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Europäisches Patentamt (EPA)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Ansicht des durch Meinhard von Gerkan (geb. 1935) und Volkwin Marg (geb. 1936) errichteten Europäischen Patentamtes in München. (Foto: EPA)
Ansicht des Europäischen Patentamtes in München. (Foto: EPA)
Ansicht des Europäischen Patentamtes in München. (Foto: EPA)

von Rudolf Kraßer

Als Organ der Europäischen Patentorganisation erteilt das Europäische Patentamt auf der Grundlage des Europäischen Patentübereinkommens nach umfassender Ermittlung des jeweils einschlägigen Standes der Technik Erfindungspatente mit unmittelbarer Wirkung für gegenwärtig bis zu 38 Staaten. Es wurde 1977 gegründet. Sein Sitz ist München. Eine Zweigstelle besteht in Den Haag, Dienststellen sind in Berlin und Wien zu finden. 2009 wurden mehr als 130.000 europäische Patentanmeldungen eingereicht. Ende 2009 waren über 6.800 Personen im Amt tätig.

Errichtung im Jahr 1977

Das Europäische Patentamt wurde am 1. November 1977 errichtet. Es ist Organ der Europäischen Patentorganisation. Diese wurde durch das Europäische Patentübereinkommen gegründet. Sie ist mit verwaltungsmäßiger und finanzieller Selbständigkeit ausgestattet (Artikel 4 Absatz 1 des Europäischen Patentübereinkommens). Durch die Gebühreneinnahmen des Europäischen Patentamtes finanziert sie sich bisher vollständig selbst. Ihre Aufgabe ist es, gemäß dem Europäischen Patentübereinkommen europäische Patente zu erteilen. Das Europäische Patentamt führt diese Aufgabe durch und wird dabei vom Verwaltungsrat, dem zweiten Organ der Europäischen Patentorganisation, überwacht, dem das Europäische Patentübereinkommen auch bestimmte Rechtssetzungsbefugnisse zuweist (Artikel 4 Absätze 2 und 3, Artikel 33 des Europäischen Patentübereinkommens). Für die Arbeit des Amtes hat sich als vorteilhaft erwiesen, dass das Übereinkommen nur Deutsch, Englisch und Französisch zu – gleichberechtigten – Amtssprachen bestimmt.

Wirkung der europäischen Patente

Die vom Europäischen Patentamt erteilten Patente wirken für die darin bezeichneten Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens unmittelbar, also ohne nationalen Bestätigungsakt. Die Vertragsstaaten haben insoweit der Europäischen Patentorganisation Hoheitsbefugnisse übertragen und ihre Souveränität eingeschränkt. Das Europäische Patentübereinkommen ermöglicht es hierdurch Erfindern und Unternehmen, den Schutz ihrer Erfindungen in einer großen Zahl von Ländern – heute in praktisch ganz Europa (ohne Russland) – durch eine einzige Anmeldung und in einem zentralen Verfahren zu erlangen.

Über den Inhalt der Wirkungen eines europäischen Patents enthält das Europäische Patentübereinkommen nur wenige Bestimmungen. Er richtet sich deshalb in jedem einzelnen Vertragsstaat, für den es erteilt ist, größtenteils nach dessen nationalem Recht. Das gilt vor allem für die Handlungen, die als Patentverletzung anzusehen sind, und die Ansprüche, die der Patentinhaber gegenüber demjenigen hat, der sein Patent verletzt.

Rechtsgrundlagen

Das Europäische Patentübereinkommen wurde am Ende einer Diplomatischen Konferenz, die vom 10. September bis zum 5. Oktober 1973 in München, und zwar im Maximilianeum als dem Sitz des Bayerischen Landtags, stattfand, durch Vertreter von 16 der 21 teilnehmenden Staaten unterzeichnet (Unterzeichner: Belgien, Dänemark, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Monaco, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz, Vereinigtes Königreich; weitere Konferenzteilnehmer: Finnland, Jugoslawien, Portugal, Spanien, Türkei).

Das Übereinkommen ist nach Hinterlegung der vereinbarten Mindestzahl von Ratifizierungsurkunden am 7. Oktober 1977 für sieben Staaten in Kraft getreten. Seither hat es durch Beitritte und Ratifizierungen für 31 weitere Staaten Geltung erlangt.

