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Bayerischer Jugendring (BJR)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Logo des Bayerischen Jugendrings. (Bayerischer Jugendring)

von Bernhard Schoßig

Der Bayerische Jugendring (BJR) wurde 1947 gegründet. Er ist die Arbeitsgemeinschaft der 35 landesweiten und 39 regional tätigen Jugendverbände sowie 322 örtlichen Jugendgruppen (Stand: Oktober 2018) in Bayern. Als einziger Landesjugendring in Deutschland hat er die Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR). Ihm sind in erheblichem Umfang auch öffentliche Aufgaben übertragen worden. Für den Bereich der Jugendarbeit nimmt er seit 1993 wesentliche Aufgaben eines Landesjugendamtes wahr. Der Sitz des BJR befindet sich in München.

Gründung

Bereits im Herbst 1945 begannen Soldaten und Offiziere der US-Besatzungstruppen mit der "Jugendbetreuung". Die Ausflüge im Jeep waren bei Kindern und Jugendlichen sehr begehrt. (Bayerischer Jugendring)
Im Jugendberghaus Sudelfeld bei Bayrischzell (Lkr. Miesbach) wurde am 18./20. April 1947 der Bayerische Jugendring (BJR) gegründet. Das 1937/38 erbaute Gebäude diente zuvor der SS als Erholungsheim, war dann Lazarett und wird seit 1948 als Jugendherberge genutzt. Auf dem Gelände war bis 1945 ein Außenlager des Konzentrationslagers (KZ) Dachau untergebracht. (Bayerischer Jugendring)

Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 brachte auch das Ende der nationalsozialistischen Jugendpolitik und -arbeit mit sich. Die NS-Jugendorganisationen Jungvolk, Hitlerjugend (HJ), Jungmädel (JM), Bund Deutscher Mädel (BDM) wurden aufgelöst und ihr Eigentum beschlagnahmt. Versuche zu einem Neuanfang von unten durch einzelne Mitglieder ehemaliger Jugendverbände der Weimarer Zeit, die von den Nationalsozialisten nach 1933 zerschlagen worden waren, wurden zunächst von den alliierten Besatzungsbehörden untersagt. Das galt auch für rein kirchliche Jugendgruppen, die sich bis 1945 durchretten konnten.

Erst ein Erlass des US-Hauptquartiers in Frankfurt a.M. (Hessen) vom 21. September 1945 brachte die Wende. Darin wurde die Bildung örtlicher Jugendkomitees zugelassen, in denen Vertreter der Besatzungsmacht und der in Bildung begriffenen "strong youth groups" Aufnahme finden sollten. Diese Jugendkomitees wirkten bei der Zulassung (Lizenzierung) zwar beratend mit, die Lizenz selbst erteilte aber das Office of Land Commissioner for Bavaria. Die Jahre des Neuaufbaus hatten begonnen, aber auch die Aufarbeitung der Vergangenheit (Stichwort "Verführte Jugend") im Sinne der amerikanischen Reeducation-Politik. In München bildete sich das Jugendkomitee bereits im Oktober 1945, zusammengesetzt aus neun Jugendverbänden; bis Mai 1946 entstanden in Bayern 47 weitere Jugendkomitees, aus denen sich die sog. Kreisjugendausschüsse entwickelten. Als Organisation auf Landesebene wurde am 24./25. Mai 1946 der "Bayerische Landesjugendausschuss" gebildet, sorgfältig vorbereitet durch das Staatsministerium für Unterricht und Kultus, aber noch unter Kontrolle der Information Control Division (ICD), einer Abteilung des Office of Military Government for Bavaria (OMGBY). Maßgeblich beteiligt war der damalige Jugendreferent im Kultusministerium, Franz Josef Strauß (CSU, 1915-1988). Zum Präsidenten des Bayerischen Landesjugendausschusses wurde der Schriftsteller Alois Johannes Lippl (1903-1957) gewählt.

