln – er entstammte einem Veroneser Adelsgeschlecht, sein Vater Pietro Paolo (1754-1836) war 1770 aus Trient nach München eingewandert –, der mit seiner Lokomotiv- und Maschinenfabrik J.A. Maffei in München und den Maffeischen Werkstätten in Regensburg als einer der Pioniere des bayerischen Eisenbahnwesens gilt und Lokomotiven auch an die italienische Bahn lieferte.
Arbeitsmigration
Transalpine Arbeitsmigration ist kein Phänomen der abschätzig "Gastarbeiter" genannten Generation der 1950er und 1960er Jahre. Im 19. Jahrhundert waren Bayern wie Italien Auswandererstaaten, wobei die Emigration in Wellen verlief, deren Höhepunkte vorwiegend von wirtschaftlichen Krisenphasen und/oder Hungerkrisen gekennzeichnet waren. In Bayern betraf das die Jahre von 1846 bis 1854, die 1860er und die 1880er Jahre. Mehrere hunderttausend Menschen emigrierten, allein in der ersten Welle waren es rd. 140.000, in der zweiten rd. 170.000. Ca. 90% von ihnen zog es in die USA, der italienische Raum spielte als Ziel kaum eine Rolle.
Italien wiederum erlebte in dem Jahrhundert nach der Vereinigung 1861 eine langanhaltende Auswanderungswelle mit einem Höhepunkt zwischen Jahrhundertwende und dem Beginn des Ersten Weltkriegs (Statistik 1). Zählte das Land nach Abschluss des Risorgimento 1861 etwa 22 Mio. Einwohner, wanderten bis zum Kriegseintritt des Landes 1915 etwa 1,3 Mio. Menschen ins Deutsche Reich und weitere 1,4 Mio. nach Österreich-Ungarn aus (Statistik 2). Die Gründe für diese Massenmigration sind in der verzögerten Industrialisierung, einer ungerechten Bodenverteilung, der Agrarkrise und ineffizienter Produktionsmethoden v.a. im Mezzogiorno, grassierender Kriminalität sowie der daraus resultierenden Arbeitslosigkeit und Armut weiter Bevölkerungsschichten einerseits und einem rasanten Bevölkerungswachstum andererseits zu suchen. Die Migrierenden des 19. Jahrhunderts entstammten – sieht man von spezialisierten Berufsgruppen wie Steinmetzen ab – in sozialer Hinsicht überwiegend niederen Schichten, v.a. handelte es sich um ungelernte Kräfte; in geographischer Hinsicht migrierten zunächst Norditaliener (überwiegend aus dem Friaul, insbesondere den Provinzen Belluno und Udine), ab 1880 auch die Bevölkerung des Südens. Bayern rangierte unter den deutschen Aufnahmegebieten 1910 mit 6,6% der Italiener hinter Elsass-Lothringen (30,1%), den preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen (20,3 bzw. 10,3 %) und Baden (10,9%), etwa gleichauf mit Württemberg (6,7%). Allein in Oberbayern erhöhte sich die Zahl italienischer Arbeiter zwischen 1891 und 1907 von 7.662 auf 17.425. Allerdings sind die statistischen Erhebungen mit Vorsicht zu betrachten, da die dominierende Zahl der Menschen lange Zeit nur saisonal in Bayern arbeitete, Volkszählungen im Reich aber stets Anfang Dezember stattfanden, als jene für das Winterhalbjahr bereits über die Alpen zurückgekehrt waren (eine Praxis, die sich v.a. bei gelatieri, den Eismachern, lange hielt und mitunter noch heute anzutreffen ist). Beschäftigungssektoren waren vor allem das Baugewerbe und die Industrie (v.a. Montan- und Textilindustrie), kaum der Agrarsektor. Für Bayern sind die als ausgesprochen fleißig und zuverlässig geltenden Wanderarbeiter vor allem im Bereich des Ziegeleiwesens oder des Oberpfälzer Eisenbahnbaus gut belegt. Ein langsamer Übergang von saisonaler Wanderung zu dauerhafter Immigration ist erst nach der Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert festzustellen, so dass Akkulturation und Integration lange außen vor blieben.
Die freiwillige Arbeitsmigration war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein männlich dominiert, temporär und erfolgte ohne Familien. Die vom Königreich Bayern 1890 eingerichtete italienischsprachige Schule in Haidhausen (Stadt München) für Kinder von Wanderarbeitern blieb Episode, sie wurde bereits 1904 wieder geschlossen; der sich heute dort befindende Ziegelbrennerbrunnen erinnert an die friulanischen Wanderarbeiter in bayerischen Ziegelbrennereien. Die italienische Arbeitsmigration über die Alpen erfuhr mit dem Ersten Weltkrieg einen abrupten Stopp; auch während der Weimarer Republik gewann sie nur wenig an Dynamik, umso mehr dafür dann unter je unterschiedlichen Vorzeichen in der Zeit des Nationalsozialismus und der Bundesrepublik Deutschland der 1950/60er Jahre.
Rezeption und Forschung
Die bayerisch-italienischen Beziehungen stellen sich für das 19. Jahrhundert somit als ausgesprochen facettenreich dar. Sie umfassen ökonomische Austauschprozesse genauso wie politische, dynastische und tourismusgeschichtliche Aspekte sowie solche der Arbeitsmigration. Umso bemerkenswerter ist es, dass das wechselseitige Verständnis häufig oberflächlich blieb. Einen wichtigen Anteil hieran hat der Umstand, dass die Rezeption des Gegenübers – auf die Breite gesehen – von Vorannahmen, Stereotypen und, blickt man auf die italienischen Arbeitsmigranten, einem Hierarchiegefälle und weitgehend ausbleibender Akkulturation geprägt war. Auch die geschichtswissenschaftliche Erforschung der wechselseitigen Beziehungen erreicht für das 19. – wie das nachfolgende 20. – Jahrhundert nicht die Dichte, die angesichts der geographischen Nähe zu vermuten stünde. Mehrere entsprechende Sammelbände, die einschlägige Landesausstellung von 2010 sowie das Thema aus nationaler, biographischer oder sachthematischer Perspektive betrachtende Spezialstudien gewährleisten gleichwohl die Möglichkeit einer umfassenden Information.
Literatur
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Weiterführende Recherche
- Schlagwortsuche im Online-Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern
- Stichwortsuche in bavarikon
- Schlagwortsuche in der Bayerischen Bibliographie
Externe Links
- Zahlen italienischer Emigranten zwischen 1861-1985 vom Rete Civica di Milano
- BR 2: Radiobeitrag: Blut, Stahl und Edelweiß. Bayerische Soldaten im Dolomitenkrieg
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Empfohlene Zitierweise
Jörg Zedler, Beziehungen zu Italien (19. Jahrhundert), publiziert am 27.07.2023, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Beziehungen_zu_Italien_(19._Jahrhundert)> (09.10.2024)