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Schöller

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Seit 1957 stellte das Unternehmen Nürnberger Lebkuchen her. (Foto: Theo und Friedl Schöller-Stiftung)
1958 wurde der Rundgefrierer "Rollo 29" der Firma Hoyer angeschafft, mit dem 5.000-7.000 Portionen Eis pro Stunde in Tüten gefüllt werden konnten. (Foto: Theo und Friedl Schöller-Stiftung)
Einführung des Lebkuchen-Autos, 1959. (Foto: Theo und Friedl Schöller-Stiftung)
Messestand der Firma Schöller 1960 anlässlich der "Kulinara" in Berlin. (Foto: Theo und Friedl Schöller-Stiftung)
Pförtnerhaus und Fabrikverkaufsstelle vor dem Abbruch 1967. (Foto: Theo und Friedl Schöller-Stiftung)
Vertragsabschluss mit der Firma Mövenpick in Düsseldorf am 15. Januar 1987. (Foto: Theo und Friedl Schöller-Stiftung)
Das Ehepaar Friedl und Theo Schöller bei der Festveranstaltung zum 50-jährigen Firmenjubiläum in der Meistersingerhalle in Nürnberg am 12. Juni 1987. (Foto: Theo und Friedl Schöller-Stiftung)

von Claus W. Schäfer

Die vor dem Zweiten Weltkrieg gegründete "Eiskrem-Fabrik" der Brüder Schöller aus Nürnberg profitierte insbesondere während der Wirtschaftswunderjahre davon, dass Speiseeis vom Luxusgut zum Genussmittel breiter Bevölkerungsschichten wurde. Spätestens Anfang der 1970er Jahre wurde der Name Schöller zum Synonym für Speiseeis und Theo Schöller hielt seine nunmehr als "Schöller Lebensmittel KG" firmierende Unternehmung durch Zukäufe und Kooperationen auf Wachstums- und Erfolgskurs. Der starke Konzentrationsprozess auf den Märkten, in denen Schöller mit seinen Produkten vertreten war, machte jedoch auch diesem Unternehmen spätestens seit den 1980er Jahren zu schaffen. Im Jahr 2002 wurde die Nürnberger Traditionsfirma vom Schweizer Weltkonzern Nestlé übernommen und so Teil eines umfangreichen Markenportfolios.

Gründung der "Eiskrem-Fabrik"

Die Brüder Karl Schöller (1914–1961) und Theo Schöller (1917-2004) begannen im Sommer 1937 mit der Herstellung von Eiskrem. Die Nürnberger hatten eine Lizenz des Münchners Josef Pankofer (1907-1963) erworben, um "JO[sef]PA[ankofer]-Eiskrem" in eigener Regie herstellen und in Nordbayern vertreiben zu können. Vier Sorten wurden in einer kleinen Halle im Hinterhof der Martin-Richter-Straße in zwei Formen gezogen: rund oder rechteckig; Schokolade, Vanille oder Erdbeere sowie Zitrone. Mit der am 6. Oktober des Jahres ins Firmenregister der Stadt Nürnberg eingetragenen "Eiskrem-Fabrik", einer schon bestehenden Kinowerbung und anderen Aktivitäten setzten Karl und Theo Schöller im Gründungsjahr rund 100.000 Reichsmark um. Bereits 1938 hatte sich der Umsatz verdoppelt.

Von Jung- zu Multiunternehmern

Karl Schöller kam am 13. August 1914 als erster Sohn von Hans und Marie Schöller in Nürnberg zur Welt. Der Schreinermeister hatte die Tochter eines Hafnermeisters am 12. Juli 1912 geheiratet. Aus dieser Ehe ging mit Theodor Schöller am 18. Juni 1917 ein zweiter Sohn hervor. Nach der Grundschule versuchten sich die Brüder auf dem Realgymnasium, das sie aber zugunsten der Höheren Handelsschule verließen. Das Abschlusszeugnis noch nicht in der Tasche, stiegen Karl und Theo Schöller in die Kino-Werbung ein, ließen ein Programm der Nürnberger Lichtspielhäuser drucken, das sie mit Anzeigen finanzierten. Die im Februar 1933 handelsrechtlich eingetragene "Kino-Reklame" ging gut, steigerte ihren Umsatz von etwa 10.000 Reichsmark 1933 auf über 60.000 Reichsmark 1937, als die Brüder in einem Nebengebäude der väterlichen Schreinerei die Eiskrem-Fertigung aufnahmen.