Bei einer Versammlung führender Persönlichkeiten der Jugendarbeit auf dem Hohen Meißner (Hessen) am 24. Oktober 1946 wurde ein Schlussstrich unter die traditionelle Jugendbewegung gezogen. Der Aufbau eines demokratischen Staates wurde als gemeinsame und zentrale Aufgabe angesehen, die durch Zusammenarbeit aller Jugendverbände gelöst werden sollte. Von dieser Tagung brachten die Vertreter des Landesjugendausschusses den Begriff und die Idee eines "Jugendrings" mit.

Vom 21. bis 23. Februar 1947 fand die erste Tagung des vorläufigen Hauptausschusses des Bayerischen Jugendrings (BJR) mit erster Lesung einer Satzung statt. Die eigentliche Gründung erfolgte während einer zweiten Tagung (18. bis 20. April 1947), bei der nach einer zweiten Lesung die Statuten von den Verbandsvertretern angenommen und unterzeichnet wurden. Die ersten lizenzierten Landesverbände waren die Falken, die Gewerkschaftsjugend, die Naturfreunde, der Bund der katholischen Jugend (BDKJ), die Kolpingjugend, die Evangelische Jugend (EJ), die Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) und der Bund deutscher Pfadfinder (BDP). Bei der Präsidentenwahl wurde Lippl in seinem Amt bestätigt.

Am 1. Januar 1948 übertrug die Militärregierung das Lizenzierungsverfahren für Jugendgruppen und -verbände an den BJR, wodurch die Jugendarbeit in Bayern nun ganz in Selbstverantwortung organisiert und gestaltet werden konnte. Kultusminister Alois Hundhammer (CSU, 1900-1974, Kultusminister 1946-1950) verlieh dem BJR am 16. Januar 1948 Status und Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR).

Satzung

Die Satzung von 1947 war geprägt vom Anspruch einer demokratischen Zusammenarbeit als Ausdruck der Gesamtverantwortung für die Belange aller jungen Menschen in Bayern. Dem lag ein gemeinsames Verständnis für die zentralen Prinzipien der Jugendarbeit – Freiwilligkeit, Ehrenamtlichkeit, Selbstorganisation und Demokratie – zugrunde. Zudem zeichnete sich die Satzung durch eine Grundauffassung aus, nach der insbesondere einem Aufleben militaristischer, nationalistischer und totalitärer Tendenzen innerhalb der Jugend entgegengewirkt werden sollte.

Die Satzung wurde in den folgenden Jahrzehnten immer wieder überarbeitet und an aktuelle Entwicklungen und Aufgaben angepasst, letztmals im Rahmen einer umfassenden Satzungsreform im Jahr 2017. Dabei blieb aber die Grundsubstanz des in der Satzung von 1947 niedergelegten Selbstverständnisses des BJR bis heute erhalten.

Organisation

Der Regisseur und Schriftsteller Alois Johannes Lippl (1903-1957) wurde 1947 zum ersten Präsidenten des Bayerischen Jugendrings (BJR) gewählt. Lippl kandidierte 1948 nicht mehr für das Amt des Präsidenten, wurde aber auf der Tagungs des Hauptausschusses zum Ehrenpräsidenten gewählt. (Bayerischer Jugendring)
Nachfolder von Alois Johannes Lippl (1903-1957, Präsident des BJR 1947-1948) wurde Dr. Martin Faltermaier (1919-2008), der das Amt bis 1953 ausübte. (Bayerischer Jugendring)

Der BJR ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Jugendorganisationen. Sein oberstes beschlussfassendes Organ ist die Vollversammlung (bis 2017: der Hauptausschuss), in der die Jugendverbände, Jugendringe und der Landesverband Bayern des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) vertreten sind. Beratend gehören ihm Repräsentanten von Institutionen, mit denen der BJR regelmäßig zusammenarbeitet, und zugewählte freie Persönlichkeiten an.

