Barschalken
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Der vom 8. - 13. Jahrhundert in bayerischen Quellen vorkommende Begriff B(P)arschalken bezeichnete zunächst bestimmte Freie im südöstlichen Bayern und in Österreich, die gegen Leistungen auf Fiskalland saßen, dann Teile der herzoglichen Dienstmannschaft. Für Beide war der Herzog das verbindende Element. Nach dem Ende des agilolfingischen Herzogtums 788 wurden sie unter fränkisch-kirchlicher und -königlicher Herrschaft rasch auf die Funktion "Bauer" reduziert. Ihre Leistungspflichten banden sie an das Land, und so wurden sie trotz Dispositionsgewalt über ihre Arbeitskraft bald als "Minderfreie" angesehen. In ihrem Status ähnelten sie damit den zeitgenössischen Freigelassenen und ihre Tätigkeit führte dann ab dem 9. Jahrhundert in vielen Fällen zu einer Gleichsetzung mit Knechten und Gesinde. Doch blieben sie weiterhin als eine Gruppe erkennbar – personenrechtlich eher den Freien zuzurechnen. Mit den wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen in der zweiten Hälfte des Mittelalters (nach 1000) gingen die Barschalken dann zum einen im neuen Bauernstand auf, zum anderen in der Ministerialität, mit der häufig sozialer Aufstieg verbunden war.
Bezeichnung und Verbreitung
Neben dem Ausdruck Barschalk sind Parman (für den Mann), Parwip oder Parduin (für die Frau) sowie Parleute belegt (weitere Varianten z. B. bei Grimm, I, 430; MGH LL 3, 359 Anm. 1). Der Namensbestandteil "schalk" weist auf "Dienender", "bar" auf "frei" oder auf "abgabenleistend" hin. Barschalken sind nur im bairischen Sprach- und Siedlungsraum mit Schwerpunkt östlich der Isar, südlich der Donau sowie im Salzburger Land nachweisbar. Das schließt Einzelbelege z. B. nördlich der Donau, östlich der Enns und südlich der Alpen (Brixen, Bachsdorf/Mur) nicht aus, jedoch sind letztere zeitlich erst nach 1000 einzuordnen. Orts- und Flurnamen wie z. B. Parschalling (weitere u. a. bei Schwarz, 99; Lechner, 70) oder für die Zeitgenossen feststehende Begriffe wie Barschalken-Hufen (zu 957-972: Tr. Freising 1170) oder Barschalken-Recht werden davon abgeleitet. Auch die Orts- oder Hof-Bezeichnung Freimann kann vereinzelt auf Barschalken hinweisen.
Rechtlicher und sozialer Status
Barschalken standen ursprünglich als Freie in einer aus einer Landvergabe stammenden Abhängigkeit, die sie grundsätzlich abgabenpflichtig an dieses Land band (vgl. zu 804: Tr. Freising 19). Hauptaufgabe der Barschalken war die selbständige Bewirtschaftung des Landes mit Abgaben und Leistungen an den Eigentümer, darin vergleichbar mit den "behausten Knechten" (servi casati) der germanischen oder den schollengebundenen Dauerpächtern (Kolonen) der spätantiken, römischrechtlichen Tradition. In sehr frühen Urkunden werden Barschalken, vermutlich ihren Status als Herzogsleute betonend, vereinzelt parallel zu Exercitalen (so vor 790: SUB I, S.14) genannt; steht dagegen vermutlich ihr Status als Abgabepflichtige im Fokus, so werden sie parallel zu Tributalen oder Kolonen genannt. Nur Letzteres wird fortgeführt: Drei späte Handschriften der Lex Baiwariorum ersetzen in einer Überschrift (Rubrum I,13, MGH LL nat.germ. 5.2, 194) das inzwischen vielleicht obsolet gewordene "Kolone" durch "Barschalk". Indem Barschalken meist als opus servile geltende Arbeiten verrichten, verdichtet sich ihre Zuschreibung zur Sphäre der Knechte, wie der 847 oder 848 in Regensburg ergangene Spruch zeigt, dass sie "so wie die übrigen servi" dienen müssen (MGH SS 30.2, 741). Entsprechend werden Barschalken in den Quellen häufig auf einer Stufe mit "servi" genannt (z. B. 953: MGH DD Otto I. 170), andererseits gelten sie immer noch als "frei" (z. B. zu 1152-1167: SUB II, 290).
