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Auswärtige Gesandtschaften in München

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Preußische Gesandtschaft und Schackgalerie in München, Prinzregentenstraße 9, 1907-1909 von Max Littmann (1862-1931) errichtet. Postkarte um 1915. (Bayerische Staatbibliothek, Bildarchiv port-009484)
Empfangssaal in der königlich preußischen Gesandtschaft in München. Foto von 1911. Abb. aus: (Georg Jakob Wolf): Ingenieur J. Heilmann und das Baugeschäft Heilmann und Littmann. Ein Rückblick auf vierzig Jahre Arbeit, (München 1911), 48. (Bayerische Staatsbibliothek, 2 Bavar. 1602 z)
Prinz-Carl-Palais, von 1876 bis 1919 Sitz der österreichisch-ungarischen Gesandtschaft in München, Foto um 1880 von Joseph Albert (1825-1886) (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv, port-011667)
Gebäude der Nuntiatur, ehemals in der Briennerstraße 15. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und danach nicht wieder aufgebaut. (Stadtarchiv München, FS-STR-2941(Briennerstraße 15)).
Das sog. Cotta-Haus in der Theatinerstraße 11, von 1837 bis 1871 Sitz der kaiserlich-russischen Gesandtschaft in München, 1896 abgebrochen. (Stadtarchiv München, FS-HB-XX-T-054)

von Michael Weigl

Erst im 18. Jahrhundert, beginnend mit der Gesandtschaft des Kaisers 1745 und der apostolischen Nuntiatur 1784/85, entstanden in München dauerhafte diplomatische Vertretungen. Nach einem Höhepunkt im Vormärz zogen seit der Revolution von 1848 viele Staaten ihre Gesandten aus München wieder ab. Im Ersten Weltkrieg schlossen die meisten Botschaften und wurden nach Kriegsende aufgrund des Verlusts der außenpolitischen Kompetenzen Bayerns nicht mehr eröffnet. Lediglich Frankreich und der Vatikan unterhielten in der Zwischenkriegszeit noch Vertretungen in München.

Definition Gesandtschaft

Im Gegensatz zu Konsularbehörden, welche lediglich administrativer Natur sind, stellen Gesandtschaften diplomatische, d.h. politische Vertretungsbehörden dar. Gesandte sind völkerrechtliche Vertreter ihres Entsendestaates und repräsentieren diesen nach allen Richtungen hin. Als exterritoriale Person sind sie persönlich unantastbar. Sie bleiben den Gesetzen ihres Entsendestaates unterworfen, sind damit dem Zugriff der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen. Als die vier Rangklassen von diplomatischen Vertretern galten seit dem Wiener Kongress 1815 (ergänzt durch das Aachener Protokoll vom Jahre 1818, Neuregelung 1961) Botschafter, Gesandte, Ministerresidenten und Geschäftsträger. Ihre Beglaubigung erfolgt unmittelbar bei der Regierung des Empfangsstaates.

Anfänge diplomatischer Vertretungen in München seit dem 16. Jahrhundert

Die Anfänge diplomatischer Vertretungen in Europa gehen bis in die Zeit des ausklingenden Mittelalters zurück. Die ersten auswärtigen Vertretungen in München, als welche die kurzfristig süddeutsche Nuntiatur sowie die rasch darauf folgende kaiserliche Gesandtschaft zu zählen sind, entstanden hingegen erst an der Schwelle vom 16. zum 17. Jahrhundert. Letztendlich dauerte die Entwicklung hin zu einem ausgebildeten Gesandtschaftswesen in München noch bis in das 18. Jahrhundert. Erst damals erfuhren die diplomatischen Vertretungen, angestoßen durch die Impulse der Aufklärung, eine zunehmende Institutionalisierung. Neben der Gesandtschaft des Kaisers, die erst seit 1745 kontinuierlich besetzt wurde, und der 1784/85 begründeten Münchner Nuntiatur entsandten nunmehr auch weitere Staaten – so etwa Preußen, Sachsen, Frankreich oder die britische Krone – diplomatische Vertreter an den Münchner Hof.

Höhepunkt des Gesandtschaftswesens

Seine Blüte erlebte das Gesandtschaftswesen in München in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Maßgeblich hierfür war neben der territorialen Neuordnung des Wiener Kongresses die voranschreitende Modernisierung der Staaten, welche gleichfalls zu einer weitergehenden Professionalisierung des Gesandtschaftswesens führte.

Unter den zahlreichen neuen diplomatischen Vertretungsbehörden am Münchner Hof fanden sich einerseits deutsche Staaten wie Kurhessen (Jahr der Einrichtung: 1805), Hessen (1806), Baden (1806), Nassau (1825), Hannover (1832), Sachsen-Coburg-Gotha (1836) oder Sachsen-Meiningen (1845). Andererseits entsandten Mächte wie Russland (1808), Sardinien (1816), Spanien (1818), Belgien (1848), Mexiko (1864) oder Italien (1865) ihre Vertreter nach München. Großbritannien nahm seine zwischenzeitlich unterbrochenen diplomatischen Beziehungen im Dezember 1813 wieder auf und verwies dabei explizit auf seine "great satisfaction" über den Vertrag von Ried zwischen Bayern und Österreich vom 8. Oktober desselben Jahres, mit dem Bayern der Koalition gegen Napoleon (1769-1821) beigetreten war.