Für die laufenden Aufgaben ist der Landesvorstand verantwortlich, der aus dem hauptberuflichen Präsidenten, dem Vizepräsidenten (bis 2017: Erster und Zweiter Präsident) und sieben weiteren Vorstandsmitgliedern, die mit Ausnahme des Präsidenten jeweils für zwei Jahre gewählt werden, besteht. Der Präsident wird für die Dauer von vier Jahren gewählt. Die Erledigung der anfallenden Arbeiten ist Aufgabe der Geschäftsstelle in München, die vom Präsidenten geleitet wird.

Auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte werden die Aufgaben des BJR durch die Kreis- und Stadtjugendringe wahrgenommen, die sich vor allem aus den während der frühen Besatzungszeit entstandenen örtlichen Jugendkomitees – später Kreisjugendausschüsse genannt – entwickelten. Im Mai 1949 waren bereits 170 Kreisjugendringe in Bayern registriert. 1952 wurde in einer Neufassung der BJR-Satzung festgelegt, dass die Kreisjugendringe als örtliche Gliederung die Aufgaben auf ihrer Ebene unter Beachtung des Grundsatzes der Selbstverwaltung durchführen. Mit der Gründung der Bezirksjugendringe wurde in den Jahren 1954/55 noch eine Zwischenebene geschaffen und der Organisationsausbau des BJR vervollständigt. Die Kreis-, Stadt- und Bezirksjugendringe besitzen keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern sind Teil der Gesamtkörperschaft BJR. Sie verwalten jedoch ihre Angelegenheiten selbst und führen die Aufgaben des BJR auf ihrer jeweiligen Ebene durch. Seit der Kommunalreform des Jahres 1972 gibt es entsprechend der Zahl der Landkreise und kreisfreien Städte 71 Kreisjugendringe und 25 Stadtjugendringe. Zu letzteren zählen auch die beiden Kreisjugendringe München-Stadt und Nürnberg-Stadt, die ihren seinerzeit angenommenen Namen beibehalten haben. Die flächendeckende Repräsentanz des BJR wird durch die sieben Bezirksjugendringe vervollständigt.

Gesetzliche Grundlagen, Begriffe und politische Rahmenbedingungen

Die zentralen gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit des BJR bildeten in den ersten Jahrzehnten das aus dem Jahr 1922 stammende und nach 1945 wieder in Kraft gesetzte "Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt" (RJWG), das 1953 in "Gesetz für Jugendwohlfahrt" (JWG) umbenannt und im Jahr 1961 erneut novelliert wurde, sowie das "Jugendamtsgesetz" (JAG) von 1965 als bayerisches Ausführungsgesetz. An die Stelle dieser Regelungen traten 1991 das "Kinder- und Jugendhilfegesetz" (KJHG) als 8. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) und das Bayerische Kinder- und Jugendhilfegesetz (BayKJHG) von 1993 als Landesausführungsgesetz, das mit der Jahreswende 2006/07 in das Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) überführt wurde.

Die zentralen Begriffe in den einschlägigen Bundesgesetzen wurden im Laufe der Zeit verändert. Sie widerspiegeln den wissenschaftlich-pädagogischen und politischen Diskurs seit den 1960er Jahren. Sie verdeutlichen den Perspektivenwechsel in der Jugendhilfe von einem fürsorglich-kontrollierenden Stil im Umgang mit Schutzbefohlenen zu einem autonomieorientierten, demokratischen Hilfeverständnis. Anstelle des Begriffs "Jugendwohlfahrt", der "Jugendfürsorge" und "Jugendpflege" umfasste, trat "Jugendhilfe" mit den beiden Teilbereichen der "Hilfen zur Erziehung" und der"Jugendarbeit".