Adalschalken
Die Gruppe der Barschalken wurde im endenden 8. Jahrhundert durch Adalschalken ergänzt, herausgehobene Diener des bairischen Herzogs. Dieser versuchte eine eigene "herzogliche Dienstmannschaft", unabhängig und neben einem entstehenden bairischen Adel aufzubauen. Mit dem Ende des agilolfingischen Herzogtums war ein weiterer Aufstieg der Adalschalken als Gruppe nicht mehr möglich. Sie gingen in den Barschalken auf (so Jahn, 147, 255 u. ö.). Dieser Vorgang erklärt sowohl die Ambivalenz der personenrechtlichen und sozialen Stellung der Barschalken – z. B. die gehobene Stellung der Parmannen des Klosters Tegernsee (Klocker, 419) –, als auch unter dem Blickwinkel des fränkischen Reiches ihr auf Baiern beschränktes Vorkommen; ihre ursprüngliche Funktion als "Erschließungspioniere" des Herzogs (Jahn, 244) vermag zumindest im Pongau die räumliche Ballung erklären.
Romanen
Die Nähe der Barschalken zum Herzog einerseits und andererseits dessen Zusammenarbeit mit mächtigen alteingesessenen "Romanen" erklärt auch die öfters beobachtete Nähe der Barschalken zu den romanischen Bevölkerungsteilen, wenn auch entgegen der älteren Literatur hier nicht allein der Ursprung der Barschalken lag. Die Gruppe der Barschalken wuchs jedoch noch vereinzelt durch romanische Zuzügler (ca. 1050: Cart. Ebersberg 148, Nr. 79).
Freigelassene
Weiterhin wurden die Barschalken durch ehemalige Unfreie ergänzt, wenn diese bei einer Schenkung an einen Altar zu Barschalken-Recht übertragen wurden, im Status zu Minderfreien angehoben, also "freigelassen" wurden (zu 1151-1167: SUB I, S. 670).
Barschalkenrecht und Barschalkenhufen
Die Traditionsbücher nennen Grundstücke zu Barschalken-Recht oder sprechen direkt von Barschalken-Hufen (zu 957-972: Tr. Freising 1170; zu 1024-1031: Tr. Weihenst. 17), die also einem Barschalken-Recht unterlagen und dieses evtl. an die auf ihnen Sitzenden vermittelten. Nur selten wurden Teile dieses Rechtes als Leistungskatalog spezifiziert (825: Tr. Freising 523b oder zu 1122-1147: SUB I, S. 600). Ein Barschalk leistete z. B. Dienst als Schiffer (930: SUB I, S. 149). Da das Land, auf dem die Barschalken ursprünglich saßen, Fiskalland, Herzogsgut (vgl. z. B. SUB I, S. 3), dann Königs- oder Kirchengut war, bedurften auch Übertragungen daraus zunächst der Zustimmung (Konsens) durch Herzog oder König – und nicht wegen des personenrechtlichen Status' der Barschalken –, bis auch dieses Kriterium gegenstandslos wurde.
Die enge Bindung an das Land bewirkte, dass Barschalken vergleichbar mit einer Erbleihe besitzen und vererben konnten; ein Erbrecht der minderen Freien kennt und schützt die Lex Baiwariorum (7,4-5: MGH LL nat. germ. 5.2, 351), die in den frühen Handschriften "Barschalken" nicht kennt.
Gruppenidentität und Eherecht
Ein Beleg für die Verfestigung einer Gruppenidentität findet sich in einer Urkunde Ottos I. (945: MGH DD Otto I. 68). Dort wurde das noch in der Vorurkunde enthaltene allgemeine "Freie" (837: MGH DD Ludwig d. Dt. 22) durch "Barschalken"“ ersetzt. Dennoch bildeten sie keinen eigenen Gerichtsstand aus, sondern eine Herausnahme aus gewöhnlicher Gerichtsbarkeit leitete sich aus den Immunitätsverleihungen an die jeweilige Grundherrschaft ab, in der sie tätig waren (z. B. 945: MGH DD Otto I. 68).
Der Status der Barschalken vererbte sich auf ihre Nachkommen; er konnte ihnen im Lauf der Entwicklung dann auch ohne dazugehöriges Land bleiben und konnte sie zur familia, "Hausgenossenschaft", eines Herrn gehören lassen (Klocker, 411). Gerade hier zeigen sich dann im Eherecht die Barschalken noch lange als eigene Gruppe, denn bei standesverschiedener Ehe galt für sie im Gegensatz zu anderen Minderfreien, dass die Kinder nicht der minderen Hand folgten, sondern Söhne den Status des Vaters, Töchter den der Mutter erhielten (z. B. zu ca. 1180: Tr. Reichersberg 175).