Die Schöpfer des Europäischen Patentübereinkommens konnten sich auf Vorarbeiten stützen, die insbesondere im Rahmen des Europarats zur Angleichung der nationalen Patentgesetzgebungen und im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch den Vorentwurf eines Abkommens über ein – bis heute nicht verwirklichtes – einheitliches Patent für den Gemeinsamen Markt geleistet worden waren.

Zum Europäischen Patentübereinkommen gehören eine Reihe von Protokollen und die Ausführungsordnung. Ergänzende Regelungen, insbesondere die Gebührenordnung des Europäischen Patentamtes, hat der Verwaltungsrat erlassen. Ausführungsordnung und Gebührenordnung wurden durch Beschlüsse des Verwaltungsrats vielfach geändert und den Erfahrungen und Bedürfnissen angepasst, die im Betrieb des Europäischen Patentamtes zu Tage getreten waren.

Im November 2000 fand eine Diplomatische Konferenz zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens statt. Die von ihr beschlossenen Änderungen sind am 13. Dezember 2007 in Kraft getreten.

Sitz und weitere Standorte des Europäischen Patentamts

Als Sitz der Europäischen Patentorganisation ist in Artikel 6 Absatz 1 des Europäischen Patentübereinkommens München festgelegt. Außerdem ist bestimmt, dass sich das Europäische Patentamt in München befindet und eine Zweigstelle in Den Haag hat (Artikel 6 Absatz 2). Dieser untersteht die in einem zum Europäischen Patentübereinkommen gehörenden Protokoll errichtete Dienststelle Berlin des Europäischen Patentamtes. Eine weitere Dienststelle wurde 1990 in Wien auf der Grundlage von Artikel 7 des Europäischen Patentübereinkommens durch Beschluss des Verwaltungsrats und ein Abkommen mit der Republik Österreich geschaffen.

Gründe der Sitz- und Standortbestimmung

Das Europäische Patentamt erteilt europäische Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik gemäß dem Verfahren und unter den Voraussetzungen, die im Europäischen Patentübereinkommen festgelegt sind. Zu diesen gehört nach Artikel 52 Absatz 1 vor allem, dass die Erfindung, für die durch Einreichung einer europäischen Anmeldung ein europäisches Patent beantragt wird, neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Ob diese Patentierungsvoraussetzungen erfüllt sind, hängt vom Stand der Technik ab, der alle Informationen umfasst, die vor dem Tag, nach welchem sich der Zeitrang der Anmeldung richtet, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind (Artikel 54 Absatz 2). Das Europäische Patentamt muss deshalb vor Erteilung eines europäischen Patents den Stand der Technik ermitteln, soweit er für die Beurteilung der angemeldeten Erfindung von Bedeutung sein kann. Stellt es fest, dass die Erfindung nicht zum Stand der Technik gehört und sich auch nicht für den jeweils zuständigen Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Erfindung neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht und deshalb das für sie erteilte Patent nicht nachträglich mangels Neuheit oder mangels ausreichender erfinderischer Leistung widerrufen oder für nichtig erklärt werden kann.

Den europäischen Patenten durch Vorprüfung auf Neuheit und erfinderische Leistung einen hohen Grad an Verlässlichkeit zu geben, war und ist ein Hauptanliegen der Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens. Daneben wollten sie eine unnötige Vervielfachung von Prüfungsarbeit vermeiden, indem sie diese dem Europäischen Patentamt als einer gemeinsamen Einrichtung anvertrauten, so dass die Prüfung für alle Staaten, für die ein europäisches Patent beantragt wird, nur einmal und nicht in jedem dieser Staaten gesondert durchgeführt werden muss. Hinzu kommt, dass das europäische Erteilungsverfahren zu vorgeprüften und damit verlässlicheren Patenten auch für diejenigen Vertragsstaaten führt, deren nationale Behörden auf Neuheit und erfinderische Leistung nicht vor einer Patenterteilung, sondern nur aus Anlass nachträglich entstehender Streitfälle prüfen.

Weil diese Ziele nur zu erreichen sind, wenn für jede angemeldete Erfindung der für sie relevante Stand der Technik ermittelt wird, kam als Sitz der Europäischen Patentorganisation und des Europäischen Patentamtes nur ein Ort in Frage, an dem die erforderliche umfassende Dokumentation zur Verfügung stand. Die Bundesrepublik Deutschland bewarb sich um die Errichtung des Europäischen Patentamtes in München, wo seit 1949 als Nachfolger des bei Kriegsende geschlossenen Berliner Reichspatentamtes das – zunächst provisorisch im Bibliotheksbau des Deutschen Museums und ab 1959 in einem neuen Gebäude am westlich gegenüberliegenden Isarufer untergebrachte – Deutsche Patentamt bestand (und als Deutsches Patent- und Markenamt nach wie vor besteht). Da in Deutschland schon seit 1877 Patente nur nach umfassender Vorprüfung des Standes der Technik erteilt werden, stand in München die erforderliche Dokumentation bereit.