Das Selbstverständnis der Jugendarbeit nimmt sowohl Bezug auf die Aufgabenbeschreibung des § 11 SGB VIII als auch den wissenschaftlich-pädagogischen Diskurs. Jugendarbeit stellt neben Familie, Schule und Arbeitswelt einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsbereich dar. Sie umfasst ein breites und vielfältiges Spektrum von Bildungs- und Freizeitangeboten in Jugendverbänden, Vereinen und Einrichtungen der offenen Jugendarbeit. Ziel der Jugendarbeit ist es, sowohl einen Beitrag zur Selbstverwirklichung des Einzelnen als auch zur demokratischen Weiterentwicklung der Gesellschaft zu leisten.

Die finanzielle Förderung des BJR erfolgte seit 1960 im Rahmen des Landesjugendplans, der 1974 durch das wiederholt fortgeschriebene Jugendprogramm (inzwischen: Kinder- und Jugendprogramm) der Staatsregierung ersetzt wurde. Das Haushaltsvolumen des BJR betrug in Einnahmen und Ausgaben im Jahr 2017 über 30 Mio. Euro. 77 % der Gesamteinnahmen waren dabei Fördermittel aus dem Jugendprogramm.

Die Zuständigkeit innerhalb der Staatsregierung für den Bereich der Jugendpflege bzw. Jugendarbeit und damit auch für den BJR lag von 1946 bis 2013 beim Kultusministerium, während die anderen Arbeitsfelder der Jugendwohlfahrt bzw. der Jugendhilfe im Staatsministerium für Arbeit und Soziales ressortierten. Dieses ist seit 2013 für den gesamten Bereich der Jugendhilfe zuständig. Im Zuge einer Umressortierung ging 2013 auch die Zuständigkeit für die Jugendarbeit an das Sozialministerium über.

Einrichtungen des BJR

Unter dem Slogan "wahl?weise!jung." stellt der Bayerische Jugendring (BJR) Materialien und Instrumente zur Demokratiebildung zur Verfügung. Er koordinierte u. a. das Redaktionsteam für den sog. Wahl-O-Mat für die Landtagswahlen in Bayern 2018. (Bayerischer Jugendring)

Neben der Geschäftsstelle unterhält der BJR weitere Einrichtungen. Das Institut für Jugendarbeit in Gauting (Lkr. Starnberg) ist die zentrale Fortbildungseinrichtung. Sein Auftrag ist im Kinder- und Jugendprogramm des Freistaats festgelegt und besteht in der Qualifizierung der Fachkräfte und Weiterentwicklung des Arbeitsfelds der Jugendarbeit. Das Institut besteht seit 1967. Bereits seit 1965 hatte der BJR die Verwaltung der im Besitz des Freistaats befindlichen Liegenschaft, die von 1953 bis 1965 das UNESCO-Institut der Jugend beherbergte, übernommen. Als Vorläufereinrichtung kann die BJR-Jugendleiterschule in Niederpöcking (Lkr. Starnberg) angesehen werden, die von 1949 bis 1953 bestand, dann aber aus finanziellen Gründen geschlossen wurde. In den ersten fünf Jahren lag der Schwerpunkt der Institutsarbeit auf der Durchführung der Jugendpfleger-Ausbildung. 1972 wurde eine neue Konzeption beschlossen, die die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter der Jugendarbeit als zentrale Aufgabe des Instituts festlegte.

Der BJR wurde 1997 auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern Bayern und Sachsen mit der Trägerschaft von "Tandem – Koordinierungszentrum für den deutsch-Tschechischen Jugendaustausch" beauftragt. Tandem ist die zentrale Fachstelle in Deutschland für den Jugend- und Schüleraustausch mit Tschechien und hat seinen Sitz in Regensburg.

2007 wurde beim BJR die "Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus" eingerichtet, die überwiegend aus Bundesmitteln finanziert und seit 2017 nach einer Ausweitung des Aufgabenspektrums und damit verbundener Personalaufstockung als eigene Einrichtung des BJR geführt wird.