Übergang zur Tiefkühlkost

Während Theo Schöller zum Arbeits-, dann zum Wehr- und schließlich zum Kriegsdienst herangezogen wurde, baute sein Bruder Karl mit Beginn des Zweiten Weltkriegs das gemeinsame Unternehmen um und stieg in die Herstellung von Tiefkühlkost ein. Diese wurde im Zuge des Vierjahresplans staatlich gefördert, um das Deutsche Reich bei der Lebensmittelversorgung autark zu machen und die Versorgung der Bevölkerung auch im Kriegsfall sicherstellen zu können. Noch im Herbst 1939 fror Schöller 90 Tonnen Apfelkompott ein. Ein Jahr später wurde die "Eiskrem-Fabrik" zum "wehrwirtschaftlichen Betrieb" erklärt, der nicht nur im fränkischen Haßfurt (Lkr. Haßberge) sondern auch im bulgarischen Philippo tonnenweise Obst und Gemüse, u. a. für U-Boot-Besatzungen, einfror. Seit 1942 firmierte das Unternehmen als "Jopa-Tiefkühlung Karl Schöller". Diese Firma beschäftigte im Zweiten Weltkrieg auch ausländische Arbeitskräfte. Rund ein Drittel der Belegschaft des Nürnberger "Wehrmachtspezialbetriebes" - so die firmeneigene Werbung - waren ukrainische Ostarbeiterinnen. Sie wurden in Haßfurt eingesetzt, nachdem die Produktion in Nürnberg infolge eines Bombenangriffs zerstört worden war. Die Verwaltung wurde wenige Monate vor Kriegsende zerstört.

"Allgemeine Lebensmittelbetriebe"

Als im Herbst 1945 Theodor Schöller aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, hatte Karl Schöller schon mit dem Wiederaufbau begonnen. Die Produktionsstätten wurden wieder aufgebaut, die sog. Buchersäle so erweitert, dass sie über Jahre Nürnbergs größte Veranstaltungsräume bleiben sollten. Über die Bewirtung der Säle stieg Karl Schöller in die Gastronomie ein, übernahm die Versorgung zahlreicher Schulen und pachtete Gaststätten. Aufgrund der Diversifikation firmierte Karl Schöller das Unternehmen in "Allgemeine Lebensmittelbetriebe" um. Nach der Währungsreform liefen die Gaststätten aber schlecht; das neue Geld saß bei den Menschen noch nicht so locker. Auch Tiefkühlkost und Eis verkauften sich noch nicht profitabel genug. Die "Zusammenbruchsgesellschaft" kämpfte ums Überleben und um die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse. Außerdem hatte sie kaum die Möglichkeiten, die verderbliche Ware zu lagern. Mitte der 1950er Jahre besaßen erst sieben % der Haushalte einen elektrischen Kühlschrank.

Schöllers Schulden wuchsen. Als die dem Älteren aus dem Ruder liefen, übernahm der Jüngere 1955 das Kommando. Theo Schöller konzentrierte sich auf das Eis, führte neue Produkte wie zum Beispiel das "Sandwich" ein und sorgte so für Umsatzsteigerungen. Steigende Löhne und Kaufkraft erlaubten den Deutschen seit Mitte der 1950er Jahre zumindest den "kleinen Wohlstand" und den Übergang zur "Massenkonsumgesellschaft". Zwei Jahre nach der Übernahme durch Theo Schöller war das Unternehmen nicht nur schuldenfrei, sondern auch reif für die Zukunft. Diese sah der Unternehmer unter anderem in der Lebkuchenproduktion. Diese Ergänzung der Produktionspalette war im Grunde eine Rationalisierung, mit der man die Nutzung der Produktionsmittel optimierte. 1960 erwirtschaftete man 12,5 Mio. DM und etablierte "Schöller-Eiskrem" - nach Beendigung der Kooperation mit Josef Pankofer - als eigenständige Marke auf dem Markt.