Beworben hatten sich allerdings auch die Niederlande für Den Haag, wo seit 1947 das Internationale Patentinstitut bestand. Es diente den zuständigen Behörden der ihm angeschlossenen Staaten durch Auskünfte über den Stand der Technik, wozu es eine umfassende Dokumentation aufbaute. Weiterhin hatte das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland sein Interesse bekundet, das Europäische Patentamt in London errichtet zu sehen. In den Verhandlungen, die der Münchner Diplomatischen Konferenz vorausgingen, einigte man sich schließlich dahin, das Europäische Patentamt in München zu errichten, ihm das Internationale Patentinstitut als Zweigstelle einzugliedern und dieser eine Dienststelle in Berlin zuzuordnen (Näheres bei Kurt Haertel, Kommentierung des Artikels 6, in: Friedrich-Karl Beier/Kurt Haertel/Gerhard Schricker (Hg.), Europäisches Patentübereinkommen – Münchner Gemeinschaftskommentar, Köln u. a. 1986, Seite 3ff., Randnummern 3–12). Die Eingliederung erfolgte am 1. Januar 1978 und beendete die Existenz des Internationalen Patentinstituts als selbständiger Organisation.

Zur Errichtung der Dienststelle Wien gab Anlass, dass dort ein internationales Patentinformationszentrum bestand. Es wurde in das Europäische Patentamt übernommen und trägt zu dessen Informationstätigkeit bei.

Innere Struktur

Die Leitung des Europäischen Patentamtes obliegt dem Präsidenten, der dem Verwaltungsrat verantwortlich ist und von mehreren Vizepräsidenten unterstützt wird (Artikel 10 Absätze 1 und 3 des Europäischen Patentübereinkommens). Intern ist es in fünf Generaldirektionen gegliedert. Die Generaldirektion Operative Tätigkeit ist vor allem für die Ermittlung des Standes der Technik (Recherche), die der Patenterteilung vorausgehende Prüfung und die Entscheidung über Einsprüche zuständig, durch die innerhalb von neun Monaten nach Erteilung eines europäischen Patents geltend gemacht werden kann, dass dieses aus einem der im Europäischen Patentübereinkommen vorgesehenen Gründe ganz oder teilweise zu widerrufen sei.

Die Generaldirektion Beschwerde umfasst eine Juristische Beschwerdekammer, zahlreiche Technische Beschwerdekammern und die Große Beschwerdekammer. Die Kammern entscheiden gemäß Artikel 22 des Europäischen Patentübereinkommens über Beschwerden gegen Entscheidungen im Prüfungs- und Einspruchsverfahren. Die Große Beschwerdekammer entscheidet über einzelne Rechtsfragen, die ihr vom Präsidenten oder einer Beschwerdekammer vorgelegt werden, und kann aus den in Artikel 112a des Europäischen Patentübereinkommens aufgezählten schwerwiegenden Gründen mit dem Antrag angerufen werden, die Entscheidung einer Beschwerdekammer zu überprüfen.

Den Mitgliedern der Beschwerdekammern ist in Artikel 23 des Europäischen Patentübereinkommens richterliche Unabhängigkeit zugesichert. Die Generaldirektion Beschwerde hat deshalb, obwohl sie organisatorisch zum Europäischen Patentamt gehört, die Rechtsstellung eines Gerichts.

Entwicklung des europäischen Patentsystems

Anfang 2011 gehörten dem durch das Europäische Patentübereinkommen geschaffenen europäischen Patentsystem 38 Staaten an, darunter alle 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, aber – weil das Europäische Patentamt keine Behörde der Europäischen Union, sondern Organ der selbständigen Europäischen Patentorganisation ist – auch elf andere europäische Staaten. Wer eine europäische Anmeldung einreicht, kann somit durch einen einheitlichen Erteilungsakt in bis zu 38 Staaten für eine technische Erfindung Schutz durch ein – umfassend vorgeprüftes – europäisches Patent erlangen. Der Anmelder kann jedoch sein Schutzbegehren auf einen Teil dieser Staaten beschränken. Das kann sich empfehlen, weil die Aufrechterhaltung des Schutzes von der Zahlung jährlicher Gebühren an jeden Schutzstaat und in vielen Staaten von einer Übersetzung des europäischen Patents abhängt, die innerhalb einer kurzen Frist nach dessen Erteilung einzureichen ist.