Der BJR hat zudem seit 2014 die Geschäftsführung der 1991 vom Freistaat, der Stadt und dem Landkreis Dachau begründeten "Stiftung Max Mannheimer Haus" (bis 2017: "Stiftung Jugendgästehaus Dachau") inne. Diese ist Träger des 1998 eröffneten "Max Mannheimer Hauses - Studienzentrum und Internationales Jugendgästehaus" (bis 2016: "Jugendgästehaus Dachau").

Publikationen

Titelblatt der ersten Ausgabe der Zeitschrift "Jugendnachrichten", dem offiziellen Organ des Bayerischen Jugend-Ausschusses vom 5. November 1946. (Bayerische Staatsbibliothek 4 Z 53.175-1/2,1, mit Genehmigung des Bayerischen Jugendrings)

Mit den erstmals im November 1946, damals noch als offizielles Organ des Landesjugendausschusses, erschienenen "Jugendnachrichten" verfügt der BJR über eine eigene Zeitschrift, die bis 2005 monatlich und danach zweimonatlich erschien. 2012 wurde sie zu einem Magazin mit dem verkürzten Titel "Juna" umgestaltet, das vierteljährlich erscheint. Der BJR hat früher eine eigene Schriftenreihe herausgegeben. Das heutige (Stand: 2019) Publikationsangebot des BJR umfasst zahlreiche Einzelpublikationen wie Arbeitshilfen, Empfehlungen, Praxis- und Projektberichte. Zunehmend verlagert sich die Publikationstätigkeit auf Online-Angebote. Die Arbeit des BJR und seiner Mitgliedsorganisationen wird in jährlich erscheinenden Arbeitsberichten dokumentiert. Das Institut für Jugendarbeit gibt mit den "Gautinger Protokollen" ebenfalls eine eigene Schriftenreihe heraus.

Historische Entwicklung der Jugendarbeit im BJR

Eröffnung der Ersten Internationalen Jugendkundgebung am 28. Juni 1947 in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität München durch den Präsidenten des Bayerischen Jugendrings (BJR), Alois Johannes Lippl. Jugendliche aus dem In- und Ausland kamen in München, im Jugendberghaus Sudelfeld, in Seeshaupt (Lkr. Weilheim-Schongau), auf der Kührointhütte (Lkr. Berchtesgadener Land), in Hohenschwangau (Lkr. Füssen) und im Reintaler Hof (Lkr. Garmisch-Partenkirchen) zusammen. Über die Veranstaltung erschien 1947 eine Dokumentation: Gerhard Fauth (Hg.), Ruf an die deutsche Jugend. Ein Bericht, München 1947. Ein Jahr später fand in München eine weitere Jugendkundgebung statt, zu der bereits rund 2.000 Jugendliche aus 38 Nationen nach München strömten. (Bayerischer Jugendring)
Der Bayerische Jugendring (BJR) erhielt in Anerkennung seiner Arbeit den Bayerischen Verfassungspreis "Jugend für Bayern". (Bayerischer Jugendring)

Der BJR hat von seiner Gründung bis zur Anpassung an die Rahmenbedingungen der modernisierten Sozialgesetzgebung Anfang der 1990er Jahre verschiedene Entwicklungen durchlaufen.

Das größte Problem in der Entstehungszeit des BJR war die Jugendnot. Eine große Zahl junger Menschen war von Arbeitslosigkeit, Unterernährung, Heimat- und Obdachlosigkeit betroffen, viele waren Halb- oder Vollwaisen. Überfüllte Schulen und Jugendkriminalität gehörten zu den weit verbreiteten Zeiterscheinungen. Diese Situation bestimmte über ein Jahrzehnt maßgeblich die Tätigkeit des BJR.

Eine erste große Aktion zur Linderung der ärgsten Nöte waren im Sommer 1947 Zelterholungslager, die von der Militärregierung durch die Bereitstellung von Zeltmaterial und Lebensmitteln für eine Zusatzverpflegung ermöglicht wurden. 85.000 Jugendlich konnten so erstmals nach den Kriegsjahren wieder Ferien erleben.