Karl Schöller starb am 3. September 1961 im Alter von 47 Jahren. Der ältere Schöller-Bruder hatte nach der Trennung Mitte der 1950er Jahre Gaststätten betrieben, mit mäßigem Erfolg. Den fand der Jüngere demgegenüber auch privat, als er am 8. August 1968 in zweiter Ehe Friedl Hönle (1924-2014) heiratete, die 1941 als Kontoristin in das Unternehmen eingetreten war.

"Schöller Lebensmittel KG"

Den Erfolg hatte Theo Schöller auch bei den "Allgemeinen Lebensmittelbetrieben" auf seiner Seite. In den 1960er Jahren entwickelte sich das Speiseeis vom teuren Genuss- zum (fast) täglichen Nahrungsmittel. Die Hälfte der Haushalte verfügte inzwischen über einen Kühlschrank, konnte sich das eine oder andere "Konsumglück" leisten. Das von Theo Schöller geführte Unternehmen expandierte in jede Richtung. Der Vertrieb wurde ausgebaut, Wettbewerber wurden übernommen - so die Molkerei Uelzen (Niedersachsen), die zu einem Produktionsstandort entwickelt wurde. Ausgebaut wurden aber auch die Produktionsstätten im Nürnberger Norden, den "Schöller" bis heute prägt. Auf über 10.000 Quadratmetern erstreckt sich das Firmengelände, auf dem ein Kühlhaus nach dem anderen gebaut wurde. Seit Mitte der 1970er Jahre verbindet ein markanter Übergang über den Nordring die Werks- und Verwaltungsbauten. Prägend war der Name auch auf dem Markt, auf dem Anfang der 1970er Jahre "Schöller" für "Eiskrem" stand. 1972 benannte sich die Firma in "Schöller Lebensmittel KG" um. Gleichzeitig zog sich Theo Schöller aus der Geschäftsleitung zurück, die familienfremde Manager übernahmen. Grundsatzentscheidungen fällten sie im Einvernehmen mit Schöller, der zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Mövenpick arrangierte und die Übernahme von Haeberlein-Metzger forcierte. Mit diesen beiden Marken stieg die Lebensmittel KG in das Premium-Segment ein. Der Umsatz wuchs auf über eine halbe Mrd. DM, die Zahl der Verkaufsniederlassungen auf über 100 und der Marktanteil auf rund 20 %.

An der Grenze des Wachstums

Um diese Position zu halten, wurde Ende der 1970er Jahre die Eiskrem- und Tiefkühlkost-Herstellung der Südmilch AG übernommen. Mit Verzögerung kamen die Südmilch-Sorten als "Schöller-Eisspezialitäten" auf den Markt, der sich jedoch immer weniger aufnahmebereit zeigte. Der Konjunktureinbruch infolge der Zweiten Ölkrise ging auch an dem Eiskremhersteller nicht spurlos vorüber. Die steigenden Energiekosten verteuerten Lagerung und Transport der verderblichen Waren. Anfang der 1980er Jahre musste die Lebensmittel KG den ersten Umsatzrückgang verzeichnen - bei einer fünfprozentigen Inflation. "Schöller" konnte sich zwar wieder erholen, aber nicht mehr die Zuwächse früherer Jahre erreichen. Obwohl der Umsatz noch an die Milliarden-Grenze geführt werden konnte, war der Markt so gesättigt wie die Deutschen. Während sie nach 1945/46 mit weniger als 1.500 Kalorien am Tag auskommen mussten, lebten die Westdeutschen inzwischen im Überfluss. Die Grenzen des Wachstums schienen Ende der 1980er Jahre erreicht, bis sich mit dem Fall der Mauer neue Märkte öffneten.