Das "Verschwinden" der Barschalken
Die Barschalken entschwinden im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen des 13. Jahrhunderts als wahrnehmbare Gruppe aus den Quellen: Die Abkehr von der Villikationsverfassung etablierte neue Wirtschaftsformen, verwischte ebenso altständische Unterschiede, wie die Angleichung der Leistungen und Abgaben der früheren Unfreien an die der Barschalken (Bosl 1972, 253), sei es direkt oder sei es über den Eintritt in die Zensualität. Ein Teil der Barschalken ging über die Zugehörigkeit zu einer familia in der Ministerialität und dem niederen Adel auf, ein anderer im neuen, abhängigen Bauernstand. Gleichzeitig nivellierte sich jeweils innerhalb der genannten Stände das Eherecht, so dass auch dieses letzte Distinktionsmerkmal entfiel.
Bargilden
Die im bairischen Raum vereinzelt genannten Bargilden waren dort Teile einzelner Pfarrorganisationen, ursprünglich noch herzoglicher Organisation und den Barschalken zuzurechnen; nachdem dieses Wissen verloren gegangen war, wurden sie nur noch als ein Teil der Pfarrangehörigen angesehen. Das bis 1804 bestehende Baramt in Freising fasste die Verwaltung früherer Barschalken-Hufen vermutlich ab dem 12. Jahrhundert zusammen (Fried, 404).
Ferner gab es die Bargilden der fränkischen und norddeutschen Rechtssprachen, den Barschalken vergleichbare wohl eher aus freigelassener Wurzel Abgabepflichtige, Liten und Laten, die sich unterschiedlich ausdifferenzierten (s. Lück). Im alemannischen Raum zeigen die Parones, bei den Langobarden die Aldionen Ähnlichkeiten zu den Barschalken.
Gang der Forschung
Die Forschung zu Barschalken setzte 1798 mit Carl Klocker (1748-1805) ein, dessen "Preisschrift" bereits alle wesentlichen Belege enthielt. Für ihn sind Barschalken "Bauern" (418), dagegen für den Rechtshistoriker Heinrich Zoepfl (1807-1877) u. a. "freie Diener". Die Lesart "zinszahlende Knechte" wurde dann von Hermann Grauert (1850-1924) ausführlicher als "Urbarleute", "Hebeknechte", begründet (Excurs 165), und von Theodor Mayer (1883-1972) zu "Staatszinser" weiter entwickelt. Die Lesart "freier Diener" stützte die im 19. Jahrhundert dominierende Gemeinfreientheorie, nach der sich "das Volk der alten Deutschen" aus Freien zusammengesetzt habe.
Früh wurde eine Abstammung der Barschalken von unterworfenen Romanen diskutiert (z. B. bei Waitz 1847, 164). 1926 versuchte Anna Janda vergeblich deren umfassenden Nachweis. Ihr unvollständiges Kartenmaterial stützt stattdessen die Bedeutung des Herzogsguts. Namenskundliche Arbeiten (z. B. Lechner 1954, Schwarz 1925) zeigten die Verbreitung der Barschalken gerade für das heutige Österreich auf, mahnen aber zugleich vor einer allzu schnellen Übertragung des Begriffs "Freimann" o. ä.. Philippe Dollinger (1904-1999) ging 1949 (deutsch 1982) im Rahmen seiner sozialgeschichtlichen Darstellung des bayrischen Bauernstandes auf sie ein, wobei er u. a. grundsätzlich jede Freienhufe als mit Barschalken besetzbar bzw. besetzt ansah, was sicher unzutreffend ist, setzt es doch die Gleichheit von "ingenuiles" und "parscalci" voraus.
Im Rahmen der "Königsfreientheorie", der zufolge minderfreie Leute des Königs den "politischen Untertanenverband" bildeten (z. B. Bosl 1970, 60), galten dann die Barschalken als klassischer Beleg aus Bayern (z. B. bei Mayer). Michael Banzhaf (geb. 1957) veröffentlichte 1991 eine 1983 angefertigte Arbeit, in der er die Barschalken belegreich im Rahmen der bayerischen Unterschichten darstellte. Ebenfalls 1991 erschien das Werk von Joachim Jahn (1951-1993) zum Agilolfingerdukat, der detailliert die Bindung der Adalschalken an das Herzogtum verfolgte und sie zugleich als Untergruppe der Barschalken definierte. Aus diesem Ansatz heraus war ein Zusammenfügen der divergierenden Befunde besser als bei anderen Modellen möglich, während die Forschung die Barschalken sonst kaum noch als Proprium wahrnahm, sondern eher zu den Liten setzte (z. B. Olberg 1995). Auch 2010 sind bei Thomas Kohl (geb. 1978) die Barschalken nur noch eine wichtige Gruppe der Minderfreien in Bayern und nicht mehr "staatstragend".