Quantitativ hat der Arbeitsumfang des Europäischen Patentamtes alle Erwartungen übertroffen. 1982 waren 28.967 europäische Anmeldungen zu verzeichnen; für die Zeit nach dem Endausbau des Amtes wurde damals mit über 30.000 Anmeldungen gerechnet (Haertel, Die geschichtliche Entwicklung des europäischen Patentrechts, a. a. O., 1. Lieferung, 1984, Seite 5ff., 31, Randnummer 70). Im Jahr 2005 gingen laut Jahresbericht des Europäischen Patentamtes 128.709 Anmeldungen ein, 2011 waren es 142.810. Entsprechend vergrößerte sich die Zahl der im Amt tätigen Personen. 1982 betrug sie insgesamt 1.714; für die Zeit nach dem vollständigen Ausbau des Amts wurde mit etwa 2.000 gerechnet (Haertel, a. a. O., Randnummer 71). Ende 2009 waren für das Europäische Patentamt insgesamt 6.818 Personen tätig, davon 3.718 in München, 2.710 in Den Haag, 274 in Berlin und 112 in Wien.

Die Zunahme der Arbeitslast und des zu ihrer Bewältigung nötigen Personalbestands zog auch eine bedeutende räumliche Ausdehnung nach sich. In den ersten Jahren nach seiner Eröffnung war das Europäische Patentamt provisorisch in gemieteten Räumen am Rosenheimer Berg untergebracht. 1980 bezog es ein neu errichtetes Gebäude an der Erhardtstraße südlich des Deutschen Patentamtes gegenüber dem Deutschen Museum. Seither sind in München im Bereich der "Pschorr-Höfe" zwischen Bayerstraße und Bahngelände weitere umfangreiche Gebäudekomplexe hinzugekommen.

Internationale Beziehungen

Da nicht nur Angehörige von und Unternehmen mit Sitz in Vertragsstaaten europäische Patentanmeldungen einreichen dürfen, kommt eine große Anzahl von Anmeldungen auch aus anderen Staaten, vor allem aus den USA und Japan. Das Europäische Patentamt steht seit langem in intensiver "trilateraler Zusammenarbeit" mit den Patentämtern dieser Staaten. In neuerer Zeit baut es auch seine Beziehungen zu den Patentämtern Chinas und Südkoreas aus. Es ist bestrebt, gemeinsam mit diesen Ämtern eine weltweite Harmonisierung der für den Erfindungsschutz geltenden Regelungen voranzubringen. Mit der Kommission der Europäischen Union ist es durch Arbeiten verbunden, die darauf abzielen, für das Gebiet der Union ein vom Europäischen Patentamt zu erteilendes Unionspatent zu schaffen, das in allen Mitgliedstaaten der Union einheitlich gilt und die gleichen Wirkungen hat. Das europäische Gerichtssystem, in dem die Unionspatente durchgesetzt und nachträglich auf ihre Gültigkeit überprüft werden können, soll so gestaltet werden, dass es auch für die Durchsetzung und Überprüfung von Patenten zur Verfügung steht, die das Europäische Patentamt nach den schon seit seiner Gründung geltenden Regeln – also nicht als Unionspatente – erteilt.

Literatur

  • Zehn Jahre Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer im Europäischen Patentamt. Beiträge zur Entwicklung der Rechtsprechung zum Europäischen Patentübereinkommen, hg. von Mitgliedern der Großen Beschwerdekammer im Europäischen Patentamt, Köln/München 1996.
  • Rudolf Kraßer, Patentrecht. Ein Lehr- und Handbuch zum deutschen Patent- und Gebrauchsmusterrecht, europäischen und internationalen Patentrecht, München 6., neu bearbeitete Auflage 2009.

Weiterführende Recherche

Externe Links

EPA, European Patent Office (EPO), Office européen des brevets (OEB)

Empfohlene Zitierweise

Rudolf Kraßer, Europäisches Patentamt (EPA), publiziert am 21.08.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Europäisches_Patentamt_(EPA)> (28.03.2024)