Von Südzucker zu Nestlé

Drei Monate nach Maueröffnung und Wiedervereinigung 1989/90 waren auf dem Gebiet der DDR die ersten Produktions- und Vertriebsgesellschaften Schöllers etabliert; 1991 folgte ein Werk in Potsdam. Kaum war der Schritt auch nach Polen, Ungarn und in die Tschechoslowakei gewagt, endete jedoch der Wiedervereinigungsboom. Das schleppende Auslandsgeschäft und kühle Sommer ließen bei dem Eiskremhersteller den Umsatz um 30 % auf 1,3 Mrd. DM einbrechen. Gleichwohl ging die Expansion weiter: Ein Werk in Polen wurde eröffnet, Kroatien und Russland wurden als Märkte erschlossen. Diese Internationalisierung überforderte die Kräfte des Familienunternehmens, das seit der Südmilch-Übernahme mit der Zuckerfabrik Franken einen stillen Teilhaber hatte. Nachdem die Zuckerfabrik in der Südzucker AG aufgegangen war, steigerte diese ihren Anteil an der Schöller Lebensmittel KG von 12,5 % auf 49 %. Den Rest hielt unter anderem die "Theo und Friedl Schöller-Stiftung", die der Unternehmer - nachdem er eine familiäre Nachfolge verworfen hatte - mit seiner Frau ins Leben gerufen hatte. Als die Kommanditgesellschaft Mitte der 1990er Jahre in eine Holding umgewandelt wurde, übernahm die Südzucker AG nicht nur die Mehrheit, sondern auch die Führung, bis sie diese am 1. Oktober 2001 an die schweizerische Nestlé AG weitergab. Drei Jahre später stellte der Lebensmittelkonzern die Produktion der "Schöller-Eiskrem" in Nürnberg ein. An dem Traditionsstandort werden seit 2004 nur noch "Handelsmarken" produziert, seit 2007 von der "Rosen Eiskrem GmbH". "Schöller-Eiskrem" kommt heute – wie das Mövenpick-Eis – vom Standort Uelzen auf den deutschen Markt.

Erbe und Erinnerung

Den Niedergang erlebte Theo Schöller nicht mehr. Nach längerer Krankheit starb er am 23. Juni 2004. Sein Erbe führte Friedl Schöller und die mit ihr ins Leben gerufene Stiftung fort. Die "Theo und Friedl Schöller-Stiftung" ist eine der großen Unternehmensstiftungen des Landes. Seit Ende der 1980er Jahre fördert sie vor allem medizinische Projekte an den Nürnberger Kliniken. Aber auch Studentenwohnheime, Schulen und andere gemeinnützige Einrichtungen mehr tragen den Namen der Stiftung oder der Stifter, so auch ein "Lehrstuhl für Technologie und Innovationsmanagement" an der Technischen Universität München, nachdem sie Theo Schöller die "Ehrenbürgerwürde" verliehen hatte. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ernannte Theo Schöller 1988 zum "Ehrensenator" und verlieh ihm Ende 1997 einen Ehrendoktor. Nicht nur den Nürnbergern bleibt Theo Schöller jedoch als einer der "Wundertäter" in Erinnerung, die das westdeutsche Wirtschaftswunder mitgestaltet haben.

Literatur

  • Der Eiskönig: Theo Schöller, in: Kerstin Möller, Hausbesuch, Cadolzburg 1998, 166-171.
  • Karlheinz Feuerlein, Dr. Theo Schöller. "Nichts ist unmöglich, und alles geht, wenn man nur will.", in: ders., Optimus quisque. Lebenserfolge der Tüchtigen. Eine Sammlung von Lebensbildern erfolgreicher Bayern, München 2002, 118-121.
  • Friedl Schöller, 50 Jahre Schöller zu Nürnberg. Firmengeschichte 1937-1987, Nürnberg o. J. [ca. 1988].
  • Schöller, in: Michael Diefenbacher/Rudolf Endres (Hg.), Stadtlexikon Nürnberg, Nürnberg 1999, 946.
  • Gregor Schöllgen, Der Eiskönig. Theo Schöller, Ein deutscher Unternehmer 1917-2004, München 2008.

Quellen

  • Heidemarie Prell, Vom Gipfelschnee zur fröhlichen Eiszeit. Siegeszug der faszinierenden Köstlichkeit Speiseeis. Vom Genuß- zum Nahrungsmittel, Nürnberg 1987.
  • Fünfzig Jahre Schöller zu Nürnberg, Nürnberg 1987.
  • Süddeutsche Zeitung, 5.12.2008.

Externe Links

Verwandte Artikel

Eiskrem-Fabrik, JOPA-Eiskrem, Jopa-Tiefkühlung Karl Schöller, Schöller-Eiskrem, Allgemeine Lebensmittelbetriebe

Empfohlene Zitierweise

Claus W. Schäfer, Schöller, publiziert am 05.06.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Schöller> (29.03.2024)