Quellen
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- Friedrich Hector Graf Hundt (Hg.), Das Cartular des Klosters Ebersberg, München 1879.
- Fritz Lošek, Notitia Arnonis und Breves Notitiae. Die Salzburger Güterverzeichnisse aus der Zeit um 800. Sprachlich-historische Einleitung, Text und Übersetzung, in: Herwig Wolfram (Hg.), Quellen zur Salzburger Frühgeschichte, München 2006, 9-178.
- SUB: Willibald Hauthaler (Hg.), Salzburger Urkundenbuch. Traditionscodices, Urkunden von 790 – 1199. 2. Bde., Salzburg 1910-1916.
- Tr. Freising: Theodor Bitterauf (Hg.), Die Traditionen des Hochstifts Freising, Band I, 944-926, München 1904, Band II, 926-1283, München 1909.
- Tr. Herrenchiemsee: Birgit Gilcher (Hg.), Die Traditionen des Augustiner-Chorherrenstifts Herrenchiemsee, München 2011.
- Tr. Reichersberg: Die Traditionen des Klosters Reichersberg, Urkundenbuch des Landes ob der Enns. 1. Band, Saalbücher, Wien 1852, 273-420.
- Tr. Tegernsee: Peter Acht (Hg.), Die Traditionen des Klosters Tegernsee, München 1952.
- Tr. Weihenstephan: Bodo Uhl (Hg.), Die Traditionen des Klosters Weihenstephan, München 1972.
- Conc. 2,1 = Monumenta Germaniae Historica, Concilia Aevi Carolini, 1. Bd., hg. v. Albert Werminghoff, Hannover 1906.
- MGH DD Ludwig d. Dt. = Monumenta Germaniae Historica, Die Urkunden der deutschen Karolinger, Bd. 1, hier: Die Urkunden Ludwigs des Deutschen, hg.v. Paul F. Kehr, Berlin 1934.
- MGH DD Ludwig d. Kd = Monumenta Germaniae Historica, Die Urkunden der deutschen Karolinger, Bd. 4, hier: Die Urkunden Ludwigs des Kindes, hg. v. Theodor Schieffer, Berlin 1960.
- MGH DD Otto I. = Monumenta Germaniae Historica, Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd. 1, hier: Die Urkunden Ottos I., Hannover 1879-1884.
- MGH LL 3 = Monumenta Germaniae Historica, Leges in folio, Bd. 3, hier: Leges Baiuwariorum, hg. v. Johannes Merkel, Berlin 1863.
- MGH LL nat.germ. 5,2 = Monumenta Germaniae Historica, Leges nationum Germanicarum, Bd. 5,2, Lex Baiwariorum, hg. v. Ernst von Schwind, Hannover 1926.
- MGH SS 30,2 = Monumenta Germaniae Historica, Scriptores in folio, Bd. 30,2, Supplementa tomorum I-XV, hier, Nr.1, Annales ex Annalibus Iuvavensibus antiquis excerpti, hg. v. Harry Bresslau, Leipzig 1934.
Literatur
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- Karl Bosl, Die Grundlagen der modernen Gesellschaft im Mittelalter, Stuttgart 1972.
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- Pankraz Fried, Das Baramt des Domkapitels Freising, in: Joachim Werner/Friedrich Wagner (Hg.), Aus Bayerns Frühzeit. Festschrift für Friedrich Wagner zum 75. Geburtstag, München 1962, 397-406.
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- Georg Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte. 6 Bde., Kiel 1847.
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- Heinrich Zoepfl, Die bayerischen Barschalken. Parservi. Parlingi. Parlute. Parmanni, in: Alterthümer des Deutschen Reichs und Rechts. Studien, Kritiken und Urkunden zur Erläuterung der deutschen Rechtsgeschichte und des praktischen Rechts. 2. Band, Leipzig 1860, 172-177.
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Jörg Müller, Barschalken, publiziert am 12.04.2019; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Barschalken (14.10.2024)