Ein Höhepunkt im Gründungsjahr 1947 war die "Erste Internationale Jugendkundgebung" vom 28. Juni bis 4. Juli in der Großen Aula der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität mit nachfolgenden Begegnungstreffen in fünf Jugendhäusern in der Region. Unter anderen nahmen Vertreter aus der Schweiz, den USA, aus Frankreich, England, Holland, Ägypten und der UdSSR teil.

Die Währungsreform im Juni 1948 bedeutete einen tiefen Einschnitt für die Tätigkeit des BJR. Einem Großteil der bislang 52 Mitarbeiter musste aus finanziellen Gründen gekündigt werden. Mit den verbliebenen 16 Beschäftigten war nur noch ein erheblich reduzierter Betrieb möglich. Die finanzielle Konsolidierung des BJR zog sich über Jahre hin. Bis Ende 1952 erhielt der BJR auch beträchtliche Mittel von US-amerikanischer Seite für die Förderung der Jugendarbeit in Bayern.

Schon früh hat sich der BJR für den internationalen Jugendaustausch engagiert und im Oktober 1949 eine "Stelle für Internationalen Jugendaustausch" eingerichtet, die 1951 vom Kultusministerium auch mit der Durchführung des Schüleraustauschs sowie der Vermittlung von Schulpartnerschaften und Briefpartnerschaften beauftragt wurde. In diesem Feld hat der BJR auch immer wieder Pionierarbeit geleistet, so 1960 bei der Aufnahme von Kontakten nach Israel und in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre nach Osteuropa.

Von Anfang an hat die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, mit Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus sowie sonstigen rechtsextremen Tendenzen einen besonderen Stellenwert in der Arbeit des BJR. Schon früh beteiligte er sich an Gedenkveranstaltungen im ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Dachau. In den 1960er Jahren wurde von einem Mitarbeiter eine umfangreiche Materialsammlung über den Rechtsextremismus im Jugendbereich erstellt. Auch in den folgenden Jahrzehnten gab es vielfältige Aktivitäten wie Tagungen, Publikationen und einen Wettbewerb für Jugendgruppen zur Erforschung der Jugend im Nationalsozialismus. Hervorzuheben ist auch das langjährige Engagement des BJR für die Errichtung einer Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Dachau, das zu dem 1998 eröffneten Jugendgästehaus Dachau führte, sowie das Engagement für die Integration von Flüchtlingen.

Die in den 1960er Jahren einsetzenden bildungspolitischen Reformdiskussionen und gesellschaftlichen Umbrüche ließen auch den BJR und die Jugendarbeit nicht unbeeinflusst. Emanzipatorische Zielsetzungen und eine Phase intensiver Konzeptbildung in der Jugendarbeit führten zu einer Ausweitung und Systematisierung des gesellschafts- und jugendpolitischen Engagements. Jugendpolitik wurde dabei zunehmend als Querschnittspolitik verstanden, die sich nicht nur auf Jugendhilfepolitik und die Erlangung von Finanzen für die Jugendarbeit beschränkt, sondern sich über alle Politikfelder erstreckt, in denen Themen von Debatten und die daraus folgenden Entscheidungen die Belange von Jugendlichen direkt oder zukünftig betreffen. Diese Veränderungen schlugen sich 1972/73 auch in einer umfassenden Reorganisation und Erweiterung der Geschäftsstelle nieder.

Heute (Stand: 2019) erreichen die Mitgliedsorganisationen des BJR mit ihren Angeboten mehr als zwei Drittel aller Kinder und Jugendlichen in Bayern. Der BJR als Gesamtorganisation ist für die Fachberatung und Koordination der über eintausend Fachkräfte, die in unterschiedlichen Bereichen der Jugendarbeit in Bayern tätig sind, zuständig. Seine fachliche Verantwortung reicht dabei über die eigene Mitgliederstruktur hinaus. Aktuelle strategische Handlungsfelder des BJR sind derzeit das Verhältnis von Jugendarbeit und Schule, die Bildung für nachhaltige Entwicklung und die europäische Jugendpolitik.