Indirekte Vertretungen

Die Interessen Luxemburgs vertrat ab 1867 die russische Gesandtschaft, die Interessen Liechtensteins ab 1880 die österreichisch-ungarischen Gesandtschaft. Die Gesandtschaft Preußens repräsentierte ab Januar 1870 auch den Norddeutschen Bund und wurde entsprechend umbenannt. Außerdem ließen manche Staaten ihre Vertreter mit Sitz an anderen Orten auch am Münchner Hof akkreditieren. Hierzu zählten die Niederlande (1814, Sitz: Berlin), Schweden (1828, Wien), Griechenland (1833, in Folge zeitweilig unbesetzt, Berlin oder Wien), die Vereinigten Staaten von Amerika (1867, Berlin), die Schweiz (1867, Berlin) und das Königreich Hawaii (1868, Karlsruhe).

Beginnender Abbau von Gesandtschaften

Die Gründung des Deutschen Reiches 1871 ist zwar als Einschnitt in der Geschichte der auswärtigen Gesandtschaften in München zu bewerten, doch setzte bereits 1848 der Abbau von Vertretungsbehörden ein. Den Münchner Gesandtschaften von Staaten wie Nassau (Jahr der Aufhebung: 1848), Sachsen-Meiningen (1848), Sachsen-Coburg-Gotha (1850), Hannover (1866) oder Kurhessen (1866) war damit nur eine kurze Historie beschieden. Hessen entschloss sich 1882, seine diplomatische Mission aufzuheben, während Baden diesen Schritt schon 1871 gegangen war, "da die wirtschaftlichen und handelspolitischen Interessen des Landes und der Landesangehörigen durch die diplomatischen und konsularischen Agenten des Reiches genugsam geschützt seien." Als der badische Großherzog Friedrich I. (1826-1907, reg. 1856-1907) gegen den Willen des Landtages den Gesandtenposten in München 1895 neu besetzte, sorgte dies in Baden folgerichtig für erhebliche politische Verwerfungen.

Gesandtschaftswesen im Kaiserreich 1871-1918

Mit der Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 wurde die Außenpolitik Aufgabe des Reichs. Die deutschen Bundesstaaten behielten aber in ihren Kompetenzbereichen (v. a. Wirtschaft und Kultur) eigenständige außenpolitische Rechte. Daher zogen längst nicht alle Staaten nach 1871 ihre diplomatischen Missionen aus München ab. Manche Vertretungen auswärtiger Staaten wie Schweden kehrten zwar der bayerischen Landeshauptstadt den Rücken (1872), akkreditierten aber stattdessen ihre Berliner Gesandten am Münchner Hof. Auch Belgien entschloss sich nach Aufhebung seiner Gesandtschaft 1872 neun Jahre später zu diesem Schritt.

Am Vorabend des Ersten Weltkrieges 1914 bestanden so neben der Nuntiatur acht auswärtige Gesandtschaften in München (Frankreich, England, Russland, Italien, Österreich-Ungarn, Preußen, Sachsen, Baden). Sieben weitere Staaten ließen sich hier durch ihre Berliner Missionen vertreten (Belgien, Griechenland, Spanien, Schweden, Niederlande, Schweiz, Persien).

Rechtsunsicherheit in der Weimarer Republik

Im Ersten Weltkrieg schlossen viele der auswärtigen Gesandtschaften in München ihre Pforten. Nach dem Krieg gab es dann für die meisten von ihnen keinen Grund mehr für eine Wiedereröffnung. Die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 behielt in ihren Artikeln 6 und 78 die Regelung der außenpolitischen Beziehungen Deutschlands bzw. die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten "ausschließlich" der Reichsregierung vor.

De facto jedoch stellte sich die Rechtslage keineswegs so eindeutig dar. Zwar hatte Bayern zusammen mit Sachsen in einem Abkommen mit der Reichsregierung vom Januar 1920 freiwillig auf eigene Auslandsgesandtschaften verzichtet. Wie es jedoch um das passive Gesandtschaftsrecht der deutschen Länder bestellt war, blieb bis zuletzt ungeklärt. Die Frage nach dem Recht der Länder, auswärtige Gesandtschaften im eigenen Territorium zu beherbergen und politische Kontakte mit ihnen zu pflegen, wurde von verschiedenen Stellen zu verschiedenen Zeiten – auch innerhalb der bayerischen Staatsregierung - unterschiedlich beantwortet. Teilweise wurden die Gesandtschaften als Möglichkeit gesehen, gegenüber dem Unitarisierungsdruck des Reichs die bayerische Eigenstaatlichkeit zu betonen.