Übersicht der Präsidenten des Bayerischen Jugendrings
Name Lebensdaten Amtszeit
Alois Johannes Lippl 1903-1957 1947-1948
Dr. Martin Faltermaier 1919-2008 1948-1953
Dr. Eugen Polz 1920-2000 1953-1957
Arthur Bader 1926-2010 1957-1964
Hermann Kumpfmüller geb. 1932 1964-1971
Adolf Waibel geb. 1940 1971-1981
Dr. Robert Sauter geb. 1945 1981-1989
Gerhard Engel geb. 1952 1989-2001
Martina Kobriger geb. 1967 2001-2010
Matthias Fack geb. 1972 seit 2011

Literatur

  • Bayerischer Jugendring (Hg.), Zwanzig Jahre Bayerischer Jugendring – Ideengeschichte und Dokumentation. Ein Beitrag zur Geschichte der Jugendarbeit nach 1945, München o.J. (1967).
  • Bayerischer Jugendring (Hg.), Handbuch der Jugendring-Arbeit. Eine Arbeitshilfe für Mitarbeiter in der Jugendarbeit, München 1980.
  • Bayerischer Jugendring (Hg.), Jugendarbeit in Bayern. Weißbuch über die Situation junger Menschen, ihr Engagement in der Jugendarbeit, über Selbstverständnis und Aufgaben der Jugendorganisationen, des Bayerischen Jugendrings und der kommunalen Jugendpflege, München 1985.
  • Bayerischer Jugendring (Hg.), Ereignisse – Begegnungen – Entscheidungen. Zur 40jährigen Geschichte des Bayerischen Jugendrings, München 1988.
  • Bayerischer Jugendring (Hg.), Jugendarbeit in Bayern 2017 – Arbeitsbericht des Bayerischen Jugendrings, München 2018.
  • Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, Kinder- und Jugendprogramm der Bayerischen Staatsregierung – Kinder- und Jugendhilfe – Fortschreibung 2013, München 2014.
  • Deutscher Bundesjugendring (Hg.), Kein Alter zum Ausruhen – 40 Jahre Deutscher Bundesjugendring, Düsseldorf 1989.
  • Martina Liebe, Jugendringe - Institutionalisierte Jugendarbeit zwischen Politik und Praxis, in: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online, 2012, 1-19.
  • Gerhard Müller, Jugendarbeit in Bayern nach 1945, in: deutsche jugend 37 (1989), 234-235.
  • Gerhard Müller, Von der Reeducation zum Jugendring. Die Anfänge des Bayerischen Jugendrings, in: Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung 18 (1993-98), 419-440.
  • Karl Scharinger, Zur Reorganisation der Jugendarbeit in Bayern nach 1945, in: deutsche jugend 36 (1988), 491-497.
  • Bernhard Schoßig, Antifaschismus als Aufgabe der Jugendarbeit – eine historische Skizze, in: Deutscher Bundesjugendring (Hg.), Kein Alter zum Ausruhen – 40 Jahre Deutscher Bundesjugendring, Düsseldorf 1989,101-113.

Quellen

Die Altakten des BJR befinden sich als eigenständiger Bestand im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, Abt. V. Unterlagen zur Geschichte des BJR enthalten darüber hinaus Akten der Bayerischen Staatskanzlei und des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, die im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, Abt. II, verwahrt werden.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Bayerisches Jugendkomitee, Landesjugendring

Empfohlene Zitierweise

Bernhard Schoßig, Bayerischer Jugendring (BJR), publiziert am 20.03.2019; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerischer_Jugendring_(BJR) (28.03.2024)