Bayerische Bemühungen um diplomatische Missionen

Angesichts dieser Rechtsunsicherheit bemühte sich Bayern zwar in den ersten Nachkriegsjahren wiederholt um die Errichtung einer österreichischen Gesandtschaft in München. Wien jedoch ging auf diesen Wunsch aus Rücksichtnahme auf die Interessen der deutschen Reichsregierung wie der Alliierten nicht ein. Belgien hingegen trat 1920 selbst an die bayerische Staatsregierung mit dem Vorschlag heran, die im Krieg unterbrochenen diplomatischen Kontakte mit Bayern wieder aufleben zu lassen, wozu der belgische Gesandte in Berlin auch im Freistaat akkreditiert werden sollte. In diesem Fall lehnte allerdings die Staatsregierung unter Verweis auf Art. 78 Reichsverfassung ab.

Das Ende der Münchner Gesandtschaften

Das Ende der k. und k. österreichisch-ungarischen Gesandtschaft in München 1919 bedauerte die bayerische Staatsregierung lebhaft (Österreich wurde bis 1920 noch durch seinen Gesandten in Berlin bei der bayerischen Staatsregierung vertreten). Als hingegen Frankreich seine bei Kriegsausbruch geschlossene Gesandtschaft in München 1920 wiederbelebte, ohne zuvor ein agrément der bayerischen Staatsregierung eingeholt zu haben, löste dies erheblichen Unmut aus. Trotz Anfeindungen auch aus der Bevölkerung hielt Paris aber an seiner Gesandtschaft fest und kam auch dem Willen der nationalsozialistischen Reichsregierung 1933, die Vertretung in ein Generalkonsulat umzuwandeln, nicht nach. Die Vertretung des ehemaligen Kriegsgegners sollte damit noch bis zum Zweiten Weltkrieg Bestand haben, womit sie als letzte diplomatische Vertretung in München ihre Pforten schloss. Zuvor (1934) hatte bereits die traditionsreiche Nuntiatur, der formal eine Sonderstellung aufgrund des Codex iuris canonici zukam, formal aufgehört zu existieren. Ihre Bedeutung hatte die Nuntiatur allerdings bereits erheblich eingebüsst, als 1920 in Berlin eine Apostolische Nuntiatur eingerichtet worden war und Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII. (1876-1958, Papst 1939-1958), München 1925 in Richtung der Reichshauptstadt verließ.

Literatur

  • Irmgard von Barton von Stedman, Die preußische Gesandtschaft in München als Instrument der Reichspolitik in Bayern von den Anfängen der Reichsgründung bis zu Bismarcks Entlassung, (Miscellanea Bavarica Monacensia 2) München 1969.
  • Sylvia Krauß, Die politischen Beziehungen zwischen Bayern und Frankreich 1814/15-1840 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 87), München 1987.
  • Andrea M. Müller, Die französische Gesandtschaft in München in den Jahren der Weimarer Republik. Französische Politik im Spiegel der diplomatischen Berichterstattung (Miscellanea Bavarica Monacensia 184), München 2010.
  • Alois Schmid (Hg.), Die Berichte der diplomatischen Vertreter des Kaiserhofes aus München an die Staatskanzlei zu Wien während der Regierungszeit des Kurfürsten Max III. Joseph. 1. Band: 1745-1746 (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns 2), München 2000.
  • Michael Weigl, Das Bayernbild der Repräsentanten Österreichs in München 1918-1938. Die diplomatische und konsularische Berichterstattung vor dem Hintergrund der bayerisch-österreichischen Beziehungen, Frankfurt am Main 2005.
  • Bernhard Zittel, Die Vertretung des Hl. Stuhles in München 1785-1934, in: Der Mönch im Wappen. Aus Geschichte und Gegenwart des katholischen München, München 1960, 419-494.

Quellen

  • Die Geschichte der auswärtigen Gesandtschaften in München ist bislang lediglich punktuell erforscht. Der Artikel basiert deshalb vor allem bezüglich des 19. Jahrhunderts auf einer ersten Auswertung der entsprechenden Quellenbestände im Bayerischen Hauptstaatsarchiv durch den Autor. Alle Angaben von Jahreszahlen stehen folglich unter dem Vorbehalt eventuell korrigierender Ergebnisse weiterführender Forschungen.
  • Anton Chroust (Bearb.) : Gesandtschaftsberichte aus München 1814 – 1848. Erste Abteilung: Die Berichte der französischen Gesandten (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 18, 19, 21-24), München 1935-1937 .
  • Anton Chroust (Bearb.) : Gesandtschaftsberichte aus München 1814-1848. Zweite Abteilung: Die Berichte der österreichischen Gesandten (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 33, 36-38), München 1939-1942.
  • Anton Chroust (Bearb.) : Gesandtschaftsberichte aus München 1814-1848. Dritte Abteilung: Die Berichte der preußischen Gesandten (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 39-43), München 1949-1951.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Michael Weigl, Auswärtige Gesandtschaften in München, publiziert am 07.08.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Auswärtige_Gesandtschaften_in_München> (28.03.2024)